Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 18. Juli 2002, GZ 3 P 90/97k-92, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Fünfhaus wird nicht genehmigt.
Text
Begründung
Für die damals in der Stadt Salzburg wohnhafte Betroffene, die an den Folgen eines schweren gedeckten Schädel-Hirn-Traumas leidet, wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 13. 3. 1998, GZ 3 P 90/97-25, ein Sachwalter bestellt. Nach Umbestellungen und einer Ausweitung des Vertretungsbereiches hat die Sachwalterin am 28. 8. 2001 und 10. 1. 2002 mitgeteilt, dass sich die Betroffene in Wien aufhält und aus Salzburg abgemeldet hat (ON 79, 81). In Wien hat die Betroffene vorerst mehrmals den Aufenthaltsort gewechselt (ON 88). Mit Schreiben vom 19. 4. 2002 gab die Sachwalterin schließlich eine neue Adresse der Betroffenen auf einem Campingplatz in 1140 Wien bekannt (ON 86 und 89) und regte an, den Akt an das zuständige Bezirksgericht in Wien abzutreten. Die Betroffene habe vor, in Wien zu bleiben und eventuell ein Ausbildung zu beginnen (ON 88). Mit Beschluss vom 18. 7. 2002 (ON 92) hat das Bezirksgericht Salzburg die Pflegschaftssache gemäß § 111 Abs 1 JN an das Bezirksgericht Fünfhaus übertragen, da sich die Betroffene jetzt ständig in 1140 Wien aufhalte; es sei daher zweckmäßiger, dass das Bezirksgericht Fünfhaus die Sachwalterschaftssache führe.
Das Bezirksgericht Fünfhaus hat die Übernahme - ohne förmliche Beschlussfassung - am 23. 7. 2002 abgelehnt, zumal die Betroffene nach der Aktenlage auf einem Campingplatz aufhältig sei; dieser erscheine jedenfalls keinen ständigen gewöhnlichen Aufenthalt zu ermöglichen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung könne es sich nur um ein vorübergehendes Unterkommen handeln, das spätestens in der witterungsmäßig schlechteren Jahreszeit entfallen werde. Weder der Beschluss, mit dem das Bezirksgericht Salzburg gemäß § 111 Abs 1 JN die Zuständigkeit der Besorgung der Sachwalterschaftssache dem Bezirksgericht Fünfhaus übertrug, noch die Note, mit der die Übernahme der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 2 Satz 1 JN verweigert wurde, wurden den Parteien zugestellt.
Rechtliche Beurteilung
Bei Kompetenzkonflikten im Sinne des § 47 JN vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass er erst dann zur Entscheidung berufen sein kann, wenn beide konkurrierenden Gerichte rechtskräftig über die Zuständigkeit abgesprochen haben, weil - so lange nicht beide die Zuständigkeit der Gerichte verneinenden Entscheidungen rechtskräftig sind - die Frage der Zuständigkeit noch im Rechtsmittelweg erledigt werden könne. Die Rechtslage nach § 111 Abs 2 JN ist jedoch eine andere (RZ 1980/49). Der Übertragungsbeschluss ist jedenfalls in dem Fall, dass eine Übertragung von Amts wegen oder auf einseitigen Antrag beschlossen wurde, den Parteien zuzustellen und kann von ihnen angefochten werden. Die Parteien können sich nur nicht mehr beschwert erachten, wenn das Gericht, an das die Pflegschaftssache übertragen werden soll, bereits die Übernahme der Geschäfte ablehnte, weil dann ohnehin das beiden Gerichten gemeinsame Oberlandesgericht oder der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hat (RZ 1980/49). Es besteht somit für den Obersten Gerichtshof zumindest dann, wenn die Voraussetzungen für die Genehmigung der Übertragung der Zuständigkeit nicht gegeben sind, kein Hindernis, eine Entscheidung schon vor Zustellung und Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses zu treffen, weil es dann ein nicht sachgerechter, das Verfahren nur verzögernder Formalismus wäre, den Parteien durch Zustellung dieses Beschlusses die Gelegenheit zu geben, dessen Beseitigung im Rechtsmittelweg zu erreichen.
Ein solcher Fall liegt hier aber vor:
Nach § 111 Abs 1 JN kann das zur Besorgung der Sachwalterschaftssache zuständige Gericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Betroffenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Betroffenen zugedachten Schutzes voraussichtlich befördert wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Regel vor, wenn die Sachwalterschaftssache dem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Betroffenen liegt (EF 66.880, 69.749, 72.819, 75.979, 85.185 uva).
Im vorliegenden Fall ist jedoch die Bindung der Betroffenen an den derzeitigen Aufenthaltsort eher lose. Es steht nicht fest, dass es sich bei dem Aufenthalt auf einem Campingplatz um eine auf Dauer ausgerichtete Maßnahme handelt. Insofern hat der Aufenthalt der Betroffenen nach dem derzeitigen Stand noch kein solches Maß an Stabilität erlangt, das eine Zuständigkeitsübertragung rechtfertigen könnte.
Der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg auf Übertragung der Zuständigkeit ist daher nicht zu genehmigen.
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