AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §31 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W112.2217189.1.00
Spruch:
W112 2217194-1/10EW112 2217193-1/5EW112 2217191-1/5EW112 2217188-1/5EW112 2217189-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX , geb XXXX , 2. mj. XXXX , geb. XXXX , 3. mj. XXXX , geb. XXXX , 4. mj. XXXX , geb XXXX , und 5. mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA RUSSISCHE FÖDERATION, die Minderjährigen vertreten durch ihre Mutter XXXX als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch Mag. XXXX , gegen die „Bescheide“ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2019, Zlen. 1. XXXX , 2. XXXX , 3. XXXX , 4. XXXX und 5. XXXX :
A) Die Beschwerde gegen die genannten Erledigungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2019 wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Die Fünftbeschwerdeführerin wurde im Bundesgebiet geboren; ihre Mutter stellte für sie am 05.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren. Die übrigen minderjährigen Beschwerdeführer reisten mit ihrer Mutter nach Österreich ein; diese stellte am 07.11.2012 für sie und für sich einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Mit „Bescheiden“ vom 28.02.2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl im Hinblick auf den Status der Asylberechtigten, als auch im Hinblick auf den Status der subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und stellte fest, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen sie auf Dauer unzulässig war. Unter einem erteilte es ihnen eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005.
3. Gegen die Spruchpunkte I., II. und III. dieser Erledigungen erhoben die Beschwerdeführer vertreten durch Mag. XXXX Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Ausführungen zur Zulässigkeit der Beschwerde werden in diesem Schriftsatz nicht getroffen.
4. Das Bundesamt legte die Akten am 05.04.2019 vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen; Ausführungen zur Bescheidqualität der angefochtenen Erledigungen traf es nicht.
5. Das Bundesamt teilte dem Gericht auf Aufforderung hin am 03.03.2021 mit, dass in den Verfahren der Minderjährigen auch beim Bundesamt keine unterschriebenen Exemplare der „Bescheide“ aufliegen.
Auf Aufforderung des Gerichts legte der Vertreter der Beschwerdeführer am 17.03.2021 die den Beschwerdeführern zugestellten „Bescheide“ vor; die Erledigungen in den Verfahren der Minderjährigen sind ebenfalls nicht unterschrieben, die Erledigung betreffend die Erstbeschwerdeführerin trägt wie die im Akt erliegende Ausfertigung an der Stelle der Unterschrift nur ein „M“.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die als Bescheid bezeichneten Erledigungen des Bundesamts vom 28.02.2019 in den Verfahren von XXXX , XXXX , XXXX und XXXX , sind nicht unterschrieben und tragen keine Amtssignatur. Die Erledigung im Verfahren von XXXX trägt an Stelle der Unterschrift zwischen dem Datum („Wien, am 28.02.2019“) und dem gedruckten Namen des Genehmigenden („ XXXX “) über „Für den Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl“ nur ein handschriftliches „M“ und keine Amtssignatur. Auch der Aktenvermerk AS 727 und die Verfahrensanordnung AS 741 tragen nur ein handschriftliches „M“.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorliegenden Akten des Bundesamtes, der Mitteilung des Bundesamtes vom 03.03.2021 und den vom Vertreter der Beschwerdeführer am 17.03.2021 vorgelegten Ausfertigungen der angefochtenen „Bescheide“.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Unzulässigkeit der Beschwerde
1. Beschwerde der Minderjährigen:
§ 18 Abs. 3 und Abs. 4 AVG lauten:
„(3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.
(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.“
Eine Ausfertigung muss daher entweder eine eigenhändige Unterschrift (und den Namen) des Genehmigenden, eine Beglaubigung der Kanzlei oder bei elektronischen Dokumenten eine Amtssignatur aufweisen.
Im Fall der minderjährigen Beschwerdeführer fehlt auf den den Beschwerdeführer übermittelten Erledigungen vom 28.02.2019 die Unterschrift des Genehmigenden beziehungsweise eine Amtssignatur; ein unterfertigtes Exemplar findet sich auch nicht im Akt oder bei der belangten Behörde.
Damit liegen „Nichtbescheide“ vor. Die Aushändigung der mangelhaften Erledigungen an die Beschwerdeführer bewirkte keine Erlassung bzw. Zustellung eines „Bescheides“.
2. Beschwerde von XXXX
Im Anwendungsbereich des § 18 AVG ist jede Erledigung durch die Unterschrift eines (hiezu berufenen) Organwalters zu genehmigen. Damit wird der wichtige Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Identität des Menschen, der eine Erledigung getroffen und daher zu verantworten hat, für den Betroffenen erkennbar sein muss. Die „Urschrift“ einer Erledigung muss also das genehmigende Organ erkennen lassen (vgl. VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043).
Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat (externe Erledigung), muss daher die – interne – Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift iSd § 18 AVG ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein „individueller Schriftzug“ sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen (vgl. für viele VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 20.04.2017, Ra 2017/20/0095 mwN), es kann sein, dass infolge eines starken Abschleifungsprozesses eine abstrahierende Linie gebildet wird, aus der auf weitere Buchstaben geschlossen werden kann (vgl. dazu VwGH 19.02.2018, Ra 2017/12/0051). Der Verwaltungsgerichtshof hielt aber wiederholt fest, dass eine Paraphe (also ein auf wenige Zeichen verkürztes Namenszeichen bzw. -kürzel) keine Unterschrift ist (vgl. VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 04.09.2000, 98/10/0013 und 0014; s. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 18, Rz 23 mwH).
Der Schriftzug auf der im Verwaltungsakt aufliegenden Urschrift des angefochtenen Bescheids („M“) erfüllt die Merkmale einer Unterschrift nicht und stellt eine einfache Paraphe dar.
Der (als Bescheid bezeichneten) Erledigung der belangten Behörde vom 28.02.2019 fehlt es mangels Unterschrift des genehmigenden Organs und eines Hinweises auf eine elektronische Genehmigung sohin an der Bescheidqualität.
3. Da ein „Bescheid“ nicht rechtswirksam erlassen wurde, ist die gegen die „Nichtbescheide“ gerichtete Beschwerde betreffend alle Beschwerdeführer als unzulässig zurückzuweisen.
Da im gegenständlichen Fall der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
4. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass somit auch betreffend den hg. nicht angefochtenen Spruchpunkt IV der angefochtenen „Bescheide“ zur dauerhaften Unzulässigkeit der Abschiebung und die Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG 2005 keine Bescheide vorliegen. Die Verfahren über die Anträge der Beschwerdeführer vom 06.07.2016 und 07.11.2012 sind somit zur Gänze beim Bundesamt unerledigt anhängig. Die Akten betreffend die Verfahren der Beschwerdeführer werden daher dem Bundesamt zur Erledigung zurückgestellt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf einer klaren Rechtslage.
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