BVwG W254 2231137-1

BVwGW254 2231137-124.3.2022

B-VG Art133 Abs4
UG §72
UG §73
UG §74

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W254.2231137.1.00

 

Spruch:

W254 2231137-1/26E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch CERHA HEMPEL Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Vizerektors für Lehre und Studium der Universität Salzburg vom 09.12.2019, Zl. S.16028/3-2019, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 28.02.2019 fand die Prüfung aus Europarecht an der Universität Salzburg statt. Abhängig vom Lichteinfall im jeweiligen Hörsaal und auch von der Farbe des Prüfungsbogens waren in den Prüfungsbögen die richtigen von den falschen Antwortoptionen in unterschiedlichem Ausmaß unterscheidbar. Am 28.03.2019 wurden die Studierenden daher in Kenntnis gesetzt, dass keine Prüfungsbeurteilung durch die Prüfer erfolgen könne und dass der Prüfungsantritt nicht gezählt werde.

2. Mit Schreiben vom 21.10.2019 (bei der Universität Salzburg eingelangt am 23.10.2019) stellte die beschwerdeführende Partei (in Folge BP) einen Antrag an den Vizerektor für Lehre und Studium der Universität Salzburg auf Beurteilung, Beurkundung und Beglaubigung der Fachprüfung Europarecht. Sie begründete den Antrag damit, dass sie ein subjektives Recht auf die Beurteilung der am 28.02.2019 abgelegten Prüfung habe. Die Beurteilung von Prüfungen sei gemäß § 74 Abs. 1 UG durch ein Zeugnis zu beurkunden und solche Zeugnisse seien unverzüglich, längstens jedoch innerhalb von vier Wochen nach Erbringung der zu beurteilenden Leistung auszustellen. Die BP habe ein subjektives Recht auf Ausstellung eines Zeugnisses über die am 28.02.2019 abgelegte Prüfung. Für die Annullierung der Prüfung vom 28.02.2019 gäbe es keinerlei Rechtsgrundlage im UG oder in der Satzung und sei von den Prüfern auch nicht genannt worden. Die BP stellte die Anträge, die zuständige Behörde möge die Beurteilungsunterlagen und das Prüfungsprotokoll beischaffen, veranlassen, dass die gegenständliche Prüfung beurteilt werde, diese beurteilte Prüfung durch Zeugnis beurkunden und dieses Zeugnis beglaubigen.

3. Mit Bescheid vom 09.12.2019 des Vizerektors für Lehre und Studium der Universität Salzburg wurde der Antrag auf Beischaffung der Beurteilungsunterlagen und des Prüfungsprotokolls, Beurteilung der Fachprüfung „Europarecht“ vom 28.02.2019, Beurkundung der beurteilten Fachprüfung durch Zeugnis und Beglaubigung dieses Zeugnisses abgewiesen. Es wurde entschieden, dass über die Fachprüfung „Europarecht“ vom 28.02.2019 kein Zeugnis ausgestellt werde. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Verweigerung der Ausstellung eines Zeugnisses bescheidmäßig zu erfolgen habe. Nach Durchsicht der abgegebenen Prüfungsunterlagen der Prüfung aus Europarecht habe es auffällige Unterschiede in den Prüfungsleistungen gegeben. Es habe viele negative Klausuren und auch eine ungewöhnliche Anzahl an 100/100 Punkten Arbeiten gegeben. Nach einem Hinweis aus dem Kreis der Studierenden seien die Prüfer darauf aufmerksam gemacht worden, dass abhängig von den Lichtverhältnissen im Hörsaal, falsche von richtigen Antwortoptionen am Prüfungsbogen unterscheidbar gewesen seien und zwar in unterschiedlichem Ausmaß je nach Farbe des Prüfungsbogens (weiß, blau und grün). Aufgrund eines Fehlers bei der Herstellung seien die richtigen von den falschen Antworten durch unterschiedliche Grauschattierungen unterscheidbar gewesen. Es sei daher nach der Prüfung unmöglich festzustellen gewesen, für welche Studierende dieser Umstand für das Erreichen eines positiven Ergebnisses ausschlaggebend gewesen sei. Da daher keine validen Prüfungsergebnisse vorgelegen seien, hätte auch keine Prüfungsbeurteilung durch die Prüfer erfolgen können. Die Basis zur Erstellung eines seriösen Gutachtens über die Prüfungsleistung aller Studierenden sei nicht gegeben gewesen. Ohne Gutachten, das heißt ohne Beurteilung der Prüfungsleistung könne es keine Beurkundung des Gutachtens durch ein Prüfungszeugnis geben. Der Prüfungsantritt sei auch nicht gezählt worden.

4. Dagegen erhob die BP am 10.01.2020 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte sie aus, dass die belangte Behörde die Beurteilung der Prüfung ohne Rechtsgrundlage und ohne nähere Auseinandersetzung mit den Prüfungsumständen und insbesondere der konkreten Prüfung verweigert hätte. Der Prüfer und die belangte Behörde trügen die Alleinverantwortung dafür, dass Prüfungen ordnungsgemäß durchgeführt würden. Es liege eine ordnungsgemäße Prüfung vor, weshalb die Prüfer und die belangte Behörde in einem solchen Fall nicht im Nachhinein die Beurteilung der Prüfung verweigern könnten. Folge man der Rechtsansicht der belangten Behörde, könnten Prüfer nach ordnungsgemäßer Durchführung einer Prüfung und einer Erstdurchsicht der Prüfungen auch die Beurteilung verweigern, weil sie der Ansicht seien, dass die Prüfung gemessen an den zu erwartenden Ergebnissen zu leicht gewesen sei. Dafür fehle es an einer Rechtsgrundlage und stehe diese Rechtsansicht im Widerspruch zum im UG grundgelegten Prüfungssystem. Es käme Willkür gleich, wenn sich die Prüfer im Nachhinein ihrer Beurteilungspflicht entziehen könnten. Die BP habe sich auf die Prüfung gut vorbereitet und die Fragen aus eigenem Wissen beantwortet. Aufgrund des Alleinverschuldens habe der Prüfer die BP um ihre – allenfalls positive – Beurteilung gebracht. Dass für die Erstellung eines seriösen Gutachtens über die Prüfungsleistung für die Prüfer nicht feststellbar gewesen sei, für welche Studierende dieser Fehler Einfluss für die endgültige Beurteilung gehabt habe, könne nicht den völlig schuldlosen Studierenden zum Nachteil gereichen. Die ordnungsgemäß durchgeführte Fachprüfung Europarecht sei daher unabhängig davon zu beurteilen, ob die richtigen Antworten für die BP allenfalls erkennbar gewesen sei.

Darüber hinaus sei ausgeschlossen, dass für alle Studierende die richtigen Antworten erkennbar gewesen seien. Daher dürften auch nicht alle Prüfungsleistungen gleich behandelt werden. Jede Prüfung sei einzeln zu beurteilen. Die belangte Behörde habe Ermittlungen dahingehend unterlassen, welche Farbe der Prüfungsbogen der BP gehabt habe und ob bei dieser Farbe die falschen bzw. richtigen Antwortmöglichkeiten auf der Prüfungsangabe bei den gegebenen Lichtverhältnissen unterscheidbar gewesen seien. Es fehlten auch Ermittlungen und Feststellungen zum konkreten Ergebnis der bei der BP durchgeführten Erstdurchsicht. Darüber hinaus seien auch die Beweisanträge auf Beischaffung der Beurteilungsunterlagen und des Prüfungsprotokolls der BP abgewiesen worden. Der BP lägen zwei Exemplare der Fachprüfung Europarecht vom 28.02.2019 vor, auf denen die jeweils fünf Antwortmöglichkeiten mit freiem Auge nicht zu unterscheiden wären. Hätte sich die belangte Behörde mit der konkreten Prüfung der BP auseinandergesetzt, insbesondere mit der Erkennbarkeit der richtigen Prüfungsantworten, wäre sie zum Ergebnis gekommen, dass die richtigen Antwortmöglichkeiten für die BP nicht erkennbar gewesen wären. Daher seien auch Verfahrensvorschriften verletzt worden. Im Ergebnis sei die Ansicht der belangten Behörde, dass keine validen Prüfungsergebnisse vorlägen und somit eine Prüfungsbeurteilung nicht möglich sei, unzutreffend. Die Prüfung der BP sei zu beurteilen, die Beurteilung sei durch Zeugnis zu beurkunden und diese Beurkundung sei zu beglaubigen. Die BP stellte die Anträge, die Beurteilungsunterlagen, das Prüfungsprotokoll der gegenständlichen Prüfung des Beschwerdeführers beizuschaffen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und der Beschwerde stattzugeben in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

5. Mit Schreiben vom 08.05.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2020, legte der Vizerektor für Lehre und Studium der Universität Salzburg dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit dem Hinweis vor, dass der Senat der Universität Salzburg auf eine Stellungnahme verzichte und die belangte Behörde von einer Beschwerdevorentscheidung absehe.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.07.2020, W 254 2231137-1/2E wurde die Beschwerde – ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung – abgewiesen und die Revision für zulässig erklärt. Entsprechend der Fehlerkalküllehre müsse im vorliegenden Fall von einer absolut nichtigen Prüfung ausgegangen werden, weil bei den Prüfungsbögen in unterschiedlichem Ausmaß die richtigen von den falschen Antworten unterscheidbar gewesen wären. Der Zweck einer Prüfung, nämlich erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten nachzuweisen, habe damit nicht erfüllt werden können.

7. Der Verwaltungsgerichtshof hob das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes am 10.09.2021, Ro 2020/10/0027-6 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof zunächst aus, dass das Bundesverwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen sei, dass sich dem Universitätsgesetz das Konzept eines „dreigliedrigen Fehlerkalküls“ entnehmen ließe. Ein in der Weise fehlerhaft gestalteter Prüfungsbogen einer schriftlichen Prüfung, dass daraus die richtigen Antwortmöglichkeiten ersichtlich seien, stelle keine taugliche Grundlage für die Überprüfung des tatsächlichen Wissenstandes dar, weshalb von der absoluten Nichtigkeit der Prüfung auszugehen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe es aber verabsäumt, sich mit der Frage, ob die richtigen Antworten auch auf dem Prüfungsbogen er Revisionswerberin optisch erkennbar waren, auseinanderzusetzen.

8. Der Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 29.09.2021 vorgelegt. Die belangte Behörde übermittelte entsprechend der Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes folgende Beweismittel: Stammdatenblatt und Studienerfolgsnachweis der BP, Stellungnahme des Prüfers Dr. XXXX , Einzelergebnisnachweis, Musterlösung der Gruppen A, B und C, Gesamtergebnisliste, Teilnehmerliste, jeweils drei Prüfungsbögen für die einzelnen Gruppen A, B und C, Wetteraufzeichnungen der ZAMG für den Prüfungstag.

9. Am 21.01.2022 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die BP ist unentschuldigt zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Die Verhandlung wurde durch Verwendung eines digitalen Tonaufzeichnungsgerätes protokolliert. Die Ausfertigung des Langprotokolls wurde den Parteien zugestellt. Es wurden keine Einwendungen gegen das Protokoll erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BP ist zur mündlichen Beschwerdeverhandlung unentschuldigt nicht erschienen.

Die BP studiert seit August 2015 Recht und Wirtschaft und befindet sich im 14. Semester des Studiums. Sie wurde in einigen Fächern bzw. Vorlesung und Übung zumindest beim ersten Antritt mit „Nicht genügend“ beurteilt, beispielsweise in Einführung in die VWL, Europarecht II (insgesamt dreimal mit Nicht genügend), Strategische Unternehmensführung oder Finanzrecht. Ein „Sehr gut“ konnte er lediglich im Seminar „Strategische Unternehmensführung“ erzielen.

 

Die erbrachten Prüfungsleistungen der BP waren bislang unterdurchschnittlich.

Am 28.02.2019 fand die verfahrensgegenständliche Prüfung aus Europarecht an der Universität Salzburg im Thomas-Bernhard-Hörsaal im Erdgeschoss des Uniparks statt. Das vorläufige Prüfungsergebnis ergab, dass es 22 Beurteilungen mit „Sehr gut“ gab, drei „Gut“, neun „Befriedigend“, zwölf Genügend und 57 „Nicht genügend“. Aufgrund eines Fehlers in der Herstellung der Prüfungsbögen waren die richtigen von den falschen Antwortoptionen durch unterschiedliche Grauschattierungen auf den Prüfungsbögen bei genauerem Hinsehen unterscheidbar.

Am Prüfungstag herrschte in Salzburg sonniges Wetter vor und es gab maximale Helligkeit und Sonnenscheindauer.

Der BP wurde bei der Prüfung Prüfungsbögen der Gruppe B (grün) zugeteilt. Das vorläufige Prüfungsergebnis der BP lautete „Sehr gut“ mit 100 von 100 Punkten (100% richtige Antworten). Auf den Prüfungsbögen der BP waren die richtigen von den falschen Antwortoptionen unterscheidbar und für die BP erkennbar. Auch auf den Prüfungsbögen der anderen Gruppen (Gruppe A, weiß und Gruppe C, blau) waren die Antwortoptionen unterscheidbar. Eine Prüfungsbeurteilung war daher nicht möglich.

Am 28.03.2019 wurden die Studierenden in Kenntnis gesetzt, dass keine Prüfungsbeurteilung durch die Prüfer erfolgen kann. Der Prüfungsantritt wurde für keinen der Studierenden gezählt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung, dass die BP unentschuldigt zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, ergibt sich aus dem Verhandlungsprotokoll. Der RV gibt an, dass der BP aufgrund der Corona Situation die Anreise zu riskant war und ihr die Verletzung der Mitwirkungspflicht bewusst sei. Dies stellt keinen validen Entschuldigungsgrund dar. In den öffentlichen Verkehrsmitteln herrscht FFP2 Maskenpflicht, die erwiesenermaßen einen guten Schutz vor einer Corona Erkrankung bieten. Ebenso wird im Gerichtsgebäude FFP2 Maske getragen. Es wäre der BP außerdem unbenommen geblieben, rechtzeitig um Vernehmung unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung (vgl. §25 Abs 6b VwGVG) zu ersuchen. Die BP hat durch das Nichterscheinen bei der mündlichen Verhandlung ihre Mitwirkungspflicht verletzt.

Die Feststellung zum Zeitpunkt und Ort der Prüfung gründet sich auf die übereinstimmenden Aussagen der belangten Behörde und der BP. Die Feststellungen zum Wetter am Prüfungstag gründet sich auf die eingeholte Wetterauskunft der ZAMG (OZ 25) und wird durch die Aussagen der Zeug*innen bestätigt.

Die Feststellungen zu den unterdurchschnittlichen Studienleistungen der BP gründen sich auf die Einschau in den Studienerfolgsnachweis.

Die Feststellung, dass die richtigen von den falschen Antwortoptionen auf den Prüfungsbögen unterscheidbar und für die BP erkennbar waren, gründen sich auf folgende Erwägungen:

Zum einen wurde seitens der belangten Behörde nachvollziehbar erklärt, wie es zum Fehler in der Herstellung der Prüfungsbögen kommen konnte. Die falschen Antwortoptionen waren in roter Schrift, die richtigen in schwarzer Schrift verfasst; die roten Antwortoptionen wurden vor der Vervielfältigung nicht schwarz eingefärbt, weshalb auf den kopierten Prüfungsbögen bei näherem Hinsehen eine Unterscheidbarkeit gegeben ist. Diese Herstellungsweise wurde auch durch die Zeug*innen (Z1 und Z2) bestätigt und wird vom anwesenden Rechtsvertreter der BP nicht bestritten.

Dem Bundesverwaltungsgericht wurden darüber hinaus drei Prüfungsbögen der Gruppe B (ebenso wie drei Prüfungsbögen der Gruppen A und C) übermittelt, die einem Augenschein unterzogen wurden. Durch Einschau in dieses Beweismittel konnte sich das Bundesverwaltungsgericht überzeugen, dass bei allen drei übermittelten Prüfungsbögen der Gruppe B (aber auch auf den Prüfungsbögen der Gruppen A und C) die richtigen und falschen Antwortoptionen durch näheres Hinsehen unterscheidbar waren. Nach den glaubhaften Aussagen der belangten Behörde, war die Druckqualität auf allen Prüfungsbögen gleich. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass der Prüfungsbogen der BP mit den vorgelegten Prüfungsbögen der Gruppe B vergleichbar ist. Auch der Rechtsvertreter der BP räumt ein, dass sich die Bögen nicht voneinander unterscheiden (vgl VHP S. 62 RV: Dazu möchte ich festhalten, dass zumindest nach mehreren Aussagen sich die Bögen voneinander nicht unterscheiden, so dass die Frage des konkreten Bogens ohnehin nicht relevant ist. […] R an RV: Das heißt, Sie gehen auch davon aus, dass alle Bögen gleich sind? RV: Es haben mehrere Zeugen so ausgesagt, also ja.]. Aus dem Augenschein ergibt sich auch, dass die farblichen Unterschiede der Prüfungsbögen (weiß, grün und blau) kaum einen Unterschied für die Unterscheidbarkeit der Antwortoptionen machen.

Dass die richtigen Antwortoptionen für die Studierenden und insbesondere auch für die BP erkennbar war, ergibt sich aber auch aus den Aussagen der befragten Zeug*innen Z4 und Z5, die ebenfalls zur verfahrensgegenständlichen Prüfung angetreten sind: die Z4 (Gruppe B) führt zur Prüfungssituation der Europarechtsprüfung aus „dann ist mir unter der Klausur aufgefallen, dass von der Formatierung, also es war ja ein Multiple-Choice-Klausur, nicht jeder Satz gleich ausgeschaut hat, ich weiß es nicht ob es dicker oder dünkler war. Man hat einen Unterschied an den vorgegebenen Sätzen erkennen können, während der Prüfung hat man das erkennen können. Habe mir aber nicht so viel dabei gedacht, sicher hätte ich absichtlich viel falsch ankreuzen können oder ich hätte versuchen können, es zu ignorieren, habe ich aber nicht.“

Auch der Z5 (Gruppe A) gibt bei seiner Befragung eindeutig und klar zu erkennen, dass er die richtigen von den falschen Antwortoptionen aufgrund der Druckqualität erkennen konnte (VHP S. 58 R: Die heutige Verhandlung erörtert die Umstände der Fachprüfung Europarecht vom 28.02.2019, bei der Sie auch mitgeschrieben haben. Diese Fachprüfung wurde von der Universität Salzburg annulliert. Können Sie mir Ihre Sicht der Dinge betreffend diese Fachprüfung schildern? Z5: Ja, im Vorhinein war mir schon bewusst, dass bei der einen vorhergegangenen Fachprüfung oder auch bei zwei vorhergegangenen Fachprüfungen die Antwortmöglichkeiten sichtbar waren – ich bin mir nicht mehr sicher – aber von einer vorher weiß ich es, dass die dicker oder dünner gedruckt worden ist. Auf jeden Fall war es beim Multiple Choice ersichtlich, dass die Antworten sichtbar waren und man geht bei einer Prüfung nicht davon aus, dass das wieder passiert. Es ist dann doch während der Prüfung sichtbar gewesen – ich weiß nicht mehr, ob es dünner oder dicker waren - aber man hat die richtigen Antwortmöglichkeiten gesehen. R: Sie haben das erkannt bei der Prüfung? Z5: Ja.). Dabei räumt der Z5 auch ein, dass er bereits im Vorfeld gewusst habe, dass es bei einer Prüfung zu diesem Fehler in der Herstellung der Prüfungsbögen gekommen sei und man bei diesem Wissen jedenfalls die richtigen Antwortoptionen erkennen konnte. Er räumte aber ebenfalls ein, dass man es vielleicht auch hätte erkennen können, wenn man dies nicht gewusst hätte. Dabei ist aber auch nochmals darauf hinzuweisen, dass die Z4 angegeben hat, dass sie im Vorfeld nichts von den fehlerhaften Prüfungsbögen gewusst habe, die falschen von den richtigen Antwortoptionen aber unterscheiden habe können.

Da die BP zur mündlichen Beschwerdeverhandlung unentschuldigt nicht erschienen ist, konnte sie zum Prüfungsvorgang und der Unterscheidbarkeit der Antworten nicht befragt werden. Sie hat damit ihre Mitwirkungspflicht verletzt. Bei der BP tritt aber ohnehin besonders deutlich zu Tage, dass sie die richtigen von den falschen Antwortoptionen aufgrund der unterschiedlichen Grauschattierung unterscheiden konnte, da sie ein exzeptionell gutes Prüfungsergebnis erzielt hat, nämlich 100% richtige Antworten. Dies kommt nach Aussage einer Institutsmitarbeiterin kaum bis gar nicht vor und ist gang ganz selten (VHP S. 34). Auch der zweite geladene Zeuge (Z2) gibt zu Protokoll, dass 100 Punkte „Sehr gut“ selten sind und „Sehr gut“ insgesamt selten sind. Aus dem Studienerfolgsnachweis der BP ergibt sich zudem, dass die BP bisher im Studium der Rechtswissenschaften nur unterdurchschnittliche Leistungen erbracht hat. Zudem bei drei anderen Antritten in Europarecht II mit „Nicht genügend“ beurteilt wurde. Ein 100% richtiges Prüfungsergebnis steht daher mit dem bisherigen Studienerfolg auch nicht im Einklang.

Es steht daher für das Bundesverwaltungsgericht unter Zugrundelegung aller Beweisergebnisse außer Frage, dass die BP die Unterscheidbarkeit der richtigen von den falschen Antwortoptionen erkennen konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu den rechtlichen Grundlagen

§ 2 Der Satzung der Universität Salzburg:

§ 2. (1) Der bzw. dem VRL obliegt die bescheidmäßige Erledigung aller studienrechtlichen Angelegenheiten nach Universitätsgesetz 2002, soweit das Gesetz oder die Satzung dafür keine anderen Zuständigkeiten festlegt.

[…]

Universitätsgesetz 2002:

Feststellung und Beurteilung des Studienerfolgs

§ 72. (1) UG Der Studienerfolg ist durch die Prüfungen und die Beurteilung der wissenschaftlichen (Diplomarbeit, Masterarbeit oder Dissertation) oder der künstlerischen Arbeit (künstlerische Diplom-, Masterarbeit oder Dissertation) festzustellen.

[…]

§ 73 UG

Nichtigerklärung von Beurteilungen

§ 73. (1) Das für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständige Organ hat die Beurteilung mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn

1. bei einer Prüfung die Anmeldung zu dieser Prüfung erschlichen wurde oder

2. bei einer Prüfung oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Arbeit die Beurteilung, insbesondere durch die Verwendung unerlaubter Hilfsmittel, erschlichen wurde.

(2) Die Prüfung, deren Beurteilung für nichtig erklärt wurde, ist auf die Gesamtzahl der Wiederholungen anzurechnen.

(3) Prüfungen, die außerhalb des Wirkungsbereiches einer Fortsetzungsmeldung abgelegt wurden, und Beurteilungen wissenschaftlicher sowie künstlerischer Arbeiten, die außerhalb des Wirkungsbereiches einer Fortsetzungsmeldung erfolgten, sind absolut nichtig. Eine Anrechnung auf die Gesamtzahl der Wiederholungen erfolgt nicht.

§ 74 UG

Zeugnisse

§ 74. (1) Die Beurteilung von Prüfungen und wissenschaftlichen sowie künstlerischen Arbeiten ist jeweils durch ein Zeugnis zu beurkunden. Sammelzeugnisse sind zulässig.

[…]

3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH stellen Prüfungsbeurteilungen keine dem Rechtszug unterliegenden Bescheide dar, vielmehr sind Prüfungsbeurteilungen als Gutachten zu qualifizieren. Überprüft kann nur werden, ob das Prüfungsergebnis in einer vom Gesetz vorgesehenen Art zustande gekommen ist (VwGH vom 26.01.2000, Zl. 97/03/0304). Der Gesetzgeber des UG scheint der Auffassung der Judikatur zu folgen: In den Materialien zum UniStG findet sich der Hinweis, dass durch die Regelungen über den Rechtsschutz „der bisherigen Praxis Rechnung getragen werden [könnte], die Prüfungen als Gutachten qualifiziert“ (ErlRV 588 BlgNR 20. GP 93). Damit liegt der Schluss nahe, dass auch der Gesetzgeber des UG dieses „Modell“ übernommen hat. Aus den Regelungen über die Nichtigerklärung (§ 73 UG), über die Wiederholbarkeit von Prüfungen (§ 77 UG) und den Rechtsschutz (§ 79 UG) ergibt sich, dass der Gesetzgeber von einer gewissen Bestandskraft von Prüfungsentscheidungen ausgegangen ist (so auch VwSlg 14.921 A) und Beurteilungen im Wesentlichen mit Rechtswirkungen ausgestattet sein sollen, die man bei Bescheiden als Rechtskraft bezeichnet (vgl zu diesem Begriff zB Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahren10 Rz 451 ff).

Ebenso hat der Gesetzgeber gewisse Rechtsschutzeinrichtungen – zumindest für negativ beurteilte Prüfungen – vorgesehen (§ 79 UG; vgl. Perthold-Stoitzner in Perthold-Stoitzner, UG3.01 § 72 Rz 3).

Zweck einer Prüfung ist, dass Studierende die Gelegenheit erhalten, den Stand der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nachzuweisen (§ 19 der Satzung der Universität Salzburg; vgl. auch die früher geltende Regelung des § 57 UniStG idF BGBl. I Nr. 120/2002). Auch nach dem VwGH ist der den Studienvorschriften innewohnender Zweck, die Sicherung einer objektiven und strengen Wissenskontrolle (vgl. Novak, Schwindelaktionen bei AHStG-Prüfungen - Relevanz, Kompetenzen, Konsequenzen, ÖJZ 1996, 542 [Fn 25]; VwGH vom 24.10.1975, VwSlg 8909/1975). Der Sinn von Prüfungs- und Studienvorschriften liegt darin, im Interesse der Studierenden, der Hochschule und der Allgemeinheit eine objektive strenge, vollständige Kontrolle des Wissens und der Ausbildung jener Personen sicherzustellen, denen auf Grund dieses Wissens und dieser Ausbildung ein akademischer Grad verliehen werden soll (vgl. Novak, Schwindelaktionen bei AHStG-Prüfungen - Relevanz, Kompetenzen, Konsequenzen, ÖJZ 1996, 542 [Fn 34]; VwGH 24. 10. 1975, 1406/75 = VwSlg 8909/1975).

Fehlerhafte Prüfungen können entsprechend den in der Fehlerkalküllehre eintretenden Konsequenzen in drei Kategorien eingeteilt werden. Zum einen können Fehler auftreten, die so gravierend sind, dass nicht einmal von einer Prüfung gesprochen werden kann. Insoweit handelt es sich dann um absolut nichtige Akte, die keine Rechtswirkungen entfalten können; einer Anfechtung oder Aufhebung bedarf es diesfalls nicht. Betroffen davon können sowohl positiv als auch negativ beurteilte Prüfungen sein.

Die Frage, wann Fehler zur absoluten Nichtigkeit der Prüfung führen, ist auf der Grundlage einer wertenden Betrachtung aus dem UG zu ermitteln. Es muss sich dabei um derartig gravierende Mängel handeln, die gleichsam jenseits der Schwelle des „schweren Mangels“ iS des § 79 UG anzusiedeln sind, bei denen man dem Gesetzgeber nicht mehr unterstellen kann, er hätte im Fall der Nichtanfechtung bzw. in dem der positiven Beurteilung die Gültigkeit einer solchen „Prüfung“ in Kauf nehmen wollen (vgl. Stelzer, Rechtsprobleme von Prüfungen nach dem UniStG, in Strasser (Hrsg), Untersuchungen zum Organisations- und Studienrecht [1999] 66 [78]).

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daher, dass aufgrund des fehlerhaften Prüfungsbogens, aus dem die richtigen Antwortmöglichkeiten für die BP ersichtlich waren, keine taugliche Grundlage für die Überprüfung des tatsächlichen Wissenstandes der BP war und daher keine valide Prüfungsbeurteilung der Prüfung der BP möglich war. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, handelt es sich dabei um einen derart gravierenden Prüfungsmangel, dass von der absoluten Nichtigkeit der Prüfung der BP auszugehen ist (vgl. VwGH vom 20.08.2021, Ro 2020/10/0025-6, Rz 29). Die Rechtsfolge der absoluten Nichtigkeit der Prüfung tritt ex lege ein. Die Mitteilung an die Studierenden, dass die Prüfung annulliert werde, hatte daher bloß deklaratorischen Charakter.

3.3. Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, dass nach dem Rechtsschutzsystem des UG selbst bei erfolgreicher Rüge eines schweren Mangels bei der Durchführung einer Prüfung im Falle einer negativen Beurteilung diese Prüfung auf Antrag der oder des Studierenden lediglich mit Bescheid aufzuheben ist (vgl. § 79 UG). Es gibt daher – auch bei offenkundigen schweren Mängeln – keinen Rechtsanspruch, eine negativ beurteilte Prüfung zu einer positiv beurteilten Prüfung abzuändern. Rechtsschutz ist daher nur insoweit vorgesehen, als eine negativ beurteilte Arbeit aufgehoben wird und der Prüfungsantritt nicht zählt. Einen Rechtsanspruch auf eine positiv bewertete Arbeit lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Auch im vorliegenden Fall ist die BP nicht schlechter gestellt, da aufgrund des gravierenden Mangels von einer absolut nichtigen Prüfung ausgegangen wird und der Prüfungsantritt nicht zählt.

3.4. Im Ergebnis muss auch dem öffentlichen Interesse an ordnungsgemäß abgehaltenen Prüfungen ausreichend Rechnung getragen werden. Liegen derart gravierende Fehler in einer „Prüfung“ wie im vorliegenden Fall vor, da die richtigen von falschen Antworten in den Prüfungsbögen für die BP erkennbar waren, kann gar nicht mehr von einer Prüfung gesprochen werden, sodass darin ein absolut nichtiger Verwaltungsakt erblickt werden muss (vgl. Stelzer, Rechtsprobleme von Prüfungen nach dem UniStG, in Strasser (Hrsg), Untersuchungen zum Organisations- und Studienrecht [1999] 66 [80]). In Folge war auch eine Beurteilung bzw. Beurkundung einer absolut nichtigen Prüfung nicht möglich, weshalb die belangte Behörde den Antrag der BP zu Recht abgewiesen hat.

Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof das restriktive System zur Überprüfung von universitären Prüfungsentscheidungen mit den Grundsätzen des Rechtsstaates für vereinbar gehalten (vgl. VfGH 12.03.1997, B 3474/95).

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die entscheidende Rechtsfrage, nämlich betreffend die absolute Nichtigkeit einer Prüfung bereits im ersten Verfahrensgang vom Verwaltungsgerichtshof geklärt wurde (vgl. die Entscheidung vom 20.08.2021, Ro 2020/10/0025-6). Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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