BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W261.2270666.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den KOBV – Der Behindertenverband für Wien, NÖ & Bgld., gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 25.11.2022, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.06.2022 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde) und legte ein Konvolut an medizinische Befunden bei.
2. Mit Schreiben vom 29.08.2022 legte der Beschwerdeführer, vertreten durch den KOBV, Der Behindertenverband für Wien, NÖ & Bgld. (in der Folge KOBV), ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.
3. Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Hals-Nasen-Ohren ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 15.09.2022 erstatteten Gutachten vom 16.09.2022 stellte der medizinische Sachverständige beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkung „Tinnitus, Position 12.02.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung (EVO) Grad der Behinderung (GdB) 20 %“ fest.
4. Die belangte Behörde holte ein weiteres Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 07.1.2022 erstatteten Gutachten vom selben Tag stellte der medizinische Sachverständige beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen „Allergisches Asthma bronchiale, Position 06.05.01. der Anlage der EVO, GdB 20 %“, „Rezidivierende Depressio vor dem Hintergrund eines Burnout Syndroms, Position 03.06.01 der Anlage der EVO, GdB 20 %“, „Degenerative Gelenksveränderungen, Position 02.02.01 der Anlage der EVO, GdB 10 %“, „Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Position 02.01.01 der Anlage der EVO, GdB 10 %“ und „Arterieller Bluthochdruck, Position 05.01.01. der Anlage der EVO, GdB 10“ und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 20 von Hundert (in der Folge v.H.) fest.
5. In dessen Gesamtbeurteilung vom 10.01.2022 (vidiert am 21.10.2022) kam der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Allgemeinmedizin nach Auflistung aller Funktionseinschränkungen zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. vorliegen würde.
6. Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 21.10.2022 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte diesem eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
7. Der Beschwerdeführer gab am 15.11.2022 durch den KOBV eine Stellungnahme ab. Darin führte dieser aus, dass zwischen den Leiden eine Leidenspotenzierung bestehen würde, zumal der Beschwerdeführer durch seine vielen Leiden psychisch stark beeinträchtigt sei und dies durch eine massive Medikamentenunverträglichkeit verstärkt werde. Es würde auch eine Verkalkung von Sehnennerven bestehen. Es werde unter Vorlage weiterer medizinischer Befunde eine Neubeurteilung beantragt. Der Beschwerdeführer schloss dieser Stellungnahme medizinische Befunde an.
8. Mit Eingabe vom 17.11.2022 legte der Beschwerdeführer durch den KOBV weitere medizinische Befunde vor.
9. Über Ersuchen der belangten Behörde gab der befasste medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Allgemeinmedizin am 25.11.2022 eine schriftliche Stellungnahme ab, wonach die nachgereichten Unterlagen und die Einwände des Beschwerdeführers keinen ausreichend relevanten Sachverhalt ergeben würden, welcher eine Änderung des Gutachtens bedingen würde, sodass daran festgehalten werde.
10. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.11.2022 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 20 v.H. fest. Die belangte Behörde legte dem Bescheid die eingeholten Sachverständigengutachten in Kopie bei.
11. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer bevollmächtigt vertreten durch den KOBV fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei. Es seien einige näher beschriebene Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt worden. So habe der Beschwerdeführer unter anderem höhergradige Problem beim Stuhl absetzen und wiederkehrende Schmerzen im Bauchraum. Es sei eine wechselseitige Leidenspotenzierung gegeben. Die belangte Behörde sei auf die massiven Schmerzen sowie Funktionseinschränkungen nicht in entsprechender Weise eingegangen und hätte bei Berücksichtigung aller vorliegenden Befunde und Funktionseinschränkungen zu dem Ergebnis kommen können, dass beim Beschwerdeführer ein Gesamtgrad der Behinderung von zumindest 50 v.H. vorliege. Der Beschwerdeführer legte der Beschwerde weitere ärztliche Befunde bei.
12. Mit Eingabe vom 31.01.2023 übermittelte der Beschwerdeführer durch den KOBV weitere medizinische Befunde.
13. Die belangte Behörde nahm die Beschwerde zum Anlass, um ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin einzuholen. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 07.02.2023 erstatteten Gutachten vom 09.02.2023 stellte der medizinische Sachverständige beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen „Degenerative Gelenksveränderungen, Position 02.02.01 der Anlage der EVO, GdB 10 %“, „Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Position 02.01.01 der Anlage der EVO, GdB 10 %“, und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 10 v.H. fest.
14. In dem über Ersuchen der belangten Behörde erstatteten Sachverständigengutachten vom 10.02.2023 kam eine Fachärztin aus dem Fachbereich der Inneren Medizin auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen „Asthma bronchiale, Position 06.05.01 der Anlage der EVO, GdB 20 %“, „Depressio, Position 03.06.01 der Anlage der EVO, GdB 20 %“ und „Tinnitus, Position 12.02.02 der Anlage der EVO, GdB 20 %“ und Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. vorliegen würde.
15. In deren Gesamtbeurteilung vom 13.02.2023 kam die medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Inneren Medizin nach Auflistung aller Funktionseinschränkungen zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. vorliegen würde.
17. Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 14.02.2023 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte diesem eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
18. Der Beschwerdeführer gab, vertreten durch den KOBV, am 02.03.2023 eine Stellungnahme ab und stellte den Antrag, ein Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Neurologie/Psychiatrie einzuholen.
19. Die belangte Behörde ersuchte die beiden befassten medizinischen Sachverständigen um Erstellung von Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage.
20. In dessen Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage vom 07.03.2023 (vidiert am 08.03.2023) kommt der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Unfallchirurgie und Allgemeinmedizin zusammenfassend zum Ergebnis, dass auch aufgrund der vorgelegten medizinischen Unterlagen aus dessen fachlicher Sicht ein Gesamtgrad der Behinderung vom 10 v.H. vorliegen würde.
21. In deren Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage vom 26.03.2023 (vidiert am 27.03.2023) kommt die medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Inneren Medizin zusammenfassend zum Ergebnis, dass die Depressio durch einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie gesondert beurteilt werde, aus deren fachlicher Sicht würde nach wie vor ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. vorliegen.
22. Die belangte Behörde holte aus Anlass der Beschwerde bzw. aufgrund des Antrages vom 31.01.2023 ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.04.2023 erstatteten Gutachten vom selben Tag stellte der medizinische Sachverständige beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkung „Depressio, Position 03.06.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung (EVO) Grad der Behinderung (GdB) 20 %“ fest.
23. In deren Gesamtbeurteilung vom 19.04.2023 kam die medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Inneren Medizin nach Auflistung aller Funktionseinschränkungen zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. vorliegen würde.
24. Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 21.04.2023 zur Entscheidung vor, da eine Beschwerdevorentscheidung nicht mehr fristgerecht möglich gewesen sei. Das Beschwerdeverfahren langte am 24.04.2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
25. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.04.2023 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.
26. Das Bundesverwaltungsgericht brachte den Parteien des Verfahrens das Ergebnis der Beweisaufnahme der belangten Behörde mit Schreiben vom 26.04.2023 zur Kenntnis und räumte ihnen eine Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
Keine der Parteien gab bis zum Entscheidungszeitpunkt eine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 15.06.2022 bei der belangten Behörde ein.
Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.
Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Anamnese:
15.09.2022: Schädelbasisbruch links 9.LJ Fahrradunfall (in Österreich - bei Besuch bei den Großeltern), seitdem Schwindelbeschwerden und chron. Kopfschmerzen. Tinnitus bds. begonnen 22. LJ, verstärkt durch Stress und körperliche Belastung und Lärm. Allergie besteht, aber keine nennenswerten Beschwerden in der Nase. Er ist in Österreich geboren, hat Kindheit in Syrien verbracht; als er 14 Jahre alt war, ist die ganze Familie nach Österreich übersiedelt.
07.10.2022: Letzte Einstufung 2012-6 mit 20% (Asthma 20, Depressio 20, Schulter links 10). TE, AE, Hernia inguinalis links, Schulterarthroskopie links wegen Colonpolypentfernungen, Gynäkomastieoperationen zuletzt im 6/2022. 1984 Schädelbasisbruch, Fraktur der 7. Rippe links. 2020 Wirbelbruch im Bereich der Brustwirbelsäule- konservativ behandelt Asthma seit dem 22. Lebensjahr.
Derzeitige Beschwerden
15.09.2022: Schwindel: fast täglich, mit Übelkeit, 2-3x Woche, dann auch mit wiederholtem Erbrechen. Beim Gehen manchmal das Gefühl, als bekäme er einen seitlichen Stoß. Muss sich oft dann hinlegen und dann dreht sich das ganze Bett. Hören sei unauffällig, Tinnitu s.o. Er hat Allergien, aber keine nasalen Beschwerden.
07.10.2022: Der Antragswerber klagt über Atemprobleme bei Asthma und nach Lungenentzündungen in der Jugend, wegen Osteoporose müsse er jetzt regelmäßig Calcium nehmen. Er habe auch oft Tinnitus und Schmerzen im Kopf, Knie, Halswirbelsäule und Kreuzbereich sowie allgemein der Gelenke. Er sei nicht mehr arbeitsfähig, habe Schwindelanfälle und sei wie in Trance, das ganze Verdauungsystem sei bei ihm kaputt, da nehme er das Omec. Die Depressionen werden durch seine körperlichen Zustände schlechter. Nickel-, Hausstaubmilben-, Pollen-, Terpentin- und Tierepithelien Allergie bekannt. Anderwärtige schwere Krankheiten, Operationen oder Spitalsaufenthalte werden negiert. Lt. eigenen Angaben zu Fuß zur Untersuchung gekommen.
07.02.2023: Ich bin nicht mehr ausdauernd, beim Stiegensteigen bin ich erschöpft. Ich habe permanent Kopfschmerzen, Schmerzen in den Knien, im Kreuz. Das verstärkt die Kopfschmerzen. Ich kann mich nicht auf meine Schmerzen konzentrieren. Ich bin im Dauerstress, bin ständig erschöpft.
10.02.2023: Es hat alles begonnen nach einem Unfall als Kind, Schädelbasisbruch, ich habe immer wieder Kopfschmerzen. Ich habe viele Skills gelernt um damit umzugehen. Ich habe Schmerzen am ganzen Körper. Das Gleichgewicht ist gestört. Ich konnte manchmal nicht mehr arbeiten. Die Leitung ist nicht mehr so wie früher. In der Schule gibt es keinen Lift, ich muss alles zu Fuß gehen. Das Verdauungssystem ist komplett kaputt. Ich war immer bei der Polypentfernung beim Dr. XXXX . Bei einer Leistenbruch OP wurden meine Samenleiter verletzt. Die Ejakulation und der Sex sind dahin. Unten ist alles taub. Es wurde immer schlimmer. Vor 3 Jahren wurde der Blinddarm entfernt, da wurde mir bestätigt, dass viele Verwachsungen und Verfettungen sind. Das ist auch von der Leistenbruch-OP. Ich kann auch nicht mit den Öffis fahren. Ich leide unter mehreren Medikamentenunverträglichkeiten, die Psychopharmaka haben das Gleichgewicht und die Verdauung noch mehr angegriffen. Es sind alle Befunde bei Ihnen, ich habe alles geschickt. Ich werde auch am Arbeitsplatz gemobbt, das kostet viel Substanz. Ich bin von den Ärzten sehr enttäuscht.
18.04.2023: Schmerzen am ganzen Körper, Gleichgewichtsstörung, Schlafstörung.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
07.10.2022: Selbstgeschriebener Zettel ohne ärztliche Bestätigung: Calciduran, Atorvastatin, Sucrulfat, Desloratadin, Omec, Dermovate Salbe, Atrovent.
07.02.2023: Parkemed, Voltaren, Cholesterinsenker, Calciduran, Vit. D. Laufende Therapie: keine Hilfsmittel: keine.
Sozialanamnese:
07.10.2022: Seit ca. 1995 bei der Gemeinde XXXX als Schulwart in einer Berufsschule für Bürokaufleute beschäftigt, keine Kündigungsgefahr, zwei der letzten 12 Monate im Krankenstand, verheiratet seit ca. 10 Jahren, keine Kinder. Wohnt in einer Gemeindewohnung im 2. Stock mit Lift im Halbstock. Kein Pflegegeld.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2023-01 Befund Klinik XXXX , letzte Coloskopie vom 24.1.2023: blande Sigmadivertikulose, keine Engstellung, ad proktologische Ambulanz.
2023-01 Osteoendokrin. Befundbericht beschreibt keine neuen Brüche.
2023-01 Unauffälliges Magnetresonanztomographie vom linken Knie
2023-01 MR linke Schulter beschreibt aktivierte AC-Arthrose, sonst unauffällig.
2022-12 MR rechtes Knie beschreibt Chondropathie Grad III an der lateralen Gelenkfacette der Patella Sonst unauffälliger Befund.
2022-12 Orthopädischer Befundbericht mit Diagnosen, ohne klinischen Befund.
2022-12 Defäkoaraphie beschreibt keinen Hinweis auf Inkontinenz. 3cm messende Engstellung.
2022-11 MR-Lendenwirbelsäule beschreibt Degeneration mit Discopathie, teilweise nicht lesbar.
2022-11 Mammographie beschreibt Zustand nach zweimaliger Gynäkomastie-OP bds., ohne Hinweis auf Rezidiv.
2022-11 Unauffälliger Laborbefund (PSA und Niere).
2022-11 Urolog. Befundbericht beschreibt Zustand nach Leistenbruch Operation links mit Samenleiterverletzung.
2022-11 Rehabericht XXXX beschreibt Zustand nach Deckplatteneinbruch BWK 12 und gering BWK 11 nach Sturz 2020. Ein Deckplatteneinbruch ist in der Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule von 2022-11 nicht nachvollziehbar. Der Befund enthält keinen Röntgenbefund.
2022-07 Dr. XXXX , Psychiater, Depressio vor dem Hintergrund eines Burnout Syndroms, erschwert durch Schmerzzustände, vor allem Kopfschmerzen.
2022-06 XXXX , 1. Med: niedrig-traumatische WK-FX allergisches Asthma bronchiale.
2022-05 Reha XXXX : Deckplatteneinbruch BWK 12 und diskrete Deckpiattenimpression BWK 11 nach Sturz, minim. Bulging BWK 10/11, 11/12, hypertrophe Lig. flava BWK 10/11, ger. Spondylose L2-5 M47.8, ger. Bandscheiben Bulging L2-5 M51.2, ger. Streckfehlhaltung LWS, verstärkter Knick sacrococcygealer Übergang.
2022-05 Dr. XXXX , Urologie: Gynäkomastie vera, kein Restharn, Nieren bds. orthotop, altersentspr. groß, keine RF, keine Steine, keine Hydronephrose, Hoden/ Nebenhoden bds. normal, Hoden bds: homogenes Gewebe, Keine RF, keine susp Areale, Durchblutung bds vorhanden, Hoden/Nebonhoden unauffällig.
2022-04 XXXX : Chron. rez. Dorsoiumbalgie M47.8 Spondylosis, Spondylarthrosis coiumnae vertebraiis thoraco-lumbalis T91.1 Deckplättenimpression nach Sturz über 3 Stufen BWK XII.
2022-04 Röntgen WS, Becken: Geringe Coxarthrosen, Fehlhaltung. Geringe Retrolisthesen L2/L3 und L3/L4 mit Aufhebung derselben in Anteflexion bei L3/L4. Im Übrigen sind sie konstant. Mäßige Osteochondrosen und Spondylosen L2-L4, Punctum maximum L2/L3. Distal betonte Facettarthrosen. Mäßige Spondylosis thoracalis Th6/Th7 und von ThlO abwärts. Geringe Keilform des BWK 12 unverändert zu 1.2.2021, die Übrigen BWK normhoch.
2022-02 Sono beider Mammae: Zustand nach Gynäkomastie-OP beidseits lt. Patientenangabe mit deutlicher Rezidiv-Gynäkomastie beidseits, rechts mehr als links.
2022-01 Dr. XXXX , Lunge: Hyperlipidämie, degenerative WS-Erkrankung, Sigmadivertikuiose, erosive Duodenitis, NERD., Gleithernie, allergische Atemwegserkrankung, Morbus Meniere, St.p. posttraumat. Pleuraerguss li- St.p. rezidiv, Punktion 2010, Asthma bronchiale, chron. Gastritis, Osteoporose - Berodual empfohlen.
2021-08 XXXX , Notaufnahme: Vd.a. Arzneimittelreaktion art. Hypertonie niedrig-traumatische WK-FX - St.p. Rippenfraktur, WK Fraktur - Therapie Aclasta ab 06/21 St.n., traumatischer Schädelbasisfraktur bei Radunfall 1980 Chronische Gastritis (Riesenfalten?) Asthma bronchiale St.p. Schulter OP links 2016 - Impingement St.p. Hernia inguinalis sin. 2008 St.p.
2022-01 Allergie Ambulanz XXXX : Gr 2, Mi 1, sonst neg; Gesamt-IgE 184 2022-08 Bestätigung HNO-FA Dr. XXXX : „Tinnitus rechts und links seit langer Zeit, rezidivierende Schwindelattacken. Hörtest und Schwindelprüfung unauffällig."
2011-12 Allgemeinmedizinisches Vorgutachten: kein HNO-Leiden.
Allgemeinzustand: Altersentsprechend Ernährungszustand: mäßig adipös
Größe: 167,00 cm Gewicht: 81,00 kg
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/Collum: unauffällig. Thorax: symmetrisch, elastisch. Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz. HNAP frei. Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten. Pulmo: VA; SKS Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent. Abdomen: bei Berührung schmerzhaft.
Re Ohr: GG: o.B.; TF: o.B. Li Ohr: GG: o.B.; TF: o.B. Klinische Hörprüfung: W im Kopf, + R + 4 v 4 >6 V > 6.
Nase: Septum: gerade; Schleimhaut: keine Schwellung, kein freies Sekret Mund und Rachen: Zunge wird gerade herausgestreckt, Schleimhaut feucht. Gebiss: unauffällig. Tonsillen: klein.
Hals/Gesicht: DS Nacken und Schläfen, keine umschriebenen Schwellungen. Stimme: Normal, aber er spricht immer sehr leise. Sprache: unauffällig.
Frenzelbrille: Kein Spontan-, kein Kopfschüttelnystagmus, aber Schwindelgefühl nach Kopfschütteln.
Stellmotorik: Romberg und Unterberger unauffällig, keine Seitabweichung. Tonaudiogramm: (0.5,1,2,4 kHz) rechts 25,20,15,10; links 25,15,10,25; di. ein Hörverlust nach Röser (Vierfrequenztabelle) von 11% auf beiden Seiten.
Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt.
Obere Extremitäten:
Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich. Sämtliche Gelenke sind altersentsprechend unauffällig. Die Schultern sind endlagig eingeschränkt, übrige Gelenke sind frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind gut durchführbar. Nacken- und Kreuzgriff sind endlagig eingeschränkt.
An den oberen Extremitäten bestehen rechtsseitig keine Paresen, linksseitig bestehen keine Paresen, Beweglichkeit im Schultergelenk nach OP eingeschränkt. Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar. Die Koordination ist intakt.
Untere Extremitäten:
Der Barfußgang ist symmetrisch und hinkfrei, ist in 3 Gangarten durchführbar, Einbeinstand ist möglich, die tiefe Hocke ist nicht eingeschränkt Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Senkspreizfüße. Beinlänge ist gleich. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich ausgebildet, das Fußgewölbe ist erhalten. Kniegelenke: Zohlen-Test pos., ergussfrei und bandfest. Die endlagige Hüftbeugung ist im Kreuz schmerzhaft. Übrige Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Beweglichkeit:
Hüften S 0-0-100 beidseits, R (S 90°) 15-0-30 beidseits, Knie S 0-0-135 Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
An den unteren Extremitäten bestehen rechtsseitig keine Paresen, linksseitig bestehen keine Paresen. Fersen-/Zehenspitzen-/Einbeinstand beidseits möglich, die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar. Die Koordination ist intakt.
Die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren Extremitäten negativ. Die Sensibilität wird allseits als intakt angegeben.
Wirbelsäule:
Im Lot. Regelrechte Krümmungsverhältnisse. Kein Hartspann, Druckschmerz lumbal. Darmbein-Kreuzbein-Gelenk druckschmerzhaft.
Beweglichkeit:
Halswirbelsäule: KJA 1/20, Seitwärtsneigen 20-0-20, Rotation 70-0-70 Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: FBA 15, Seitwärtsneigen und Rotation frei
Gesamtmobilität - Gangbild:
07.02.2023: Kommt ohne Gehhilfen zur Untersuchung, das Gangbild ist symmetrisch, hinkfrei, sicher. Das Aus- und Ankleiden wird im Stehen durchgeführt.
18.04.2023: Das Gangbild ist ohne Hilfsmittel unauffällig.
Status Psychicus:
07.02.2023: Wach, Sprache unauffällig.
18.04.2023: Zeitlich, örtlich zur Person ausreichend orientiert, Auffassung regelrecht, Antrieb vermindert, subjektiv kognitive Einschränkungen, Stimmung dysthym mit Somatisierungsneigung, Ein- und Durchschlafstörung, nicht produktiv, nicht suizidal eingeengt.
Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Asthma bronchiale
2. Tinnitus
3. Depressio
4. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
5. Aufbrauchserscheinungen am Bewegungsapparat
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 20 v. H.
Das führende Leiden 1 wird von den Leiden 2. bis 5. nicht weiter erhöht, da diese von geringer funktioneller Relevanz sind.
Eine Engstellung (Stenose) des Dickdarmes ist nach den vorgelegten medizinischen Befunden nicht objektivierbar.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf die seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Hals-Nasen-Ohren, eines Arztes für Allgemeinmedizin, eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin, einer Fachärztin für Innere Medizin und eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, jeweils basierend auf persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers und insbesondere auf die von der Fachärztin für Innere Medizin erstellte Gesamtbeurteilung vom 19.04.2023.
Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinischen Gutachter setzen sich umfassend und nachvollziehbar mit sämtlichen vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Die medizinischen Sachverständige gehen in deren Gutachten jeweils aus fachlicher Sicht ausführlich auf sämtliche Einwendungen und Befunde des Beschwerdeführers in der Beschwerde ein.
Seitens des Bundesverwaltungsgericht bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
„§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
…
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41 (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
…
§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
…
§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
§ 46 Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung beträgt 12 Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:
"Behinderung
§ 1 Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung
§ 2 (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3 (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4 (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
...“
Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.
Leiden 1, Asthma bronchiale, wurde von der medizinischen Sachverständigen aus dem Fachbereich der Inneren Medizin in deren Gutachten vom 10.02.2023 richtig im oberen Rahmensatz der Position 06.05.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 20 % eingestuft, da dieses Leiden unter Bedarfsmedikation klinisch unauffällig ist.
Beim Leiden 2 handelt es sich um einen Tinnitus, welcher von einem Facharzt für Hals-Nasen-Ohren in dessen Gutachten vom 16.09.2022 richtig eine Stufe über dem unteren Rahmensatz der Position 12.02.202 der Anlage der EVO mit einem GdB von 20 % eingestuft wurde, da dieser verknüpft ist mit einer Hyperakusie und vegetativen Begleiterscheinungen.
Das Leiden 3 ist eine Depressio, welcher der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Neurologie und Psychiatrie in seinem Gutachten vom 18.04.2023 richtig eine Stufe über dem unteren Rahmensatz der Position 03.06.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 20 % einschätzte, da ein chronischer Verlauf mit Therapieoptionen vorliegt.
Das Leiden 4 sind die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, welche der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Unfallchirurgie in seinem Gutachten vom 09.02.2023 richtig im unteren Rahmensatz der Position 02.01.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 10 % einschätzte, da keine relevanten Einschränkungen bestehen.
Beim Leiden 5 handelt es sich um Aufbrauchserscheinungen am Bewegungsapparat, welche der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Unfallchirurgie richtig im unteren Rahmensatz der Position 02.02.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 10% einschätzte, da auch dieses Leiden ohne relevante funktionelle Einschränkungen ist.
Sämtliche Leiden des Beschwerdeführers sind demnach nach der Einschätzungsverordnung nach der richtigen Positionsnummer eingestuft.
Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung hat bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).
Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung die seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Hals-Nasen-Ohren, eine Arztes für Allgemeinmedizin, eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin, einer Fachärztin für Innere Medizin und eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, jeweils basierend auf persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers, und die von der Fachärztin für Innere Medizin erstellte Gesamtbeurteilung vom 19.04.2023 zugrunde gelegt.
Die medizinische Sachverständige stellt in der Gesamtbeurteilung vom 19.04.2023 fest, das Leiden 1 von den Leiden 2. bis 5. nicht weiter erhöht wird, da diese von geringer funktioneller Relevanz sind woraus sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. ergibt.
Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde und vorgebrachten Beschwerdegründe waren nicht geeignet, die durch die medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes zu belegen.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf die von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, welche allesamt jeweils auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruhen, auf alle Einwände und die im Verfahren vorgelegten Atteste des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingehen, und welchem der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist. Der Beschwerdeführer gab nach Übermittlung der Gutachten durch das Bundesverwaltungsgericht am 26.04.2023 keine Stellungnahme ab und stellte insbesondere keinen Antrag auf mündliche Erörterung dieser Gutachten im Rahmen einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
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