UFS RV/0268-F/04

UFSRV/0268-F/0418.10.2007

Endbesteuerungswirkung für ausländische Kapitalerträge

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des Adr, vertreten durch Steuerkanzlei Galehr, Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung, 6923 Lauterach, Alter Bahnhof, vom 1. September 2004 gegen die Bescheide des Finanzamtes Bregenz vom 27. August 2004 betreffend Einkommensteuer für den Zeitraum 1995 bis 2000 entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber beteiligte sich am Anlagemodell EACC. Finanzstrafbehördliche Ermittlungen im Jahr 2001 ergaben, dass er hieraus Erträge lukriert hatte. Es kam zur Erlassung von Wiederaufnahmebescheiden und neuen Sachbescheiden für die Streitjahre 1995 und 1997 bis 2000 bzw. zur Erlassung eines Einkommensteuererstbescheides für 1996, alle vom 27.8.2004. Darin wurden die EACC-"Dividenden" als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Besteuerung unterzogen.

In seinen gegen die Einkommensteuersachbescheide eingebrachten Berufungen beantragte der Berufungswerber die Neufestsetzung der Einkommensteuer für die Streitjahre unter Anwendung eines Steuersatzes von 25% anstelle des Normalsteuersatzes. Das Urteil Lenz des EuGH vom 15.7.2004, Rs C-315/02 , habe nämlich ausgesprochen, dass die Verweigerung der einkommensteuerlichen Endbesteuerungswirkung für ausländische Kapitalerträge mit der gemeinschaftsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit in Widerspruch stehe. Deshalb seien solche Einkünfte gemäß § 37 Abs. 8 EStG 1988 zu versteuern.

Die Abgabenbehörde I. Instanz erließ abweisende Berufungsvorentscheidungen. Sie wies auf inzwischen ergangene und ebenfalls EACC-Beteiligungen betreffende Berufungsentscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates hin. Die Kapitalerträge seien darin als solche gemäß § 27 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 qualifiziert worden, dh als "Zinsen und andere Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art". Die Zeichnungsscheine verbrieften lediglich ein auf einen Geldbetrag gerichtetes Forderungsrecht als Vergütung für den Gebrauch eines auf Zeit überlassenen Kapitals. Derartige Erträge unterlägen auch im Inland nicht einem Kapitalertragsteuerabzug mit Endbesteuerungscharakter, weshalb eine Forderung nach Gleichstellung der ausländischen Erträge ebenso wie die Stützung auf das Urteil Lenz des EuGH verfehlt sei.

Der Berufungswerber beantragte die Vorlage seiner Berufungen an die Abgabenbehörde II. Instanz. Für die Beurteilung, welche Art von Kapitalerträgen vorläge, sei es wesentlich zu wissen, an welcher Art von Gesellschaft die Beteiligung bestanden habe. Die Abgabenbehörde sei hiebei von den Feststellungen des gerichtlich nicht verwertbaren PWC Entwurfes und des von der Bundeswertpapieraufsichtsbehörde beanstandeten Platzierungsmemorandums ausgegangen. Insofern seien die Beurteilungsgrundlagen nicht ausreichend gewesen.

Über die Berufung wurde erwogen:

In sieben Berufungsentscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates vom Juni 2004, die ebenfalls EACC-Anleger als Berufungswerber betrafen, gab dieser seiner Überzeugung Ausdruck, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 vorlägen und zwar sowohl im Fall der ausbezahlten, als auch der reinvestierten Beträge (RV/0304-F/02, RV/0219-F/02, RV/0220-F/02, RV/0218-F/02, RV/0217-F/02, RV/0216-F/02, RV/0205-F/02). Vier Berufungswerber legten Beschwerde beim VwGH ein; dieser bestätigte in der Sache die Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates ohne Abstriche (2004/15/0111-5, 2004/15/0110-5, 2004/15/0164-8 und 2004/15/0163-8, alle vom 19.12.2006). Auf die zitierten Erkenntnisse wird verwiesen.

Die Qualifikation der Kapitalerträge als solcher gemäß § 27 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 (Zinsen aus einem darlehensähnlichen Geschäft) wird daher vom Unabhängigen Finanzsenat streitgegenständlich als außer Streit stehend betrachtet. Es bedarf insoweit keiner Überprüfung, "an welcher Art von Gesellschaft die Beteiligung bestand" bzw. auf welchen Grundlagen die letztlich vom Höchstgericht bestätigten Entscheidungen aufbauten.

Strittig ist: Ist im Sinne einer Endbesteuerungswirkung ein Steuersatz von 25% anzuwenden?

Durch das Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, wurden ausländische Kapitalerträge, die ab 1.4.2003 zufließen, inländischen gleichgestellt (§ 37 Abs. 8 EStG 1988, § 97 Abs. 4 EStG 1988).

Das Urteil des EuGH vom 15.7.2004, C-315/02 , Lenz, hat daher nur auf Einkünfte Auswirkung, die nicht im zeitlichen Anwendungsbereich des Budgetbegleitgesetzes 2003 zu erfassen sind. Es besagt, dass die Verweigerung der einkommensteuerlichen Endbesteuerungswirkung für ausländische Kapitalerträge mit der gemeinschaftsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit in Widerspruch steht. Jene ausländischen Kapitalerträge, die nach dem Budgetbegleitgesetz 2003 in ihren ertragsteuerlichen Wirkungen inländischen gleichgestellt sind, sind daher im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für Veranlagungszeiträume ab 1994 analog zu § 37 Abs. 8 EStG 1988 mit einem Steuersatz von 25% (bzw. 22%) zu besteuern. Alternativ dazu kann die Tarifbesteuerung sämtlicher in- und ausländischer Kapitalerträge vorgenommen werden, wobei diesfalls ausländische Dividenden - ebenso wie inländische - mit dem Hälftesteuersatz zu besteuern sind. Die umschriebene Rechtslage ist in allen offenen Fällen anzuwenden.

§ 37 Abs. 8 Z 2 bis 5 EStG 1988 nimmt bestimmte taxativ aufgezählte ausländische Kapitalerträge von der allgemeinen Einkommens- und Einkunftsermittlung aus und unterwirft sie einer gesonderten Einkommensteuer in Höhe von 25%, somit einer Art von Endbesteuerung. Streitgegenständlich kommt allenfalls eine Subsumtion der Kapitalerträge unter die Z 3 leg. cit. in Betracht, welche weiter auf § 93 Abs. 2 Z 3 sowie § 93 Abs. 3 EStG 1988 verweist. Anlass zu Bedenken gibt allerdings die Formulierung "nicht im Inland bezogene Kapitalerträge..." in der Z 3 leg. cit. Die streitgegenständlichen ausländischen Kapitalerträge wurden sehr wohl im Inland bezogen, nämlich durch Auszahlung seitens des in Bregenz angesiedelten inländischen Platzierungsmaklers VTH-GmbH, der somit als kuponauszahlende Stelle im Sinne der §§ 93 ff EStG 1988 anzusehen ist. Dieser Umstand hätte gegebenenfalls (dh im Falle des Vorliegens grundsätzlich kapitalertragsteuerpflichtiger Erträge) eine Einbehaltung und Abfuhr von KESt durch die VTH gemäß § 95 EStG 1988 indiziert. Wie sich aber aus dem Platzierungsmemorandum ablesen lässt, wurde die in Streit stehende Anlage seitens der Initiatorin EACC und in weiterer Folge des inländischen Platzierungsmaklers VTH-GmbH als "zinssteuerfrei" verstanden, eine Wortwahl, die von den Anlegern als generelle Einkommensteuerfreiheit bzw. Freiheit von allen Steuern missdeutet wurde, die aber tatsächlich wohl eine KESt-Freiheit meint.

Wenn daher nicht schon a priori davon auszugehen ist, dass die strittigen Kapitalerträge unter keine der Ziffern 2 - 5 des § 37 Abs. 8 EStG 1988 subsumierbar sind, wodurch eine Stützung auf das Urteil Lenz des EuGH zu verwerfen wäre, gilt:

§ 93 Abs. 2 Z 3 EStG 1988 ist naturgemäß auszuschließen, weshalb letztlich lediglich § 93 Abs. 3 Z 1 und 2 EStG zu analysieren bliebe. Dieser normiert, dass Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren Kapitalerträge aus Wertpapieren sind, die ein Forderungsrecht verbriefen und nach dem 31. Dezember 1983 in Schilling oder Euro bzw. nach dem 31. Dezember 1988 in einer anderen Währung als Schilling oder Euro begeben wurden. Auf die nähere Untersuchung, ob ein für die Endbesteuerung von Forderungswertpapieren grundsätzlich erforderliches "public placement" vorlag wird verzichtet, weil nach herrschender Praxis bei Erwerb eines Papiers binnen 6 Monaten nach Emission durch mehr als 250 Käufer vom Vorliegen eines öffentlichen Angebots auszugehen ist. Aus der Aktenlage lässt sich diese Mindestzeichneranzahl erschließen.

Untersucht man nun näher, was überhaupt unter einem "Forderungwertpapier" zu verstehen ist, findet man - den Hinweisen in Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, zu § 93 folgend - die Definition: "...Umgekehrt bedeutet die Einstufung eines Wertpapiers als Forderungspapier nicht, dass damit eine "Anleihe" im Sinn von Doppelbesteuerungsabkommen vorliegt. Der Begriff "Anleihe" ist vielmehr eigenständig zu interpretieren. Es handelt sich dabei um ein Instrument der mittel- und langfristigen Kapitalaufbringung. Diesem Erfordernis wird in der Regel eine Laufzeit von mindestens fünf Jahren entsprechen.Andere Forderungswertpapiere sind insbesondere auf Namen sowie auf Inhaber lautende (Teil-) Schuldverschreibungen, Pfandbriefe, Kommunalschuldverschreibungen, Schatzscheine, Kassenobligationen, sowie Wertpapiere über Schuldscheindarlehen, weiters sogenannte "Certificates of Deposit", die ihrer Rechtsnatur nach als (Inhaber-) Schuldverschreibungen ausgestattet sind. Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen werden in § 93 Abs. 3 Z 3 ebenfalls den Forderungswertpapieren zugeordnet" (vgl. auch: Koppensteiner in ÖStZ 20/1990, 247 ff, "Übersicht über die Steuerpflicht von Einkünften aus Kapitalvermögen").

Der EACC-Zeichnungsschein passt nicht in obenstehende Aufzählung. Es ist in seinem Fall nicht davon auszugehen, dass "das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier folgt". Der (englische) Text selbst, der auf dem Zeichnungsschein abgedruckt ist, verweist auf die Bücher der Gesellschaft. Allein der Umstand, dass er Zeugnis über ein Geschäft ablegt, das ein Forderungsrecht begründet, macht den Zeichnungsschein noch nicht zu einem Forderungswertpapier im Sinne des § 93 Abs. 3 EStG 1988. Er ist vielmehr eine Urkunde oder ein Beleg über das darlehensähnliche Geschäft als festverzinsliche Anlage. Ein Darlehen ist gemäß § 983 ABGB die Übertragung einer verbrauchbaren Sache ins Eigentum des Darlehensnehmers durch den Darlehensgeber. § 27 EStG 1988 erfasst jedoch nur Zinsen für die Überlassung von Geld (Gelddarlehen). Wird ein Darlehen durch ein Wertpapier verbrieft, ändert dies nichts am Darlehenscharakter an sich.

Folgt man wiederum Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 93, Steuerabzugspflichtige Kapitalerträge; Begriff, Punkt 2., kann man erschließen, dass im Falle einer Darlehenshingabe an einen Darlehensnehmer, der keine Bank ist, die Zinserträge nicht dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen, was auch dann gilt, wenn der Darlehensnehmer ohne die hiefür erforderliche Berechtigung Bankgeschäfte betreibt (vgl. auch: Koppensteiner wie oben, S 248, unten: "Zinsen aus Geldforderungen an andere Schuldner als Banken", keine KESt-Pflicht, oder Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Band III, WUV-Universitätsverlag, Wien 2005, § 93, TZ 41: "Bei einem Darlehensnehmer, der keine Bank ist, fällt keine KESt an. Derartige Erträge unterliegen in der Folge der Normalbesteuerung und nicht der Endbesteuerung ").

Auf den Streitfall bezogen heißt dies:

 

Die Frage der Verjährung wurde unter Zugrundelegung des § 207 Abs. 2, 1. Satz BAO von Amts wegen überprüft und festgestellt, dass Verjährung nicht eingetreten ist.

Die Berufungen waren daher spruchgemäß abzuweisen.

Feldkirch, am 18. Oktober 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 37 Abs. 8 Z 2 bis 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 93 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 27 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 983 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 95 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Darlehen, Darlehensnehmer, Nichtbank, Zinserträge, Kapitalertragsteuer, Normalbesteuerung, Endbesteuerung, Wertpapier, Verbriefung, Darlehenscharakter

Stichworte