European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00005.22M.0202.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
[1] In der Hauptversammlung der damals börsenotierten B* Aktiengesellschaft vom 14. 8. 2017 beschloss deren Hauptgesellschafterin, die nunmehrige Antragsgegnerin, den Ausschluss der Minderheitsaktionäre gemäß §§ 1 ff GesAusG und die Übertragung deren Anteile auf die Hauptgesellschafterin. Die Barabfindung der ausscheidenden Aktionäre wurde mit 16,51 EUR pro Stückaktie festgelegt. Der gerichtlich bestellte sachverständige Prüfer gemäß § 3 Abs 2 GesAusG bestätigte die Angemessenheit der Barabfindung.
[2] Gegenständlich ist ein Verfahren zur Überprüfung der Barabfindung gemäß § 6 Abs 2 GesAusG iVm §§ 225c ff AktG mit 107 Antragstellern und der gemeinsamen Vertreterin gemäß § 225f AktG.
[3] Die Vorinstanzen (Erstgericht ON 197, Rekursgericht ON 224) sprachen aus, die beschlossene Barabfindung sei nicht angemessen, diese werde mit 23 EUR je Aktie festgesetzt, und die Antragsgegnerin habe zu der in der Hauptversammlung vom 14. 8. 2017 beschlossenen Barabfindung einen weiteren Ausgleich durch bare Zuzahlungen von 6,49 EUR je Aktie zu leisten.
[4] Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts erhoben der Antragsteller zu 6. und die gemeinsame Vertreterin Revisionsrekurse, nicht aber auch die Antragsgegnerin.
[5] Der erkennende Senat hat mit Entscheidung vom heutigen Tag zu 6 Ob 148/21i diese Revisionsrekurse zurückgewiesen.
[6] Am 15. 9. 2021 hatten die Antragsteller zu 31. die „Bestätigung der (Teil)Rechtskraft“, und zwar „hinsichtlich der Feststellung dieser (Teil)Zuzahlung“ beantragt. In der Entscheidung ON 197 habe das Erstgericht ausgesprochen, dass die Barabfindung von 16,51 EUR je Aktie nicht angemessen sei, und die Barabfindung mit 23 EUR je Aktie festgesetzt. Die Antragsgegnerin habe daher einen Ausgleich durch bare Zuzahlung von 6,49 EUR je Aktie zu leisten. Dieser Ausspruch sei der Höhe nach nicht bekämpft worden, sodass die Entscheidung hinsichtlich der Zuzahlung von 6,49 EUR in Rechtskraft erwachsen sei.
Mit Beschluss vom 16. 9. 2021 bestätigte das Erstgericht, „dass der in Punkt II dieser Entscheidung erfolgte Ausspruch, wonach die Barabfindung gemäß § 2 Abs 1 GesAusG mit EUR 23,00 je Aktie festgesetzt und die Antragsgegnerin W* verpflichtet wurde, zu der auf Grund des in der Hauptversammlung vom 14. August 2017 beschlossenen Gesellschafterausschlusses gewährten Barabfindung in Höhe von EUR 16,51 je Aktie der B* Aktiengesellschaft einen Ausgleich durch bare Zuzahlungen in Höhe von EUR 6,49 je Aktie zu leisten, mangels Anfechtung durch die Antragsgegnerin rechtskräftig ist“.
[7] Daraufhin beantragte die Antragsgegnerin am 21. 9. 2021 die Aufhebung der Rechtskraftbestätigung für Punkt II. des Beschlusses ON 197 mit der Begründung, der mit Revisionsrekursen angefochtene Teil der Entscheidung stehe mit nicht angefochtenen Teilen in einem untrennbaren Sachzusammenhang, und aufgrund der erga omnes-Wirkung schiebe die Rekurserhebung von bloß einigen Antragstellern die Rechtskraft des gesamten Beschlusses auf.
[8] Das Erstgericht wies diesen Antrag ab.
[9] Das Rekursgericht hob die Bestätigung der Rechtskraft des Punktes II. des erstinstanzlichen Beschlusses ON 197 in jenem Umfang auf, als sie über die Bestätigung der Rechtskraft der Feststellung der Verpflichtung der Antragsgegnerin zu einer baren Zuzahlung von 6,49 EUR je Aktie, sodass sich die Barabfindung auf insgesamt 23 EUR je Aktie belaufe, hinausgehe, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[10] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist absolut unzulässig.
[11] Die Beschwer muss zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RS0041770).
[12] Mit der Entscheidung des erkennenden Senats vom heutigen Tag zu 6 Ob 148/21i sind die erwähnten Beschlüsse der Vorinstanzen (Erstgericht ON 197, Rekursgericht ON 224) rechtskräftig. Die Beschwer der Antragsgegnerin betreffend den bekämpften Ausspruch des Rekursgerichts über die Rechtskraft bzw den Umfang der Rechtskraft von ON 197 ist somit weggefallen. Der Revisionsrekurs war zurückzuweisen.
[13] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 50 Abs 2 ZPO im Außerstreitverfahren analog anzuwenden ist (vgl 2 Ob 114/14z mwN; vgl Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 4.70). Hier hätte das Rechtsmittel auch ohne Wegfall der Beschwer schon deshalb nicht erfolgreich sein können, weil der Beschluss des Rekursgerichts vom 5. 5. 2021 (ON 224) nur von Antragstellerseite, nicht aber auch von der Antragsgegnerin bekämpft wurde und somit insoweit teilrechtskräftig war, als er den Antragstellern Rechte zuerkannt hat. Für eine insoweit eingeschränkte Rechtskraftbestätigung bestand daher kein Raum.
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