OGH 10Ob24/12w

OGH10Ob24/12w10.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Kevin H*****, geboren am 22. April 1996, vertreten durch das Land Steiermark als Jugendwohlfahrtsträger (Bezirkshauptmannschaft Leoben, Referat für Sozialwesen, Bereich Jugendwohlfahrt, 8700 Leoben, Peter‑Tunner‑Straße 6), wegen Unterhaltsvorschusses, über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 5. März 2012, GZ 2 R 361/11d‑60, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leoben vom 22. November 2011, GZ 1 Pu 7/10g‑49, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Der 1996 geborene Minderjährige ist Sohn Manuela H*****s und Christian K*****s.

Das Erstgericht gewährte ihm mit Beschluss vom 27. 5. 2011 einen monatlichen Unterhaltsvorschuss gemäß § 4 Z 3 UVG in Höhe von 251,69 EUR bis 31. 3. 2012 weiter.

Mit Beschluss vom 22. 11. 2011 stellte das Erstgericht die dem Minderjährigen gewährten Unterhaltsvorschüsse mit Ablauf des Juli 2011 ein. Es begründete dies damit, dass der Minderjährige seit 1. 8. 2011 (einschließlich anteiliger Sonderzahlungen) ein anrechenbares Eigeneinkommen von monatlich 711 EUR erziele. Er sei daher als selbsterhaltungsfähig anzusehen.

Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Minderjährigen erhobenen Rekurs teilweise Folge. Es änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass dem Minderjährigen ab 1. 8. 2011 ein monatlicher Unterhaltsvorschuss von 76 EUR gewährt wurde.

Der nachträglich vom Rekursgericht zugelassene (§ 63 AußStrG) ordentliche Revisionsrekurs des Bundes ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Haftvorschüsse (§ 4 Z 3 UVG) sind ganz oder teilweise zu versagen, soweit das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbst erhaltungsfähig ist (§ 7 Abs 1 Z 2 UVG). Haftvorschüsse sind bei einem Kind nach dem Monat, in dem es sein 14. Lebensjahr vollendet hat ‑ vorbehaltlich der § 5 Abs 4 und § 7 UVG ‑ in Höhe von 65 % des Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs 1c bb erster Fall ASVG, vervielfacht mit dem jeweiligen Anpassungsfaktor (§ 108f ASVG) zu gewähren (§ 6 Abs 1 und Abs 2 Z 3 UVG). Im Jahr 2011 betrug der Richtsatz nach § 6 Abs 2 Z 3 UVG 338 EUR (vgl Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 I § 6 UVG Rz 8 mwN).

§ 7 Abs 1 Z 2 UVG bezweckt, die Richtsatzvorschüsse „um die dem Kind anzurechnenden eigenen Einkünfte“ vermindern zu können (7 Ob 515/92; Neumayr aaO § 7 UVG Rz 39). Die Vorschüsse sind um die dem Berechtigten anzurechnenden Einkünfte zu verringern. Wird die Richtsatzhöhe mit dem anzurechnenden Einkommen des Kindes erreicht, besteht kein Anspruch auf Vorschüsse mehr. Allerdings sind die Einkünfte des Kindes nicht in voller Höhe auf den Richtsatz anzurechnen, weil der Grundsatz, dass Eigeneinkommen des Kindes sowohl bei dem zu Geldunterhalt verpflichteten Elternteil als auch bei dem betreuenden haushaltsführenden Elternteil zu berücksichtigen ist, auch bei Richtsatzvorschüssen gilt. Dabei sind eigene Einkünfte des Kindes auch in der hier bedeutsamen Altersgruppe von 15 bis 18 Jahren auf die Unterhaltsleistung der Eltern in der Regel zu gleichen Teilen anzurechnen. Wie die konkreten Bedürfnisse des Kindes gestaltet sind, ist für die Berechnung irrelevant (10 Ob 72/09z; vgl Neumayr aaO § 7 UVG Rz 39 ff mwN).

Wie im Revisionsrekurs zutreffend ausgeführt wird, folgt aus dieser Rechtsprechung für den Anlassfall, dass der Anspruch des Minderjährigen auf Unterhaltsvorschuss nach § 4 Z 3 UVG ab 1. 8. 2011 erloschen ist. Die Hälfte des Eigeneinkommens des Minderjährigen (355,50 EUR) übersteigt den Richtsatz (338 EUR), sodass ein Anspruch des Minderjährigen auf Unterhaltsvorschuss ab diesem Zeitpunkt nicht mehr besteht. Zu Recht (§ 20 Abs 1 Z 4 lit b und Abs 2 UVG) hat das Erstgericht die Vorschüsse ab 1. 8. 2011 eingestellt, sodass seine Entscheidung wiederherzustellen war.

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