European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00034.19A.0625.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.096,56 EUR (darin enthalten 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob sich die Beklagte bei dem von ihr mit dem Kläger außerhalb dessen Geschäftsräumlichkeiten abgeschlossenen Immobilienmaklervertrag erfolgreich auf die Verlängerung der Rücktrittsfrist nach § 12 Abs 1 FAGG im Hinblick darauf berufen kann, dass ihr anlässlich der Information über das Rücktrittsrecht durch Übergabe eines „Merkblatts“ (§ 4 Abs 1 Z 8 FAGG) nicht zusätzlich ein Muster‑Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B FAGG zur Verfügung gestellt wurde.
Der Kläger ist gewerblicher Immobilienmakler. Er wurde vom Eigentümer einer Eigentumswohnung mit deren Vermittlung und Verkauf beauftragt. Die Beklagte wurde über ein Inserat des Klägers auf die Kaufgelegenheit aufmerksam. Nachdem sie die Wohnung mit einer Mitarbeiterin des Klägers zweimal besichtigt hatte, unterfertigte sie am 31. 5. 2017 außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten des Klägers ein schriftliches Kaufanbot, in dem sie sich verpflichtete, an den Kläger eine – mit Annahme des Anbots durch den Verkäufer fällig werdende – Provision in Höhe von 12.450 EUR zuzüglich 20 % Umsatzsteuer (gesamt 14.940 EUR) zu zahlen.
Anlässlich der Unterfertigung des Kaufanbots wurde der Beklagten ein – im Kleinstdruck gehaltenes – „Merkblatt über voraussichtlich erwachsende Nebenkosten gemäß § 30b Konsumentenschutzgesetz – Kauf-, Miet- und Hypothekardarlehensverträge“ überreicht, das Belehrungen hinsichtlich des Rücktrittsrechts vom Maklervertrag enthält, darunter auch folgende Passage betreffend das Unterbleiben der Aufklärung über das Rücktrittsrecht sowie die Ausübung des Rücktrittsrechts:
§ 12 FAGG (1) Ist der Unternehmer seiner Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 8 nicht nachgekommen, so verlängert sich die in § 11 vorgesehene Rücktrittspflicht (gemeint „Rücktrittsfrist“) um 12 Monate.
Holt der Unternehmer die Informationserteilung innerhalb von 12 Monaten ab dem für den Fristbeginn maßgeblichen Tag nach, so endet die Rücktrittsfrist 14 Tage nach dem Zeitpunkt, an dem der Verbraucher diese Information erhält.
Ausübung des Rücktrittsrechts
§ 13 FAGG (1) Die Erklärung des Rücktritts ist an keine bestimme Form gebunden. Der Verbraucher kann dafür das Widerrufsformular verwenden. Die Rücktrittsfrist ist gewahrt, wenn die Rücktrittserklärung innerhalb der Frist abgesendet wird.
(2) Der Unternehmer kann dem Verbraucher auch die Möglichkeit einräumen, das Widerrufsformular oder eine anders formulierte Rücktrittserklärung auf der Website des Unternehmens elektronisch auszufüllen und abzuschicken. Gibt der Verbraucher eine Rücktrittserklärung auf diese Weise ab, so hat ihm der Unternehmer unverzüglich eine Bestätigung über den Eingang einer Rücktrittsbestätigung auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln …“.
Unstrittig ist, dass der Beklagten kein Muster‑Widerrufsformular iSd Anhang I Teil B des Fern- und Auswärtsgeschäfte‑Gesetzes (FAGG) zur Verfügung gestellt wurde. Der Verkäufer nahm das Kaufanbot durch Unterschrift auf dem Anbotsformular an. In der Folge kam es jedoch nicht zur Errichtung einer verbücherungsfähigen Kaufvertragsurkunde. Am 27. 2. 2018 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Maklervertrag.
Der Kläger begehrte von der Beklagten 29.880 EUR sA, davon 14.940 EUR an Käuferprovision und (gestützt auf Schadenersatz) weitere 14.940 EUR an entgangener Abgeberprovision, die nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist.
Zur Käuferprovision brachte der Kläger vor, infolge Annahme des Kaufanbots durch den Verkäufer sei ein Kaufvertrag über die Wohnung zustande gekommen. Aufgrund der erfolgreichen Vermittlung bestehe Anspruch auf die mit der Beklagten vereinbarte Vermittlungsprovision.
Die Beklagte wendete unter anderem ein, die Belehrung über das Rücktrittsrecht in dem ihr übermittelten Merkblatt Beilage ./2 entspreche nicht den Erfordernissen des § 4 Abs 1 Z 8 FAGG. Der Kläger habe jede weitere (mündliche) Belehrung unterlassen. Da ihr auch kein Muster‑Rücktrittsformular zur Verfügung gestellt worden sei, verlängere sich die Rücktrittsfrist auf zwölf Monate. Sie erkläre hiemit (mit Schriftsatz vom 27. 2. 2018) den Rücktritt vom Maklervertrag.
Der Kläger replizierte, die Beklagte sei mittels des Merkblatts ausreichend über ihr Rücktrittsrecht belehrt worden. Das Merkblatt sei außerdem mit ihr „Punkt für Punkt durchgegangen worden“, es sei lediglich kein Widerrufsformular zur Verfügung gestellt worden.
Vorbringen zur allfälligen Möglichkeit des Herunterladens eines Widerrufsformulars von einer Website wurde im Verfahren erster Instanz nicht erstattet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Vertrag sei außerhalb der Geschäftsräume des Klägers abgeschlossen worden, weshalb der Beklagten ein Rücktrittsrecht nach dem FAGG zukomme. Ohne Zurverfügungstellung eines Muster-Widerrufsformulars habe der Kläger seine Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 8 FAGG nicht vollständig erfüllt. Gemäß § 12 Abs 1 FAGG verlängere sich deshalb die Rücktrittsfrist um zwölf Monate. Im Hinblick auf den Abschluss des Maklervertrags am 31. 5. 2017 sei die Rücktrittserklärung vom 27. 2. 2018 fristgerecht erfolgt. Der Provisionsanspruch des Klägers bestehe daher nicht zu Recht.
Gegen dieses Urteil richtete sich die Berufung des Klägers im Umfang der Abweisung eines Teilbetrags von 14.940 EUR (der Käuferprovision). Die Abweisung des Mehrbegehrens (Abgeberprovision) erwuchs in Rechtskraft.
Das Berufungsgericht gab der allein wegen der Abweisung des Begehrens auf Zahlung der Käuferprovision erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Die Information über das Rücktrittsrecht habe unter Zurverfügungstellung des Muster-Widerrufsformulars gemäß Anhang I Teil B zu erfolgen. Die Zurverfügungstellung dieses Formulars bilde einen Teil der Informationspflicht. Bezweckt sei, dass der Verbraucher über ein Schriftstück verfügen solle, das ihm bei Bedarf einen korrekten und in zweifelsfreier Weise verbindlichen Rücktritt ermögliche. Der Frage, ob die Zurverfügungstellung eines Muster‑Widerrufsformulars in Papierform unterbleiben könne, wenn der Unternehmer dem Verbraucher die Möglichkeit einräume, das Muster‑Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B oder eine anders formulierte Rücktrittserklärung auf der Website des Unternehmens elektronisch auszufüllen und abzuschicken (§ 13 Abs 2 FAGG), komme keine entscheidende Bedeutung zu, weil der Kläger in erster Instanz keine entsprechenden Behauptungen aufgestellt habe. Derartiges gehe auch nicht aus dem Merkblatt hervor, in dem nur der Gesetzestext abgedruckt sei und nicht einmal die Website des Klägers angeführt werde. Da die Beklagte innerhalb der ihr zur Verfügung stehenden zwölfmonatigen Frist vom Maklervertrag zurückgetreten sei, sei nicht maßgeblich, ob ein Kaufvertrag zustande gekommen sei.
Die Revision sei zulässig, weil es an Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob das Unterlassen der Zurverfügungstellung des Muster‑Widerrufsformulars anlässlich der Information des Verbrauchers über sein Rücktrittsrecht (§ 4 Abs 1 Z 8 FAGG) die Verlängerung der Rücktrittsfrist nach § 12 Abs 1 FAGG bewirke; die Entscheidung 8 Ob 122/17z betreffe nur die Ausnahme vom Rücktrittsrecht nach § 18 Abs 1 Z 1 FAGG.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bislang zu der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage nicht Stellung genommen hat; die Revision ist aber nicht berechtigt.
1. Dass das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz BGBl I 2014/33 (FAGG) auf den vorliegenden Fall Anwendung findet, ist zwischen den Parteien nicht strittig. Der Maklervertrag wurde außerhalb der Geschäftsräume des Klägers (§ 3 Z 1 FAGG) abgeschlossen.
2.1 Mit dem FAGG wurde die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (Verbraucherrechte‑RL) umgesetzt.
2.2 Nach § 4 Abs 1 FAGG muss der Unternehmer dem Verbraucher, bevor dieser durch einen Vertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist, in klarer und verständlicher Weise bestimmte Informationen erteilen und zwar „bei Bestehen eines Rücktrittsrechts [über] die Bedingungen, die Fristen und die Vorgangsweise für die Ausübung dieses Rechts, dies unter Zurverfügungstellung des Muster‑Widerrufsformulars gemäß Anhang I Teil B“ (Z 8).
2.3 Bei außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers geschlossenen Verträgen sind dem Verbraucher die in § 4 Abs 1 FAGG genannten Informationen – ua die Informationen zum Rücktrittsrecht nach den Ziffern 8, 9 und 10 – auf Papier oder, sofern der Verbraucher dem zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger bereitzustellen, wobei die Informationen lesbar, klar und verständlich sein müssen (§ 5 FAGG). Der Unternehmer hat dem Verbraucher eine Ausfertigung des unterzeichneten Vertragsdokuments oder die Bestätigung des geschlossenen Vertrags auf Papier oder, sofern der Verbraucher zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger bereitzustellen (§ 5 Abs 2 Satz 1 FAGG).
2.4 Der Verbraucher kann von einem Fernabsatzvertrag oder einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten. Bei Dienstleistungsverträgen – ein solcher liegt hier vor – beginnt die Frist zum Rücktritt mit dem Tag des Vertragsabschlusses (§ 11 Abs 1 und Abs 2 Z 1 FAGG).
2.5 Ist der Unternehmer seiner Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 8 FAGG nicht nachgekommen, verlängert sich die in § 11 FAGG vorgesehene Rücktrittsfrist um zwölf Monate (§ 12 Abs 1 FAGG).
2.6 Die Erklärung des Rücktrittsrechts ist an keine bestimmte Form gebunden. Der Verbraucher kann dafür das Muster‑Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B verwenden (§ 13 Abs 1 FAGG).
2.7 Um für den Verbraucher eine Erleichterung zu schaffen, kann der Unternehmer ihm auch die Möglichkeit einräumen, das Muster‑Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B oder eine anders formulierte Rücktrittserklärung auf der Website des Unternehmers elektronisch auszufüllen und abzuschicken. Gibt der Verbraucher eine Rücktrittserklärung auf diese Weise ab, so hat ihm der Unternehmer unverzüglich eine Bestätigung über den Eingang der Rücktrittserklärung auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln (§ 13 Abs 2 FAGG).
3. § 4 Abs 1 Z 8 FAGG entspricht weitgehend Art 6 Abs 1 Buchst h der Verbraucherrechte‑RL. Diese Zustimmung ordnet an, dass der Unternehmer den Verbraucher vor Vertragsabschluss (bzw vor Bindung an ein Vertragsangebot) im Fall des Bestehens eines Widerrufsrechts über die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie das Muster‑Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B der Richtlinie zu informieren hat.
Aus den Gesetzesmaterialien zum FAGG geht hervor, dass der Gesetzgeber die Formulierung des Art 6 Abs 1 lit h der Verbraucherrechte‑RL als widersprüchlich empfand, da nicht gemeint sei, dass der Unternehmer über das Formular informieren solle, sondern dass er anlässlich der Information über das Widerrufsrecht dem Verbraucher zur Erleichterung einer allfälligen Rücktrittserklärung das Musterformular zur Verfügung stellen soll (RV 89 BlgNR 25. GP 27). An anderer Stelle wird in den Gesetzesmaterialien ausgeführt, es sei klar, dass die Verlängerung der Rücktrittsfrist nur durch eine Belehrung ausgeschlossen werde, die mit der Zurverfügungstellung des Muster‑Widerrufsformulars einhergehe (RV 89 BlgNR 25. GP 35).
4. In der Literatur zum FAGG wird die Rechtsansicht vertreten, die Unterlassung der Beifügung des Muster‑Widerrufsformulars zur Belehrung über das Rücktrittsrecht führe zu einer Verlängerung der Rücktrittsfrist:
4.1 Nach Dehn ist der Information über das Rücktrittsrecht verpflichtend (zwingend) das Muster‑Widerrufsformular beizufügen, damit der Verbraucher jedenfalls über ein Schriftstück verfügt, das ihm bei Bedarf einen korrekten und in zweifelsfreier Weise verbindlichen Rücktritt ermöglicht. Ohne die Beifügung des Formulars ist der Informationspunkt der Z 8 nicht vollständig erfüllt, weshalb es gemäß § 12 Abs 1 FAGG zur Verlängerung der Rücktrittsfrist komme (Dehn in Schwimann/Kodek, ABGB‑Praxiskommentar4 [2015] § 4 FAGG Rz 25; Dehn, Praxisprobleme des FAGG, in Leupold, Forum Verbraucherrecht 2015, 1 [15]).
4.2 Stabentheiner vertritt ebenfalls die Ansicht, dass es zur Erfüllung der Informationspflicht über das Rücktrittsrecht einerseits einer Belehrung über dessen Bedingungen und Fristen sowie über die Vorgangsweise für die Ausübung dieses Rechts und andererseits (obligatorisch) der Zurverfügungstellung des Muster‑Widerrufsformulars bedürfe. Selbst bei ordnungsgemäßer Belehrung komme es zur Rücktrittsfristverlängerung, wenn dem Verbraucher das Formular nicht ausgefolgt, übermittelt oder allenfalls iSd § 13 Abs 2 elektronisch bereitgestellt werde (Stabentheiner, Das neue Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz, VbR 2014/68, 108 [112, 118]).
4.3 Auch nach Kepplinger muss neben der Belehrung über das Widerrufsrecht das Muster‑Widerrufsformular zur Verfügung gestellt werden, widrigenfalls auch die sachlich zutreffende und vollständige Belehrung in korrekter Form nicht ausreiche, um eine Fristverlängerung zu verhindern (Kepplinger, Der Maklervertrag mit dem Interessenten und das FAGG, immolex 2018, 134 [137]). Diese Ansicht vertritt auch Schwarzenegger in Schwimann/Kodek [Hrsg], ABGB‑Praxiskommentar4 [2015], § 12 FAGG, Rz 11).
4.4 Leupold geht ebenfalls davon aus, dass die Fristverlängerung nach § 12 Abs 1 FAGG auch dann eintritt, wenn dem Verbraucher kein Muster‑Widerrufsformular zur Verfügung gestellt wird. Durch die zwingende Übermittlung des Formulars soll dem Verbraucher sein Rücktrittsrecht in besonders eindringlicher Weise vor Augen geführt werden (Leupold, Das Rücktrittsrecht gem §§ 11 ff FAGG – Überblick und ausgewählte Fragen, wbl 2014, 481 [483 ff]).
4.5 Auch Kolba/Kosesnik‑Wehrle vertreten die Ansicht, dass der Unternehmer dem Verbraucher das Muster-Widerrufsformular zur Verfügung stellen muss, da ansonsten die Belehrung unvollständig wäre; in diesem Fall verlängert sich die Rücktrittsfrist für den Verbraucher (Kolba/Kosesnik-Wehrle, Leitfaden Rücktrittsrechte im Kern des Konsumentenschutzes, VbR 2014/46, 78 Fn 7; vgl auch Kolba/Leupold, Das neue Verbraucherrecht, § 4 FAGG, Rz 153).
4.6 Cap teilt diese Meinung (Cap, Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie. Das neue Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz, ÖJZ 2014/110, 707 [715 Fn 70]), ebenso Jost, Der Fernabsatzvertrag: Ein Überblick in Jost/Ratka, Ausgewählte Praxisfragen des neuen Verbraucherrechts [2016] 123 [145]).
5. Die Frage, ob das Muster-Widerrufsformular zur Verfügung gestellt werden muss, um der Informationspflicht vollständig nachzukommen, war auch Gegenstand der Entscheidung des EuGH vom 23. 1. 2019, C 430/17 , Walbusch Walter Busch. Diese Entscheidung betraf aber nicht – wie im vorliegenden Fall – einen außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers abgeschlossenen Vertrag, sondern einen Fernabsatzvertrag, der mittels eines Bestellscheins in Form einer aus einem Werbeprospekt heraustrennbaren Postkarte geschlossen worden war. Auf der Postkarte war zwar ein Hinweis auf das Bestehen eines gesetzlichen Widerrufsrechts enthalten. Ein Hinweis zu den Bedingungen, den Fristen und dem Verfahren über die Ausübung dieses Rechts war jedoch nicht zu finden, auch ein Muster‑Widerrufsformular war nicht enthalten. Der EuGH führte aus, Art 6 Abs 1 Buchst h und Art 8 Abs 4 der RL 2011/83/EU sei dahin auszulegen, dass dann, wenn der Vertrag mittels eines Fernkommunikationsmittels abgeschlossen wird, auf dem für die Darstellung der Information nur begrenzter Raum bzw begrenzte Zeit zur Verfügung steht, und wenn ein Widerrufsrecht besteht, der Unternehmer über das jeweilige Fernkommunikationsmittel vor dem Abschluss des Vertrags die Information über die Bedingungen, Fristen und Verfahren über die Ausübung dieses Rechts erteilen muss. In einem solchen Fall muss der Unternehmer dem Verbraucher das Muster‑Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B der Richtlinie 2011/83/EU auf andere Weise in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen. Der EuGH verwies ua darauf, dass eine Pflicht, dem Verbraucher das Musterformular unter allen Umständen zur Verfügung zu stellen, die Gefahr in sich bergen würde, dem Unternehmer eine unverhältnismäßige oder in bestimmten Fällen – wie insbesondere bei telefonisch geschlossenen Verträgen – sogar untragbare Last aufzuerlegen. Insoweit sei die Mitteilung dieses Muster-Widerrufsformulars auf andere Weise in klarer und verständlicher Sprache ausreichend.
6. Vor diesem Hintergrund ist zum vorliegenden Fall auszuführen:
6.1 Wie sich aus Art 1 der Verbraucherrechte‑RL 2011/83/EU ergibt, bezweckt diese Richtlinie ein hohes Verbraucherschutzniveau dadurch sicherzustellen, dass die Information und die Sicherheit der Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern garantiert wird. Für den Verbraucherschutz kommt dem Widerrufsrecht maßgebliches Gewicht zu. Die vorvertragliche Information über dieses Recht ist für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung und soll diesem erlauben, die Entscheidung, ob er den Vertrag mit dem Unternehmer abschließen soll oder nicht, in Kenntnis der Sachlage zu treffen (EuGH 23. 1. 2019, C‑430/17, Walbusch Walter Busch, Rz 46). Dem Verbraucher soll gewissermaßen eine nachträgliche Reflexionsphase zu seinem Vertragsabschluss eingeräumt werden (Dehn in Leupold, Forum Verbraucherrecht 2015, 18). Einerseits soll ein hohes Verbraucherschutzniveau erzielt werden, andererseits soll die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmers erhalten bleiben (siehe Erwägungsgrund 4 der RL 2011/83/EU ). Nach der genannten Entscheidung des EuGH sollen dem Unternehmer auch keine unverhältnismäßigen Lasten auferlegt werden.
6.2 Um den Informationspflichten des Unternehmers vollständig zu entsprechen und auf diese Weise eine Verlängerung der Widerrufsfrist zu verhindern, hätte der Kläger der beklagten Verbraucherin zusätzlich zu einer den Erfordernissen des § 4 Abs 1 Z 8 FAGG entsprechenden schriftlichen Belehrung auch das Muster‑Widerrufsformular auf Papier (oder einem anderen dauerhaften Datenträger) zur Verfügung stellen müssen. Da der Kläger die Informationserteilung ohnedies schriftlich (oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger) vorzunehmen hatte und sich im konkreten Fall dazu eines schriftlichen Merkblatts bedient hat, hätte die zusätzliche Zurverfügungstellung des Muster‑Widerrufsformulars für ihn keine unzumutbare weitere Belastung dargestellt. Der Beklagten wäre die Ausübung ihres Rücktrittsrechts erleichtert worden, indem sie jedenfalls über ein Schriftstück verfügt hätte, das ihr bei Bedarf einen korrekten und in zweifelsfreier Weise verbindlichen Rücktritt ermöglicht. Es wäre ihr in einer klaren und verständlichen Weise vor Augen geführt worden, dass ihr noch eine nachträgliche Reflexionsphase zum Abschluss des Maklervertrags (bzw zu den Modalitäten der Finanzierung des Kaufpreises der Eigentumswohnung) offen steht. Auf diese Weise wäre einerseits ein hohes Verbraucherschutzniveau erzielt, andererseits aber der Unternehmer nicht unverhältnismäßig belastet oder in seiner Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt worden (siehe Erwägungsgrund 4 der RL 2011/83/EU ; EuGH 23. 1. 2019, C‑430/17, Walbusch Walter Busch, Rz 46).
7. Ist der Kläger seiner Informationspflicht über das Rücktrittsrecht (§ 4 Abs 1 Z 8 FAGG) nicht korrekt und vollständig nachgekommen, so verlängert sich die Frist um 12 Monate (§ 12 Abs 1 FAGG). Wie bereits die Vorinstanzen ausgeführt haben, ist die Rücktrittserklärung rechtzeitig erfolgt, weshalb die Beklagte nicht verpflichtet ist, die eingeklagte Provisionszahlung an den Kläger zu leisten.
Die Revision bleibt somit erfolglos.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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