VwGVG §8a
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §8a
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L510.2127009.1.00
Spruch:
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , geb. am XXXX , vom 25.01.2017 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Vertretung bei der Verhandlung im Rahmen der Beschwerde gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 25.02.2016, GZ.: 046-Mag. Kurz/PT 08/16, beschlossen:
A)
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Mit Bescheid vom 25.02.2016, GZ.: 046-Mag. Kurz/PT 08/16, hat die Salzburger Gebietskrankenkasse (GKK) in Spruchpunkt 7. festgestellt:
"Es unterlagen die in der Anlage 2 zum gegenständlichen Bescheid angeführten Dienstnehmer auf Grund der in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten, entgeltlichen Tätigkeit für die XXXX in den jeweiligen - ebenso dort angeführten - Zeiträumen der Pflicht(Voll-)versicherung in der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung gern § 4 Abs. 1 und 2 ASVG iVm § 1 Abs. 1 lit. a AIVG."
Eine dieser in der Anlage 2 genannten 41 Personen ist der Antragsteller. Der ihn betreffende Verfahrenszeitraum ist mit 01.10.2009 – 31.12.2014 angeführt.
2. Sowohl seitens XXXX als auch seitens des Antragstellers wurden fristgerecht Beschwerden gegen den Bescheid der GKK v. 25.02.2016 eingebracht.
3. Seit 23.01.2017 sind beim BVwG fortfolgend Verhandlungstermine in dieser Sache anberaumt, in welchen Personen aus der angeführten Anlage 2 zu ihrer Tätigkeit bei XXXX befragt werden. Der Antragsteller war für 02.02.2017 als Partei zur Befragung geladen.
4. Mit am 27.01.2017 beim BVwG eingelangtem Schreiben der Dr. Schartner Rechtsanwalt GmbH vom 25.01.2017 wurde für den Antragsteller Verfahrenshilfe zur Vertretung bei der Verhandlung beantragt. Beigefügt wurden ein ausgefülltes Vermögensbekenntnisformular und ein Einkommensnachweis in Höhe von Euro 1188,32 netto monatlich.
5. Am 31.01.2017 ersuchte XXXX von der Dr. Schartner Rechtsanwalt GmbH telefonisch darum, den Verhandlungstermin für den Antragsteller zu verschieben (AV v. 31.01.2017). Weiter wurde mitgeteilt, dass die Dr. Schartner Rechtsanwalt GmbH den Antragsteller derzeit nicht rechtsfreundlich vertritt (AV v. 31.01.2017). Wie bereits im Antrag vom 25.01.2017 (eingelangt am 27.01.2017) dargelegt, würden sich die Dr. Schartner Rechtsanwalt GmbH bzw. Herr Dr. Peter Schartner bereit erklären, die Verfahrenshilfe zu übernehmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der verfahrensrelevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensgang.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt gem. § 414 Abs. 2 ASVG iVm § 410 Abs. 1 ASVG Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Rechtsgrundlagen
§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei
Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne
Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.
(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.
(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.
(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.
(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.
(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.
(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.
(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.
(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.
Gegenständlich ergibt sich Folgendes:
Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist.
Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH v. 03.09.2015, Zl. Ro 2015/21/0032).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP – Regierungsvorlage – Erläuterungen zu § 8a VwGVG).
Gegenständlich besteht in Verfahren vor dem BVwG keine Anwaltspflicht. Seine Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden stellte der Antragsteller durch seine eigenständig eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid der GKK v. 25.02.2016 unter Beweis, welche sämtlichen Formvorschriften entspricht und in welcher er auch eine individuelle Begründung abgab. Komplexität des Falles in der Weise, dass der Antragsteller bei der Verhandlung anwaltlich vertreten sein müsste ist nicht gegeben, da der Antragsteller als Partei lediglich Fragen über seine etwaige Tätigkeit bei XXXX zu beantworten hat, wie dies auch bereits von weiteren Verfahrensparteien gemacht wurde, welche ebenfalls nicht anwaltlich vertreten waren. Eine etwaige erforderliche Manuduktion in der Verhandlung, z. B. wann die Aussage verweigert werden darf, erfolgt durch den Richter, weshalb der Antragsteller durch die Nichtbeigebung eines Rechtsanwaltes auch dahingehend keinerlei Nachteile erfährt. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die eine rechtsanwaltliche Vertretung in der Verhandlung erforderlich machen, sind nicht zu erwarten und ist nicht zu erkennen, dass der Antragsteller die wahren Verhältnisse vor dem erkennenden Gericht nicht ohne anwaltlichen Beistand darzulegen vermag. Aussagen zu etwaigen Erfolgsaussichten können derzeit nicht getätigt werden. Zur Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller ist festzustellen, dass es um die sozialversicherungsrechtliche Einordnung seiner etwaigen Tätigkeit geht.
Verfahrenshilfe ist gem. § 8a Abs. 1 VwGVG nur dann vorgesehen, wenn beide Voraussetzungen, nämlich dass diese geboten ist und die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, kumulativ vorliegen.
Aus den obigen Feststellungen ergibt sich resümierend, dass im vorliegenden Fall Verfahrenshilfe zur Vertretung bei der Verhandlung auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht geboten ist. Somit braucht nicht mehr geprüft werden, ob der Antragsteller außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestreiten zu können. Aus demselben Grund war auch nicht mehr zu prüfen, ob die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint und liegen somit die Voraussetzungen zur Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht vor, weshalb der Antrag abzuweisen war.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8a VwGVG fehlt.
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