European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100NC00028.14W.1204.000
Spruch:
Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.
Text
Begründung
Das klagende Unternehmen mit Sitz in Österreich begehrt gegenüber der in Hongkong ansässigen beklagten Partei die Feststellung, dass zwischen den Parteien weder ein Data Transfer Agreement noch ein Collaboration Agreement abgeschlossen worden sei oder diese wirksam zustande gekommen seien. In eventu begehrte die klagende Partei die Feststellung, dass zwischen den Parteien kein Vertrag über die Weitergabe und Nutzung von Rechten, Lizenzen, Daten, Know‑How, technischen Informationen und Unterlagen betreffend mikroverkapseltem Clomazone sowie über eine Zusammenarbeit hinsichtlich der Entwicklung und Produktion von mikroverkapseltem Clomazone mit belastenden Bestimmungen, wie insbesondere der Untersagung der Weitergabe der bekannten Informationen an Dritte, wirksam abgeschlossen worden sei oder bestehe, sodass der Beklagten keine wie auch immer gearteten Rechte gegenüber der Klägerin zustünden. Die Klägerin brachte dazu im Wesentlichen vor, sie habe sich mit der Beklagten in Verhandlungen über die Möglichkeit einer Datenzugangserlaubnis befunden. Diese Verhandlungen seien weit gediehen, es sei jedoch zu keinem schriftlichen Vertragsabschluss gekommen, da die Klägerin das ihr von der Beklagten übersandte schriftliche Vertragsanbot nicht unterfertigt habe. Auch ein Collaboration Agreement sei nie geschlossen worden. Tatsächlich berühme sich jedoch die Beklagte, Rechte aus diesen beiden nicht zustande gekommenen Vereinbarungen gegenüber der Klägerin zu haben. Die Klägerin stützte die Zuständigkeit des von ihr angerufenen Landesgerichts Wr. Neustadt als Handelsgericht auf § 88 Abs 1 und 2 JN.
Für den Fall der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts beantragte die Klägerin gemäß § 28 JN die Bestimmung des Landesgerichts Wr. Neustadt als Handelsgericht als für den gegenständlichen Rechtsstreit örtlich zuständiges Gericht. Sie begründete ihren Ordinationsantrag damit, dass die Rechtssache eine ausreichende inländische Zuständigkeit aufweise und die Rechtsverfolgung im Ausland unzumutbar wäre. Das von § 28 Abs 1 Z 2 JN geforderte Naheverhältnis der Klägerin zum Inland ergebe sich aus dem inländischen Unternehmenssitz der Klägerin. Die Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland ergebe sich daraus, dass eine ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt und vollstreckt werden würde, eine dringende Entscheidung nicht erreicht werden könne und eine Prozessführung im Ausland äußerst kostspielig wäre.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Fehlens eines inländischen Gerichtsstands und somit der österreichischen internationalen Zuständigkeit rechtskräftig zurück und legte daraufhin den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den hilfsweise gestellten Ordinationsantrag vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.
1. Die begehrte Ordination nach § 28 Abs 1 Z 2 JN setzt voraus, dass der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Gemäß § 28 Abs 4 zweiter Satz JN hat der Kläger in streitigen bürgerlichen Rechtssachen das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs 1 Z 2 oder 3 zu behaupten und zu bescheinigen.
2. § 28 Abs 1 Z 2 JN soll die Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland besteht und im Einzelfall keine effektive Klagemöglichkeit im Ausland gegeben ist (vgl Garber in Fasching/Konecny 3 I § 28 JN Rz 54; 7 Nc 21/10p ua).
3. Die Klägerin erfüllt die erste der beiden von § 28 Abs 1 Z 2 JN aufgestellten Voraussetzungen (Naheverhältnis zum Inland) im Hinblick auf ihren Sitz in Österreich. Das Vorliegen der zweiten Voraussetzung (nämlich die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland) wird in der Rechtsprechung insbesondere dann bejaht, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt wird (unter der weiteren Voraussetzung, dass eine Exekutionsführung im Inland überhaupt geplant ist ‑ RIS‑Justiz RS0046148 [T10]), eine dringende Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erreicht werden kann, eine Prozessführung im Ausland wenigstens eine der Parteien politischer Verfolgung aussetzen würde oder wenn die Prozessführung im Ausland äußerst kostspielig wäre (Mayr in Rechberger, ZPO4 § 28 JN Rz 4 mwN; RIS‑Justiz RS0046148).
3.1 Auch wenn die früher vorgenommene Ausdehnung des Vertrags zwischen dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und der Republik Österreich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen (BGBl 1962/224) auf Hongkong (BGBl 1978/90) ‑ seit Beendigung des Britischen Hoheitsrechts ‑ keine Geltung mehr für Hongkong hat (BGBl III 1999/51) und zwischen Österreich und China die Gegenseitigkeit im Verhältnis beider Staaten, was die Anerkennung und Vollstreckbarkeit gerichtlicher Exekutionstitel in jeweils anderen Staaten anlangt, fehlt (vgl 3 Nc 15/14g), kann die mangelnde Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme inländischer Gerichte nur dann begründen, wenn die Entscheidungen des an sich berufenen Staats in Österreich vollstreckt werden müssten (4 Nd 507/96; 4 Nd 505/94 ua). Dabei ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf das von der Klägerin ausschließlich erhobene Feststellungsbegehren zu berücksichtigen, dass ein Feststellungsurteil eines ausländischen Gerichts, das eine vermögensrechtliche Angelegenheit zum Gegenstand hat, auf Antrag einer der Parteien gemäß den §§ 79, 85 EO im Inland zwar anerkannt werden kann, Feststellungsurteile aber nur deklarative Wirkung haben, also keinen Leistungsanspruch schaffen, und daher ‑ abgesehen von einem in das Urteil aufgenommenen Leistungsausspruch über den Prozesskostenersatz ‑ nicht vollstreckbar sind (vgl Fasching in Fasching/Konecny 2 III § 228 ZPO Rz 145). Den Angaben der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte über irgendein Vermögen im Inland verfügt. Vielmehr ist wegen des Fehlens derartiger Behauptungen davon auszugehen, dass eine Vollstreckung wegen eines Prozesskostenersatzes in Hongkong zu erfolgen hätte. Es kann daher im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass im Fall eines klagsstattgebenden Urteils Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Österreich geboten erschienen.
3.2 Es liegt auch keinerlei Bescheinigung dafür vor, dass in Hongkong eine die Rechtsverfolgung faktisch vereitelnde Verfahrensverzögerung, welche die Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland rechtfertigen könnte, zu gewärtigen wäre. Es ist nicht gerichtsbekannt, dass in Hongkong mit einer Verfahrenserledigung innerhalb angemessener Dauer nicht gerechnet werden könnte (vgl 4 Nd 505/94).
3.3 Schließlich ist das von der Klägerin noch ins Treffen geführte Prozesskostenargument nach der ständigen Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen geeignet, einen Ordinationsantrag zu begründen. Im Regelfall stellt sich nämlich die Kostenfrage bei Distanzprozessen für beide Parteien jeweils mit umgekehrten Vorzeichen und geht daher zu Lasten des Klägers (RIS‑Justiz RS0046420). Konkrete Umstände des Einzelfalls, die auf eine besondere Kostspieligkeit der Rechtsverfolgung in Hongkong hindeuten würden, hat die Klägerin nicht dargetan.
4. Die Ausführungen der Klägerin in ihrem Ordinationsantrag vermögen somit insgesamt die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN nicht darzustellen. Der Antrag war daher abzuweisen.
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