Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Erblasserin Margarethe Ingeborg B*****, geboren am 13. Dezember 1922, ist am 31. Mai 2006 - ohne gesetzliche Erben - unter Hinterlassung eines Testaments vom 10. April 2006, in dem sie die nunmehrige Rechtsmittelwerberin zur Alleinerbin einsetzt, verstorben. Diese gab aufgrund der letztwilligen Verfügung eine unbedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab und beantragte, das Erstgericht möge eine Amtsbestätigung ausstellen, dass ihr gemäß § 810 ABGB das Recht zukomme, das Verlassenschaftsvermögen zu benützen, zu verwalten und die Verlassenschaft zu vertreten.
Das Erstgericht wies den Antrag zurück, weil gemäß § 172 AußStrG nur der Gerichtskommissär zur Ausstellung einer solchen Amtsbestätigung befugt sei.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Gemäß § 172 AußStrG habe der Gerichtskommissär den Berechtigten auf Verlangen eine Amtsbestätigung über die Vertretungsbefugnis (§ 810 ABGB) auszustellen. Nach § 186 Abs 1 AußStrG seien den Parteien auf Antrag Amtsbestätigungen über aktenmäßig bei Gericht bekannte Tatsachen auszustellen. Aufgrund dieser Bestimmungen sei zu klären, ob die speziellere Regelung des § 172 AußStrG die generelle des § 186 Abs 1 AußStrG - wie vom Erstgericht angenommen - verdränge, sodass nur der Gerichtskommissär zur Ausstellung von Amtsbestätigungen über die Vertretungsbefugnis der erbantrittserklärten Erben berufen sei. Bei bloßer Wortauslegung könnte zwar die Anwendung beider Bestimmungen in Betracht kommen. Im Rahmen der systematisch-logischen Interpretation sei jedoch auf den Gesetzesaufbau Bedacht zu nehmen. Demnach ergebe sich bereits aus der „Einbettung" der auch dem Wortlaut nach spezielleren Bestimmung des § 172 AußStrG in das III.
Hauptstück: „Verlassenschaftsverfahren" die Anwendbarkeit dieser Bestimmung jedenfalls für das Verlassenschaftsverfahren, während die systematische Aufnahme des § 186 in das IV. Hauptstück:
„Beurkundungen" zeige, dass es sich dabei um die allgemeinere Regelung handle. Dies stehe auch im Einklang mit § 173 Abs 1 AußStrG, wonach der Gerichtskommissär (und nicht das Gericht) die durch Änderung der Verhältnisse während des Verfahrens überholten Amtsbestätigungen von den Empfängern abzufordern habe, was vor allem deshalb zweckmäßig sei, weil gemäß § 144 Abs 1 AußStrG Eingaben im Verlassenschaftsverfahren grundsätzlich an den Gerichtskommissär zu richten seien, sodass diesem auch allfällige Änderungen hinsichtlich der Vertretungsbefugnis bekanntgegeben würden.
Wenn - wie die Antragstellerin meine - sowohl der Gerichtskommissär als auch das Verlassenschaftsgericht zur Ausstellung von Amtsbestätigungen über die Vertretungsbefugnis der Verlassenschaft berufen wären, könnte das nicht nur zu widersprüchlichen Überschneidungen (aufgrund des unterschiedlichen Informationsstandes von Gerichtskommissär und Gericht) führen, sondern bliebe auch unverständlich, warum der Gesetzgeber dann nicht auch dem Gericht den Auftrag erteilt habe, überholte Amtsbestätigungen aufgrund geänderter Verhältnisse wieder einzufordern. Diese an sich schon zur Verhinderung des Missbrauches notwendige Regelung würde damit nämlich unterlaufen werden und auch die Gefahr in sich bergen, dass mehrere Amtsbestätigungen mit unterschiedlichem Inhalt ausgestellt würden. Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin könne auch aus der historischen Interpretation nicht abgeleitet werden, dass es ausdrückliche Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, die schriftliche Abhandlungspflege durch Rechtsanwälte im Sinne einer „Verbilligung" des Verfahrens unverändert zuzulassen. Abgesehen davon, dass sich eine Verbilligung des Verfahrens durch die Vertretung der Verlassenschaft durch Rechtsanwälte keineswegs zwingend ergebe, sei die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes (oder Notares) nur bei einem Wert der Aktiven der Verlassenschaft von voraussichtlich EUR 4.000 zwingend vorgesehen. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich erwähnt, dass die schriftliche Abhandlungspflege nur „unter Umständen" zu einer Verbilligung des Verfahrens führe (ErläutRV zu § 3 GKoärG, abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG, 645). Tatsächlich könne dem „historischen Gesetzgeber" hingegen an mehreren Stellen entnommen werden, dass er den Gerichtskommissär ex lege zur Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung beauftragen wollte (ErläutRV Allg Teil,
VI. 8., abgedruckt aaO, 26; Vor § 143, abgedruckt aaO, 431; sowie zu § 2 GKoärG, abgedruckt aaO, 643). Diese Absicht werde auch durch § 1 Abs 1 Z 1 lit a und b GKoärG bekräftigt, wonach die Notare in Verfahren außer Streitsachen in Verlassenschaftssachen die Todfallsaufnahme und die mit dieser im Zusammenhang stehenden unaufschiebbaren Maßnahmen sowie die anderen im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung erforderlichen Amtshandlungen zu besorgen hätten.
Darüber hinaus habe der historische Gesetzgeber des FamErbRÄG (BGBl I 2004/58) in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 810 ABGB ausdrücklich ausgeführt, dass die darin erfolgte Neuordnung nur noch vom Recht auf Vertretung, Benützung und Verwaltung der Verlassenschaft, nicht aber von deren Überlassung - so wie bisher - spreche. Dabei beziehe er sich ausdrücklich auch auf die Bestimmung des § 172 AußStrG und verweise darauf, dass das materielle Recht mit dieser Bestimmung dem formellen Recht ausreichenden Spielraum einräume, der in den §§ 171 bis 173 des neuen AußStrG ausgefüllt werde (ErläutRV zu FamErbRÄG, abgedruckt bei Fucik/Kloiber, aaO, 848). Aus diesen Materialien ergebe sich daher, dass der Gesetzgeber die formelle Regelung dieser materiellen Bestimmung nicht in der allgemeineren Regelung des § 186 AußStrG, sondern offenbar in der spezielleren Regelung des im 3. Hauptstück „Verlassenschaftsverfahren" geregelten § 172 AußStrG sehe. Das Ergebnis dieser Auslegung werde auch durch den Wortsinn des § 172 AußStrG bestätigt, wonach die Bestimmung des § 810 ABGB dort ausdrücklich im Zusammenhang mit der Vertretungsbefugnis genannt sei, nicht jedoch in § 186 Abs 1 AußStrG.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zur Frage einer [allfälligen] Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichtes zur Ausstellung einer Amtsbestätigung gemäß § 172 AußStrG fehlten und der [alleinige] Wortsinn der beiden hier relevanten Bestimmungen (§§ 172 und 186 Abs 1 AußStrG) „einander nicht ausschließt", sodass eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung von der Antragstellerin erhobene Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin beruft sich darauf, dass im Fall einer - wie hier - schriftlichen Abhandlungspflege, Eingaben im Verlassenschaftsverfahren nicht gemäß § 144 Abs 1 AußStrG an den Gerichtskommissär zu richten seien, sondern an das Gericht. In einem solchen Fall sei nicht § 172 AußStrG sondern § 186 Abs 1 AußStrG auf die Ausstellung der begehrten Amtsbestätigung anzuwenden. Dass diese Auslegung richtig sei, gehe aus den ErläutRV zur letztgenannten Bestimmung hervor, wonach diese im Interesse einer bürgerfreundlichen Gerichtsbarkeit geschaffen worden sei, um Beurkundungen eben nicht nur durch das Notariat, sondern auch durch das Gericht möglich zu machen. Selbst bei Bejahung des Rechts des Gerichtskommissärs, [auch] im Fall einer schriftlichen Abhandlungspflege derartige Amtsbestätigungen ausstellen zu dürfen, müssten die Parteien des Verlassenschaftsverfahrens ebenfalls das Recht haben, die Ausstellung solcher Bestätigungen durch das Gericht zu verlangen. § 173 Abs 2 AußStrG könne den gegenteiligen Standpunkt nicht stützen, weil darin ein Fall geregelt sei, bei dem die schriftliche Abhandlungspflege infolge der Differenzen zwischen mehreren Erben gar nicht möglich sei. Dass der Gesetzgeber mit dem neuen AußStrG durch eine zwingend vom Gerichtskommissär auszustellende Amtsbestätigung eine spürbare Verteuerung der schriftlichen Abhandlungspflege habe einführen wollen, könne nicht unterstellt werden.
Da die Entscheidung des Rekursgerichtes vom Obersten Gerichtshof bestätigt wird und dieser die Begründung des Rekursgerichtes für zutreffend erachtet, reicht es aus, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Den Revisionsrekursausführungen ist daher nur kurz zu erwidern:
Nach ständiger Rechtsprechung haben die (erbantritts-)erklärten Erben ein subjektives Recht auf die Benützung, Verwaltung und Vertretung der Verlassenschaft (§ 810 Abs 1 ABGB idF FamErbRÄG 2004). Diese Befugnisse kommen ihnen (im Gegensatz zu der wegen des früheren
Wortlauts der zitierten Bestimmung [„... ist ihm die Besorgung und Benützung ... zu überlassen"] vertretenen Annahme eines konstitutiven
[Überlassungs-]Beschlusses) - wie auch der Revisionsrekurs erkennt - nunmehr ohne Gerichtsbeschluss ex lege zu; zum Nachweis der Vertretungsbefugnis dient jetzt aber eine gemäß § 172 AußStrG „vom Gerichtskommissär auf Antrag nach der Aktenlage auszustellende Amtsbestätigung", wobei diesem von § 173 Abs 2 AußStrG auch aufgetragen wird, durch Änderung der Verhältnisse überholte Bestätigungen [wieder] „abzufordern" (Sailer in KBB² § 810 ABGB Rz 2 mwN; Eccher in Schwimann³ III § 810 ABGB Rz 9; Fucik, Das neue Verlassenschaftsverfahren, Rz 190).
Spitzer (Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses [§ 810 ABGB neu], NZ 2006/8, 33 ff [34]) führt dazu aus, vom Verkehrsschutz her sei offenkundig ein Ersatz für den Überlassungsbeschluss notwendig gewesen. Die Außerstreitreform habe deshalb als Ersatz eine Amtsbestätigung geschaffen, die jedoch - darin solle offenbar die Erleichterung für die Gerichte liegen - der Gerichtskommissär auszustellen habe (§ 172 AußStrG).
Auch Mondel (Die praktische Handhabung der Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses, NZ 2006/54, 225 ff [228]) hält in diesem Zusammenhang fest, dass es die beschlussmäßige Einräumung der „§ 810-Rechte" nicht mehr gebe; der Bestätigung nach Außen über die erfolgte Einräumung dieser Rechte diene nunmehr die Amtsbestätigung des Gerichtskommissärs, die er über Verlangen den Berechtigten auszustellen habe. Die Beurteilung darüber, ob die gemäß § 810 Abs 1 ABGB zu erfüllenden Voraussetzungen (für die Benützung und Verwaltung des Verlassenschaftsvermögens sowie die Vertretung der Verlassenschaft) vorliegen und der Gerichtskommissär eine Amtsbestätigung ausstellen könne/müsse, seien ihm durch das neue AußStrG übertragen worden.
Schon angesichts dieser - zutreffend dargestellten - Vorgaben ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch mit der Bestimmung des § 172 AußStrG - wie er in den ErläutRV ausdrücklich festhält (zitiert in Fucik/Kloiber, AußStrG, 848) - den in § 810 ABGB eingeräumten Spielraum ausgefüllt hat, um eine Vereinfachung bei der Verwaltung und Vertretung des Nachlasses zu erreichen: Nämlich durch den Wegfall des Bestellungsbeschlusses des Gerichtes und seine Ersetzung durch eine Amtsbestätigung des Gerichtskommissärs. Die Regelung des formellen Rechts, die der Durchsetzung der Neufassung der letztgenannten materiell-rechtlichen Norm dient, ist daher - wie schon das Rekursgericht ausführlich begründet hat - nicht in der allgemeinen Bestimmung des § 186 AußStrG zu erblicken, sondern in der Spezialnorm des § 172 AußStrG. Die Ausstellung einer Amtsbestätigung gemäß § 172 AußStrG ist somit gänzlich an den Gerichtskommissär ausgelagert, eine Ausstellung durch das Gericht ist nicht vorgesehen (Bittner in Rechberger, AußStrG § 172 Rz 3). Dafür, dass dabei eine - von der Antragstellerin angestrebte - Sonderbehandlung der schriftlichen Abhandlungspflege beabsichtigt gewesen wäre, findet sich hingegen kein Anhaltspunkt.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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