BFG RV/5100999/2019

BFGRV/5100999/201924.1.2020

ordnungsgemäße Zustellung

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100999.2019

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch V, über die Beschwerde vom 27.02.2019 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Braunau Ried Schärding vom 31.01.2019, betreffend Wiedereinsetzung § 308 BAO zu StNr. XY zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Mit Haftungsbescheid vom 14.02.2013 wurde der Beschwerdeführer (Bf) als Haftungspflichtiger für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Fa S GmbH gem. § 9 iVm §§ 80 BAO im Ausmaß von 70.199.47 € in Anspruch genommen.

Mit Bescheid vom 15.02.2013 wurde eine Pfändung vorgenommen und darauf hingewiesen, dass die Pfändung auf Grund des Haftungsbescheides erfolge. 

Mit Schreiben vom 12.11.2018 beantragte der Bf. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Haftungsbescheid vom 14.02.2013. Er habe erst Ende Oktober 2018 mitbekommen, dass gegen ihn ein Haftungsbescheid bestehe. Zuvor habe er einen Antrag auf Rückzahlung eines Guthabens anderer Art gestellt. So sei er der Meinung gewesen, nach Erfüllung des gerichtlichen Zahlungsplanes alle Schulden abgedeckt zu haben und wieder entstandene Guthaben lukrieren zu können. In der weiteren Folge sei ihm telefonisch mitgeteilt worden, dass ein Haftungsbescheid aus dem Jahre 2013 existiere. Tatsächlich sei ihm dieser Bescheid nicht zugestellt worden. Glaublich am 31.10.2018 habe er ein Schreiben erhalten, in dem die Seite 1 des Haftungsbescheides kopiert gewesen sei, samt einer Kopie des Zustellscheines. Danach sei im unter seiner Adresse ein Schreiben zugestellt worden. Er habe dieses Schreiben jedoch nie erhalten und habe deshalb auch kein Rechtsmittel ergreifen können. Er sei an der Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Haftungsbescheid durch ein Ereignis verhindert gewesen, das er nicht zu verantworten habe. So sei er am 19.02.2013 sicher nicht im Haus H, anwesend gewesen, weil er im Geschäft gearbeitet habe. Den Postkasten habe er stets sorgfältig bearbeitet und immer dann, wenn Schreiben im Postkasten gewesen seien, diese enthoben und bearbeitet. Es wäre daher sehr ungewöhnlich, wenn er den Zettel erhalten, diesen aber nicht bearbeitet hätte. Insofern sei er der Meinung, dass ihm der Zettel, mit der Verständigung über die Hinterlegung, nicht zugestellt worden sei. Zudem sei ein zweiter Zustellversuch für den 19.02. 2013 angekündigt worden. Eine solche Ankündigung wäre ihm aufgefallen. Jedenfalls sei eine Verständigung nicht vorhanden gewesen. Es liege daher lediglich ein minderer Grad des Versehens vor. Gleichzeitig wurde gegen den Haftungsbescheid Beschwerde erhoben und darauf hingewiesen, dass alle Gläubiger anteilsmäßig befriedigt worden seien.

In einer beigefügten Erklärung vom 12.11.2018 hielt der Bf fest, dass seine Ehegattin im Februar 2013 zu Hause gewesen sei, zumal sein Sohn am 09.02.3013 zur Welt gekommen sei. Diese hätte ihn sicherlich verständigt, wenn von der Post eine Rsa-Sendung hätte zugestellt werden sollen. Auch seine Mutter sei im Haus gewesen. Auch diese habe aber nichts von einer RSA-Sendung berichtet. Erst im Herbst 2018 habe er durch ein Telefonat zufällig erfahren, dass es gegen ihn einen Haftungsbescheid gebe. darauf hin habe er das Finanzamt ersucht, eine Kopie des Bescheides zu übermitteln. Glaublich am 31.10.2018 habe er eine Kopie der ersten Seite des Haftungsbescheides und des Zustellnachweises erhalten. Die Seite 2 des Haftungsbescheides samt Rechtsmittelbelehrung habe er noch nie gesehen. Vielleicht sei die Ankündigung der zweiten Zustellung nicht richtig befestigt worden und in Verlust geraten.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom 31.01.2019 ab und führte unter Hinweis auf § 17 ZustellG aus, dass der Bf laut Auskunft des zentralen Melderegisters seit 1977 ohne Unterbrechung bei der Adresse H gemeldet sei. Der erste Zustellversuch sei am 19.02.2013 erfolgt. Beim 2. Zustellversuch sei eine Verständigung über die Hinterlegung an der Abgabestelle hinterlassen worden. Es sei Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet seien, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen.

In der Beschwerde vom 27.02.2019 hielt der Bf noch einmal fest, einen Rückzahlungsantrag gestellt zu haben, in Unkenntnis, dass gegen ihn ein Haftungsbescheid bestehe. Erstmalig habe er davon Ende Oktober 2018 erfahren. Hätte er irgendeine Ahnung vom Haftungsbescheid gehabt, hätte er keinen Rückzahlungsantrag gestellt. Auch von seinem Steuerberater sei er niemals darauf aufmerksam gemacht worden. Auch sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum der Haftungsbescheid ihm und nicht seinem Steuerberater zugestellt worden sei. Er habe jedenfalls nicht damit rechnen können. Das Schreiben mit dem Haftungsbescheid habe er nie zu Gesicht bekommen. Deshalb sei er auch nicht in der Lage gewesen, Beschwerde einzubringen. Auch seien von der Erstbehörde keine Nachforschungen dahingehend gemacht worden, ob der damalige Zusteller noch irgendeine konkrete Kenntnis vom damaligen Zustellvorgang habe. Wenn der Zusteller ortskundig und kein Aushilfszusteller gewesen sei, hätte der gewusst, dass beim Nebeneingang seine Mutter wohne und hätte dieser nur läuten müssen, im Falle der Zustellung eines wichtigen Briefes. Dies sei aber nicht geschehen. Zur Rechtmäßigkeit der Hinterlegung müsse die Verständigung von der Hinterlegung beim Abgabenempfänger ordnungsgemäß erfolgt sein, genau dies sei nicht passiert. Es seien auch diesbezüglich keine Nachforschungen trotz der rechtlichen Notwendigkeit durch die Erstbehörde getätigt worden, sodass der bekämpfte Bescheid mangelhaft sei. Gem. § 13 Abs. 3 ZustellG gelte eine Sendung als nicht zugestellt, wenn der Empfänger nicht wusste oder wissen konnte, dass eine Sendung hinterlegt worden sei. Nicht nur die Ortsabwesenheit sei entscheidend. Entscheidend sei, dass der Empfänger wisse, dass eine Sendung hinterlegt sei. Wenn tatsächlich keine Mitteilung über die behauptete Hinterlegung hinterlassen worden sei, sei der Zustellvorgang nicht rechtmäßig und gelte der damalige Haftungsbescheid als nicht rechtmäßig zugestellt. Am 14.02.2013 und in den Folgetagen wäre die Mutter immer im Nebengebäude anwesend gewesen. Es hätte eine entsprechende Mitteilung über die angebliche Zustellung bei dieser abgegeben werden können. Auch die Ehefrau sei im Haus gewesen, weil hochschwanger. Warum der Zusteller weder die Ehegattin noch die Mutter angetroffen haben will, wenn er geläutet oder sich bemerkbar gemacht hätte, sei unverständlich. Es sei daher eher davon auszugehen, dass dieser weder geläutet habe noch sonst irgendwo sich bemerkbar gemacht habe und unverrichteter Dinge abgezogen sei. Ein zweiter Versuch einer Zustellung habe nicht stattgefunden, warum auch immer. Der Hinweis auf § 17 Abs. 4 ZustellG gehe ins Leere, weil der Zustellbeamte verpflichtet sei, bei einer Rsa-Sendung an den Empfänger zuzustellen. Dazu müsse er sich ernsthaft bemühen, zu klären, ob der Empfänger an der Zustelladresse tatsächlich anwesend ist. Diese Bemühung könne nicht stattgefunden haben, zumal sich sowohl die Mutter als auch die Ehegattin im Haus befunden hätten. Im Postkasten habe sich jedenfalls keine Benachrichtigung befunden. Dies hätte man gesehen. An der Türe sei sie ebenso nicht befestigt worden, sodass sich die logische Frage ergebe, weshalb keine Benachrichtigung erkennbar bzw. vorfindbar gewesen sei. Die Ehegattin und die Mutter hätten jede Benachrichtigung an ihn weitergeleitet. Diese gaben nach Befragung an, nie um den 14./15.02.2013 (?) herum eine Rsa-Brief oder eine Benachrichtigung gesehen zu haben. Für beide wäre dies ein einprägsamer Moment gewesen. Es habe auch keinerlei Hinweis auf die behauptete Zustellung ergeben, geschweige denn eine Hinterlegung eines Schriftstückes. Alleine der Umstand der dortigen Meldung sage nichts aus, wie der Zusteller die behauptete Zustellung vorgenommen und ob er überhaupt eine Benachrichtigung in den Briefkasten gesteckt habe. Noch seltsamer sei, weshalb beim 2. Zustellversuch, trotz Anwesenheit von Mutter und Gattin, keine Zustellung möglich gewesen sein soll, wo beide bei einem Läuten die Tür geöffnet hätten. Bislang sei auch nicht geklärt worden, ob es an den steuerlichen Vertreter Buchungsmitteilungen gegeben habe. Hätte es diese gegeben, wäre er von diesem sicher darauf aufmerksam gemacht und aufgefordert worden entsprechende Schritte einzuleiten. Er sei weder 2013 noch später vom Steuerberater dahingehend informiert worden, dass es einen Haftungsbescheid gebe. Er könne jedenfalls nichts dafür, dass ihm der Rsa-Brief nicht zugestellt worden sei. Die Behörde hätte jedenfalls Recherchen einleiten müssen (Befragung des Zustellers, Überprüfung der Buchungsmitteilungen). Dies sei offenbar nicht geschehen, weshalb das Verfahren und  der Bescheid mangelhaft seien. Dies habe zur ersatzlosen Aufhebung des bekämpften Bescheides zu führen. Es gebe keine gegenteiligen Beweisergebnisse, außer der eine Zettel über die behauptete Ankündigung einer Zustellung. Wo, wie und wann  dieser angeblich an der Abgabestelle hinterlassen worden sei, sei aber nicht geklärt, sehr fraglich und bedenklich. Die gegenständliche Forderung sei für ihn existenzbedrohend, umso mehr hätte er alle möglichen Rechtsmittel ausgeschöpft, wenn er davon gewusst hätte. Dass er dies nicht getan habe, spreche eindeutig dafür, nichts von der Existenz gewusst zu haben. 

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 06.05.2019 unter Hinweis auf § 17 Abs. 1 Abs. 3 sowie Abs. 4 ZustellG als unbegründet ab. Die Rechtswirksamkeit des Zustellvorganges sei nicht davon abhängig, dass der Empfänger davon Kenntnis erlange. Weder die Beschädigung noch die Entfernung der Verständigungsanzeige durch andere Personen habe Einfluss auf die Gültigkeit der Zustellung. Die Unwirksamkeit der Zustellung könne jedenfalls nicht daraus abgeleitet werden. Die Behauptung eine Hinterlegungsanzeige sei zu keinem Zeitpunkt vorgefunden worden, enthalte die Bestreitung der Richtigkeit der Angaben des Zustellers im Rückschein, die Verständigung von der Hinterlegung sei in das Hausbrieffach eingelegt worden. Bei den vom Zusteller erstellten Zustellnachweisen handle es sich um öffentliche Urkunden, die den Beweis für eine vorschriftsmäßige Zustellung erbringen. Zustellmängel seien daher ordentlich zu begründen, die bloße Behauptung keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben, sei unzureichend die Angaben des Postzustellers im Rückschein zu entkräften. Was die Behauptung betrifft, keinerlei Information betreffend den Haftungsbescheid erhalten zu haben, so stehe dies im Widerspruch zur Aktenlage. Auf Grund des Haftungsbescheides sei am 14.11.2014 eine Lohnpfändung beim Dienstgeber durchgeführt worden über einen Geldbetrag von 71.349,58 €. Eine Zweitschrift der Pfändung sei an den Bf versendet worden. Auf Grund dieser Pfändung habe der Bf eine Beschwerde gegen diesen Bescheid eingereicht. Die Beschwerde sei am 12.01.2015 mangels Rechtzeitigkeit zurückgewiesen worden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt (Pfändung des Arbeitseinkommens) habe der Bf von einem möglichen Haftungsbescheid Kenntnis erlangt. So müsse der Antrag gem. § 308 BAO binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Abgabenbehörde, bei die der Frist wahrzunehmen sei eingebracht werden.

Im Vorlageantrag vom 14.05.2019 wurden keine neuen Gründe vorgebracht.

In der Beschwerdevorlage vom 03.07.2019 wurde ausdrücklich auf die Bestimmung des § 309 BAO hingewiesen.

Mit Schreiben vom 14.10.2019 teilte die Post AG mit, dass zum angeführten Datum der Stammzusteller im Dienst gewesen sei. Dieser könne sich nicht mehr an den zu übermittelnden Brief erinnern, weil der Vorgang zu lange zurück liege. Bei dem Schriftstück handle es sich um einen RSa-Brief, welcher ausschließlich zur persönlichen Übergabe bestimmt sei. Laut Angaben des Zustellers sei die Hinterlegung jemanden übergeben worden.

Das Verwaltungsgericht übermittelte darauf hin das Antwortschreiben der Post AG zur Stellungnahme. Gleichzeitig verwies es auf die Bestimmung des § 309 BAO und ersuchte um Stellungnahme. Zudem wies es darauf hin, dass laut Mitteilung der belangte Behörde der Haftungsbescheid nicht zurück gelangt sei.

Mit Schreiben vom 07.11.2019 ersuchte die steuerliche Vertretung die Mutter und die Frau des Bf als Zeuginnen einzuvernehmen zum Beweis dafür, dass die Verständigung nicht übergeben worden sei.

In der schriftlichen Zeugenaussage hielt die Mutter des Bf fest, dass sie sich nicht erinnern könne, ob der Postbote an diesem Tag bei ihnen zu Hause gewesen sei. Hätte sie ein Schriftstück unterschreiben müssen, hätte sie dies jedenfalls ihrer Schwiegertochter gesagt. Sicher hätte sie mit ihrer Schwiegertochter Rücksprache gehalten.

Die Ehegattin des Bf sagte wiederum schriftlich aus, sich nicht mehr genau an den Tag erinnern zu können. Sie sei erst einige Tage zuvor, nach der Geburt ihres Sohnes nach Hause gekommen. Soweit sie sich erinnern könne, sei sie aber zu Hause gewesen, zumal ihre Schwiegermutter in der Zeit krank und auf ihre Hilfe angewiesen gewesen sei. Sie könne sich nicht mehr genau erinnern, ob der Postbote angeläutet habe, wenn dann hätte sie das Schreiben entgegengenommen und darauf reagiert.

 

Beweiswürdigung

Der Wiedereinsetzungsantrag ist nur rechtzeitig, wenn er spätestens drei Monate nach Wegfall des Hindernisses einlangt.

Nach Lage der Akten wurde am 15.02.2013 eine Forderungspfändung vorgenommen. Im Bescheid wurde festgehalten, dass die Pfändung auf Grund des Haftungsbescheides vom 14.02.2013 vorgenommen worden sei. Verfügungsverbot und Pfändungsbescheid ergingen auch an den Bf.

Mit Bescheid vom 14.11.2014 wurde beim Dienstgeber eine Lohnpfändung für einen Rückstand in Höhe von 71.192,91 € vorgenommen. Gegen diesen Bescheid wurde vom Bf Beschwerde erhoben und diese als verspätet zurückgewiesen. Wenngleich der Bf in der Beschwerde festhielt, keine Kenntnis vom Haftungsbescheid zu haben, wurden laufend Lohnpfändungen durchgeführt. Die im Zuge der Lohnpfändung eingegangenen Beträge wurde zunächst zur Abdeckung des Abgabenrückstandes bei der Primärschuldnerin, dann zur Abdeckung des Rückstandes am Strafkonto (seit Mai 2017) und dann wieder zur Abdeckung des Rückstandes am Konto der Primärschuldnerin (seit August 2018) verwendet. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte für den Bf jedenfalls erkennbar sein müssen, dass die belangte Behörde über einen entsprechenden Titel verfügt und dies nicht erst seit Ende Oktober 2018. Das Finanzamt hat in der Beschwerdevorentscheidung vom 06.05.2019 ausdrücklich darauf hingewiesen und ist dies unwidersprochen geblieben. Spätestens zum Zeitpunkt der Pfändung des Arbeitseinkommens bzw. der laufenden Zahlungen des Drittschuldners hätte der Bf von einem "möglichen Haftungsbescheid" Kenntnis erlangen müssen.

Was den Zustellvorgang selbst betrifft, so ist die Aussage seitens der Post AG eindeutig. Ein Schriftstück wurde am 19.02.2013 übergeben. Der ordnungsgemäße Zustellnachweis ist eine öffentliche Urkunde. Er macht Beweis über die Zustellung. Ein Gegenbeweis ist möglich (s. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 17 ZustG, Rz 22). Der Haftungsbescheid ist nicht zurück gelangt. Dies wiederum spricht gegen die Version des Bf. Ein Eingehen auf den Wahrheitsgehalt der schriftlichen Aussagen der beiden Zeuginnen bedurfte es im Hinblick auf die zuvor angestellten Überlegungen bereits nicht mehr. Dazu kommt noch die zeitliche Schranke des § 309 BAO.

 

Rechtslage

§ 308 BAO lautet auszugsweise:

"(1) Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen."

§ 309 BAO lautet:

Nach Ablauf von fünf Jahren, vom Ende der versäumten Frist oder vom Termin der versäumten mündlichen Verhandlung an gerechnet, ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mehr zulässig.

 

Erwägungen

Die Unkenntnis einer gesetzmäßig bewirkten Zustellung (zB durch Hinterlegung) kann ein Ereignis iSd § 308 Abs. 1 sein (s. Ritz, BAO 6. Auflage, § 308, Tz 11).

In der Beweiswürdigung wurde ausführlich dargestellt, dass der Bf von dem Titel (Haftungsbescheid) bei gehöriger Aufmerksamkeit bereits seit Beginn der Lohnpfändung bzw der laufenden Zahlungen durch den Drittschuldner hätte wissen müssen. Daraus folgert, dass der Wiedereinsetzungsantrag bereits aus dieser Überlegung heraus nicht rechtzeitig ist (s. Ritz, BAO, 6. Auflage Rz 22).

Die Wirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Verständigung dem Empfänger zukommen muss. Der ordnungsgemäße Zustellnachweis ist eine öffentliche Urkunde. Er macht Beweis über die Zustellung. Für das Verwaltungsgericht ergibt sich kein Hinweis aus dem Zustellnachweis, der gegen eine ordnungsgemäße Zustellung spricht (s Ritz, BAO, 6 Auflage, ZustellG Rz 13 und 22). Zudem wurde entsprechend dem Verlangen versucht, Erkundigungen einzuholen was die Ordnungsgemäßheit des Zustellvorganges betrifft. Vom Zustellorgan konnte nur die Ordnungsgemäßheit bestätigt werden.

Das Finanzamt hat in der Beschwerdevorlage zu Recht auf die zeitliche Schranke des § 309 BAO verwiesen.

Der Haftungsbescheid trägt das Datum 14.02.2013. Die Beschwerdefrist endete mit 14.03.2013. Der Wiedereinsetzungsantrag hätte daher spätestens mit 14.03.2018 eingebracht werden müssen. Dieser trägt allerdings das Datum 27.02.2019 und ist daher zweifelfrei außerhalb der fünf Jahresfrist gelegen.

Auch aus dieser Überlegung heraus war der Beschwerde der Erfolg zu versagen.

Zwar ist die Frist nach § 309 BAO wiedereinsetzbar, doch steht einem derartigen Antrag wohl der diesbezügliche Hinweis in der Beschwerdevorlage bzw im Vorhalt des BFG vom 22.10.2019 entgegen.

 

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Verwaltungsgericht hat sein Erkenntnis auf den klaren Wortlaut des § 309 BAO gestützt, weshalb eine ordentliche Revision nicht zulässig ist. Zudem liegt keine Rechtsfrage vor, deren Lösung von grundsätzlicher Bedeutung ist.

 

 

Linz, am 24. Jänner 2020

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 309 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

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