Zurückweisung eines Einspruchs mangels Vollmacht, wobei der angebliche Vertreter erklärte, er habe keinen Einspruch erhoben
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.7500344.2019
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. über die Beschwerde des VN-MA-Stb, Adresse, PLZ ORT, vom 5. März 2019, gegen den
Bescheid der belangten Behörde, Magistrat der Stadt Wien, MA 67, vom 27. Februar 2019, MA 67-PA-PA-Zahl-1 und MA 67-PA-PA-Zahl-2, mit dem ein Einspruch gegen die
Strafverfügungen, mit denen über VN NN, wohnhaft in PLZ-Dorf Dorf, Adressbez, eine Geldstrafe von je 64,00 Euro, im Nichteinbringungsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe von je 14 Stunden verhängt wurde,
zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid aufgehoben.
Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
VN NN ist Zulassungsbesitzer des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen KFZ-Kennz.
Das Fahrzeug wurde von Kontrollorganen der Parkraumüberwachung der Landespolizeidirektion Wien
1) am 20. März 2017 um 13:42 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien 8, Alser Straße 41, und
2) am 21. März 2017 um 14:38 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien 9, Alser Straße 26,
beanstandet, da es zu den genannten Zeitpunkten ohne gültigen Parkschein abgestellt war.
Im Zuge dieser Beanstandungen und einer weiteren Beanstandung wurden über VN NN mit Organstrafverfügungen jeweils Geldstrafen von je 36,00 Euro verhängt.
Da VN NN die Strafen zu spät bezahlte, ergingen drei Anonymverfügungen über zu zahlende Geldstrafen von je 48,00 Euro.
In der Folge erließ die MA 67 am 6. Juni 2017 zwei Strafverfügungen betreffend die verfahrensgegenständlichen Beanstandungen und verhängte über VN NN zur Zahl MA 67-PA-PA-Zahl-1 (1) sowie zur Zahl MA 67-PA-PA-Zahl-2 (2), Strafen in Höhe von jeweils 64,00 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 14 Stunden wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006.
Die Strafverfügungen wurden nachweislich am 12. Juni 2017 von einem dafür Bevollmächtigten übernommen (Übernahmebestätigung RSb).
Innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist langte am 16. Juni 2017 eine E-Mail von VN-MA-Stb, in der Folge Bf., von der XXX-WT-GesmbH, bei der MA 67 ein mit dem Betreff "Hr. NN" und folgendem Wortlaut:
"Im Auftrag von Hrn. NN übermittle ich im Anhang den Überweisungsauftrag."
Im Anhang zur E-Mail wurde eine SEPA-Überweisung von 36,00 Euro mit Durchführungsdatum 12. Mai 2017 und Empfänger MA 6-BA 32 beigefügt. Als Verwendungszweck wurden folgende Zahlen angeführt: "OV-1, OV-2, OV-3"
Diese Mail wurde zunächst von der MA 67 als Einspruch gewertet.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2017 teilte die MA 67 VN NN unter Anführung der Geschäftszahlen MA 67-PA-PA-Zahl-1 und MA 67-PA-PA-Zahl-2 Folgendes mit:
"Zu 1) Es wurde am 20.3.2017 eine Organstrafverfügung in Höhe von EUR 36,00 ausgestellt. Es langte die Zahlung jedoch erst am 19.4.2017 ein. In weiterer Folge erfolgte auch keine Zuzahlung zur Anonymverfügung. Daher wurde die nunmehrige Strafverfügung gegen Sie erlassen. Es ist daher der Differenzbetrag von EUR 28,00 zur Einzahlung zu bringen.
Zu 2) Es wurde am 21.3.2017 eine Organstrafverfügung in Höhe von EUR 36,00 ausgestellt. Es langte die Zahlung jedoch erst am 12.4.2017 ein. In weiterer Folge erfolgte auch keine Zuzahlung zur Anonymverfügung. Daher wurde die nunmehrige Strafverfügung gegen Sie erlassen. Es ist daher der Differenzbetrag von EUR 28,00 zur Einzahlung zu bringen."
Mit Eingabe vom 17.7.2017 verwies VN NN gegenüber der der MA 67 auf mehrfache Kontaktaufnahmen mit Herrn Referent-MA67. Die Sachlage ergebe sich aus der Beilage der am 16.6.2017 übermittelten Mail „von unserem Steuerberater – Herrn MA-Stb von der Kanzlei XXX an Sie“. Es wurde bedauert, dass bei der Überweisung der Nachzahlung das Computersystem nur eine Zeile lesen könne. Sie hätten innerhalb der „von Ihnen gesetzten Frist“ mit Herrn Referent-MA67 sowie mittels Mail den Irrtum klären wollen und hätten „ja diesbezüglich bereits Einspruch gegen beide Strafverfügungen erhoben“. Sie ersuchten nun um endgültige Klärung. Nicht zuletzt auch, wohin der von uns „zu viel“ bezahlte Betrag der dann zur Übermittlung der beiden Strafverfügungen geführt habe, gebucht worden sei.
Herr Referent-MA67 verfasste am 1.8.2017 einen Aktenvermerk:
„Bezug nehmend auf die Schreiben vom 4.7.2017 sowie der schriftlichen Stellungnahme vom 17.7.2017 wurde mit Frau NN (SPARTE – Tel. Tel-Nr) Rücksprache gehalten.
Sie wurde von der Rechtslage in Kenntnis gesetzt und auch hiervon, dass jeweils die ausständigen EUR 28,00 zu begleichen sind.
Hinsichtlich der von Ihr ins Treffen geführten „überbezahlten“ EUR 24,00 wurde sie informiert, dass diesbezüglich kein Hinweis in den Buchungsdaten erkennbar ist.
Es ist daher in beiden Verfahren nichts weiter zu veranlassen.“
Die MA 67 setzte den angemerkten Einspruch zurück und ging davon aus, dass die Strafverfügungen rechtskräftig seien.
Die Stadt Wien, MA 6 – BA 32 führte in der Folge gegen VN NN gerichtlich Exekution wegen der offenen Forderung von jeweils 28,00 Euro.
Gegen die vom Gericht erteilte Exekutionsbewilligung erhob VN NN Einspruch und erklärte in diesem, da sich weder Herr Referent-MA67 bei ihm gemeldet habe noch eine Rückmeldung über seinen Einspruch bei rechtsmittel@ma67.wien.gv.at erfolgt sei, habe er die Sache als erledigt betrachtet. Der Einspruch gegen die Exekutionsbewilligung wurde abgewiesen. In der Folge erfolgte seitens des Magistrates eine Einschränkung der Exekution.
Mit Mail vom 27.11.2017 erklärte Herr Referent-MA67 gegenüber Frau NN, dass seitens der Magistratsabteilung 6 keine weiteren Exekutionsmaßnahmen zur Zahl PA PA-Zahl-2-kurz getroffen würden.
In der Folge wurden pro Strafverfügung 12,00 Euro gutgeschrieben.
Aufgrund der Äußerungen von VN NN wurde die Eingabe des Bf. vom 16.6.2017 als Einspruch gegen die Strafverfügungen gewertet. Die Rechtskraftbestätigung wurde aufgehoben.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 ("Behebung eines Mangels") teilte der Magistrat dem Bf. zu den Zahlen MA 67-PA-PA-Zahl-1 und MA 67-PA-PA-Zahl-2 Folgendes mit:
„Sie haben mit Schreiben vom 16.6.2017 für Herrn VN NN, wohnhaft in PLZ-Dorf Dorf, Adressbez, einen Einspruch zu den im Strafverfahren des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, zu den o.a. Zahlen eingebracht.
Gemäß § 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen ab Zustellung Einspruch erheben.
Der Beschuldigte ist aber nur die in der Strafverfügung als solche bezeichnete Person, nämlich Herr VN NN.
Gemäß § 10 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen.
Nach der Aktenlage ist jedoch eine etwaige bestehende Vertretungsbefugnis durch keine Vollmacht nachgewiesen.
Es wird Ihnen daher gemäß § 10 Abs. 2 iVm § 13 Abs. 3 AVG und § 24 VStG aufgetragen, diesen Mangel binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung des gegenständlichen Auftrages zu beheben und eine Vollmacht von VN NN beizubringen, aus welcher hervorgeht, dass Sie zur Vertretung dieser Person im gegenständlichen Verfahren sowie zur Einbringung des Rechtsmittels berechtigt sind. Darüber hinaus muss aus dieser Vollmacht zu erkennen sein, dass diese bereits zum Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels bestanden hat“.
Mit E-Mail vom 17. Jänner 2019 gab VN NN eine Stellungnahme ab, in der er u.a. ausführte wie folgt:
„Von Herrn MA-Stb, Angestellter der für mich tätigen Steuerberatungskanzlei XXX wurde am 16. Juni 2017 lediglich die Zahlungsnachweise an Frau Mitarb VORNAME gesendet – dies mit meinem vollsten Einverständnis und auf meine Bitte hin, da die Zahlungsnachweise zu diesem Zeitpunkt bereits in den laufenden Akten an die Steuerberatungskanzlei übermittelt wurden. Die Steuerkanzlei XXX hat von Beginn an eine Vollmacht, alle notwendigen Arbeiten für mich zu verrichten. Zum besseren Verständnis lege ich eine Zusammenfassung aller Vorgänge bei. Anno dazumal hat Frau Mitarb noch recht positiv an Herrn MA-Stb gemeint "schicken Sie mir die Zahlungsbelege, dann ist die Sache erledigt" – wie gesagt, anno dazumal am 6.6.2017. Wenn hierfür eine Vollmacht notwendig gewesen sein sollte, stelle sich die Frage, warum diese erst jetzt verlangt wird. Welches Rechtsmittel soll zurückgewiesen werden? Im Mail vom 27. November 2016 entschuldigt sich Ihr Kollege Hr. Referent-MA67 und sagt auch keine weiteren Exekutionsmaßnahmen seitens der MA 6 zu.
...
Worum es hier geht, weiß ich schon lange nicht mehr. Ich habe drei Parkstrafen zu spät bezahlt (aber ich habe sie bezahlt), dann habe ich dafür 3 Verspätungsstrafen erhalten, diese habe ich ebenfalls bezahlt – fristgerecht. Gut, ich habe die drei Verspätungsstrafen mit einem Zahlungsvorgang aber versehen mit den drei Aktenzahlen überwiesen. Das war das Versehen, welches Frau Mitarb als "nicht so schlimm, das buchen wir um" titulierte. Die Umbuchung sei lt. Mail von Herrn X. am 13. Dezember 2017 (ein halbes Jahr später und nach 14 Telefonaten mit diversen Mitarbeitern des MA 67), vorgenommen worden. Durch das Mail von Herrn Referent-MA67 dacht ich, dass die Sache erledigt ist.“
Der Magistrat der Stadt Wien wies den Einspruch des Bf. gegen die Strafverfügungen
MA 67-PA-PA-Zahl-1 und MA 67-PA-PA-Zahl-2 mit Bescheid vom 27. Februar
2019 unter Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen (§ 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, § 10 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrens-gesetz 1991 – AVG und § 13 Abs. 3 AVG) mit der Begründung zurück, dass der Bf. von der Magistratsabteilung 67 mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 aufgefordert worden sei, binnen zwei Wochen eine für das Verwaltungsstrafverfahren gültige Vollmacht von VN NN zu übermitteln. Der Bf. sei dieser Aufforderung, welche VN NN zugestellt worden sei, jedoch nicht nachgekommen, obwohl er davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass bei fruchtlosem Verstreichen der Frist davon ausgegangen werden müsste, dass er im eigenen Namen eingeschritten sei. Da dem Bf. in diesem Verfahren keine Parteistellung und somit kein Einspruchsrecht zugekommen sei, sei der Einspruch als unzulässig zurückzuweisen.
Der Bescheid erhielt darüber hinaus folgenden Hinweis:
"Gemäß § 50 Abs. 6 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Organstrafverfügung gegenstandslos, wenn nicht binnen zwei Wochen nach Ausstellung die Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges erfolgt. Als fristgerechte Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges gilt auch die Überweisung des einzuhebenden Strafbetrages auf das im Beleg angegebene Konto, wenn der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer des Beleges enthält und der Strafbetrag dem Konto des Überweisungsempfängers fristgerecht gutgeschrieben wird.
Da die Zahlungen erst am 19.4.2017 bzw. am 12.4.2017, also nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen dem Konto gutgeschrieben wurde, entsprach die Zahlung daher nicht den gesetzlichen Bestimmungen.
Für die Verwaltungsübertretungen wurde in weiterer Folge je eine Anonymverfügung ausgestellt.
Gemäß § 49a Abs. 6 VStG wird die Anonymverfügung gegenstandslos, wenn nicht binnen der gesetzlichen Frist von vier Wochen nach Ausstellung die Einzahlung des Strafbetrages mittels eines Beleges zur postalischen Einzahlung erfolgt.
Als fristgerechte Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges gilt auch die Überweisung des vorgeschriebenen Strafbetrages auf das im Beleg angegebene Konto, wenn der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer des Beleges enthält und der Strafbetrag dem Konto des Überweisungsempfängers fristgerecht gutgeschrieben wird.
Im gegenständlichen Fall waren die Voraussetzungen für eine automationsunterstützte Überweisung nicht gegeben, da bei der Überweisung eine falsche Identifikationsnummer angegeben wurde. Der Anonymverfügungsbetrag konnte daher nicht innerhalb der vierwöchigen Frist dem gegenständlichen Konto gutgeschrieben werden, weshalb auch die Einleitung eines Strafverfahrens nicht abgewendet werden konnte.
Der mit Strafverfügung verhängte und bis dato noch offene Strafbetrag von je EUR 16,00 ist daher zur Einzahlung zu bringen."
Der Bf. erhob gegen den Zurückweisungsbescheid zu den GZlen. MA 67-PA-PA-Zahl-1 bzw. MA 67-PA-PA-Zahl-2 mit E-Mail vom 5. März 2019 Beschwerde und begründete diese wie folgt:
"Ich habe keinen Einspruch erhoben, daher kann dieser nicht als unzulässig zurück-gewiesen werden."
Der Magistrat der Stadt Wien legte die Beschwerde samt Verwaltungsakten dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (Datum des Einlangens: 27. März 2019). Weder die Organstrafverfügungen noch die Anonymverfügungen befinden sich in den vorgelegten Akten der MA 67. In diesen finden sich jedoch zahlreiche Eingaben von VN NN samt Beilagen. Zum Teil hat dieser dieselben Unterlagen mehrfach vorgelegt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt:
VN NN erhielt 2017 aufgrund von Parkvergehen drei Organstrafverfügungen, welche er zu spät bezahlte.
Der Magistrat erließ daher drei Anonymverfügungen und setzte die Strafen von jeweils 36,00 Euro auf 48,00 Euro hinauf.
VN NN beglich die Differenz auf die Organstrafverfügungen von je 12,00 Euro, insgesamt 36,00 Euro, mittels Sammelüberweisung. Eine automatische Buchung auf dem richtigen Abgabenkonto erfolgte jedoch offenkundig nur in einem Fall. Die restlichen 24,00 Euro wurden nicht auf die zwei anderen Anonymverfügungen gutgebucht.
Der Magistrat erließ daher am 6. Juni 2017 Strafverfügungen, GZlen. MA 67-PA-PA-Zahl-1 und MA 67-PA-PA-Zahl-2, mit welchen über VN NN, Zulassungsbesitzer des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen KFZ-Kennz, aufgrund von Verwaltungsübertretungen gemäß § 5 Abs. 2 iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 Geldstrafen iHv je 64,00 Euro und für den Uneinbringlichkeitsfall Ersatzfreiheitsstrafen von je 14 Stunden verhängt wurden.
In der Folge nahm VN NN telefonisch Kontakt mit dem Magistrat auf, weil er sich nicht erklären konnte, warum er trotz Bezahlung der Anonymverfügungen zwei Strafverfügungen erhalten hatte. In diesen wurden überdies die bisher geleisteten Zahlungen nicht berücksichtigt. Innerhalb der Einspruchsfrist ersuchte er seinen steuerlichen Vertreter, bei dem sich der Einzahlungsbeleg befand, diesen der MA 67 zu übermitteln.
Der Bf., Angestellter der Steuerberatungskanzlei XXX WT-GesmbH, übermittelte am 16.6.2017 mittels E-Mail den Zahlungsbeleg betreffend die Sammelüberweisung des Differenzbetrages zwischen den Strafen laut Organstrafverfügungen (je 36,00 Euro) und Anonymverfügungen (je 48,00 Euro) an die MA 67. Laut Beleg wurden insgesamt 36,00 Euro überwiesen. Auf dem Beleg sind drei Zahlen als Verwendungszweck angeführt.
Die MA 67 teilte dem Bf. mit, dass die Organstrafverfügungen erst am 19.4.2017 bzw. am 12.4.2017 bezahlt worden seien, dass zu den Anonymverfügungen keine Zuzahlungen geleistet worden seien und dass in beiden Fällen ein Differenzbetrag von 28.00 Euro einzuzahlen sei.
Aufgrund einer Mail von VN NN und eines Telefonates mit Frau NN nahm Herr Referent-MA67 an, dass in beiden Fällen nichts zu veranlassen sei und kein Einspruch vorliege.
Der genaue Inhalt der Gespräche zwischen dem Bf. und den verschiedenen Mitarbeitern der MA 67 ist nicht bekannt, weil diese nicht aufgezeichnet wurden und der genaue Wortlaut den vorliegenden Akten nicht zu entnehmen ist.
Da keine weitere Zahlung erfolgte, beantragte die für die Einhebung zuständige MA 6 die gerichtliche Bewilligung der Exekution der aus ihrer Sicht offenen Strafbeträge von insgesamt 56,00 Euro.
Daraufhin nahm VN NN erneut mit der Magistratsabteilung 67 telefonisch Kontakt auf und erreichte, dass das Verfahren eingestellt und die Eingabe vom 16.6. als Einspruch gewertet wurde.
Der Magistrat forderte den Bf. auf, eine entsprechende Vollmacht vorzulegen, weil ein Vollmachtsverhältnis nicht aktenkundig war. Der Bf. ist in den Verfahren mit Ausnahme der Übermittlung des Beleges betreffend die Sammelüberweisung von 36,00 Euro auch sonst nicht eingeschritten.
Der Bf. legte keine Vollmacht vor, sondern leitete das Schreiben offenbar an VN NN weiter. Dieser erklärte gegenüber der MA 67, der Bf. habe für ihn lediglich die Zahlungsnachweise an Frau Mitarb VORNAME gesendet, weil die Zahlungsnachweise an die Steuerberatungskanzlei übermittelt worden waren.
In der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid bestritt der Bf., einen Einspruch eingebracht zu haben.
Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 49 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) idgF gilt Folgendes:
„(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.
(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, dann ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.
(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird, dann ist die Strafverfügung zu vollstrecken.“
§ 10 AVG idgF regelt die Vertretung in Verwaltungsverfahren wie folgt:
(1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.
(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.
(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige (§ 36a), Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.
(5) Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen.
(6) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, daß der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt.“
Gemäß § 13 AVG idgF gilt für Anbringen bei der Behörde Folgendes:
„(1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Erscheint die telefonische Einbringung eines Anbringens der Natur der Sache nach nicht tunlich, so kann die Behörde dem Einschreiter auftragen, es innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich oder mündlich einzubringen.
(2) Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.
(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
(4) Bei Zweifeln über die Identität des Einschreiters oder die Authentizität eines Anbringens gilt Abs. 3 mit der Maßgabe sinngemäß, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf der Frist als zurückgezogen gilt.
(5) Die Behörde ist nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.
(6) Die Behörde ist nicht verpflichtet, Anbringen, die sich auf keine bestimmte Angelegenheit beziehen, in Behandlung zu nehmen.
(7) Anbringen können in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.
(8) Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.“
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Auslegung von Parteianbringen auf das aus diesen erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an; Parteierklärungen und damit auch Anbringen sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Dem Geist des AVG ist ein übertriebener Formalismus fremd, weswegen auch bei der Auslegung von Parteianbringen im Sinn des § 13 AVG kein streng formalistischer Maßstab anzulegen ist. Wenn sich der Inhalt eines von einer Partei gestellten Anbringens als unklar erweist, ist die Behörde entsprechend den ihr gemäß § 37 in Verbindung mit § 39 AVG obliegenden Aufgaben verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0185, VwGH 05.04.2017, Ra 2016/04/0126 und VwGH vom 18.2.2019, Ra 2018/02/0082).
Strittig ist, ob es sich bei der Eingabe des Bf. vom 16.6.2017 um einen Einspruch gegen die zur Zahl MA 67-PA-PA-Zahl-1 und zur Zahl MA 67-PA-PA-Zahl-2 gegen VN NN gerichteten Strafverfügungen handelt.
Die Eingabe selbst wurde weder als Einspruch bezeichnet noch enthält diese eine Anfechtung der Strafverfügungen dem Grunde oder der Höhe nach. Der Wortlaut der Eingabe bringt lediglich zum Ausdruck, dass im Anhang im Auftrag von Herrn NN ein Überweisungsauftrag übermittelt wird. Erstmals in der Mail von VN NN an die
MA 67 vom 17.7.2017 ist ausdrücklich von Einsprüchen gegen die Strafverfügungen die Rede.
Aus dem Vorbringen des Bf. in der Beschwerde in Verbindung mit dem Wortlaut der Mail ist zu schließen, dass dieser keinen Einspruch erheben, sondern lediglich den Überweisungsauftrag übermitteln wollte.
Der Bf. hat daher keinen Einspruch gegen die Strafverfügungen erhoben.
Da die E-Mail des Bf. vom 16.6.2017 nicht als Einspruch anzusehen ist, war der Beschwerde stattzugeben und der Zurückweisungsbescheid aufzuheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Zulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Erkenntnis war keine Rechtsfrage sondern ausschließlich der Sachverhalt zu beurteilen. Soweit in dem Erkenntnis in Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen das Parteivorbringen interpretiert wurde, wird auf die angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.
Wien, am 9. April 2019
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen: | § 49 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 |
Schlagworte: | Einspruch, Strafverfügung, Sammelüberweisung, fehlende Vollmacht, Auslegung , Parteianbringen |
Verweise: | VwGH 03.10.2013, 2012/06/0185 |