OGH 10Nc16/09y

OGH10Nc16/09y2.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder Stefan D*****, geboren am 2. August 1996, und Christoph D*****, geboren am 15. März 1998, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Haag vom 24. April 2009, GZ 1 PU 71/09k-U-48, gemäß § 111 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache im Teilbereich Unterhalt an das Bezirksgericht Irdning wird nicht genehmigt.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache in Unterhaltssachen wurde am 25. November 2005 aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts Irdning vom 16. November 2005 vom Bezirksgericht Haag übernommen, weil sich die beiden Minderjährigen (bei ihrer Mutter) im Sprengel dieses Gerichts aufhielten (ON U27). Das Bezirksgericht Haag übertrug mit Beschluss vom 24. April 2009 infolge des nunmehrigen Aufenthalts der Minderjährigen (bei ihrem Vater) im Sprengel des Bezirksgerichts Irdning die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache im Teilbereich Unterhalt an dieses Gericht und sprach aus, dass die Übertragung mit der Übernahme wirksam werde. Da sich die Minderjährigen jetzt ständig im Sprengel des Bezirksgerichts Irdning aufhielten, sei es zweckmäßig, wenn dieses Gericht die Pflegschaftssache im Teilbereich Unterhalt besorge.

Das Bezirksgericht Irdning verweigerte die Übernahme der Zuständigkeit, weil seit 26. September 2008 Anträge in Bezug auf Obsorge und Besuchsrecht hinsichtlich der beiden Minderjährigen anhängig seien. Da dem Vater nur vorläufig bis 3. Juli 2009 die Obsorge für die beiden Minderjährigen übertragen worden sei, könne nicht von einem ständigen Aufenthalt der Kinder beim Vater ausgegangen werden.

Gemäß § 111 Abs 2 JN legte das Bezirksgericht Haag den Akt zur Genehmigung der Übertragung dem Obersten Gerichtshof vor. Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen gelegen erscheint. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Pflegschaftssache an jenes Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Minderjährigen liegt, wo also der Minderjährige seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen (ständigen) Aufenthalt hat. Abgelehnt wird daher eine Zuständigkeitsverlagerung beispielsweise dann, wenn der künftige Aufenthalt des Minderjährigen in einem der beiden Gerichtssprengel noch nicht feststeht, weil noch nicht endgültig über die Obsorge entschieden ist und der Aufenthalt des Minderjährigen daher (noch) nicht stabil ist (vgl Fucik in Fasching² § 111 JN Rz 3; Mayr in Rechberger, ZPO³ § 111 JN Rz 3 jeweils mwN). Offene Anträge sind hingegen in der Regel kein grundsätzliches Übertragungshindernis (RIS-Justiz RS0047032).

Wie sich aus dem vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Pflegschaftsakt 1 PS 71/09k des Bezirksgerichts Haag betreffend die beiden Minderjährigen Stefan und Christoph D***** ergibt, befanden sich diese beiden Minderjährigen zuletzt beim Vater in W*****, wobei dem Vater allerdings nur die vorläufige Obsorge hinsichtlich seiner beiden Kinder bis Juli 2009 übertragen war. Eine Entscheidung des Pflegschaftsgerichts über die Verlängerung der vorläufigen Obsorge hinsichtlich der beiden Minderjährigen liegt ebenso wie eine Entscheidung über die endgültige Obsorge noch nicht vor. Nach einer aktuellen Auskunft des Vaters vom 22. Juli 2009 möchte der minderjährige Christoph bei ihm bleiben, während der minderjährige Stefan zur Mutter zurückkehren möchte.

Im vorliegenden Fall steht somit vor einer Entscheidung des Pflegschaftsgerichts über die Obsorge hinsichtlich der beiden Minderjährigen noch nicht fest, ob sie tatsächlich im Sprengel jenes Gerichts bleiben werden, an das die Zuständigkeit übertragen werden soll. Dies hindert eine Zuständigkeitsübertragung im derzeitigen Verfahrensstadium. Die Übertragung der Zuständigkeit wird daher nicht genehmigt. Es wird Sache des Bezirksgerichts Haag sein, über die (endgültige) Obsorge hinsichtlich der beiden Minderjährigen zu entscheiden. Erst nach dieser Entscheidung kann von einem stabilen Aufenthalt der Minderjährigen ausgegangen werden, der eine Übertragung der Zuständigkeit rechtfertigen könnte (vgl 4 Nc 37/03h ua).

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