BFG RV/7103145/2022

BFGRV/7103145/202220.11.2023

Progressionsvorbehalt bei Doppelbesteuerungsabkommen mit Bundesrepublik Deutschland keine Anrechnung ausländischer Einkommensteuer möglich

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103145.2022

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR. der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 14. September 2022 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 8. September 2022 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom 08. September 2022 wurde das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2018 wiederaufgenommen. Mit gleichem Datum wurde ein neuer Sachbescheid erlassen und begründend ausgeführt, dass die österreichische Finanzverwaltung aufgrund einer internationalen Kontrollmitteilung die Information erhalten habe, dass die Bf. ausländische Einkünfte bezogen habe. Diese würden in Österreich zur Progression herangezogen werden.

Die Bf. erhob unter Verwendung von FinanzOnline am 14. September 2022 Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerverananlagung) und machte unter der KZ 493 unter Progressionsvorbehalt steuerbefreite Auslandseinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von € 8.446,85 geltend. Als Beilagen übermittelte die Bf. einen Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2018 der Fa. A. GmbH in B. für den Zeitraum 01.01.-31.03. 2018 und eine Anmeldebestätigung der Landeshauptstadt C. mit dem Anmeldedatum 23.05.2016.

Im Zuge eines von der belangten Behörde durchgeführten Mängelbehebungsverfahrens ergänzte die Bf. innerhalb der gesetzten Frist ihre Beschwerde unter anderem wie folgt:

"…eine Begründung: daher ich die ersten drei Monate im Jahr 2018 in Deutschland gelebt, gearbeitet und dort auch Steuern bezahlt habe. Es scheint so als wurde die Deutsche Steuer nicht beim Steuerausgleich berücksichtigt. Erst mit 01. April 2018 habe ich wieder in Österreich gelebt und gearbeitet."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.Oktober 2022 wurde die Beschwerde vom 14. September 2022 gegen den Bescheid vom 08. September 2022 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt:

"Im Jahr 2018 haben Sie einen Lohnzettel von der deutschen Firma A. GmbH für die Monaten Jänner bis März (8.446,85 €). Laut ZMR Abfrage vom 04.10.2022 haben Sie einen durchgehenden Hauptwohnsitz in Adr.2.

Gemäß Artikel 4 des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich - Deutschland begründen Sie damit in Österreich eine Ansässigkeit. Gemäß Artikel 15 werden Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit in jenem Staat besteuert, in welchem diese ausgeübt werden. Artikel 23 regelt die Vermeidung der Doppelbesteuerung.

Sie sind durch Ihren durchgehenden Hauptwohnsitz in Österreich auch unbeschränkt steuerpflichtig in Österreich. Die Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit dürfen gem. DBA in Deutschland der Besteuerung unterworfen werden, allerdings darf Österreich die Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit in Deutschland unter Progressionsvorbehalt stellen. Der Progressionsvorbehalt bedeutet in Ihrem Fall, dass die Einkünfte aus Deutschland herangezogen werden dürfen um Ihren Steuersatz in Österreich zu berechnen, dies ist im Bescheid vom 08.09.2022 so geschehen (Ausländische Einkünfte 8.446,85 €). Die Anrechnung einer im Ausland entrichteten Steuer ist im DBA mit Deutschland nicht vorgesehen."

Den mittels FinanzOnline eingebrachten Vorlageantrag gem. § 264 Abs. 1 BAO vom 13.10.2022 begründete die Bf. damit, dass sie in Deutschland gemeldet und erst seit August 2018 in Adr.2 in Österreich gemeldet gewesen sei. Den Meldezettel legte die Bf. bei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Bf. war in Österreich wie folgt gemeldet (lt. ZMR- Abfrage):

Vom 12.11.1999 - 03.10.2016 mit Hauptwohnsitz in Adr.1

Vom 03.10.2016 - 06.04.2018 mit Nebenwohnsitz in Adr.1

Vom 06.04.2018 - 24.08.2018 mit Hauptwohnsitz in Adr.1

Vom 24.08.2018 bis auf weiteres mit Hauptwohnsitz in Adr.2

Bei der Adresse Adr.1 handelt es sich nach Auskunft der Bf. um den Wohnsitz der Eltern der Bf.(s. AV vom 17. Oktober 2023).

Die Bf. war seit 23.05.2016 in C. gemeldet.

Laut einem Lohnzettel von der deutschen Firma A. GmbH bezog die Bf. in den Monaten Jänner bis März 2018 nichtselbständige Einkünfte (brutto) in Höhe von € 8.446,85.

Im Zeitraum 16.04.2018 bis 31.12.2018 bezog die Bf. inländische Einkünfte von der Fa. D. GmbH.

Im streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 hat das Finanzamt die deutschen Einkünfte im Hinblick auf das DBA unter Progressionsvorbehalt gestellt.

Dagegen wendet sich die Bf. mit der Begründung, dass sie die ersten drei Monate im Jahr 2018 in Deutschland gelebt, gearbeitet und dort auch Steuern gezahlt habe. Es scheine so, dass die deutsche Steuer nicht beim Steuerausgleich berücksichtigt worden sei.

2. Beweiswürdigung

Dieser festgestellte Sachverhalt gründet sich auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes und dem nicht in Frage gestellten Parteivorbringen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Einkommensteuer 2018

Vorweg ist festzuhalten, dass die Bf. die Höhe der deutschen Bezüge für die Monate Jänner bis März 2018 nicht bestritten hat.

Nach der innerstaatlichen Bestimmung des § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig jene Personen, die im Inland entweder einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Die unbeschränkte Steuerpflicht erfasst "alle inländischen und ausländischen Einkünfte" (Welteinkommensprinzip; s Jakom, EStG 2023, § 1 Tz 16).

Dass die Bf. erst seit August 2018 in Österreich gemeldet gewesen sei - wie im Vorlageantrag behauptet- trifft nicht zu, da sie seit 03.10.2016 bis 06.04.2018 mit Nebenwohnsitz und seit 06.04.2018 mit Hauptwohnsitz in E. weiter gemeldet war, was einen inländischen Wohnsitz und unbeschränkte Steuerpflicht indiziert.

Der Feststellung der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung, dass die Bf. im Jahr 2018 in Österreich iSd Artikel 4 des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich- Deutschland in Österreich ansässig war, tritt die Bf. nicht entgegen.

Artikel 15 (1) DBA "Unselbständige Arbeit" lautet:

"Vorbehaltlich der Artikel 16 bis 20 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden."

Artikel 23 Abs. 2 lit.a DBA-Österreich-Deutschland lautet:

"(2) Bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt:

a) Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich vorbehaltlich der Buchstaben b und c diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus."

Nach der hier anzuwendenden Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt werden Einkünfte, die bei unbeschränkt Steuerpflichtigen (mit Wohnsitz in Österreich) zwar nach dem Welteinkommensprinzip, nicht aber nach dem DBA in Österreich besteuert werden dürfen, von der inländischen Einkommensteuer freigestellt. Allerdings dürfen die ausländischen Einkünfte zur Berechnung der individuellen Einkommensteuerprogression mitberücksichtigt werden, sodass die steuerpflichtigen Einkünfte relativ mit einem höheren Steuersatz belegt werden (Progressions­vorbehalt, EStR 7588 ff; vgl VwGH 10.5.21, Ra 2020/15/0111; BFG 4.5.22, RV/6100191/2022).

Vor diesem Hintergrund war es nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde die deutschen Bezüge bei der Abgabenfestsetzung insoweit berücksichtigt hat, als sie den sich aus der Einbeziehung dieser Bezüge ergebenden höheren Steuersatz auf das übrige Einkommen der Bf. (Bezüge von der Fa. D. GmbH) angewendet hat.

Wenn die Bf. in der Beschwerde vorbringt, dass sie in Deutschland Steuern gezahlt habe und es so scheine, dass die deutsche Steuer nicht beim Steuerausgleich berücksichtigt worden sei, dann ist dem entgegenzuhalten, dass eine Anrechnung der ausländischen Einkommensteuer im Rahmen der Anwendung der Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt nicht möglich ist.

Die belangte Behörde hat nicht die deutschen Bezüge besteuert, vielmehr hat sie nur die inländischen Bezüge mit einem (dem Gesamteinkommen entsprechenden) höheren Steuersatz besteuert, was dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland unter Anwendung der Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt entspricht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dass eine Anrechnung der ausländischen Einkommensteuer im Rahmen der Anwendung der Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt nicht möglich ist, ergab sich aus der im Erkenntnis zitierten Bestimmung, weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorlag und die Revision nicht zulässig ist.

Wien, am 20. November 2023

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

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