OGH 10Ob342/97k

OGH10Ob342/97k28.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer, Dr.Danzl und Dr.Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.Helmut L*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Josef W. Deitzer, Rechtsanwalt in Schwechat, wider die beklagte Partei Johann M*****, Vertragsbediensteter, ***** vertreten durch Dr.Karl Franz Leutgeb, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 52.672,58 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 14.Juli 1997, GZ 35 R 506/97i-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 24.März 1997, GZ 6 C 2694/96g-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.861,16 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 811,96 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte hat den Kläger und dessen Lebensgefährtin Brigitte M***** am 24.5.1995 durch die telefonischen (auf das Tonband eines Anrufbeantworters gesprochenen) Äußerungen "ihr zwa werds net oid" und "stirb langsam, Baby" gefährlich bedroht; er wurde deshalb mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.2.1996 wegen § 107 Abs 1 StGB (Vergehen der gefährlichen Drohung) zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe unter Setzung einer dreijährigen Probezeit rechtskräftig verurteilt.

Mit der am 3.12.1996 eingebrachten Klage begehrt der Kläger vom Beklagten die Zahlung von S 52.672,58 mit der Behauptung, er sei aufgrund der Drohungen des Beklagten genötigt gewesen, zum Schutz vor diesem seine Wohnung abzusichern. Für Absicherungsmaßnahmen seien ihm Kosten in der eingeklagten Höhe entstanden. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den Kosten einer Alarmanlage von S 42.224,82, den Kosten eines Balkenschlosses in Höhe von S 7.282,76, den Kosten für eine Telefon-Geheimnummer von S 200,-- jährlich, insgesamt S 400,--, Kosten einer Tonbandersatzkassette für einen Anrufbeantworter von S 90,--, Kosten eines Halbzylinders von S 695,--, Kosten der Kabelrohre von S 1.827,--, Moltofillputz S 33,-- und Stempelmarken von S 120,--.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete unter anderem ein, daß der geltend gemachte Betrag keinen ersatzfähigen Schaden darstelle und nicht vom Schutzzweck der verletzten Norm umfaßt sei. Die behaupteten Schäden stellten mangels Erfüllung eines Rechtswidrigkeitszusammenhanges in bezug auf § 107 Abs 1 StGB einen mittelbaren Schaden dar. Der geltend gemachte Betrag sei auch überhöht, der Kläger sei seiner Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen. Die Sicherung einer Wohnung hätte mit geringeren Mitteln durchgeführt werden können; eine Sicherung gegen Glasbruch sei nicht erforderlich, weil sich die Wohnung des Klägers im ersten Stock befinde. Darüber hinaus müsse er sich den Vorteil anrechnen lassen, der darin bestehe, daß er nun eine völlig abgesicherte Wohnung habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der Kläger als Folge der telefonischen Drohungen des Beklagten seine Wohnung durch eine Alarmanlage sichern und sich eine Geheimnummer geben ließ, wodurch Kosten in Höhe des Klagsbetrages entstanden seien. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, durch die Bedrohung des Klägers und seiner Lebensgefährtin durch den Beklagten sei unmittelbar ein Vermögensschaden beim Kläger nicht eingetreten. Die von ihm durchgeführten Sicherungsmaßnahmen könnten höchstens allenfalls in der Zukunft liegende ähnliche Angriffe des Beklagten erschweren oder vielleicht sogar verhindern. Sie könnten aber mit der bereits vollbrachten und durch die Verurteilung auch erledigten gefährlichen Drohung nicht in unmittelbaren Zusammenhang gebracht werden. Es fehle daher an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Tat des Beklagten und den vom Kläger nachträglich aufgewendeten Beträgen zur Abwehr allenfalls künftiger ähnlicher Angriffe. Die Sicherungsmaßnahmen der Wohnung könnten, selbst wenn man von einer Wiederholungsgefahr ausgehen sollte, zukünftige gefährliche Drohungen weder abwehren noch verhindern, da es einem potentiellen Täter möglich wäre, seine Drohungen auf andere Weise an die bedrohten Personen zu adressieren. Der Aufwand des Klägers erweise sich nicht als kausaler Schaden, der sich aus der strafbaren Handlung des Beklagten zwangsweise oder doch typischerweise ergebe, weshalb das Klagebegehren nicht berechtigt sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sei richtig, daß der Kläger die Absicherungsmaßnahmen bereits im Jahr 1995 getätigt habe, das verurteilende Strafurteil jedoch erst am 21.2.1996 ergangen sei. Damit sei für den Kläger jedoch nichts gewonnen, weil es sich bei den begehrten Kosten für die Absicherungsmaßnahmen um keinen ersatzfähigen Schaden handle. Gegenstand der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB sei es, den Bedrohten in Frucht und Unruhe zu versetzen, wodurch ein nachhaltiger, das ganze Gemüt ergreifender peinvoller Seelenzustand des Opfers herbeigeführt werden müsse. Daraus ergebe sich, daß als geschütztes Rechtsgut des § 107 Abs 1 StGB die Psyche bzw der Seelenzustand und das Gemüt des Bedrohten anzusehen sei, aber nicht dessen Vermögen. Der Kläger begehre ausschließlich den Ersatz eines Vermögensschadens, der vom Schutzzweck der strafrechtlichen Norm nicht umfaßt sei.

Das Berufungsgericht sprach noch aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, da die in § 502 Abs 1 ZPO genannten Voraussetzungen nicht vorliegen würden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragte in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil zu den hier maßgeblichen Rechtsfragen des Ersatzes von Vorsorgeaufwendungen eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht existiert. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger führt im wesentlichen aus, das Strafgesetzbuch verstehe aufgrund der Begriffsbestimmung des § 74 Z 5 StGB unter einer gefährlichen Drohung eine Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen, die geeignet sei, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen. Es könne daher ohne sachliche Rechtfertigung nicht davon abgegangen werden, daß die im § 74 Z 5 StGB genannten Rechtsgüter nicht vom Schutzzweck der Norm des § 107 StGB (gefährliche Drohung) mitumfaßt sein sollten. Der Drohende, der einen anderen bewußt in Furcht und Unruhe versetze, müsse auch damit rechnen, daß der Bedrohte sich von seinem qualvollen Seelenzustand zu befreien versuche. Die Maßnahmen des Klägers seien daher unmittelbar aufgrund der konkreten Drohung durch den Beklagten gesetzt worden, weil ja der Kläger nicht nur eine neuerliche Bedrohung befürchtet habe, sondern auch damit rechnen habe müssen, daß der Beklagte seine Drohung wahrmachen werde. Analog einer medizinischen Heilbehandlung bei einer Körperverletzung würden auch Absicherungsmaßnahmen zur Beendigung des qualvollen seelischen Ausnahmezustandes einen direkten und ersatzfähigen Schaden darstellen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Der Kläger verweist zwar mit Recht darauf, daß sich die Anschlußerklärung eines Privatbeteiligten nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch auf das Vergehen der gefährlichen Drohung beziehen kann, weil eine gefährliche Drohung jedenfalls geeignet ist, die seelische Gesundheit der bedrohten Person zu beeinträchtigen. Es wurde daher ausgesprochen, daß ein aus einer solchen Tat entstehender, im Anschlußverfahren verfolgbarer, (vermögensrechtlicher) Schaden des Bedrohten (§§ 1293, 1325 ABGB) daher keineswegs ausgeschlossen ist (9 Os 41/77; Rz 1977/12). Die vom Kläger aufgewendeten Maßnahmen dienen jedoch nicht dazu, einen durch die strafbare Handlung des Beklagten eingetretenen vermögensrechtlichen Schaden zu beseitigen, sondern sie bezwecken nach Ansicht des Klägers, wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat, allenfalls in der Zukunft liegende Angriffe auf das Leben, die Gesundheit oder das Vermögen des Klägers zu erschweren oder zu verhindern. Soweit es nur um den Schutz vor einer mißbräuchlichen Belästigung durch Telefonanrufe geht, so hat der damit in seinem Persönlichkeitsrecht auf Achtung seiner Privatssphäre Verletzte nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (SZ 67/173) einen Unterlassungsanspruch. Das Verhalten des Anrufers wurde unabhängig davon als rechtswidrig qualifiziert, ob der Angerufene durch den Telefonterror physische oder psychische Schäden davonträgt und ob daher auch sein Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt wird. Persönlichkeitsrechte sind nämlich absolute Rechte und genießen als solche Schutz gegen Eingriffe Dritter; droht ihre Verletzung, so steht ein verschuldensunabhängiger Unterlassungsanspruch zu. Gegen Eingriffe in Persönlichkeitsrechte, die sich (auch) außerhalb des vermögensrechtlichen Bereiches auswirken, bietet nur ein Abwehranspruch Schutz.

Nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen hat der Ersatzpflichtige dem Ersatzberechtigten auch die Aufwendungen zu ersetzen, die zur Minderung und zur Beseitigung des Schadens erforderlich sind oder die der Ersatzberechtigte doch für erforderlich halten durfte. Fraglich ist die schadenersatzrechtliche Behandlung von Aufwendungen, die der Geschädigte zu dem angeführten Zweck bereits vor einem Schadensfall getätigt hat. Von praktischer Bedeutung waren hier namentlich Aufwendungen für Reservefahrzeuge, für die Einrichtung und Unterhaltung einer eigenen Reparaturwerkstatt oder für Überwachungsorganisationen, wie sie in großen Geschäfts- und Warenhäusern üblich sind (Lange, Schadensersatz2, 293 f). Grundsätzlich muß der Kausalzusammenhang zwischen einem Ereignis und dem eingetretenen Schadenserfolg als Voraussetzung dafür vorliegen, daß derjenige, der dieses Ereignis gesetzt hat oder dem es zurechenbar ist, für den Schaden einzustehen hat. Von der Verursachung her sind keine Schwierigkeiten gegeben, wenn der Geschädigte aufgrund des Schadensereignisses Aufwendungen machen mußte, zB für die Heilung der Verletzung, die Anmietung eines Ersatzwagens, die Ausbesserung der beschädigten Sache oder auch die Beweissicherung. Das gleiche gilt auch für Aufwendungen die der Geschädigte aufgrund seiner Schadensminderungspflicht nach Setzung der schädigenden Handlung vornahm, um die Schadenshöhe möglichst gering zu halten oder den drohenden Schadenseintritt zu verhindern. Die Kausalität ist nicht nur bei derartigen Folgeschäden gegeben, sondern auch dann, wenn eine schuldhafte Gefährdung zu einer Abwehrmaßnahme des Bedrohten führt (siehe hiezu Hans Stoll, Haftungsrechtlicher Schutz gegen drohendes Unrecht, FS Hermann Lange, 729 ff). Hingegen sind jene Fälle problematisch, in denen vor dem rechtswidrigen Verhalten vom späteren Geschädigten Aufwendungen vorgenommen wurden, die den Zweck hatten, allfällige Schädigungen abzuwehren. Zu erwähnen sind hier etwa die Einstellung eines Nachtwächters oder Detektivs, der Einbau von Warnanlagen oder von Fernsehkameras. Es stellt sich die Frage, ob der Geschädigte Ersatz für solche vorsorglichen Maßnahmen begehren kann, die im Hinblick auf allfällige künftige Schadensereignisse gesetzt wurden (Koziol, Haftpflichtrecht3 I 99 ff). Ein Ersatz solcher Aufwendungen kommt nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen mangels Kausalzusammenhanges zwischen der schädigenden Tat und diesen Aufwendungen nicht in Betracht (Koziol aaO 293; Lange, aaO 296 f; Stoll aaO 745 f). Anders liegt die Sache dann, wenn Schutzmaßnahmen durch einen bevorstehenden und späterhin eintretenden konkreten Schadenstatbestand ausgelöst worden sind, so zB wenn der Ersatzberechtigte von dritter Seite auf einen drohenden Einbruch hingewiesen wird und Vorsorge für die Verhütung bzw Aufdeckung der Straftat trifft (Lange aaO 297). Eine potentielle Bedrohung, die nicht schon als aktuelle Störung eines geschützten Rechtsguts verstanden werden kann, reicht hingegen nicht aus, um einen haftungsrechtlichen Anspruch auf Gefahrbeseitigung oder auf Erstattung von Beseitigungskosten zu begründen (Stoll aaO 745).

Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, daß die Aufwendungen des Klägers für die Sicherung seiner Wohnung durch eine Alarmanlage, durch ein Balkenschloß und durch eine Geheimnummer Aufwendungen sind, die nicht in einem adäquaten Kausalzusammenhang mit der festgestellten gefährlichen Drohung des Beklagten stehen. Die Maßnahmen dienen auch nicht zur Abwehr eines konkreten unmittelbar bevorstehenden Schadensereignisses. Es wurde weder behauptet noch festgestellt, daß sich der Beklagte der Wohnung des Klägers überhaupt in irgendeiner Weise genähert oder auch nur seine telefonische Drohung wiederholt hätte. Mangels eines adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen den Aufwendungen des Klägers und der strafbaren Handlung des Beklagten haben daher die Vorinstanzen das Klagebegehren zutreffend abgewiesen.

Der Revision des Klägers war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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