BVwG L517 2269385-1

BVwGL517 2269385-130.8.2023

BEinstG §14
BEinstG §2
BEinstG §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:L517.2269385.1.00

 

Spruch:

 

L517 2269385-1/5E

 

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. STEININGER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Salzburg, vom 24.03.2023, OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

A) In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid vom 24.03.2023, OB: XXXX behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle Salzburg, zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

29.11.2022 – Antrag der beschwerdeführenden Partei (in Folge „bP“ genannt) auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Salzburg (in Folge belangte Behörde bzw. „bB“ genannt)

20.01.2023 – Erstellung eines allgemeinmedizinischen Aktengutachtens, GdB 10 v.H.

24.01.2023 - Parteiengehör

31.01.2023 – Stellungnahme der bP

23.02.2023 – Erstellung eines allgemeinmedizinischen Aktengutachtens, GdB 30 v.H.

24.02.2023 - Parteiengehör

28.02.2023, 04.03.2023 – Stellungnahmen der bP

20.03.2023 – Erstellung eines allgemeinmedizinischen Aktengutachtens, GdB 30 v.H.

24.03.2023– Bescheid der bB: Abweisung des Antrages der bP, GdB 30 v.H.

24.03.2023 - Beschwerde der bP

30.03.2023 - Beschwerdevorlage am BVwG

 

II. Feststellungen (Sachverhalt):

Die bP besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft und ist an der im Akt ersichtlichen Adresse im Bundesland Salzburg wohnhaft. Die bP steht in aufrechtem Beschäftigungsverhältnis.

 

Am 29.11.2022 stellte die bP den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten bei der bB.

 

In der Folge wurde am 20.01.2023 im Auftrag der bB auf Grundlage der Einschätzungsverordnung ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin aufgrund der Aktenlage erstellt und ein Gesamtgrad der Behinderung von 10 v.H. festgestellt. Das Gutachten weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Befundbericht Dr. XXXX 14.12.2021. Diagnosen: Chron. Migräne, Spannungskopfschmerz.

Befundbericht Dr. XXXX , Pulmologin, XXXX , 26.07.2022: OSAS, leichte obstruktive Ventilationsstörung (COPD I ?).

Befundbericht HNO-Klinik. Uniklinikum XXXX , 03.08.2022: Z.n. Cholesteatom mit Kettendestruktion rechts.

Audiogramm HNO-Klinik Uniklinikum XXXX , 25.11.2022: Mittelgradige Schwerhörigkeit rechts, normales Hörvermögen links.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Cholesteatom-OP: Tympanoplastik Typ III mit Epitympanektomie und Mastoidektomie rechts, Kettenrekontruktion.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

1 Mittelgradige Schwerhörigkeit rechts (Hörverlust 56%), normales Hörvermögen links.

Einstufung nach Tabelle der EVO, Zeile 3, Spalte 1.

Pos.Nr. 12.02.01 GdB 10%

2 Leichte obstruktive Ventilationsstörung (fragl. schon COPD I), OSAS? Schnarchen in Rückenlage.

Unterer Rahmensatz, derzeit keine Therapie notwendig.

Pos.Nr. 06.06.01 GdB 10%

3 Chron. Migräne, Spannungskopfschmerz.

Unterer Rahmensatz, Analgetikabedarf bei Schmerzattacken.

Pos.Nr. 04.11.01 GdB 10%

Gesamtgrad der Behinderung 10 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die Gesundheitsstörungen 2 und 3 steigern nicht weiter wegen relativer Geringfügigkeit.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Z.n. OP Cholesteatom“

 

Mit Schreiben der bB vom 24.01.2023 wurde der bP das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt.

 

In ihrer Stellungnahme vom 31.01.2023 gab die bP wie folgt an: „[…]

Zum Gehör:

Ich habe in der Zwischenzeit meinen HNO-Facharzt (ehem. tätig als Sachverständiger) kontaktiert. Dieser hatte mich ja bereits an einen Hörgeräteakkustiker empfohlen, um festzustellen, welche Hörminderung nun genau vorliegt... und welches Hörgerät nun in Frage kommt. Aufgrund dieser Messung/Tauglichkeitsprüfung erfolgt sodann die Facharztverordnung eines Hörgerätes. Ebenfalls besprochen wurde mit dem Facharzt, dass es seit der OP - insbesondere bei/nach Tätigkeiten im Bücken - anschließend bei schnelleren Kopfbewegungen, zu leichtem Schwindel kommt. Da das Cholosteatom doch bereits weit fortgeschritten war, hat u.a. ja auch durch die OP der Geschmacksnerv rechts gelitten. Der leichte Schwindel sei durchaus zuammenhängend erklärbar/begründbar, zumal im Mittelohr über längere Zeit eine Entzündung bestand, die wohl auch das Gehör direkt, leicht in Mitleidenschaft gezogen hat. Fakt ist, dass die Schallweiterleitung mittels Rekonstruktionsversuch der Gehörknöchelkette, nicht den Erfolg gebracht hat. Eine Verstärkung mittels üblichem Gehörganghörgerät/hinter dem Ohr-Gerät, ist nur mäßig wirksam. Die Schallübertragungskette ist nicht mehr intakt. Seitens Hörakkustiker wurde auch angeführt, dass in meinem Fall das Mittelohr/eigentliche Gehör, auch zumindest geringen Schaden genommen haben dürfte... Eine Schallvibrations-/Knochenweiterleitung via Mastoid ist noch in Prüfung, verspricht jedoch mehr Erfolg. Fakt ist, dass die zukünfitge Hörunterstützung der Klasse III benötigt wird. Jedenfalls wurde vom Hörakkustiker noch einmal - vor allem nun zeitlich aussagekräftig zur OP - ein Gehörtest links und rechts durchgeführt. Dabei wiederum festgestellt, dass die Hörbeeinträchtigung beim linken Ohr (wohl aufgrund eines unverschuldeten Knalltraumes vor bereits mehreren Jahren) auch nicht mehr zum Besten steht. Je nach Frequenzband, liegt die Minderung dort bis zu 35%. Vor allem in den höherfrequenten Bereichen...Beim rechten (operierten) Ohr, gibt es ebenfalls Abweichungen des Hörvermögens nach unten. Die Messung des Hörakkustikers ist im Anhang beigeschlossen. insgesamt habe ich das Problem, vor allem in den hochfrequenten Bereichen, Gesprächen zu folgen. Ob diese nun eher im leisen Bereich, speziell aber in lauterer Umgebung stattfinden. Und bei Laut beginnt dies schon beim Sprechen von 2 oder 3 Personen... Laut Hörakkustiker findet der „meiste Informationsaustausch" nun aber in den höherfrequenten Bereichen ab, sodass derzeit insgesamt keine ordentliche Hörqualität anliegt. Grundlegend darf ich im Sinne eines Einspruches die Frage aufwerfen, ob das Messprotokoll des Hörakkustikers als solches anerkannt wird!? Da im Messprotokoll die Beeinträchtigung mit ca. 65% rechts, mit bis zu 35% links markiert wird, wäre sohin die Beurteilung gem. im Gutachten erwähnter Tabelle, jedenfalls höher anzusetzen. Dazu zu werten wären allenfalls leichter Schwindel und bleibende Geschmacksbeeinträchtigung.

Zum „Ventilationsstörungen": Zur Befundung der Dr. XXXX ist im Details auf die Befundseite/Messprotokollseite 2 hinzuweisen - siehe Anhang. Am Ende der Seite wird eine „Beeinträchtigung" des AHI als „schwergradig" bezeichnet. Laut herkömmlichem Verständnis, seien 5-30 Atemaussetzer pro Nacht noch unter „normal" einzuordnen. In meinem Fall ist die Anzahl jedoch wesentlich höher. Es gibt bereits seit geraumer Zeit Herzrhythmusstörungen, Mein Hausarzt hat diese jedoch unter den Bereich „normal" eingestuft... Seit mittlerweile 2x Corona auch nach wie vor leichte Beeinträchtigung bei Belastung...(das zweite Mal war erst nach dem Lungenarzttermin/-test). Eine Sp02-Beeinträchtigung ist als „mittelschwer" eingestuft. Beeinträchtigung durch Schnarchen als „schwergradig". Als „Maßnahme"/Therapie bis auf Weiteres (bis weiterer Messung Schlaflabor), wurde ein spezielles T-Shirt verordnet, welches zur Vermeidung von Rückenlagen zu tragen ist. Wie nun die Gesamtbeurteilung „leichte Beeinträchtigung ohne nötiger Behandlung" zustande kommt, ist mir nicht nachvollziehbar.

Zur Migräne:

Auch hier wurde nur eine leichte Beeinträchtigung festgestellt. Insoweit massiv irritierend, als mich diese angeblich leichte Beeinträchtigung letztlich meinen letzten Job gekostet hat, da mich der Arbeitsmediziner (Dr. XXXX , Leiter des AMD XXXX ) aufgrund dieser Unterlagen dennoch für „bahnuntauglich"... und somit arbeitsuntauglich erklärt hat. Ich genau aufgrund dessen entlassen wurde. Unter geschickter Ausnutzung anwaltlicher Winkelzüge des ehem. beschäftigenden Unternehmens, erhielt ich jedoch nie schriftliche Nachweise/Gutachten/Unterlagen dazu... konnte somit auch nie wirklich eine Berufsunfähigkeit anstreben. Man hat mich also eiskalt vor die Türe gesetzt, allerdings „vergessen", den Wintermantel mitzugeben (Metapher).

Wenn die Sache also so leicht beeinträchtigt... dann gibt es nur 2 Varianten: entweder war die dortmals behauptete „fehlende Bahnuntauglichkeit" nur eine Finte für Kündigungsgrund Und man hat es deshalb so lange hinausgezögert, dass ich mit Gültigkeit der Kündigung keine rechtliche Einforderbarkeit/Durchsetzbarkeit mehr hatte... Oder die Beeinträchtigung ist doch nicht so leicht, da sie ja zur Berufsunfähigkeit gereichte. […]“

 

In der Folge wurde am 23.02.2023 erneut ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage des bereits betrauten Arztes für Allgemeinmedizin erstellt und ein Grad der Behinderung von 30 v.H. mit folgendem Inhalt festgestellt:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Audiogramm Fa. XXXX , 19.12.2022: Mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit rechts, annähernd normales Hörvermögen links (errechnete Hörverlustangaben siehe bei Gesundheitsstörung 1).

Befundbericht Uniklinikum XXXX , HNO, 03.08.2022: Aufnahmegrund: Geplante Operation. Diagnosen bei Entlassung:

OP Cholesteatom mit Kettendestruktion rechts.

Befundbericht Fr. Dr. XXXX , Neurologie, XXXX , 13.01.2022: Migräne mit Aura, chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp.

Arztbrief Fr. Dr. XXXX , Pulmologie, 26.07.2022: Leichtgradige obstruktive Ventilationsstörung, V.a. COPD I. OSAS, Schnarchen in Rückenlage.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

-- Vorgutachten 20.01.2023: GdB 10%. (Schwerhörigkeit, Ventilationsstörung, Migräne.) Es liegt eine Einwendung gegen die Begutachtung vom 23.01.2023 vor. Betreffend die Gesundheitsstörung der Hörbeeinträchtigung kann die Frage des Antragstellers, ob das Audiogramm des Hörgeräteakustikers anerkannt wird, mit Ja beantwortet werden. Selbstverständlich werden solche Messungen (Audiogramme) berücksichtigt und zur Einstufung herangezogen, was in vorliegendem Fall auch geschehen ist. Es wird das tatsächlich vorhandene Hörvermögen beurteilt, die gemessenen Hörverluste an beiden Ohren werden entsprechend der Tabelle der EVO eingestuft. Die Einwendungen betreffend die übrigen Gesundheitsstörungen werden ebenfalls überprüft, die vorliegenden Befundberichte entsprechend gesichtet und gewürdigt. -- Therapeutische Maßnahmen: OP Cholesteatom, Tympanoplastik Typ III mit Epitympanektomie und Mastoidektomie rechts 08/2022.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

1 Chron. Migräne, Spannungskopfschmerz.

Oberer Rahmensatz, Analgetika bei Schmerzattacken. Beeinträchtigung im Alltag.

Pos.Nr. 04.11.01 GdB 20%

2 Mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit rechts, annähernd normales Hörvermögen links. Hörverlust rechts 61%, links 17%.

Einstufung nach Tabelle der EVO, Zeile 4, Spalte 1.

Pos.Nr. 12.02.01 GdB 10%

3 Leichtgradig obstruktive Ventilationsstörung, V.a. COPDI. OSAS mit Schnarchen in Rückenlage.

Unterer Rahmensatz, derzeit keine Dauertherapie notwendig.

Pos.Nr. 06.06.01 GdB 10%

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die beiden Gesundheitsstörungen 2 und 3 steigern wegen zusätzlicher Einschränkungen im Alltag gemeinsam um eine Stufe. (Eine Steigerung ist bei diesen Gesundheitsstörungen wegen der geringen Einzelbewertung zwar nicht vorgesehen, trotzdem ist hier anzunehmen, dass durch das Zusammenwirken eine gegenseitige Beeinflussung besteht, was zu einer Verstärkung der Beeinträchtigung führt.)

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Z.n. OP Cholesteatom

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Leichte Zunahme der Schwerhörigkeit (GS 2) gegenüber der Vorbegutachtung (bei nach Tabelle gleicher Einstufung). Die Gesundheitsstörung 1 wurde höher eingeschätzt, die Gesundheitsstörung 3 gleich.

Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:

Höhere Einstufung als im Vorgutachten (30% statt bisher 10%).“

 

Mit Schreiben der bB vom 24.02.2023 wurde der bP Parteiengehör gewährt. Die bP gab zwei Stellungnahmen ab:

„[…] Wie in neuer Begutachtung festgehalten, wurde auch ein Gehörtest des Gehörakustikers Fa. XXXX festgehalten. Eigentlich dem Umstand zu verdanken, dass dieses Unternehmen voraussichtlich kein geeignetes/den Anforderungen gerechtes Hörgerät zur Verfügung stellen kann, wurde im naheliegenden Grenzbereich - konkret in XXXX - ein anderer Hörakustikermeister aufgesucht. Eine vorläufige „Grob-Testung" beider Gehöre ergab nun eine möglicherweise weitreichendere Beeinträchtigung insgesamt, wie auch einzeln. Insbesondere am operierten rechten Ohr, liegt aufgrund des behobenen Cholesteatoms zwar eine versuchte Unterstützung/Neuerrichtung der Gehörknöchlelkette vor (Implantat mittels körpereigenem Material). Dies dürfte jedoch nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben. Eine Schallübertragung zum Innenohr ist weiterhin gestört, die Übertragung via Knochenleitung erfolgversprechender. Grundlegend ist das Gehör - insbesondere im hochfrequenten Sprachbereich - jedoch erheblich beeinträchtigt. Hier nun - von allen/jedem bislang nicht berücksichtigt - kam es bereits vor ca. 15-20 Jahren zu einem unverschuldeten Knalltrauma beidseits, bei dem anfänglich ein Gehörverlust glaublich bis zu 60% gemessen wurde. Mit „Aussicht" auf bleibende Beeinträchtigung. Genau dies nun könnte ausschlaggebend sein, dass bereits damalig eine Vorschädigung beider Gehöre/Gehörschnecken eingetreten ist, die in Subsummierung nun mehr Beeinträchtigung ergeben, als vermutet. Jedenfalls habe ich angeregt, dass man mir - so diese überhaupt noch existieren - die entsprechenden Unterlagen zukommen lässt, damit sie Ihnen vorgelegt werden können. Jedenfalls nun wird vom aktuellen Gehörakustiker nun noch einmal eine ausführliche Testung beansprucht, um wirklich bei beiden Gehören genau auszutesten, wie weit die Beeinträchtigung tatsächlich reicht. Denn laut den bisher vorliegenden Tests scheint zudem eine Differenzierung verschiedener Beeinträchtigungsmöglichkeiten (Gehörknöchelkette, Innenohr u. dgl.) nicht genau miteinbezogen worden zu sein. Auch wurde laut vorläufigem Test, die Vertaubung und Sprachaudiometrie auf beide Ohren nicht/zu wenig einbezogen, um ein wertiges Gesamtbild zu zeichnen. Mein Problem nun: Ich bin bis einschließlich 12.04.2023 zu einer beruflichen Schulung in XXXX bin nur an Wochenenden zuhause. Der Gehörakustiker und ich sind gerade am Ausloten, ob und wann ausnahmsweise auch am Wochenende ein entsprechender Gehörtest durchgeführt werden kann.“

„[…] Nachstehend die Begründung zum formellen Widerspruch vom 28.02.2023:

Es wurde mir jedoch auch bereits im LKH XXXX seitens behandelnden Ärzten angekündigt, dass sich die Entwicklung eines Hörvermögens differenziert abzeichnen kann. Auch im Sinne einer Verschlechterung. Es wurde It. OP-Bericht zwar versucht, eine durch das Cholesteatom zerstörte Gehörknöchelkette durch Knorpelmaterial wiederherzustellen. Der Erfolg bleibt jedoch offenbar aus. Der Gehörakustiker hält diesbezüglich jedoch eine erneute Eröffnung des Gehörbereiches (OP) für wenig zweckführend. Zur Beurteilung des Gehörverlustes - derzeit aktuell eingeräumt mit linksseitigem Hörverlust von 17%, rechtsseitig mit 61% - wurden bisherige Gehörtests des LKH XXXX (vom 25.11.2022) sowie der Fa. XXXX (vom 19.12.2022) herangezogen. Aufgrund meiner Meinung nach fehlerhafter/unvollständiger Messungen bei Fa. XXXX (das Gerät hat teilweise in gewissen Frequenzbereichen nicht richtig funktioniert) und dem Umstand, dass die Fa. XXXX kein dem Umstand/der praktischen Umsetzung gerechtes/passendes Hörgerät vermitteln kann, habe ich in der Zwischenzeit nochmalig einen anderen Professionisten aufgesucht. Mit Datum 04.03.2023 nochmalig einen kompletten Test (beidseitig) durchführen lassen. Nochmalig an dieser Stelle erwähnt: Aufgrund eines unverschuldeten „Sylvester-(Böller)-Unfalles" – schon herrührend vor über 20 Jahren - begab ich mich damals, nach einer Woche erheblicher Gehörstörung, in ambulante Behandlung der HNO am LKH XXXX . Dortmals ergab ein Gehörtest über 60% Gehörverlust. Nach mehrwöchiger Medikamenteneinnahme stellte sich zwar wieder eine Besserung ein. Eine tatsächliche Messung/Überprüfung fand jedoch nie statt. Leider hat das LKH XXXX - nach aktueller Anfrage im do. Sekretariat - keinerlei Unterlagen mehr zu diesem Vorfall. Ich werde nun aktuell noch prüfen lassen, ob die Krankenkasse Einträge ausheben kann. Meine „Hoffnungen" sind aufgrund der verstrichenen Zeit jedoch eher gering. Zum Aktuellen Test nun ist festzuhalten, dass

a. die Gehörentwicklung beim rechten (operierten) Ohr offenbar tatsächlich nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat. Eher umgekehrt, dass Gehör in gewissen Frequenzbereichen (speziell in den sprachlich relevanten oberen Bereichen), teils erhebliche Einbußen verzeichnet. Mittlerweile muss hier schon bis zu 80 dB verstärkt werden, um ein altersgerechtes Ergebnis (!) zu erzielen.

b. Das linke - vermeintlich „annähernd normale" - Ohr, benötigt gemäß Testung ebenfalls teilweise Ausgleich mit bis zu 40 dB. Ebenfalls merkbar im hochfrequenten, sprachlich relevanten Bereich. Eine Beeinträchtigung beider Innenohrbereiche durch das damalige Knalltrauma erscheint durchaus nachvollziehbar/kohärent.

Beide Ergebniswerte weichen sohin nun aktuell - verglichen zu den „vorigen Tests — leider zu meinem gehörtechnischen Sollzustand/Nachteil ab. Anzumerken ist ferner, dass vor allem die tägliche Berufspraxis, teils erheblich von den Gegebenheiten eines abgeschirmten Hörlabors abweicht. Vielfach gibt es hier verschiedensten Hintergrundlärm, der mich persönlich erheblich einschränkt. Eine Hörfähigkeit sohin sowohl objektiv als auch subjektiv zusätzlich beeinträchtigt. Ich sitze derzeit auf einer Schulung. Und ein simples dem Vortrag Folgen ist auch hier oftmalig erheblich erschwert.

Zum formalen Einspruch/Widerspruch vom 28.02.2023 ergeht sohin folgende Ergänzung/folgendes Ersuchen:

• Die im Gutachten angeführten Punkte 1 und 3 bleiben unberührt/werden nicht mehr beeinsprucht.

• Zu dem im Gutachten — für mich strittigen Punkt 2:

Zu einer Beurteilung bisher wurde - aufgrund bisher vorliegender Tests - bereits für das rechte Ohr eine Beeinträchtigung von 61% festgehalten. Für das linke Ohr aufgrund jener „alter" Tests 17%. Nach dem nun vorliegenden Gesamttest vom 04.03.2023 und der offensichtlich aufgetretenen Verschlechterung (Ohr rechts bis zu 80dB, Ohr links bis zu 40 dB), kann logischer Weise die Einstufung höhere Schädigungswerte ergeben. Ich ersuche somit einen allfälligen Beeinträchtigungsgrad gemäß Tabelle der EVO neu festzulegen.

Der aktuelle Test ist als Anhang beigeschlossen.“

 

Das daraufhin aufgrund der Aktenlage im Auftrag der bB am 20.03.2023 erstellte Gutachten des bereits betrauten medizinischen Sachverständigen, welches erneut einen Grad der Behinderung von 30 v.H. feststellte, weist nachfolgenden Inhalt auf:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Tonaudiogramm Uniklinikum XXXX , 25.11.2022: Hörverlust rechts 54%, links 7%.

Tonaudiogramm Fa. XXXX , 19.12.2022: Hörverlust rechts 61%, links 14%.

Tonaudiogramm Fa. XXXX , Berchtesgaden, 04.03.2023: Hörverlust rechts 56%, links 21%

Anmerkung: Unterschiede bei der Messung mit voneinander etwas abweichenden Ergebnissen der Hörverluste sind im Toleranzbereich; sie sind teilweise als Messtoleranzen, teilweise aber auch von der Tagesverfassung des Probanden abhängig (tageszeitliche Unterschiede, müdigkeitsbedingt, Reaktionszeit, Z.n. erhöhter Lärmbelastung, Druckausgleich etc.) und werden bei der Einstufung entsprechend berücksichtigt. Im vorliegenden Fall werden im Sinne des Antragstellers die jeweils höchsten Werte der Hörverluste zugrundegelegt und fließen in die Bewertung ein (Tabellenwerte der Tabelle der EVO).

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Nach neuerlicher Einwendung in Bezug auf die Einstufung der Hörminderung wurden für diese Begutachtung alle vorliegenden Befunde sowie die Audiogramme unterschiedlicher Herkunft (verschiedene Hörgeräteakustiker und HNO-Klinik)) nochmals gesichtet und ausgewertet. Anmerkung: Zur Einstufung tragen ausschließlich meßbare und in Audiogrammen belegte Hörverluste bei, dies geschieht nach vorgegebenen Tabellen der EVO. Andere Kriterien, z.B. Zeitpunkt des Entstehens eines Hörverlusts, Ursachen der Hörminderung, Z.n. Operationen etc.) spielen bei der Einstufung keine Rolle, maßgebend ist das aktuell vorhandene Hörvermögen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

1 Chronisches Schmerzsyndrom, chronische Migräne. Spannungskopfschmerz.

Oberer Rahmensatz, Analgetikabedarf bei Schmerzattacken. Beeinträchtigung im Alltag.

Pos.Nr. 04.11.01 GdB 20%

2 Einschränkungen des Hörvermögens. Mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit rechts, annähernd normales Hörvermögen links. Hörverlust rechts 61% (54%, 56%), links 14 - 20%. (jeweils höchstgemessene Hörverluste in den unterschiedlichen Audiogrammen).

Tabelle der EVO, Zeile 4, Spalte 1.

Pos.Nr. 12.02.01 GdB 10%

3 Leichtgradig obstruktive Ventilationsstörung, V.a. COPD I. OSAS mit Schnarchen in Rückenlage.

Unterer Rahmensatz, derzeit keine Dauertherapie notwendig.

Pos.Nr. 06.06.01 GdB 10%

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die beiden Gesundheitsstörungen 2 und 3 steigern wegen zusätzlicher Einschränkungen im Alltag gemeinsam um eine Stufe. (Eine Steigerung ist bei diesen Gesundheitsstörungen wegen der geringen Einzelbewertung zwar nicht vorgesehen, trotzdem ist hier anzunehmen, dass durch das Zusammenwirken eine gegenseitige Beeinflussung besteht, was zu einer Verstärkung der Beeinträchtigung führen kann.)

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Z.n. OP Cholesteatom.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Neuvorlage eines Audiogramms im Rahmen der Einwendung beim Parteiengehör.

Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:

Gleiche Einstufung wie im Vorgutachten (30%).“

 

Mit Bescheid der bB vom 24.03.2023 wurde der Antrag der bP auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten abgewiesen. Der Grad der Behinderung betrage 30 v.H.

 

In ihrer dagegen am selben Tag erhobenen Beschwerde führte die bP aus:

„Der Einspruch wird begründet in folgenden Punkten:

1) Im aktuellen Sachverständigengutachten verweist der Gutachter in der Zusammenfassung der relevanten Befunde, auf das Tonaudiogramm der Fa. XXXX , trifft dort eine Feststellung u.a. eines Hörverlustes links von 21%. Im Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wiederum, wird - It. bisherigen Messungen und Einrechnung allfälligen Schwankungen - beim Ohr rechts, ein bisher höchster Hörverlust-Wert von 61% festgehalten, beim linken Ohr jedoch wird nicht der höchste bisherige Wert von 21% gewertet, sondern „abgestuft" auf die niedrigere Bewertungszeile nach Tabelle EVO, Zeile 4, Spalte 1. Sohin eine ungleiche Anwendung von Berechnung. Wertete man den bisherigen Höchstwert 21%, stünde unumstößlich die Spalte 2, mit einer Einrechnung von 20% bei Hörverlust - insgesamt sohin hier 40% zur Bewertung an.

2) Es wurde eine klare Mitteilung von „Erschwerender Komplikation" (leichter Schwindel, Geschmacksverlust), bereits im Einspruch vom 31.01.2023,15:30 Uhr (per Email) angeführt.

Zitat: „Ebenfalls besprochen wurde mit dem Facharzt, dass es seit der OP - insbesondere bei/nach Tätigkeiten im Bücken - anschließend bei schnelleren Kopfbewegungen zu leichtem Schwindel kommt. Da das Cholesteatom doch bereits weit fortgeschritten war, hat u.a. ja auch durch die OP der Geschmacksnerv rechts gelitten. Der leichte Schwindel sei durchaus aus dem Krankheitsbild des Cholesteatoms und OP, zusammenhängend erklärbar/begründbar".

In bezeichneter Anlage zur Einschätzungsverordnung, Seite 79, Punkt 12.03 - Gleichgewichtsorgan, wird ausgeführt, wie folgt: Zitat: „10 %: Beschwerdefrei, Gefühl der Unsicherheit bei alltäglichen Belastungen wie Gehen, Bücken, Aufrichten, Kopfdrehungen, bei leichten Arbeiten in wechselnder Körperhaltung

Leichte Unsicherheit, geringer Schwindel bei höheren Belastungen wie Heben von Lasten, Gehen im Dunkeln, abrupte Körperbewegung“

Hinzukommt, dass glaublich bereits im Erstantrag angeführt/ergänzt wurde, dass seit der Ohr-OP, teilweiser Geschmacksverlust vorliegt. Zudem tritt seit der OP immer stärker zutage, dass bei jeglicher Bewegung der Zunge im Mundraum (insbesondere bei Kontakt der re. Zungenseite mit dem Gebiss/Kiefer), ein nerviges, teils irritierendes Jucken/Kitzeln im Gehörgang/Innenohr auftritt.

Da die Gesamtbeurteilung sohin…

a ) aufgrund Unterlassung der Einrechnung des Höchstwertes rechts einen „falschen Beurteilungsgrad" nach Tabelle EVO ergibt wird beantragt, diesen im Sinne des Gesamtbildes (Zeile 4, Spalte 2) auf insgesamt 20% zu erhöhen,

b) da im Sinne von Punkt 2, die bisherige Schilderung in keiner Weise berücksichtigt wurde, wird somit auch hierzu beantragt, eine weitere/zusätzliche Einstufung/Einrechnung von mind. 10% hinzuzurechnen.“

 

Neue Befunde wurden nicht beigebracht.

 

Am 30.03.2023 erfolgte die Beschwerdevorlage am BVwG.

2.0. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II. 1.0. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsichtnahme in das zentrale Melderegister und durch Einholung eines Versicherungsdatenauszuges sowie den sonstigen relevanten Unterlagen.

2.2. Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen – wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden – vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen das hg. Erkenntnis vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0036) Begründung.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).

Im gegenständlichen Verfahren hat es die bB unterlassen, den Sachverhalt dem Gesundheitszustand der bP entsprechend vollständig zu erheben – dies aus nachfolgenden Erwägungen:

 

Dem Gutachten vom 20.03.2023 liegen folgende Tonaudiogramme zugrunde:

Tonaudiogramm vom 25.11.2022: Hörverlust rechts 54%, links 7%.

Tonaudiogramm vom 19.12.2022: Hörverlust rechts 61%, links 14%.

Tonaudiogramm vom 04.03.2023: Hörverlust rechts 56%, links 21%.

 

Im Ergebnis der durchgeführten Begutachtung schätzt der Allgemeinmediziner unter der Lfd.Nr. 2 die Einschränkungen des Hörvermögens wie folgt ein: „Mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit rechts, annähernd normales Hörvermögen links. Hörverlust rechts 61% (54%, 56%), links 14 - 20%. (jeweils höchstgemessene Hörverluste in den unterschiedlichen Audiogrammen). Tabelle der EVO, Zeile 4, Spalte 1. Pos.Nr. 12.02.01 GdB 10%“

 

Jener vom Sachverständigen herangezogener Wert in der Tabelle - Zeile 4, Spalte 1 - kommt für folgende Parameter zur Anwendung: Rechtes Ohr: Hochgradige Schwerhörigkeit, Hörverlust in Prozent: 60-80, Linkes Ohr, Normalhörigkeit, Hörverlust in Prozent 0-20, Grad der Behinderung 10.

Zeile 4, Spalte 2 kommt demgegenüber für folgende Parameter zur Anwendung: Rechtes Ohr: Hochgradige Schwerhörigkeit, Hörverlust in Prozent: 60-80, Linkes Ohr, Geringgradige Schwerhörigkeit, Hörverlust in Prozent 20-40, Grad der Behinderung 20.

 

Nicht im Einklang mit der Einschätzungsverordnung und nicht nachvollziehbar stellt sich also die vom Sachverständigen getroffene Einschätzung und die Wahl des Grades der Behinderung dar: Der Sachverständige argumentiert damit, den jeweils höchsten Wert der verschiedenen Audiogramme verwendet zu haben, zieht aber links nicht den im aktuellen Audiogramm gemessenen Wert von 21% heran, wonach Spalte 2 zur Anwendung käme, sondern bemisst für die Werte „14-20%“, wie er im Ergebnis der Begutachtung ausführt, nach Spalte 1.

 

Vom Sachverständigen wird angemerkt: „Unterschiede bei der Messung mit voneinander etwas abweichenden Ergebnissen der Hörverluste sind im Toleranzbereich; sie sind teilweise als Messtoleranzen, teilweise aber auch von der Tagesverfassung des Probanden abhängig (tageszeitliche Unterschiede, müdigkeitsbedingt, Reaktionszeit, Z.n. erhöhter Lärmbelastung, Druckausgleich etc.) und werden bei der Einstufung entsprechend berücksichtigt. Im vorliegenden Fall werden im Sinne des Antragstellers die jeweils höchsten Werte der Hörverluste zugrundegelegt und fließen in die Bewertung ein (Tabellenwerte der Tabelle der EVO). […] Zur Einstufung tragen ausschließlich meßbare und in Audiogrammen belegte Hörverluste bei, dies geschieht nach vorgegebenen Tabellen der EVO. Andere Kriterien, z.B. Zeitpunkt des Entstehens eines Hörverlusts, Ursachen der Hörminderung, Z.n. Operationen etc.) spielen bei der Einstufung keine Rolle, maßgebend ist das aktuell vorhandene Hörvermögen.“

 

Die getroffene Einschätzung steht im Widerspruch zu den gutachterlichen Ausführungen, da nicht das aktuell vorhandene Hörvermögen (Tonaudiogramm vom 04.03.2023: Hörverlust rechts 56%, links 21%) eingeschätzt, sondern links ein Wert von „14 – 20%“ herangezogen wurde. Gleichzeitig zieht er rechts den im Tonaudiogramm vom 19.12.2022 gemessenen Hörverlust von 61% heran.

 

Das aktuelle Tonaudiogramm vom 04.03.2023 weist rechts einen Wert von 56% und links einen Wert von 21% auf. Eingeschätzt wurde vom Sachverständigen allerdings nach der Zeile 4 Spalte 1 mit einem GdB von 10%. Richtigerweise müsste Zeile 4 Spalte 2 zur Anwendung kommen.

Wie sich der dafür angewendete Grad der Behinderung auf den Gesamtgrad auswirkt, wird Gegenstand des im fortgesetzten Verfahren erstellten Sachverständigengutachtens sein.

 

Wie der VwGH auch, wie bereits oben angeführt, aussprach, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar.

 

Zusammenfassend erfüllt das von der bB für seine Entscheidung herangezogene Sachverständigengutachten nicht die von der einschlägigen Judikatur geforderten Mindestanforderungen und leidet dadurch an einem wesentlichen Mangel (VwGH vom 17.02.2004, 2002/06/0151). Dies hat zur Folge, dass seitens der bB die allgemeinen Verfahrensgrundsätze, indem der Sachverhalt iSd § 37 AVG nicht ausreichend ermittelt wurde, keine Berücksichtigung fanden. Bei Einhaltung der gebotenen verfahrensrechtlichen Bestimmungen hätte die bB ihre Entscheidung aufgrund einer anderen, nämlich umfassenderen Befund- und Beweislage, getroffen. Inwieweit bei Berücksichtigung der oben getroffenen Ausführungen gegebenenfalls ein anderslautendes Ergebnis zu erwarten wäre, kann aus dem vorliegenden Gutachten jedoch nicht ersehen werden, weshalb die bB neuerlich ein ordentliches Ermittlungsverfahren zu führen hat.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

- Behinderteneinstellungsgesetz BEinstG, BGBl. Nr. 22/1970 idgF

- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2 013 idgF

- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 19b Abs. 1 BEinstG entscheidet in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten der §§ 8, 9, 9a und 14 Abs. 2 das Bundesverwaltungsgericht durch den Senat.

Gemäß § 19b Abs. 3 BEinstG sind die Vertreterinnen oder Vertreter der Arbeitgeber bei Senatsentscheidungen nach Abs. 2 von der Wirtschaftskammer Österreich zu entsenden. Die Vertreterin oder der Vertreter der Arbeitnehmer wird von der Bundesarbeitskammer entsandt. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gemäß § 19b Abs. 6 BEinstG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Abs 3 dritter und vierter Satz sind anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gemäß § 19b Abs. 7 BEinstG haben die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) in Verfahren nach Abs. 2, 4 und 6 für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozial- und Arbeitsrechts) aufzuweisen.

In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 19 Abs. 1 BEinstG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet.

Bedingt durch den Umstand, dass im § 19b Abs. 1 BEinstG eine Senatszuständigkeit in Angelegenheiten des § 14 Abs. 2 BEinstG normiert ist, fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung des § 19b Abs 3 BEinstG in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist.

Schlussfolgernd ist das angeführte Gericht durch Senatsrichterentscheidung in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen, Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1 im Generellen und die in den Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.

3.3. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Dies auch unter dem Aspekt, dass, um eine Entscheidung in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren treffen zu können, vorher vom Bundesverwaltungsgericht noch notwendige ergänzende Ermittlungen durch Einholung von weiteren Sachverständigengutachten vorzunehmen wären. Dementsprechend würde es das Verfahren iSd § 28 Abs. 2 VwGVG nicht beschleunigen und auch keine Kostenersparnis mit sich bringen. Die Behörde ist in diesem Fall an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Gegenständliche Entscheidungsform stellt nach Ansicht des ho. Gerichtes ein verfahrensökonomisches Instrument, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche verfahrensbeschleunigende Wirkung, dar, welches generell vorab durch die Behörde zu prüfen und einzelfallbezogen in Betracht zu ziehen wäre.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.4. Steht der maßgebliche Sachverhalt fest oder ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Hierzu führt der VwGH aus, dass angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG, der gemäß Art. I Abs. 2 Z 1 EGVG auch von der österreichischen Vertretungsbehörde auf ein von ihr geführtes behördliches Verfahren anzuwenden ist (vgl. VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609), ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis einer Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es mit den ein rechtsstaatliches Verwaltungsverfahren tragenden Grundsätzen des Parteiengehörs und der freien Beweiswürdigung unvereinbar, einen Bescheid auf Beweismittel zu stützen, welche der Partei nicht zugänglich gemacht worden sind (vgl. VwGH 25.9.2014, 2011/07/0006, mwN; das gilt auch für Erkenntnisse des BVwG). Dem Parteiengehör unterliegt nicht nur eine von der Behörde getroffene Auswahl jener Ergebnisse des Beweisverfahrens, welche die Behörde zur Untermauerung der von ihr getroffenen Tatsachenfeststellungen für erforderlich hält, sondern der gesamte Inhalt der Ergebnisse der Beweisaufnahme. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt im Falle des Nichtzurkenntnisbringens einer Sachverständigenäußerung (nur) dann keine Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehöres vor, wenn der Inhalt des Gutachtens in allen wesentlichen Teilen bereits im erstinstanzlichen Bescheid wiedergegeben wurde und die Partei dadurch die Möglichkeit hatte, im Zuge des Berufungsverfahrens diesem Gutachten wirksam entgegenzutreten, wobei der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG sowohl der Befund als auch die darauf (als Gutachten) beruhenden sachverhaltsbezogenen Schlussfolgerungen unterliegen (vgl. VwGH 24.5.1994, 93/04/0196; 27.2.2015, 2012/06/0022; diese Rechtsprechung ist auf die Rechtslage nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz übertragbar), (VwGH vom 25.09.2019, Ra 2019/19/0380).

Infolge der Verabsäumung der belangten Behörde, Parteiengehör einzuräumen, stellt in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof insoweit nachgetragenes Vorbringen keine unbeachtliche Neuerung dar (Hinweis E vom 22. Juni 2005, 2001/12/0077, und E vom 28. Juni 2011, 2011/01/0142), (VwGH vom 16.09.2013, 2013/12/0060).

3.5. Wie bereits festgestellt und in der Beweiswürdigung erörtert, hat die bB den gegenständlich bekämpften Bescheid auf ein Beweismittel – das Sachverständigengutachten vom 20.03.2023 – gestützt, welches unvollständig und unschlüssig ist.

Obig angeführte Ermittlungsmängel liegen aus Sicht des erkennenden Gerichtes vor und ist der Bescheid nach § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und zur neuerlichen Erlassung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Dies auch unter dem Aspekt der Raschheit und Wirtschaftlichkeit iSd § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG, da aufgrund der infrastrukturellen Gegebenheiten des BVwG das anhängige Verfahren mit Sicherheit nicht rascher, sondern nur kostenintensiver im Vergleich zum Sozialministeriumservice durch Einholung weiterer Sachverständigengutachten, durchgeführt werden kann.

Zwar geht der VwGH davon aus, dass seine ständige Rechtsprechung, wonach eine im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren saniert werden kann, auf das Beschwerdeverfahren vor dem VwG übertragen wird – eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erfolgte Verletzung des Parteiengehörs kann dann durch die mit Beschwerde an das VwG verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden, wenn der damit bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hat (vgl. VwGH vom 10.9.2015, Ra 2015/09/0056).

Es stellt sich nun aber allgemein die Frage, ob das Verwaltungsgericht immer verhalten ist, das mangelhafte Ermittlungsverfahren zu ergänzen oder sogar über weite Strecken erstmals zu führen.

Das ho. Gericht verkennt nicht, dass es im Einzelfall zweckmäßig und sinnvoll sein kann, ein durch ein mangelhaft gewährtes Parteiengehör unvollständiges Ermittlungsverfahren im Beschwerdeverfahren zu ergänzen und die Beschwerdesache durch eine meritorische Entscheidung zu finalisieren. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Zusammenfassend erfüllt das, von der bB für seine Entscheidung herangezogene, Sachverständigengutachten nicht die von der einschlägigen Judikatur geforderten Mindestanforderungen und leidet dadurch an einem wesentlichen Mangel (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151). Dies hat zur Folge, dass seitens der bB die allgemeinen Verfahrensgrundsätze, indem der Sachverhalt iSd § 37 AVG nicht ausreichend ermittelt wurde, keine Berücksichtigung fanden.

Aufgrund des organisatorischen Aufbaues der bB und des ho. Gerichts, der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der einzelnen Verfahrensabschnitte, ergibt sich, dass die Führung des Verfahrens durch die bB eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens darstellt.

Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau im Lichte der oa. Ausführungen davon auszugehen, dass in diesem konkreten Fall vom Primat der inhaltlichen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht ausnahmsweise abzugehen und aufgrund der qualifizierten Unterlassung wesentlicher Ermittlungsschritte der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zu beheben war.

Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis vermag die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.

Ein Gutachten bzw. eine medizinische Stellungnahme, welche Ausführungen darüber vermissen lässt, aus welchen Gründen der ärztliche Sachverständige zu einer Beurteilung gelangt ist, stellt keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung dar (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Im fortgesetzten Verfahren wird sich die bB nunmehr mit einem neuerlichen Gutachten, welches eine gesamtheitliche Betrachtungsweise der individuellen Situation der bP zum festgestellten Sachverhalt auseinanderzusetzen und ggf. neue, von der bP angebotenen Beweismittel zu berücksichtigen haben. Vom Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens wird sie die bP neuerlich in Kenntnis zu setzen und ihr die Möglichkeit einzuräumen haben, sich hierzu äußern. Auch eine solche Äußerung wird sie rechtskonform zu behandeln haben.

Nach Abschluss dieser Ermittlungen hat die bB einen einzelfallbezogenen Bescheid zu erlassen, welcher den Sachverhalt, von dem er ausgeht, klar und übersichtlich wiedergibt, eine nachvollziehbare, einzelfallbezogene Beweiswürdigung enthält, und die zu lösende Rechtsfrage schlüssig darstellt.

Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall der bP noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rascher und kostengünstiger festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die bB zurückzuverweisen.

3.6. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Im vorliegenden Fall stand bereits auf Grund der Aktenlage fest, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung iSd § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen konnte.

3.7. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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