AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:L514.2218978.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Drittbeschwerdeführers XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die Mutter XXXX als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Anträge auf internationalen Schutz der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers (jeweils vom XXXX 2017) und des Drittbeschwerdeführers (vom XXXX 2018) wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 27.11.2018, Zlen. XXXX , XXXX und XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurden nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Mit Verfahrensanordnungen des BFA vom 28.11.2018 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und wurden die Beschwerdeführer gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG informiert, dass sie verpflichtet seien, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
Die Bescheide vom 27.11.2018 wurden den damals noch nicht vertretenen Beschwerdeführern am 30.11.2018 (Beginn der Abholfrist: 03.12.2018) an ihre aufrechte Meldeadresse durch Hinterlegung zugestellt. Nach Ablauf der vierwöchigen Rechtsmittelfrist erwuchsen die Bescheide, die von den Beschwerdeführern nicht behoben wurden, am 02.01.2019 in Rechtskraft.
2. Am 22.03.2019 wurde der Zweitbeschwerdeführer vor dem BFA niederschriftlich einvernommen (Gegenstand der Amtshandlung: "Aufforderung zur Ausreise") und wurde ihm der Bescheid vom 27.11.2018 übergeben.
Am 25.03.2019 wurden der Erstbeschwerdeführerin deren Asylbescheid und der des Drittbeschwerdeführers vom 27.11.2018 vom BFA ausgehändigt.
3. Mit Schriftsatz vom 05.04.2019 beantragten die Beschwerdeführer durch ihre nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung zunächst die ordnungsgemäße Zustellung, in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und erhoben gleichzeitig Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 27.11.2018.
Begründend wurde hinsichtlich des Antrages auf ordnungsgemäße Zustellung ausgeführt, dass die Beschwerdeführer keine Verständigung über die Hinterlegung ("gelber Zettel") erhalten hätten. Eine Heilung eines Zustellmangels könne gemäß § 7 Zustellgesetz nur zu jenem Zeitpunkt eintreten, in welchem den Beschwerdeführern die Dokumente tatsächlich zukommen. Im Falle der Beschwerdeführer also am 22.03.2019 bzw am 25.03.2019. Zu diesem Zeitpunkt hätte erst die vierwöchige Beschwerdefrist zu laufen begonnen. In eventu wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt mit der Begründung, dass die Beschwerdeführer durch den Nichterhalt der Hinterlegungsanzeige daran gehindert waren rechtzeitig Beschwerde zu erheben. An diesem Ereignis würde sie kein Verschulden treffen. Abschließend wurden ausführlich die Beschwerdegründe dargelegt.
4. Mit Bescheiden vom 12.04.2019, Zlen. XXXX , XXXX und XXXX , wurden die Anträge der Beschwerdeführer vom 05.04.2019 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und wurde gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II.).
Begründend wurde dargelegt, dass mit der Hinterlegung der Bescheide am 30.11.2018 diese ordnungsgemäß zugestellt wurden. Die Beschwerdeführer hätten kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis geltend machen können, die die Zustellung in Zweifel ziehen konnte, weshalb diese rechtmäßig an die angegebene Adresse erfolgte.
Die Bescheide des BFA vom 12.04.2019 wurden den Beschwerdeführern am 17.04.2019 durch Hinterlegung an ihre aufrechte Meldeadresse zugestellt.
5. Am 14.05.2019 erhoben die Beschwerdeführer durch ihre ausgewiesene Vertretung Beschwerde gegen die Bescheide des BFA vom 12.04.2019.
Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.02.2020, Zlen. L514 2218977-1/6Z, 2218978-1/6Z und 2218979-1/6Z, wurden den Beschwerden stattgegeben und die angefochtenen Bescheide wegen Unzuständigkeit ersatzlos behoben.
Begründet wurde dies damit, dass das BFA über die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die als Eventualanträge formuliert waren, entschieden habe, ohne zuvor über die (Haupt)Anträge auf Zustellung der abweisenden Entscheidungen des BFA zu entscheiden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
Die Anträge auf internationalen Schutz der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers (jeweils vom XXXX 2017) und des Drittbeschwerdeführers (vom XXXX 2018) wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 27.11.2018, Zlen. XXXX , XXXX und XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurden nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Die Bescheide vom 27.11.2018 wurden den damals noch nicht vertretenen Beschwerdeführern am 30.11.2018 (Beginn der Abholfrist: 03.12.2018) an ihre aufrechte Meldeadresse durch Hinterlegung zugestellt. Nach Ablauf der vierwöchigen Rechtsmittelfrist erwuchsen die Bescheide, die von den Beschwerdeführern nicht behoben wurden, mit Ablauf des 02.01.2019 in Rechtskraft.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes in den Fällen des Abs. 2 und des § 7 Abs. 2 AsylG 2005, sofern der Status des Asylberechtigten aberkannt und die Aberkennung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden wurde, abweichend von § 7 Abs. 4 erster Satz des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, zwei Wochen. Dies gilt nicht, wenn es sich bei dem Fremden im Zeitpunkt der Bescheiderlassung um einen unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17 NAG) handelt oder die aufenthaltsbeendende Maßnahme mit der Feststellung verbunden ist, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden unzulässig ist.
3.2. Gemäß § 32 Abs. 1 AVG wird bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.
Der Beginn von Fristen, die nach Wochen, Monaten oder Jahren (nach "Kalenderzeiträumen") bemessen sind, hat weder im AVG noch im FristenÜb eine ausdrückliche Regelung erfahren. Aus dem AVG geht jedoch hervor, dass auch solche Fristen an dem Tag beginnen, auf den das fristauslösende Ereignis (z.B. die Zustellung des Bescheides [vgl. § 63 Abs. 5 AVG] oder das Einlangen des Antrages fällt (vgl. VwGH 17.01.1990, 89/03/0003; 22.05.1990, 90/11/0089; Hellbling 217; Hengstschläger RZ 250; Mannlicher/Quell AVG § 32 Anm.3; Thienel/Schulev-Steindl 141; Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger RZ 234; ferner etwa auch VwGH10.09.1998, 98/20/0347; Art 3 Abs. 1 FristenÜb: "dies a quo"). Dies wird von § 32 Abs. 1 AVG offenkundig vorausgesetzt und daher darin angeordnet, dass dieser Tag bei einer nach Tagen bestimmten Frist nicht mitzuzählen ist.
Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass sich aus dem Zusammenhalt von § 32 Abs. 2 AVG und Art 3 Abs. 1 FristenÜb ergibt, "dass nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen an dem Tag, und zwar um 24:00 Uhr dieses Tages, zu laufen beginnen, an dem das den Fristenlauf bestimmende Ereignis stattgefunden hat (VwGH 17.01.19990, 89/03/0003; vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG I [2. Ausgabe 2014] § 32 AVG, RZ 12).
Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
Gemäß § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage des Postlaufes in die Frist nicht eingerechnet.
Eine nach Wochen bestimmt Frist endet demnach um Mitternacht (24:00 Uhr) des gleich bezeichneten Tages der letzten Woche der Frist (VwGH 18.10.1996, 96/09/0153 mwN).
3.3. Die für gegenständliches Verfahren geltende vierwöchige Beschwerdefrist begann am 03.12.2018 zu laufen und endete gemäß § 32 Abs. 2 AVG am 02.01.2019, 24:00 Uhr. Die angefochtenen Bescheide sind daher mit Ablauf des 02.01.2019, am 03.01.2019, in Rechtskraft erwachsen. Die am 05.04.2019 dem BFA übermittelten Beschwerden sind sohin verspätet.
Dass die Beschwerden verspätet eingebracht wurden, war den Beschwerdeführern bzw deren Vertreter auch bewusst, ansonsten keine Anträge auf neuerliche Zustellung bzw Anträge auf Wiedereinsetzung in den Vorigen Stand gestellt worden wären.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 1) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2); wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird (Z 3).
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass die Beschwerden verspätet eingebracht wurden.
Zu B)
Revision
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Wie sich aus der oben wiedergegeben Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, besteht zur Frage der Berechnung von Fristen gemäß § 32 Abs. 2 AVG sowie zum Prozedere eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf diese Judikatur und weicht davon nicht ab.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
