Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Minderjährigen M***** und M***** leben bei der Mutter. Ihr Vater ist als Beamter bei der Österreichischen Post AG tätig. Mit Beschluss vom 14. 12. 2009 verpflichtete das Erstgericht den Vater, für M***** 220 EUR und für M***** 155 EUR an monatlichem Unterhalt zu zahlen. Aufgrund dieses Titels bewilligte das Erstgericht am 14. 2. 2011 zu AZ 8 E 455/11t die Forderungsexekution gegen den Vater zur Hereinbringung des laufenden Unterhalts für beide Kinder von insgesamt 375 EUR monatlich. Mit Beschluss vom 1. 6. 2011 erhöhte das Erstgericht den monatlichen Unterhalt ab Jänner 2011 für beide Kinder auf je 254 EUR, somit für die mj M***** um 99 EUR monatlich und für die mj M***** um 34 EUR monatlich. Der Beschluss wurde noch im Juni 2011 rechtskräftig. Eine Forderungsexekution aufgrund dieses (neuen) Titels wurde nicht geführt.
Am 8. 7. 2011 beantragten die Minderjährigen, ihnen aufgrund des Beschlusses vom 1. 6. 2011 Unterhaltsvorschüsse zu gewähren. Zur Begründung dieses Antrags brachten sie unter Vorlage einer Drittschuldnererklärung der Österreichischen Post AG vom 23. 2. 2011 vor, sie führten gegen den Antragsgegner wegen ihrer Unterhaltsforderungen bereits seit längerer Zeit Exekution. Gegen diesen seien aber zahlreiche andere Exekutionsverfahren anhängig, unter anderem auch wegen Unterhalts. Von der Österreichischen Post AG als Drittschuldner gelangten an sie deshalb monatlich nur rund 200 EUR zur Überweisung. Da in nächster Zeit keine Aussicht bestehe, einen rund 200 EUR übersteigenden Betrag einbringlich zu machen und die mangelhafte Unterhaltsleistung zur Gefährdung ihrer Existenz führe, werde der Antrag gestellt, Unterhaltsvorschüsse in Höhe von monatlich (insgesamt) 508 EUR zu gewähren.
Das Erstgericht bewilligte mit Beschlüssen jeweils vom 1. 8. 2011 beiden Kindern Unterhaltsvorschüsse nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG von je 254 EUR (somit insgesamt 508 EUR) monatlich.
Gegen diese Beschlüsse, soweit darin ein 155 EUR monatlich übersteigender Unterhaltsvorschuss für die mj M***** und ein 220 EUR übersteigender Unterhaltsvorschuss für die mj M***** zugesprochen wurde, erhob der Bund, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz, Rekurs.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs keine Folge. Rechtlich ging es davon aus, ein Kind habe grundsätzlich den gesamten ihm zustehenden laufenden Unterhalt exekutiv zu betreiben, wenn es Vorschüsse nach § 3 UVG in Höhe des aktuellen Titels erlangen wolle. Allerdings seien Unterhaltsvorschüsse auch dann zu gewähren, wenn die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG aussichtslos erscheine (§ 4 Z 1 UVG). Die Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung könne auch nur hinsichtlich eines Teils der Forderung bejaht werden, etwa wenn bei einer Lohnexekution aufgrund von Vorpfandrechten nur ein Teil einbringlich sei. Die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in (voller) Höhe von 254 EUR je Kind sei demnach durch die anhängige, aber nicht zur Gänze erfolgreiche Exekutionsführung, zum anderen durch die Aussichtslosigkeit weiterer Exekutionsversuche begründet. Neuerliche Exekutionsanträge der Kinder auf den vollen laufenden Unterhalt seien unter diesen Umständen als sinnlos anzusehen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Der Rechtsmittelwerber vertritt den Standpunkt, nach den ihm vorliegenden Informationen ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 1 UVG beantragt worden wären und die Voraussetzungen dieses Rechtsgrundes vorlägen. Im Zuge der Antragstellung erhobene Behauptungen in Richtung § 4 Z 1 UVG ließen sich auch der Begründung der erstgerichtlichen Bewilligungsbeschlüsse nicht entnehmen. Nach der Begründung dieser Bewilligungsbeschlüsse sei nicht ein Vorschuss nach § 4 Z 1 UVG, sondern ausschließlich ein solcher nach § 3 Z 2 UVG bewilligt worden. Um aber die Anspruchsvoraussetzungen nach § 3 Z 2 UVG in der vollen Höhe des in den Unterhaltsvorschuss‑ Bewilligungsbeschlüssen angeführten Exekutionstitels vom 1. 6. 2011 zu bescheinigen, reiche der am 14. 2. 2011 eingebrachte Antrag auf Forderungsexekution nicht aus. Wenn auch mit dem Titelbeschluss vom 1. 6. 2011 ab 1. 1. 2011 die Unterhaltsleistungen für beide Kinder auf je 254 EUR erhöht worden seien, somit für die mj M***** um monatlich 99 EUR und für die mj M***** um monatlich 34 EUR, seien die Erhöhungsbeträge von der Exekution nicht erfasst.
Dazu ist auszuführen:
1.1. Vorschüsse auf den gesetzlichen Unterhalt mj Kinder sind nach § 3 UVG zu gewähren, wenn für den gesetzlichen Unterhalt ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht (Z 1) und der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet sowie das Kind glaubhaft macht, einen Exekutionsantrag nach § 294a EO eingebracht zu haben (Z 2). Unterhaltsvorschüsse iSd § 3 werden somit nur dann gewährt, wenn das Kind vorher Schritte initiiert hat, um den gesamten laufenden Unterhalt durch eine Exekution auf die künftig fällig werdenden laufenden Bezüge des Unterhaltsschuldners hereinzubringen. Die Exekution muss aufgrund desjenigen Titels geführt werden, der dann dem Vorschussantrag zugrunde gelegt wird (Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 3 UVG Rz 20). Dies wäre im vorliegenden Fall der Beschluss vom 1. 6. 2011, mit dem das Erstgericht den monatlichen Unterhalt ab Jänner 2011 für beide Kinder auf je 254 EUR erhöht hat.
1.2. Nach § 4 Z 1 UVG sind dem mj Kind Vorschüsse aber auch zu gewähren, wenn zwar die Voraussetzungen des § 3 Z 1 UVG gegeben sind, aber die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG aussichtslos scheint, besonders weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Ertrag erwarten lässt, nicht bekannt ist. Bei § 4 Z 1 UVG handelt es sich um einen Sonderfall zu dem in § 3 UVG geregelten Grundfall (10 Ob 40/10w mwN). Der Unterschied liegt darin, dass im Fall des § 4 Z 1 UVG die Einleitung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG entbehrlich ist und dem Antragsteller erspart bleiben soll, weil bereits aufgrund der objektiven Lage zur Zeit der Beschlussfassung erster Instanz eine Exekutionsführung für jedermann aussichtslos erscheinen muss (RIS‑Justiz RS0108900). Das Kind soll also von der Verpflichtung zur Führung einer sinnlosen bzw möglicherweise nur scheinbaren Exekution als Voraussetzung für eine Vorschussgewährung entlastet werden.
1.3. Ganz allgemein obliegt die Anführung der notwendigen Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen dem Kind. Vorschussanträge sind demnach ‑ wenn auch nur kurz ‑ mittels substantiierter Tatsachenbehauptungen zu begründen (1 Ob 643, 644/94). Wenn die Vorinstanzen ihren Entscheidungen zugrunde gelegt haben, aus dem im vorliegenden Vorschussantrag enthaltenen Vorbringen, es bestehe im Hinblick auf die Vorpfandrechte keine Aussicht, mittels eines weiteren Exekutionsantrags einen rund 200 EUR übersteigenden Betrag einbringlich zu machen, lasse sich der Vorschussgrund nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG als in Anspruch genommener Vorschussgrund schlüssig ableiten (und nicht ‑ wie der Revisionsrekurswerber vermeint ‑ der Anspruchsgrund nach § 3 Z 2 UVG), ist dies eine einen Einzelfall darstellende Frage der Auslegung des Vorbringens (RIS‑Justiz RS0042828), die jedenfalls keine Fehlbeurteilung erkennen lässt.
2. Erhebliche Rechtsfrage ist hier, ob die Aussichtslosigkeit einer Exekution iSd § 4 Z 1 UVG nur hinsichtlich eines Forderungsteils zu bejahen ist, wenn bei einer Lohnexekution aufgrund von Vorpfandrechten lediglich ein Teil einbringlich ist. Das Rekursgericht hat dies unter Hinweis auf die Lehrmeinung Neumayrs in Schwimann/Kodek, ABGB4, § 4 UVG Rz 8 bejaht. Dagegen wendet sich der Revisionsrekurswerber nicht und versucht in seinen Rechtsmittelausführungen auch gar nicht, diese Rechtsansicht zu widerlegen. Er wiederholt allein seine ohnehin nicht bezweifelte Ansicht, dass für eine Unterhaltsvorschussgewährung nur nach § 3 Z 2 UVG die Exekution zur Hereinbringung des laufenden Unterhalts in voller Höhe und aufgrund desjenigen Titels geführt werden muss, der dann dem Vorschussantrag zugrunde gelegt wird. Der Vorschussgrund nach § 3 Z 2 UVG ist aber ‑ nach vertretbarer Auslegung des Antragsvorbringens ‑ nicht Gegenstand des Verfahrens.
3. Hat das Rekursgericht ‑ zu Recht ‑ ausgesprochen, der Revisionsrekurs sei zulässig, werden im Rechtsmittel aber nur Gründe geltend gemacht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist der Revisionsrekurs trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0102059 [T1]).
4. Festzuhalten ist noch, dass exekutiv (immer in der gleichen Höhe) hereingebrachte Teilbeträge nicht den Vorschussbetrag schmälern, sondern gemäß § 27 Abs 1 und 2 UVG an den Bund abzuführen sind (Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4, § 5 UVG Rz 7).
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