BVwG W168 1433188-1

BVwGW168 1433188-16.10.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W168.1433188.1.00

 

Spruch:

W168 1433188-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.02.2013, Aktenzahl 12 04.886-BAG, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte am 22.04.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und gab die oben angeführten Personalien an.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.02.2013 wurde gegenständlicher Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, in Spruchpunkt I. abgewiesen. In Spruchpunkt II. wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und der Beschwerdeführer in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia ausgewiesen. Den Angaben des Beschwerdeführers, er gehöre der Minderheit der Galgale an und stamme aus der Region Jowhar, wurde kein Glauben geschenkt. Ebenso als unglaubwürdig gewertet wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers zur behaupteten Bedrohung durch die Al-Shabaab.

Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes hat die beschwerdeführende Partei fristgerecht Beschwerde erhoben.

Am 22.08.2014 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein ergänzender Schriftsatz des Beschwerdeführers ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

1. Rechtliche Grundlagen:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28 VwGVG normiert:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG im gegenständlichen Fall:

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall zwar Ermittlungsschritte gesetzt und eine Anfragebeantwortung zum Vorbringen des Beschwerdeführers eingeholt; das Bundesasylamt hat aber hinsichtlich der vom Beschwerdeführer behaupteten Zugehörigkeit zur Minderheit der Galgale keine ausreichenden und nachvollziehbaren Ermittlungen vorgenommen. Das Bundesasylamt hat Anfragen an die Staatendokumentation herangetragen, etwa nach der behaupteten Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu den Galgale; diese Frage ist jedoch unbeantwortet geblieben und hat das Bundesasylamt aus der für den Fall des Beschwerdeführers eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Schlüsse gezogen, die einer nachprüfenden Kontrolle durch das Bundesverwaltungsgericht nicht standhalten.

Das Bundesasylamt hat demnach lückenhafte Ermittlungen und eine unschlüssige Beweiswürdigung vorgenommen, was im fortgesetzten Verfahren zu sanieren ist. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen vermögen die Entscheidung des Bundesasylamtes sowohl im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch im Hinblick auf die Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu tragen.

Wie das Bundesasylamt zur Feststellung gelangt, der Beschwerdeführer stamme "aus dem Süden Somalias, vermutlich aus Mogadischu", ist ebenso wenig nachvollziehbar wie die Feststellung, die "Angehörigen leben nach wie vor in Somalia", hat der Beschwerdeführer doch angegeben, einer Minderheit aus Jowhar anzugehören und den Kontakt zu seinen Angehörigen verloren zu haben.

Insofern die belangte Behörde aus der eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation schlussfolgert, der Beschwerdeführer stamme gar nicht wie angegeben aus Jowhar, sei festgehalten, dass das Bundesasylamt nur ansatzweise ermittelt hat, indem es sich auf die vorliegende Anfragebeantwortung gestützt hat, die jedoch die Existenz des vom Beschwerdeführer genannten Ortes mit relativer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen hat und darauf verweist, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit erst bei Vorlage weiterer Angaben über die geographische Lage, über Nachbarorte und Größe der Ansiedlung möglich sei. Die Begründung des Bundesasylamtes greift daher zu kurz.

Im gegenständlichen Verfahren wurden hinsichtlich der seitens der beschwerdeführenden Partei dezidiert vorgebrachten Diskriminierungen und Bedrohungen, die bis hin zur Versklavung gereicht haben sollen, insbesondere auch allfällig weiterhin bestehender besonderer Gefährdungen durch die Al-Shabaab, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Minderheit der Galgale, keine individuellen Abklärungen vorgenommen.

Nachdem das Bundesasylamt hinsichtlich der Frage der Zugehörigkeit zur vom Beschwerdeführer behaupteten Minderheit nur mangelhafte Ermittlungen vorgenommen hat, ist das Verfahren auch mangelhaft geblieben, was diese Minderheit und deren Gefährdung durch die Al-Shabaab betrifft. Das Bundesasylamt hätte seiner Pflicht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes gemäß einzelfallbezogene Nachfragen bzw. konkrete landesspezifische Abklärungen vorzunehmen gehabt. Eine Beurteilung, ob hieraus resultierende GFK relevante Diskriminierungen dieser Minderheit vorliegen, ist nach den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Länderfeststellungen noch nicht möglich. Nur nach einer einzelfallbezogenen, individuellen und auf die besondere Minderheitensituation bezogenen individuellen Abklärung kann die Frage nach einer (auch) für Personen, die dieser Minderheit angehören, allfällig bestehenden innerstaatlichen Fluchtalternative beantwortet werden.

Im neuerlichen Verfahren wird sich die Behörde somit umfassend und neu mit oben angeführten Punkten auseinanderzusetzen haben. Dies insbesondere auch unter Zugrundelegung aktueller Länderfeststellungen, die insbesondere die konkrete und aktuelle Situation der oben angeführten Minderheit beleuchten.

Das Bundesverwaltungsgericht vermisst auch eine Auseinandersetzung mit den Familienverhältnissen des Beschwerdeführers. Das Bundesasylamt hat insofern ausgeführt, die Angehörigen des Beschwerdeführers seien nach wie vor in Somalia. Dies erweist sich als aktenwidrig, da der Beschwerdeführer angegeben hat, sein Bruder sei verschwunden, seine Mutter nicht erreichbar. Die Frage hinsichtlich des Bestehens eines familiären bzw. sozialen Netzwerkes des Beschwerdeführers erscheint nicht hinreichend geklärt, was jedoch einen nicht zu unterschätzenden Aspekt bzw. mitunter eine wesentliche Voraussetzung für eine Reintegration in die somalische Gesellschaft darstellt. In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Information für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesbezüglich ergänzende Ermittlungen anzustellen, Feststellungen zu treffen und letztlich die rechtlichen Konsequenzen daraus zu ziehen haben.

Dieserart neu einzuholende Ermittlungen sind für eine gesamtheitliche Beurteilung des Einzelfalles, aber auch hinsichtlich der Elemente der Glaubwürdigkeit des Vorbringens ebenso essentiell, wie sie auch wesentlich für die Beurteilung der Fragen des abzuklärenden (weiteren) Bestehens allfälliger, die beschwerdeführende Partei mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit konkret und unmittelbar oder auch allgemein treffender Gefährdungen notwendig sind.

Es sind somit in diesem Einzelfall im erheblichen Umfang erforderliche, umfassende weitere individuelle Ermittlungen bzw. Abklärungen vorzunehmen, um letztlich hieraus valide abgesicherte Aussagen hinsichtlich auch der Glaubwürdigkeit des Vorbringens und der konkreten (Rückkehr)situation der beschwerdeführenden Partei und der darauf aufbauenden Verfahrensfragen treffen zu können.

Ist der Sachverhalt noch ergänzungsbedürftig und erlaubt eine eigene Sachverhaltsermittlung die raschere Verfahrenserledigung oder trägt sie erheblich zur Kostenersparnis bei, hat das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt selbst festzustellen. Dies ist im konkreten Verfahren nicht der Fall. Die in diesem Verfahren zu ergänzen notwendigen umfassenden und grundlegenden Sachverhaltsermittlungen und Abklärungen sind durch ihren Umfang zunächst durch die Behörden erster Instanz abzuklären und einer grundlegenden Würdigung zu unterziehen. Erst auf solche vollständige Ermittlungen zurückgreifend kann das Bundesverwaltungsgericht seiner Überprüfungsfunktion nachkommen.

Aus diesen Gründen steht der zu beurteilende maßgebliche Sachverhalt gem. § 28 VwGVG Abs. 2 Z 1. nicht fest. Es war deshalb nach § 28 Abs. 3 VwGVG vorzugehen und der angefochtene Bescheid zu beheben.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA - VG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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