BFG RV/7103095/2019

BFGRV/7103095/20195.9.2019

Aufhebung des angefochtenen Bescheides, welcher die Zurückweisung eines Antrags auf Forschungsprämie aussprach und entgegen § 108c Abs. 4 EStG 1988 iVm § 201 BAO iVm § 198 BAO kein Abgabenbescheid war

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103095.2019

 

Beachte:
Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2019/13/0108. Mit Erk. v. 11.12.2019 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch X, über die Beschwerde vom 29. März 2019 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Y vom 7. März 2019, St.Nr. Z, betreffend Zurückweisung des Antrags zur Geltendmachung einer Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 für 2017, zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig. 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist eine GmbH, deren Betriebsgegenstand die Herstellung von C und CWaren darstellt und die (auch) Forschung betreibt.

Am 10. Oktober 2018 wurde die Körperschaftsteuererklärung der Bf. für 2017 beim Finanzamt elektronisch eingebracht; nach den Angaben der Abgabenbehörde wurde das zur Auswahl stehende Ankreuzkästchen hinsichtlich der Geltendmachung der Forschungsprämie nicht ausgewählt. Der Bezug habende Körperschaftsteuerbescheid für 2017 wurde am 6. Dezember 2018 erlassen und in die Finanz-Online-Databox zugestellt. Die Rechtskraft dieses unangefochten gebliebenen Körperschaftsteuerbescheides trat am 7. Jänner 2019 ein (der 6. Jänner 2019 war ein Sonntag).

Am 20. Dezember 2018 wurde seitens der Bf. das als Voraussetzung für die Gewährung einer Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung erforderliche Gutachten (§ 108c Abs. 2 Z 1 iVm § 108c Abs. 7 und 8 EStG 1988) bei der Forschungsförderungsgesellschaft mbH (im Folgenden kurz: FFG) mittels FinanzOnline angefordert. Dieses Gutachten wurde am 22. Februar 2019 erstellt und der Bf. sowie dem Finanzamt elektronisch übermittelt.

Am 25. Februar 2019 wurde das Formular E 108c zur Geltendmachung der oa. Forschungsprämie für 2017 von der Bf. unterfertigt und am selben Tag beim Finanzamt eingereicht.

Mit Bescheid vom 7. März 2019 wies die belangte Behörde den Antrag zur Geltendmachung der oa. Forschungsprämie für 2017 als verspätet zurück, da er erst nach Eintritt der Rechtskraft des Körperschaftsteuerbescheides für 2017 gestellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die steuerliche Vertreterin der Bf. am 29. März 2019 Beschwerde, in der im Wesentlichen eingewendet wurde, dass nach EStR 2000 Rz 8208a keine Bedenken bestünden, eine Prämie trotz verspäteter Geltendmachung zu berücksichtigen, wenn für das Finanzamt unzweifelhaft erkennbar sei, dass die Prämie rechtzeitig beantragt werden sollte.

Im vorliegenden Fall habe die Bf. innerhalb der offenen Beschwerdefrist am 20. Dezember 2018, dh. vor Rechtskraft des Körperschaftsteuerbescheides für 2017, unter Angabe der Steuernummer über FinanzOnline das Forschungsgutachten beantragt. Gemäß § 11 Abs. 1 ForschungsprämienVO, BGBl. II Nr. 515/2012, sei das FFG bezüglich der Erstellung des Gutachtens Dienstleister iSd § 4 Z 5 Datenschutzgesetz 2000 für das zuständige Finanzamt. Das FFG werde durch § 11 Abs. 2 ForschungsprämienVO zum Treuhänder des Finanzamtes eingesetzt. Da bei der Treuhandschaft die Handlungen dem Treugeber zugerechnet würden, werde die Bestätigung über den Eingang des Antrages auf das Forschungsgutachten dem Finanzamt zugerechnet.

Die Anforderung des Gutachtens zur Forschungsprämie sei im Wege von FinanzOnline und somit im Machtbereich des Finanzamtes vor Rechtskraft des Körperschaftsteuerbescheides für 2017 erfolgt. Zusätzlich habe die Abgabenbehörde durch die ihr zurechenbare Bestätigung des Treuhänders erfahren, dass die Anforderung des Gutachtens innerhalb offener Beschwerdefrist erfolgt sei.

Somit sei für das Finanzamt unzweifelhaft erkennbar gewesen, dass eine Prämie beantragt werden sollte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 23. April 2019 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, wobei es im Wesentlichen ausführte, dass, wie dem Gesetz zu entnehmen sei, die FFG als Sachverständiger zur Erstellung von Gutachten diene. Die FFG vermöge - in Ermangelung eines entsprechenden gesetzlichen Auftrages - weder über die Antragslegitimation, die Rechtzeitigkeit der Einreichung eines Antrages noch über die Höhe der Bemessungsgrundlage hinsichtlich der Gewährung einer Forschungsprämie iSd § 108c EStG 1988 abzusprechen. Aufgrund des gesetzlichen Auftrages obliege die Gewährung einer Forschungsprämie gem. § 108c EStG 1988 ausschließlich der Finanzbehörde. Die Stellung eines Gutachtensantrages bei der FFG werde dem Finanzamt nicht automatisch zugerechnet.

Die Treuhandschaft, auf die der steuerliche Vertreter hinweise, beziehe sich lediglich auf die treuhändige Führung einer Datenanwendung, in der die für die Erstellung eines Gutachtens erforderlichen personenbezogenen Daten erfasst würden. Die bei der FFG online angeforderte Begutachtung könne daher die gesetzlich verankerte Antragspflicht bei der Finanzbehörde nicht ersetzen.

Zur Geltendmachung der Prämie müsse stets ein entsprechender Antrag beim Finanzamt bis zum Eintritt der Rechtskraft des jeweiligen Abgaben- oder Feststellungsbescheides eingereicht werden. Die (bloße) Anforderung des Gutachtens bei der FFG reiche zur Geltendmachung nicht aus. Ein Antrag auf Ausstellung eines FFG-Gutachtens sei für das Finanzamt in FinanzOnline nicht erkennbar. Durch das bloße Beantragen eines Gutachtens bei der FFG sei für das Finanzamt nicht in unzweifelhafter Weise erkennbar, dass der Unternehmer eine Forschungsprämie beantragen wolle (er könne zB auch ein negatives Gutachten akzeptieren und keine Prämie beantragen).

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung brachte die steuerliche Vertreterin am 16. Mai 2019 einen Vorlageantrag ein.

Am 3. Juni 2019 wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Im Bezug habenden Vorlagebericht führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass das Bezug habende Formular E 108c am 25. Februar 2019 - sohin erst nach Eintritt der Rechtskraft des Körperschaftsteuerbescheides für 2017 - beim Finanzamt eingereicht worden sei. Die Voraussetzung für die Gewährung der streitgegenständlichen Forschungsprämie für 2017 sei folglich nicht gegeben gewesen, weshalb beantragt werde, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. März 2019 hat die belangte Behörde den Antrag auf Geltendmachung einer Forschungsprämie für 2017 zurückgewiesen.

§ 108c Abs. 1 bis 4 EStG 1988 in der für den Streitzeitaum maßgebenden Fassung lauten:

„§ 108c. (1) Steuerpflichtige, soweit sie nicht Mitunternehmer sind, und Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, können eine Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und eine Forschungsprämie für Auftragsforschung in Höhe von jeweils 12% der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (-ausgaben) geltend machen. Die Prämien stellen keine Betriebseinnahmen dar; § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 sind auf sie nicht anwendbar.

(2) Prämienbegünstigt sind:

1. Eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung […]

2. Auftragsforschung […]

(3) Die Prämien können erst nach Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres geltend gemacht werden, spätestens jedoch bis zum Eintritt der Rechtskraft des betreffenden Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheides (§ 188 der Bundesabgabenordnung).

(4) Die Prämien sind auf dem Abgabenkonto gut zu schreiben, es sei denn, es ist ein Bescheid gemäß § 201 BAO zu erlassen. Die Gutschrift wirkt auf den Tag der Antragstellung zurück. Sowohl die Prämien als auch Rückforderungsansprüche gelten als Abgabe vom Einkommen im Sinne der Bundesabgabenordnung. Auf Gutschriften und Rückforderungen sind jene Bestimmungen der Bundesabgabenordnung anzuwenden, die für wiederkehrend zu erhebende, selbst zu berechnende Abgaben gelten. Bei Gesellschaften, die nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähige Personenvereinigungen sind, hat die zusammengefasste Verbuchung der Gebarung mit jenen Abgaben zu erfolgen, die die Beteiligten gemeinsam schulden.“

§ 201 BAO weist folgenden Wortlaut auf:

„§ 201. (1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

(2) Die Festsetzung kann erfolgen,

1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,

2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,

3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,

(Anm.: Z 4 aufgehoben)

5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.

(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,

1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,

(Anm.: Z 2 aufgehoben)

3. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.

(4) […]“

§ 198 BAO lautet:

„§ 198. (1) Soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes vorgeschrieben ist, hat die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen.

(2) Abgabenbescheide haben im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Führen Abgabenbescheide zu keiner Nachforderung, so ist eine Angabe über die Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeiten entbehrlich. Ist die Fälligkeit einer Abgabenschuldigkeit bereits vor deren Festsetzung eingetreten, so erübrigt sich, wenn auf diesen Umstand hingewiesen wird, eine nähere Angabe über den Zeitpunkt der Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeit.“

Aus den zitierten Gesetzesstellen geht hervor:

- Wenn ein Bescheid über eine Prämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung bzw. über eine Prämie für Auftragsforschung zu erlassen ist, dann hat dies ein Abgabenbescheid zu sein (§ 108c Abs. 4 1. Satz EStG 1988; BFG 9.1.2018, RV/7100775/2016).

- Der angefochtene, den streitgegenständlichen Prämienantrag zurückweisende Bescheid vom 7. März 2019 ist kein Abgabenbescheid.

Der angefochtene Bescheid vom 7. März 2019 hätte daher nicht mit diesem Spruch ergehen dürfen. Richtigerweise ist nämlich bei Nichtgewährung einer Forschungsprämie ein Bescheid nach § 201 BAO (Festsetzung mit 0,00 €) zu erlassen (vgl. Seydl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG, § 108c Anm. 34).

Da aber ein Bescheid zur Zurückweisung eines Antrages auf eine Prämie, welche als Abgabe gilt (§ 108 c Abs. 4 3. Satz EStG 1988), vom Verwaltungsgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO innerhalb der „Sache“ nicht in einen Abgabenbescheid gemäß § 201 BAO abgeändert werden darf (siehe BFG 9.1.2018, RV/7100775/2016, und VwGH 26.1.2006, 2004/15/0064, zum Abweisungsbescheid: „ Hinsichtlich des Zeitraumes Jänner 2001 hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid eine Abgabenvorschreibung vorgenommen. Sie hat dabei übersehen, dass der - mit Berufung angefochtene - Bescheid des Finanzamtes kein Abgabenbescheid ist, sondern ein Bescheid, mit dem ein Antrag auf Festsetzung von Abgaben abgewiesen worden ist. Als Abgabenbehörde zweiter Instanz (§ 260 BAO) kommt der belangten Behörde eine Zuständigkeit zur erstmaligen Festsetzung von Abgaben nicht zu“), war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Lösung der hier gegenständlichen Rechtsfrage, ob ein Bescheid zur Zurückweisung eines Antrages auf eine Prämie, welche als Abgabe gilt, innerhalb der „Sache“ gemäß § 279 Abs. 1 BAO in einen Abgabenbescheid gemäß § 201 BAO abgeändert werden darf, im Einklang mit VwGH 26.1.2006, 2004/15/0064 (zum Abweisungsbescheid), erfolgt, ist die ordentliche Revision im vorliegenden Fall nicht zulässig.

 

 

Wien, am 5. September 2019

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 108c Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 198 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Verweise:

BFG 09.01.2018, RV/7100775/2016
VwGH 26.01.2006, 2004/15/0064
Seydl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG, § 108c Anm. 34

Stichworte