OGH 10Ob40/14a

OGH10Ob40/14a15.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der inzwischen volljährigen S*****, geboren am 20. Juni 1996, und der minderjährigen C*****, geboren am 19. Juli 1998, letztere vertreten durch das Land Oberösterreich als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft Eferding, 4070 Eferding, Stefan‑Fadinger‑Straße 2‑4), wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs der beiden Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 2. April 2014, GZ 21 R 78/14s, 21 R 79/14p‑18, womit infolge Rekurses des Vaters die Beschlüsse des Bezirksgerichts Eferding vom 31. Jänner 2014, GZ 1 Pu 70/13a‑6 und ‑7, abgeändert wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00040.14A.0715.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die beiden Antragstellerinnen sind die Kinder von A***** und Ing. T*****. Sie befinden sich in Pflege und Erziehung bei ihrer Mutter.

Der Vater verpflichtete sich mit dem am 29. 5. 2013 vor dem Erstgericht abgeschlossenen Vergleich, seinen Kindern S***** und C***** ab 1. 6. 2013 einen monatlichen Unterhalt von je 400 EUR zu zahlen. Dieser Unterhaltsvereinbarung lag ein geschätztes monatliches Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen von durchschnittlich 2.000 EUR aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu Grunde.

Am 8. 11. 2013 wurde über das Vermögen des Vaters zur AZ ***** des Landesgerichts Wels der Konkurs eröffnet und Mag. Stefan Weidinger, Rechtsanwalt in Wels, zum Masseverwalter bestellt. Dieser zeigte zunächst die Masseunzulänglichkeit an, Anfang Jänner 2014 jedoch dann den Wegfall der Masseunzulänglichkeit. Am 10. 2. 2014 wurde in der Insolvenzdatei bekannt gemacht, dass das Unternehmen des Vaters, der als Baumeister tätig ist, fortgeführt wird.

Am 24. 1. 2014 beantragten die beiden Antragstellerinnen, vertreten durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger, die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG mit der Begründung, dass am selben Tag die Bewilligung der Fahrnisexekution und der Exekution zur Sicherstellung gemäß § 372 EO beantragt worden sei. Die Leistungsfähigkeit des Vaters sei gegeben, weil er neben einem monatlichen Einkommen aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit nach den Angaben der Mutter auch über Einkommen aus Vermietung und Verpachtung verfüge. Den Vorschussanträgen waren Kopien des an das Erstgericht gerichteten Exekutionsantrags sowie eines Schreibens der Mutter an die Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 20. 1. 2014 angeschlossen, in welchem auch auf die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vaters hingewiesen wurde.

Das Erstgericht gewährte den Antragstellerinnen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG monatliche Unterhaltsvorschüsse von je 400 EUR für die Zeit vom 1. 1. 2014 bis 30. 6. 2014 (hinsichtlich S*****) bzw bis 31. 7. 2016 (hinsichtlich C*****). Es führte aus, dass der Vater aufgrund des Vergleichs vom 29. 5. 2013 zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 400 EUR je Kind verpflichtet sei. Der Unterhaltsschuldner habe nach der am 28. 6. 2013 eingetretenen Vollstreckbarkeit des Vergleichs den laufenden Unterhalt nicht zur Gänze geleistet. Gegen den Vater sei beim Erstgericht am 24. 1. 2014 ein Antrag auf Fahrnisexekution und auf Exekution zur Sicherstellung eingebracht worden.

Das Rekursgericht wies in Stattgebung des Rekurses des Vaters die Unterhaltsvorschüsse der beiden Antragstellerinnen ab. Es führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, der von den beiden Antragstellerinnen zeitgleich mit ihren Unterhaltsvorschussanträgen eingebrachte Antrag auf Bewilligung der Fahrnisexekution und der Exekution zur Sicherstellung sei von vornherein ungeeignet gewesen, ihre Geldunterhaltsansprüche hereinzubringen. Gemäß § 10 Abs 1 IO könne nämlich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen einer Forderung gegen den Schuldner an den zur Insolvenzmasse gehörigen Sachen kein richterliches Pfand‑ oder Befriedigungsrecht erworben werden. Dass auf konkursfreies Vermögen Exekution geführt werden sollte, lasse sich dem Exekutionsantrag nicht entnehmen. Es habe zwar das Erstgericht zunächst zur AZ 4 E 348/14g diesen Exekutionsantrag bewilligt, in der Folge sei jedoch über Antrag des Masseverwalters die Exekution mit Beschluss des Erstgerichts vom 20. 3. 2014 gemäß § 39 Abs 1 Z 2 EO iVm § 10 IO eingestellt worden. Es sei daher zur Zeit der Entscheidung des Erstgerichts über die Vorschussanträge, dem maßgeblichen Stichtag für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vorschussgewährung, ebenso wenig wie zur Zeit der Stellung der Unterhaltsvorschussanträge und des Exekutionsantrags eine taugliche und zielführende Exekutionsführung vorgelegen. Behauptungen betreffend eine Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung seien in den Vorschussanträgen nicht aufgestellt worden, sodass eine Unterhaltsvorschussgewährung nach § 4 Z 1 UVG nicht in Betracht komme. Die Unterhaltsvorschussanträge seien vielmehr lediglich auf das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 3 Z 2 UVG gestützt worden und seien daher wegen der Einbringung eines untauglichen und nicht zielführenden Exekutionsantrags abzuweisen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil auch die Ansicht vertreten werden könnte, dass bei anhängigem Insolvenzverfahren des Unterhaltsschuldners im Vorbringen, einen Fahrnisexekutionsantrag und einen Antrag auf Bewilligung der Exekution zur Sicherstellung gestellt zu haben, das Vorbringen der Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung iSd § 4 Z 1 UVG enthalten sei und daher bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Vorschüsse aus dem zuletzt genannten Grund zu bewilligen wären.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der beiden Antragstellerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Wiederherstellung der stattgebenden Beschlüsse des Erstgerichts abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Revisionsrekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberinnen machen im Wesentlichen geltend, dass der gegen den selbständigen Unterhaltspflichtigen eingebrachte Antrag auf Bewilligung der Fahrnisexekution und der Exekution zur Sicherstellung nach § 372 EO entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts nicht als „von vornherein ungeeignet“ angesehen werden könne, da die Exekution auch durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht ausnahmslos iSd § 10 IO untersagt, vielmehr hinsichtlich der nicht zur Insolvenzmasse gehörigen Sachen bzw des dem Gemeinschuldner gemäß § 5 Abs 1 IO Überlassenen oder Zugewendeten zulässig sei. Dass auch dies vom Antrag umfasst sei, ergebe sich hier zumindest schlüssig. Im Übrigen hätte das Gericht insoweit auch ohne ausdrücklichen Antrag im Rahmen seiner allgemeinen Fürsorgepflicht tätig werden müssen und Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG bewilligen müssen. Es sei im vorliegenden Fall nämlich Tatsache, dass derzeit keine Unterhaltszahlungen vom Vater einbringlich gemacht werden können. Insofern könne es im Interesse der dringend auf Unterhalt angewiesenen Kinder auch nicht erheblich sein, ob im Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen ausdrücklich behauptet werde, eine Exekutionsführung sei aussichtslos oder sich dies durch die Einstellung der beantragten Fahrnisexekution durch das Gericht in der Praxis ergebe.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

1. Gemäß § 3 UVG sind Vorschüsse zu gewähren, wenn 1. für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht und 2. der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet sowie das Kind glaubhaft macht (§ 11 Abs 2 UVG), einen Exekutionsantrag nach § 294a EO oder, sofern der Unterhaltsschuldner offenbar keine Gehaltsforderung oder keine anderen in fortlaufenden Bezügen bestehende Forderung hat, einen Exekutionsantrag auf bewegliche körperliche Sachen unter Berücksichtigung von § 372 EO eingebracht zu haben.

1.1 Aufgrund der Subsidiarität der Vorschussgewährung gegenüber der zwangsweisen Hereinbringung der Geldunterhaltsleistungen muss der Exekutionsantrag grundsätzlich zielführend in dem Sinn sein, dass damit die Möglichkeit besteht, den Geldunterhaltsanspruch auch zu lukrieren ( Neumayr in Schwimman/Kodek , ABGB 4 I § 3 UVG Rz 21 mwN). Grundsätzlich sollen daher Vorschüsse geleistet werden können, sobald ein vollstreckbarer Exekutionstitel für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch besteht und ein tauglicher Exekutionsantrag bei Gericht eingebracht worden ist (Neumayr, Unterhaltsvorschuss neu, ÖJZ 2010/20, 164 [165]).

2. Zutreffend hat bereits das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass der von den Antragstellerinnen zeitgleich mit den Unterhaltsvorschussanträgen eingebrachte Antrag auf Bewilligung der Fahrnisexekution und der Exekution zur Sicherstellung von vornherein ungeeignet war, die Geldunterhaltsansprüche der Kinder hereinzubringen, da gemäß § 10 Abs 1 IO nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen einer Forderung gegen den Schuldner an den zur Insolvenzmasse gehörigen Sachen kein richterliches Pfand‑ oder Befriedigungsrecht erworben werden kann. Soweit die Rechtsmittelwerberinnen auf die Möglichkeit einer Exekutionsführung hinsichtlich des konkursfreien Vermögens gemäß § 5 Abs 1 IO verweisen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass der betreibende Gläubiger nach ständiger Rechtsprechung schon im Exekutionsantrag darzulegen hat, dass die Exekutionsführung trotz des nach § 10 Abs 1 IO eingetretenen Vollstreckungsschutzes zulässig sei, weil Exekution auf konkursfreies Vermögen des Gemeinschuldners zur Hereinbringung einer Forderung geführt wird, für die dieses Vermögen als Befriedigungsfonds zur Verfügung steht. Eine Nachforschungspflicht des Exekutionsgerichts, ob Vermögen gemäß § 5 IO überlassen wurde, besteht jedenfalls dann nicht, wenn der betreibende Gläubiger solche Behauptungen im Exekutionsantrag unterließ (vgl Schubert in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 5 Rz 21 mwN; RIS‑Justiz RS0063929 ua).

2.1 Im vorliegenden Fall lässt sich dem Exekutionsantrag nicht entnehmen, dass auf konkursfreies Vermögen Exekution geführt werden sollte. Es lag daher nach zutreffender Rechtsansicht des Rekursgerichts von vornherein keine taugliche und zielführende Exekutionsführung iSd § 3 Z 2 UVG vor, was sich auch darin zeigt, dass in der Folge über Antrag des Masseverwalters die Exekution mit Beschluss des Erstgerichts vom 20. 3. 2014 gemäß § 39 Abs 1 Z 2 EO („wenn die Exekution auf Sachen, Rechte oder Forderungen geführt wird, die nach den geltenden Vorschriften der Exekution überhaupt oder einer abgesonderten Exekutionsführung entzogen sind“) iVm § 10 IO eingestellt wurde. Eine Vorschussgewährung nach § 3 UVG kommt daher nicht in Betracht.

3. Nach § 4 Z 1 UVG sind Vorschüsse auch zu gewähren, wenn zwar die Voraussetzungen des § 3 Z 1 UVG gegeben sind, aber die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG aussichtslos erscheint, weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Ertrag erwarten lässt, nicht bekannt ist.

3.1 Eine Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung iSd § 4 Z 1 UVG kann dann angenommen werden, wenn nach der Aktenlage für jedermann, der in Kenntnis der aktenkundigen Verhältnisse ist, eine Exekutionsführung als aussichtslos erscheinen muss. Das Kind ist gehalten, konkrete Umstände, die für die Aussichtslosigkeit sprechen, im Antrag zu behaupten. Maßgeblich für die Beurteilung der Aussichtslosigkeit ist nicht der Zeitpunkt der Antragstellung, sondern die objektive Aktenlage zum Entscheidungszeitpunkt erster Instanz ( Neumayr in Schwimann/Kodek , ABGB 4 I § 4 UVG Rz 4 f mwN).

3.2 Es wurde in der Rechtsprechung bereits mehrfach entschieden, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen für sich allein (ohne Prüfung dessen, was der Gemeinschuldner erwirbt, was ihm überlassen wird oder was er ‑ etwa auch durch Freistellung von der Masse ‑ erwerben könnte) im Regelfall noch nicht die Annahme der Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung rechtfertigt, da auf das den Gemeinschuldner gemäß § 5 Abs 1 IO überlassene oder zugewendete Einkommen Exekution auf den laufenden Unterhalt gewährt werden kann ( Neumayr in Schwimann/Kodek , ABGB 4 I § 4 UVG Rz 7 mwN; RIS‑Justiz RS0076082, RS0063910).

3.3 Die Anführung der notwendigen Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen obliegt somit dem Kind. Vorschussanträge sind demnach, wenn auch nur kurz ‑ mittels substantiierter Tatsachenbehauptungen ‑ zu begründen (10 Ob 103/11m mwN). In den Vorschussanträgen der beiden Antragstellerinnen wurden keinerlei konkrete Umstände angeführt, aus denen im vorliegenden Fall die Annahme einer Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung ableitbar wäre. Es wurde in der Begründung der Vorschussanträge selbst auf das gegen den Unterhaltspflichtigen damals bereits anhängige Insolvenzverfahren nicht Bezug genommen. Eine Behauptung konkreter Umstände für die Annahme der Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung iSd § 4 Z 1 UVG durch die beiden Antragstellerinnen liegt somit nicht vor und kann auch nicht aus der erst nach der Beschlussfassung in erster Instanz erfolgten Einstellung des Exekutionsverfahrens abgeleitet werden. Der Vorschussantrag kann daher nach zutreffender Rechtsansicht des Rekursgerichts auch nicht mit Erfolg auf den Tatbestand des § 4 Z 1 UVG gestützt werden.

Aus diesen Gründen musste dem Revisionsrekurs ein Erfolg versagt bleiben.

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