BFG RV/7105946/2016

BFGRV/7105946/201613.2.2024

Unternehmereigenschaft einer Holding-KG? Zurechnung von Leistungen an eine Holding-KG im Rahmen einer doppelstöckigen Personengesellschaft

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2024:RV.7105946.2016

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den seit 1. April 2022 zuständigen Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. (FH) Daniel Cesky, Grinzinger Straße 87, 1190 Wien,
(1.) über die Beschwerde der Abgabepflichtigen vom 15. Mai 2015 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg (nunmehr Finanzamt Österreich, § 323b BAO) vom 19. Februar 2015, Steuernummer ***BF1StNr1*** betreffend Umsatzsteuer 2012 und
(2.) über die Beschwerde der Abgabepflichtigen vom 27. Mai 2016 gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg (nunmehr Finanzamt Österreich, § 323b BAO) vom 3. Dezember 2015, Steuernummer ***BF1StNr1*** betreffend Umsatzsteuer 2009 und Wiederaufnahme des Verfahrens zur Umsatzsteuer 2009 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.12.2023 im Beisein des Schriftführers Dietmar Gratz und am 13.2.2024 zu Recht erkannt:

I.1. Der angefochtene Bescheid zu (1.) wird gemäß § 279 BAO abgeändert.
Der Umsatzssteuerbescheid 2012 lautet:
Steuerbare und steuerpflichtige Umsätze 20 %: 0,00Euro
Abziehbare Vorsteuern: 0,00 Euro
Umsatzsteuer gemäß § 11 Abs 14 UStG: 4.142,40 Euro

I.2. Die Beschwerde zu (2.) wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom 5.7.2013 wurde die Bf antragsgemäß zur Umsatzsteuer 2009 veranlagt, nachdem zuvor die dem Vorsteuerabzug zugrunde gelegten Rechnungen übermittelt worden waren und ausgeführt worden war, neben dem Halten von Beteiligungen sei Gesellschaftszweck das Erbringen von Dienstleistungen im Rahmen von Managementverträgen. Mit Bescheiden vom 3.12.2015 wurde das Verfahren wiederaufgenommen und ein neuer Umsatzsteuerbescheid erlassen, in dem die erklärten Vorsteuerbeträge nicht anerkannt wurden. Dem vorangegangen ist ein Vorhalteverfahren im Jar 2014, in dem die Bf aufgefordert worden war, ihre wirtschaftliche Tätigkeit nachzuweisen.

Betreffend Umsatzsteuer 2012 erfolgte zunächst eine von der Steuererklärung abweichende Veranlagung mit Schätzung der Vorsteuern in Höhe von 10 % der erklärten Beträge (Bescheid vom 19.2.2015). In der Beschwerdevorentscheidung vom 10.11.2015 wurden sämtliche Vorsteuern nicht anerkannt und die Umsätze als unecht befreit behandelt.

Im Vorlagebericht regt die belangte Behörde an, die von ihr bisher angenommene unechte Steuerbefreiung zu prüfen, weil diesbezüglich mangels Unterlagen ihrerseits keine Möglichkeit bestanden habe.

Im Beschwerdeverfahren vorgelegt wurden ein Muster eines Managementvertrages, in dem sowohl die genaue Bezeichnung der beratenden Gesellschaft [die Modellinitiatoren gründeten ab Ende 2007 jedes Jahr zwei Publikums-KGs] als auch die beratene Gesellschaft nicht näher bezeichnet waren. Weiters wurden Rechnungen und Leistungsbestätigungen vorgelegt, die weder von der Bf stammten noch an die Bf gerichtet waren.

Die Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes vom Juli 2021, die Managementverträge und die Rechnungen über darauf basierenden Leistungen im Original vorzulegen, wurde mit monatlichen Fristverlängerungsansuchen erwidert. Erst nach neuerlicher Aufforderung durch das BFG (im Rahmen der Ladung vom 27.10.2023, bereits angekündigt im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur X Kpl GmbH & Co KG am 20.10.2023, zugestellt am 6.11.2023, Vorlagefrist eine Woche) wurden Unterlagen vorgelegt (per Mail am 29.11.2023, körperlich am 1.12.2023): Kapitalmarktprospekt, Zusammenschlussverträge (beides schon gerichtsbekannt aus dem Verfahren RV/7101928/2013), Eingangsrechnungen 2009, Ausgangsrechnungen 2010, gesonderte Vereinbarung über die Verwaltungsgebühr mit N1 AG, Aktennotizen zu Managementleistungen.

Die erbrachten Managementleistungen seien in den Zusammenschlussverträgen (N2 und N3 § 14, N4 § 13, N5 § 15) bzw der Zusatzvereinbarung mit N1 benannt. Da sich nach den Vertragsabschlüssen herausgestellt habe, dass die Bf umfassendere Leistungen erbringe, sei nachträglich ein Managementvertrag bezüglich dieser Leistungen erstellt worden. Die Verträge seien von den Beteiligungsunternehmen aber nicht gegengezeichnet, so dass keine schriftlichen Verträge vorliegen. Eine angeführte Aktennotiz dokumentiere die von der Bf erbrachten Leistungen an die Unternehmen. Die darin angeführten Leistungen seien: a) strategische Beratung, um laufende Ziele anzupassen oder neu zu definieren; b) fachliche Beratung bei der Finanzierung der Gesellschaft; c) Verpflichtung, fachliches Know-How zur Budgeterstellung einzubringen, Plausibilitätskontrolle; d) Implementierung od. Verifizierung des laufenden Controllings; e) Kontrolle der Soll-/Istvergleiche im laufenden Controlling; f) Beratung in Personalfragen von leitenden Mitarbeitern; g) Kommunikation mit sämtlichen indirekt beteiligten Personen.

In der mündlichen Verhandlung wurden die Leistungsbeziehungen weiter erörtert und damalige Geschäftsführer der Geschäftsherren der atypisch stillen Gesellschaften zu den Leistungsbeziehungen einvernommen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf ist eine Kommanditgesellschaft, die zivilrechtlich aus einem Komplementär und einem Kommanditisten besteht. Sie hat kein eigenes Personal und handelt durch die Komplementärin (X Kpl GmbH). Deren Geschäftsführer waren im Streitzeitraum ***1***, ***2*** und ***3***. Die im Firmenbuch eingetragene Kommanditistin (Kdt Beteiligungsverwaltung und Treuhand GmbH, deren Alleingeschäftsführer damals ebenfalls ***1*** war) fungiert neben ihrem eigenen Anteil als Treuhänderin für eine Vielzahl von Personen, die sich über diese Treuhänderin ebenfalls als Kommanditisten an der KG beteiligen (Treugeberkommanditisten). Mit dem so aufgebrachten Kapital beteiligt sich die Bf an mehreren Unternehmen jeweils als atypisch stille Gesellschafterin.

Neben dem Halten dieser Beteiligungen hat die Bf keine weitere Tätigkeit entfaltet. Es wurde lediglich den Geschäftsherren der atypisch stillen Beteiligungen eine allgemeine Gebühr verrechnet, der keine konkrete umsatzsteuerpflichtige oder auch nur umsatzsteuerbare Leistung zugeordnet werden konnte. Die rechtlichen und steuerlichen Belange der Bf waren Aufgabe von ***1***, die Weiterleitung von Informationen aus dem Betrieb der Bf (Halten von Beteiligungen) an die Gesellschafter (insbesondere Treugeberkommanditisten, die für die Abwicklung der Treuhandschaft an die Kdt gesonderte Entgelte zu zahlen hatten) lag bei ***3***.

Tatsächlich entfaltete Beratungsleistungen an die Geschäftsherren der atypisch Stillen auf den Gebieten des Managements und Controllings wurden von Herrn ***4*** erbracht, der in den Jahren 2009-2012 in keiner der bisher genannten Gesellschaften Geschäftsführer war (lediglich in einer anderen zur X-Gruppe gehörenden Gesellschaft). Auf dem Gebiet des Förderwesens handelte insbesondere ***2***. Diese Personen sind im Zusammenhang mit den besagten Leistungen nie im Namen der Bf aufgetreten, sondern höchstens unter der Firma der Komplementärin. Derartige Leistungen konnten mangels Auftretens und mangels Dokumentation sowie mangels Verträgen und Rechnungen mit dem bezughabenden Leistungsinhalt nicht der Bf zugerechnet werden.

2. Beweiswürdigung

Die Tätigkeit der Bf ergibt sich aus dem Gesellschafts- und Treuhandvertrag, dem Kapitalmarktprospekt und den Zeichnungsscheinen sowie aus den Zusammenschlussverträgen.

Dass keine weitere Tätigkeit entfaltet wird, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

a) Die von der Bf ins Treffen geführte Vertragsbestimmung zu den Managementleistungen lautet - abgesehen von unterschiedlichen Fälligkeitsvereinbarungen - bei allen Gesellschaften gleich: "Der Beteiligungsgeber erhält vom Beteiligungsnehmer eine Gebühr für die Verwaltung der Beteiligung (Jahresberichte, Treuhandschaft, etc.) in Höhe von 0, 16 % des zugeflossenen Kapitals pro Quartal bzw 0,64% des zugeflossenen Kapitals pro Jahr." Anm: N2 nur 0,6 %/Jahr. Vgl hierzu die Bestimmungen in den Zusammenschlussverträgen (N2 und N3 § 14, N4 § 13, N5 § 15) bzw in der Zusatzvereinbarung mit N1.
Jahresberichte der stillen Gesellschaft stellen keine im Leistungsaustausch mit anderen Unternehmen errichteten Werke oder verrichteten Tätigkeiten dar, sondern betreffen rein das Innenverhältnis der stillen Gesellschaft.
Treuhandschaft besteht zwischen der im Firmenbuch eingetragenen Kommanditistin der Bf und den dahinterstehenden Treugebern. Ein Leistungsaustausch der Bf mit den Geschäftsherrn der Stillen lässt sich daraus nicht ableiten.

b) Entgegen der langjährigen Behauptung der Bf bestehen keine Managementverträge, sondern lediglich einseitig erstellte Entwürfe, die von keinem der intendierten Vertragspartner unterzeichnet sind. Mit der Beschwerde wurde nur ein Vertragsmuster übermittelt, das weder die konkrete X-Gesellschaft noch die Vertragspartnerin bezeichnet. Die am 1.12.2023 vorgelegten Aktenvermerke sind nicht einmal datiert, es findet sich darin nur die vage Bemerkung, die Managementverträge seien [irgendwann] im Jahr 2012 im Nachhinein erstellt worden, um die erbrachten Leistungen zu verschriftlichen. Sie seien aber von der Geschäftsleitung der Vertragspartner nicht gegengezeichnet worden, weil es teilweise schwierig gewesen wäre, nachträglich von den im behaupteten Leistungszeitraum Zeichnungsberechtigten Unterschriften zu erlangen (vgl Z1, Seite 4 unten der NS vom 19.12.2023).
Die fehlende Gegenzeichnung hat ihre Ursache jedoch darin, dass die im Vertrag beschriebenen Leistungen gar nicht von der Bf erbracht worden sind. Obwohl die Bf bereits ab 20.10.2023 aufgrund der Ankündigung in der mündlichen Verhandlung damit rechnen konnte, dass sie die Unterlagen vorzulegen hat, und obwohl die Verfahrenshandlung, ein bestehendes Dokument binnen einer Woche ab Beschlusszustellung vorzulegen, äußerst einfach ist - vor allem, wenn man schon seit einem Beschluss aus dem Jahr 2021 weiß, dass die Unterlagen erforderlich sind -, hat die Bf für die Vorlage letztlich vier Wochen ab der neuerlichen Aufforderung gebraucht. Das lässt im Zusammenhang mit der fehlenden Datierung nur den Schluss zu, das behauptete Dokument hat nie existiert und wurde erst in letzter Minute erstellt, um eine tatsachenwidrige Behauptung überhaupt stützen zu können. Der Aktennotiz kommt somit keine Beweiskraft zu.

c) Laut den intendierten Managementverträgen ist die Bf verpflichtet, die Leistung der darin angeführten Tätigkeiten geeignet zu dokumentieren. Eine derartige Dokumentation hat nicht existiert. Für die erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19.12.2023 vorgelegte Tabelle mit rudimentären Aufzeichnungen bestehend aus Datum, Zielgesellschaft, Tätigkeit in Stichworten (zB "Besprechung mit GF") und Kurzbezeichnung der Art der Beratung ("Beratung Strategie", "Beratung Controlling", "Beratung Finanzierung", "Beratung Restrukturierung") gilt dasselbe, wie für die Aktennotiz aus Punkt b).

d) Es gibt lediglich Rechnungen mit der Leistungsbezeichnung "Fee" und dem Zeitraum, für den die Verrechnung erfolgt sowie die Bemessungsgrundlage (Höhe der Einlage).
Auch die Tatsache, dass je nach Einlagehöhe in die einzelne stille Gesellschaft die Gebühr von Gesellschaft zu Gesellschaft sehr unterschiedlich ausfällt (von rund 300 bis knapp 1.800 Euro pro Quartal) und immer gleich bleibt, spricht gegen konkrete Leistungen der Bf. Letztlich ergibt sich der Leistungsgegenstand der "Fee" aus den Zusammenschlussverträgen (siehe schon unter Punkt a) und beinhaltet keine Managementleistungen.

e) Die Zeugenaussagen der einvernommenen Geschäftsführer und Vorstände konnten das Vorbringen der Bf nicht stützen:

  1. 1. Zweck der KGs war immer nur die reine Beteiligungsverwaltung. Sämtliche operativen Tätigkeiten waren bei der Komplementärin, die Prospekte erstellt hat, Investitionsentscheidungen getroffen hat, Zielgesellschaften beraten hat. Die einzelnen KGs waren bloße Investitionsvehikel ohne eigene Infrastruktur und eigene Arbeitskräfte, die lediglich durch die gesetzliche Vertretungsverpflichtung der Komplementärin handeln konnten. Die reine Beteiligungsverwaltung wird auch dadurch deutlich, dass in den Zusammenschlussverträgen bloß eine Gebühr für die Beteiligungsverwaltung vorgesehen war.
  2. 2. Sämtliche nachher hineininterpretierten Tätigkeiten wurden nur als Folge der umsatzsteuerrechtlichen Würdigung der belangten Behörde den KGs zugedichtet. Das belegen die dezidierten Aussagen in der mündlichen Verhandlung, wonach die Managementverträge als Reaktion auf die Sichtweise der Abgabenbehörde verfasst worden waren (Z1, Seite 3 unten, Seite 4 unten der NS vom 19.12.2023). Diese Leistungen sind weder den Vertragswerken entnehmbar, noch werden Aufzeichnungen bei der Bf (oder anderen Gesellschaften des X-Komplexes) geführt, welche die Leistungen zuordenbar machten.
    Auch seitens der Geschäftsherren ist nicht erkennbar gewesen, für welche KG die handelnden Personen jeweils aufgetreten sind. Dies ergibt sich zB aus der Aussage des Z2, Seite 10 oben, und des Z3, Seite 12 oben der NS vom 19.12.2023. Es ist auch aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen abzuleiten, denn wenn die Mails der für die X handelnden Personen eine Signatur enthielten, dann lautete diese auf "X Kpl GmbH". Unter der Firma der Bf wurde im Rahmen der Erbringung von Zusatzleistungen nie nachweislich aufgetreten. Daher können der Bf die behaupteten Leistungen nicht zugerechnet werden.
  3. 3. Nur die Beteiligungsverwaltung war die einzige der Bf bzw jeder KG zuordenbare Leistung. Diese war auch gesellschaftsvertraglich in den Zusammenschlussverträgen (bzw bei N1 in einer Zusatzvereinbarung) geregelt und fand in der Leistungsbezeichnung der jeweiligen Rechnungen ihren Niederschlag. Wie aus den Zeugenaussagen hervorgeht (Z4, Seite 6 Mitte der NS vom 19.12.2023), war das Aufbereiten der Geschäftsberichte und das Weiterleiten steuerlicher Ergebnisse durch Herrn ***3***, der die Kommunikation zwischen Zielgesellschaften und Investoren innehatte, der einzige Tätigkeitsbereich, welcher der konkreten einzelnen KG zuordenbar war. Dies ergibt sich aber schon aufgrund der Verbindung mit der Anteilsverwaltung, in der diese Tätigkeit wesensnotwendig aufgehen muss und keine eigenständige Leistung außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses bilden kann.

f) Der Bf ist nicht zu folgen, wenn sie meint, im Falle der Beteiligung mehrerer X-KGs an derselben Zielgesellschaft, wo eine Tätigkeit nicht einer konkreten atypisch still Beteiligten zuordenbar ist, sei das Gesamtpaket entscheidend, und die Beratung werde von der Gesamtheit der stillen Gesellschafter erbracht. Wie bereits erwähnt, sind über die Beteiligungsverwaltung und die sich daraus ergebenden Berichtspflichten an die Gesellschafter hinausgehende Tätigkeiten weder vertraglich vereinbart, noch sind sie aus den gelegten Rechnungen ersichtlich, noch sind sie bei den einzelnen Gesellschaften dokumentiert.
Dies trifft zwar auch auf die Komplementär-GmbH zu, doch hat diese ein vitales Interesse am Erfolg der von ihr aufgelegten Publikumsgesellschaften und erbringt daher die Managementleistungen selbst. Ein anteilig mittelbares Handeln durch die substanzlosen Zwischengesellschaften erscheint nicht möglich. Zudem bedürfte es durch das Naheverhältnis zwischen Komplementärin und Kommanditgesellschaften zur abgabenrechtlichen Anerkennung dieser ungewöhnlichen Gestaltung einer außenwirksamen, klaren und eindeutigen im Vorhinein geschlossenen Vereinbarung, die der Angehörigenjudikatur des VwGH standhält. Die bloß nachträgliche Behauptung unter jahrelangem Vorenthalten jeglicher konkreter Aufzeichnungen dazu lässt das Vorbringen unglaubwürdig erscheinen.

g) Die meisten der behaupteten Managementleistungen wurden von Herrn ***4*** erbracht (vgl Aussage Z1 Seite 3 unten der NS vom 19.12.2023), nämlich interimsmäßige Geschäftsführung in diversen Zielgesellschaften, Recruiting von Führungskräften, Beratung des Managements (vgl Aussage Z5 Seite 7 der NS vom 19.12.2023). Dieser war weder Dienstnehmer der Bf (die kein Personal hatte) noch Geschäftsführer der Komplementärin, sondern für eine andere Gesellschaft im X-Komplex tätig. Derartige Leistungen konnten somit gar nicht von der Bf selbst erbracht werden.
Es bestehen auch keine Verträge darüber, dass die Bf diese Leistungen im Konzern zugekauft hätte. Der Gesellschaftsvertrag besagt lediglich, dass die Komplementärin "nur ihre Arbeitsleistung für die Geschäftsführung" zu erbringen hat (§ 3 Z 1 Gesellschaftsvertrag) und für die Haftungsübernahme und ihre Tätigkeit eine laufende Vergütung von 1.000 Euro monatlich zuzüglich USt erhält (§ 6 Z 1 Gesellschaftsvertrag).
Auch aus Rechnungen an die Bf geht ein Durchleiten von Beratungsleistungen nicht hervor. Vorgelegt wurden lediglich Rechnungen der X Kpl GmbH über eine "Strukturierungsfee Zusammenschluss", "Leistungsentgelt gemäß Kapitalmarktprospekt und Zusammenschluss zum 31.12.2009" sowie Geschäftsführervergütung und der Kdt Beteiligungsverwaltung und Treuhand GmbH über Treuhandfee, Übertragungsfee und Verwaltungshonorar. Dies alles steht jedoch bloß im Zusammenhang mit der bloßen Geschäftsführung, den Umgründungsvorgängen im ersten Jahr der Tätigkeit bzw den Treuhandschaften gegenüber den Beteiligten der Bf. Auch die geltend gemachten Vorsteuern gehen nicht über diese Rechnungsbeträge hinaus.


 

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung)

Dass die Bf entgegen ihrer ursprünglichen Behauptung im Rahmen der Vorhalte zur erstmaligen Veranlagung zur Umsatzsteuer 2009 nur eine deutlich geringere als ursprünglich angegebene bzw letztlich gar keine unternehmerische, zum Vorsteuerabzug berechtigende Tätigkeit entfaltet hat, ist erst im Rahmen des Vorhalteverfahrens 2014 für die belangte Behörde neu hervorgekommen. Da diese Tatsachen auch zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid führen mussten, war der Tatbestand des § 303 Abs 1 lit b BAO erfüllt. Die Wiederaufnahme erfolgte zurecht, zumal die Abänderungen nicht nur geringfügig waren.

Zum Vorsteuerabzug berechtigen Rechnungen, die an einen Unternehmer ausgestellt worden sind, wobei die Leistungen an sein Unternehmen ausgeführt worden sind (§ 12 Abs 1 UStG). Der Vorsteuerabzug ist u.a. ausgeschlossen, soweit eine Lieferung zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet bzw eine sonstige Leistung zur Ausführung steuerfreier Umsätze in Anspruch genommen wird (§ 12 Abs 3 Z 1, 2 UStG).

Der Umsatzsteuer unterliegen u.a. Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs 1 Z 1 UStG). Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs 1 UStG).

Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, schuldet diesen Betrag (§ 11 Abs 14 UStG).

Die Gründung einer Gesellschaft und der Beitritt zu einer Gesellschaft gegen Bareinlage stellt weder seitens der Gesellschaft, die Anteile ausgibt, noch seitens des Gesellschafters, der einen Anteil übernimmt, einen steuerbaren Vorgang dar (Windsteig in Melhardt/Tumpel (Hrsg), UStG³, § 1 Rz 172 f; Mayr/Ungericht, UStG4, § 1 Anm 11; EuGH 26.6.2003, C-442/01 , KapHag Renditefonds). Der Bloße Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen ist keine unternehmerische Tätigkeit (EuGH 6.2.1997, 80/95 , Harnas&Helm CV; 14.11.2000, C-142/99 , Floridienne und Berginvest SA).

Der Gesellschafter einer Personenvereinigung ist als solcher nicht Unternehmer im Sinne des § 2 Abs 1 UStG. Ein solcher Gesellschafter kann aber durch die Erbringung von Leistungen an die Gesellschaft Unternehmerstellung erlangen, wenn diese im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt erfolgt (vgl. VwGH 13.9.2018, Ra 2016/15/0036; 29.6.2016, 2013/15/0308, und 28.11.2002, 2000/13/0097, sowie EuGH 27.1.2000, C-23/98 , Heerma, Rz 17 ff).

Eine unternehmerische Tätigkeit wird dann entfaltet, wenn eine Holding in die Verwaltung von Unternehmen eingreift, indem sie administrative, kaufmännische und technische Dienstleistungen erbringt (EuGH 20.6.1991, C-60/90 , Polysar Investments Netherlands BV; 27.9.2001, C-16/00 , Cibo Participations SA).

Kein Leistungsaustausch, sondern eine nicht steuerbare Leistungsvereinigung liegt hingegen vor, wenn der Gesellschafter seine Leistung als Gesellschafterbeitrag erbringt und hierfür eine Abgeltung bloß durch Beteiligung am laufenden Gesellschaftserfolg erhält (vgl. VwGH 13.9.2018, Ra 2016/15/0036; Ruppe/Achatz, UStG5, § 1 Tz 106).

Eine reine Holdinggesellschaft (Personen- oder Kapitalgesellschaft), deren Tätigkeit sich auf das Halten von Beteiligungen an anderen Gesellschaften beschränkt, ohne administrative, finanzielle oder sonstige Dienstleistungen an ihre Tochtergesellschaften oder stille Gesellschaften gegen Entgelt zu erbringen, ist nicht unternehmerisch tätig (Windsteig in Melhardt/Tumpel (Hrsg), UStG3 (2021), § 2 Rz 184).

Dem Gesellschafter kann auch nicht die Unternehmereigenschaft der Gesellschaft zugerechnet werden (vgl. VwGH 13.9.2018, Ra 2016/15/0036; EuGH 13.3.2014, C- 204/13, Malburg, Rn 47, und Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 Tz 85; Kollmann/Schuchter in Melhardt/Tumpel, UStG2, § 12 Rz 137; Mayr in Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur MwSt, 41. Lfg, § 12 Tz 200 f).

Zusammengefasst kommt der Bf aufgrund ihres bloßen Haltens von Anteilen keine Unternehmereigenschaft zu. Aus dem Vorliegen gewerblicher Einkünfte lässt sich diesbezüglich nichts gewinnen, weil sich diese rein aus dem Durchgriffsprinzip bei ertragsteuerlichen Mitunternehmerschaften ergeben, die sie als atypisch stille Gesellschafterin eingegangen ist. Das umsatzsteuerliche Trennungsprinzip verhindert aber ein Abfärben der Unternehmereigenschaft des Geschäftsherrn der atypisch Stillen auf den stillen Gesellschafter.

Die Bf hat hohe Vorsteuerbeträge geltend gemacht, die sich daraus ergeben haben, dass Leistungen der Komplementärin und der Treuhandkommanditistin im Zusammenhang mit der Modellentwicklung der Publikums-KG im Gründungsjahr der Bf dieser in Rechnung gestellt worden sind. Diese Leistungen wurden aber von der Bf augenscheinlich nicht an die stillen Gesellschaften weiterverrechnet, denn in den Jahren 2009-2014 stehen Eingangsrechnungen im Ausmaß von gut 1,16 Mio Euro bloß Ausgangsrechnungen von 111.160 Euro, somit nicht einmal 10 %, gegenüber. Eine Holding ist nicht unternehmerisch tätig, wenn sie die im Interesse des Konzerns zugekauften Leistungen den Töchtern nicht weiterverrechnet, und infolgedessen ist sie auch nicht zum Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen berechtigt. Auch an den Anteilshaber zufließende Dividenden erhalten keinen Entgeltcharakter (vgl EuGH 21.1.2017, C-28/16 , MVM; Windsteig in Melhardt/Tumpel (Hrsg), UStG3 (2021), § 2 Rz 184).

Laut Zusammenschlussverträgen erhebt die Bf von den Geschäftsherren der atypisch stillen Beteiligungen eine "Gebühr für die Verwaltung der Beteiligung (Jahresberichte, Treuhandschaft, etc)." Tatsächlich basierten die von der Bf gelegten Rechnungen, deren zugrundeliegende Leistungen mit "Fee [Zeitraum] 0,16 % der Einlage" umschrieben sind, eben in der rein im Gesellschaftsverhältnis gelegenen nichtunternehmerischen bloßen Beteiligungsverwaltung. Es handelt sich um keine Tätigkeit gegenüber dem Rechnungsempfänger, die gegen Entgelt verrichtet wird, sondern um eine bloße Haltegebühr, denn die bezeichneten Aufgaben (Jahresberichte, Treuhandschaft) ergeben sich aus dem Gesellschaftsverhältnis selbst bzw im Verhältnis der Bf zu ihren Anteilseignern und nicht aufgrund einer Leistungsbeziehung zum jeweiligen Rechnungsempfänger.

Gemäß § 11 Abs 1 Z 3 lit c UStG müssen Rechnungen Angaben über die Art und den Umfang der sonstigen Leistung enthalten. Die behaupteten Managementleistungen können dem obigen Text nicht entnommen werden, auch nicht im Zusammenhang mit den Vertragsunterlagen, auf denen diese Rechnungen beruhen.

Die vorgegebenen eigenen unternehmerischen Leistungen wurden offenbar nur zum Schein in Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis umgelegt, um den Anschein zu erwecken, als Unternehmer mit steuerpflichtigen Umsätzen zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein und so die hohen Vorsteuerbeträge vor allem des Jahres 2009 tatsachenwidrig geltend machen zu können.

Mangels Unternehmereigenschaft war die Bf nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Sie war aber auch nicht berechtigt, Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen. Die Bf hat dennoch Rechnungen gelegt und darin Umsatzsteuer ausgewiesen. Diese Umsatzsteuer schuldet sie gemäß § 11 Abs 14 UStG.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Ob die Bf Unternehmerin ist, stellt eine Sachverhaltsfrage dar, die auf Ebene der Beweiswürdigung zu lösen ist. Soweit Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, bewegt sich das Erkenntnis im Rahmen der vorliegenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung.


 

Wien, am 13. Februar 2024

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 11 Abs. 14 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994

Stichworte