Strittig ist, ob die motorbezogene Versicherungssteuer zurückgezahlt werden kann, wenn die Abgabenerklärung dem Versicherer nicht überreicht werden konnte, weil der neue Behindertenpass bei einer anderen Behörde in Bearbeitung war?
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100694.2018
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.DDr. Hedwig Bavenek-Weber in der Beschwerdesache der ****Bf.+ADRESSE**** über die Beschwerde vom 29.11.2017 gegen den Bescheid vom 22. November 2017 des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, ErfNr. ****x1****, betreffend Abweisung des Antrages auf Rückerstattung der motorbezogenen Versicherungssteuer gemäß § 6 Abs. 3 Z 7 VersStG zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist, ob die motorbezogene Versicherungssteuer zurückgezahlt werden kann, wenn die Abgabenerklärung dem Versicherer nicht überreicht werden konnte, weil der neue Behindertenpass bei einer anderen Behörde in Bearbeitung war?
1. Verfahrensverlauf
****NAME**** , die Beschwerdeführerin (Bf.) brachte am 11. Oktober 2017 einen Antrag auf Rückerstattung der motorbezogenen Versicherungssteuer beim Finanzamt ein. Als Begründung des Antrages gab die Bf. an, sie habe einen Behindertenpass mit dem Eintrag Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel am 4. Oktober 2017 zugestellt bekommen. Das Gültigkeitsdatum für diesen Ausweis sei jedoch der 17. Februar 2016 gewesen, der Verwaltungsgerichtshof habe ihrer Beschwerde Recht gegeben. Deshalb ersuche sie um Rückerstattung der zuviel bezahlten motorbezogenen Versicherungssteuer. Diesem Antrag wurden jeweils in Kopie beigelegt: der Behindertenpass, worauf das Ausstellungsdatum 3. Oktober 2017 und der Vermerk „gültig ab 17.02.2016“ ersichtlich sind; sowie eine Bestätigung der Versicherung, dass für den Zeitraum 1.1.2016 bis 1.10.2017 motorbezogene Versicherungssteuer in Höhe von 995,96 Euro bezahlt worden sei und eine Kopie des Formulars „Abgabenerklärung (Antrag) für körperbehinderte Personen“ (KR 21), gerichtet an die Versicherung, aus welchem kein Eingangsdatum bei der Versicherung hervorgeht; weiters Erläuterungen des Sozialministeriums über die Piktogramme im Behindertenpass und die Zulassungsbescheinigung.
Die Anfragen des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel bei der Versicherung (E-Mail der Versicherung vom 21. November 2017) ergaben, dass die Befreiung von der motorbezogenen Versicherungssteuer aufgrund eines Ausweises der Bezirkshauptmannschaft ********* vom 12. Jänner 1993 gemäß § 29b StVO für den Zeitraum 12. März 2007 bis 31.Dezember 2015 gewährt worden war. Dieser Ausweis gemäß § 29b StVO verlor jedoch mit Ablauf des 31. Dezember 2015 seine Gültigkeit, da er vor dem 1. Jänner 2001 ausgestellt worden war. Daher wurde ab 1.Jänner 2016 die motorbezogene Versicherungssteuer wieder verrechnet. Die Originalabgabenerklärung Kr 21 mit einer Kopie des Behindertenpasses, ausgestellt vom Sozialministeriumsservice am 3. Oktober 2017 mit dem Vermerk „gültig ab 17.02.2016“, langte bei der Versicherung am 10. Oktober 2017 ein. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Steuerbefreiung wieder berücksichtigt.
Das Finanzamt wies mit Bescheid vom 22. November 2017 den Antrag der Bf. ab.
Fristgerecht erhob die Bf. dagegen Beschwe rde. Die Voraussetzung für das Ausfüllen des Formulars KR 21 vom 1.1.2016 bis zum 1.10.2017 seien nicht gegeben gewesen, da die alten Ausweise § 29b StVO, die vor dem 1.1.2001 ausgestellt worden waren, per 31.12.2015 sang und klanglos außer Kraft gestellt wurden, ohne die jeweiligen Ausweisinhaber zu verständigen, obwohl der BH ********* Name und Adresse der Bf. bekannt gewesen seien. Die neue Behörde habe für die Ausstellung des neuen Behindertenpasses mit dem Eintrag Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel vom Antrag am 16.2.2016 an bis zur Erledigung 20 Monate gebraucht. Die Gültigkeit des neuen Behindertenpasses sei ab dem 17.2.2016 von der Behörde festgestellt worden. Da die Vorlage für den Zeitraum vom 1.1.2016 bis 1.10.2017 von Seiten der Bf. nicht möglich gewesen sei und die Gültigkeit aber rückwirkend festgestellt wurde, sei die Vorlage als zeitgerecht zu betrachten, dies sei von der Bf. auf dem KR 21 vermerkt.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 27. Dezember 2017 unter Verweis auf VwGH 15.11.2012, 2012/17/0449 als unbegründet ab. Unbestritten sei, dass für den beantragten Zeitraum kein KR 21 vorliege. Ob die anderen vom Gesetz aufgestellten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, ist dabei nicht von Belang, müssen doch hinsichtlich des Eintrittes der Befreiung von der Versicherungssteuer alle im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllt sein.
Dagegen stellte die Bf. den Vorlageantrag.
2. Gesetzesmaterialien
Gemäß § 1 Abs. 1 VersStG 1953, idF BGBl. I Nr. 52/2009, unterliegt der Steuer die Zahlung des Versicherungsentgeltes auf Grund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses.
Gemäß § 4 Abs. 3 VersStG 1953, in der zum fraglichen Zeitraum geltenden Fassung, sind von der Steuer gemäß § 6 Abs. 3 VersStG ausgenommen:
" ........
Z 9: Kraftfahrzeuge, die für Körperbehinderte zugelassen sind und von diesen infolge körperlicher Schädigung zur persönlichen Fortbewegung verwendet werden müssen, unter folgenden Voraussetzungen:
a) Überreichung einer Abgabenerklärung an das Finanzamt im Wege des Versicherers. Bei Erfüllung aller Voraussetzungen entsteht der Anspruch auf Steuerfreiheit mit der Überreichung der Abgabenerklärung; wird der Nachweis der Körperbehinderung erst nachträglich beigebracht, ist die Berechnung der motorbezogenen Versicherungssteuer auf den Zeitpunkt der Überreichung der Abgabenerklärung zu berichtigen
b) Nachweis der Körperbehinderung durch
- einen Ausweis gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung 1960 oder
- einen Eintrag der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Behindertenpass gemäß § 42 Abs. 1 des Bundesbehindertengesetzes 1990.
c) vorwiegende Verwendung des Kraftfahrzeuges zur persönlichen Fortbewegung des Körperbehinderten und für Fahrten, die Zwecken des Körperbehinderten und seiner Haushaltsführung dienen;
d) die Steuerbefreiung steht – von zeitlichen Überschneidungen bis zu einer Dauer von einem Monat abgesehen – nur für ein Kraftfahrzeug zu. Unter einem Wechselkennzeichen zum Verkehr zugelassene Kraftfahrzeuge werden von der Steuerbefreiung miterfasst;
.......... "
Gemäß § 6 Abs. 3 Z 7 VersStG hat der Versicherer „unrichtige Berechnungen der motorbezogenen Versicherungssteuer zu berichtigen. Berichtigungen können nur für das laufende und die zwei vorangegangenen Kalenderjahre erfolgen. Nachforderungen auf Grund von Berichtigungen sind vom Versicherungsnehmer ab Aufforderung zu entrichten. Die §§ 38 und 39 Versicherungsvertragsgesetz, BGBl. Nr. 2/1959, in der jeweils geltenden Fassung, gelten entsprechend. Lehnt der Versicherer eine vom Versicherungsnehmer verlangte Berichtigung ab, hat er dem Versicherungsnehmer eine Bescheinigung über die von ihm entrichtete motorbezogene Versicherungssteuer auszustellen. Der Versicherungsnehmer kann vom Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel die Rückzahlung einer zu Unrecht entrichteten motorbezogenen Versicherungssteuer beantragen. Anträge können bis zum Ablauf des zweiten Jahres gestellt werden, in welchem das Verlangen auf Richtigstellung schriftlich gestellt wurde.“
3. Erwägungen
Hinsichtlich des Eintrittes der Befreiung von der Versicherungssteuer müssen alle im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllt sein (VwGH 15.11.2012, 2012/17/0449).
Nach dem Wortlaut des Gesetzes steht die Steuerfreiheit ab Überreichung der Abgabenerklärung zu (..."entsteht der Anspruch auf Steuerfreiheit mit der Überreichung der Abgabenerklärung"). Eine rückwirkende Berücksichtigung der Befreiung sieht das Gesetz für den Fall vor, dass der Nachweis der Körperbehinderung nachträglich beigebracht wird; aber auch in diesem Fall kann eine Berichtigung der Steuerberechnung (lediglich) auf den Zeitpunkt der Überreichung der Abgabenerklärung - und nicht auf einen allenfalls davor liegenden Zeitpunkt - durchgeführt werden (z.B. UFS 24.08.2010, RV/1459-W/10; UFS 31.08.2012, RV/0848-W/12).
Die Bestimmung des § 6 Abs. 3 Z. 7 VersStG bietet die Möglichkeit, eine allfällige unrichtige Steuerberechnung zu berichtigen. Für vor Überreichung der entsprechenden Abgabenerklärung entrichtete Beträge bestand noch keine Steuerfreiheit und erfolgte somit auch keine unrichtige Berechnung der Versicherungssteuer für diesen Zeitraum (UFS 10.01.2011, RV/2928-W/10).
Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates bestätigt und im Erkenntnis VwGH 15.11.2012, 2012/17/0449, folgende Rechtsansicht vertreten (Rechtssatz):
" Regelungszweck der Befreiungsbestimmung des § 4 Abs. 3 Z. 9 VersStG ist es, körperbehinderte Menschen, die auf Grund ihrer Behinderung auf ein Fahrzeug angewiesen sind, nicht mit einer zusätzlichen Steuer zu belasten. Der Gesetzgeber hat als eine der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Steuer die Überreichung einer Abgabenerklärung an das Finanzamt im Wege des Versicherers vorgesehen; er hat damit - wie sich aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang eindeutig ergibt - eine materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung geschaffen. Diese wurde vom Abgabepflichtigen im hier maßgeblichen Zeitraum nicht erbracht. Ob der Abgabepflichtige die anderen vom Gesetz aufgestellten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt hat, ist dabei nicht von Belang, müssen doch hinsichtlich des Eintrittes der Befreiung von der Versicherungssteuer alle im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllt sein. Liegt aber demnach - mangels Erfüllung aller für die Befreiung notwendigen Voraussetzungen - für den fraglichen Zeitraum keine zu Unrecht einbehaltene Abgabe vor, kann sich der Abgabepflichtige hinsichtlich des von ihm gestellten Antrages auf Rückzahlung auch nicht auf § 240 Abs. 3 BAO stützen. Wenn sich der Abgabepflichtige auf § 113 BAO und eine ihm unrichtig erteilte Auskunft beruft, so kann das Vorliegen einer solchen ebenso wie die daraus allenfalls abzuleitenden Rechtsfolgen dahin gestellt bleiben; auch eine im Sinne des Vorbringens des Abgabepflichtigen unrichtig erteilte Auskunft würde nicht dazu führen, dass das Fehlen einer materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzung für die nach § 4 Abs. 3 Z. 9 VersStG geltend gemachte Befreiung nicht zu berücksichtigen wäre. "
Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes (BFG 25.09.2014, RV/5100399/2013; BFG 20.04.2017, RV/7105108/2016; BFG 19.03.2018, RV/7101288/2017; BFG 21.08.2018, RV/7102799/2018).
Der gegenständliche Sachverhalt ist unstrittig.
Auch wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, so wird im gegenständlichen Fall die im Gesetz als erste genannte Voraussetzung, nämlich die Überreichung einer Abgabenerklärung an das Finanzamt im Wege des Versicherers, für den Zeitraum 1.1.2016 bis 1.10.2017 nicht erfüllt. Um von der motorbezogenen Versicherungssteuer ausgenommen zu werden, müssen sämtliche im Gesetz aufgezählten Voraussetzungen erfüllt werden. Wird, so wie im gegenständlichen Fall, auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, kann es für diesen Zeitraum auch nicht zu einer Ausnahme von der motorbezogenen Versicherungssteuer kommen. Aus welchen Gründen auch immer es nicht schon früher zu einer Überreichung der Abgabenerklärung gekommen ist, ändert nichts daran, dass der Anspruch auf Steuerfreiheit erst mit der Überreichung der Abgabenerklärung entsteht. Der Anspruch auf Steuerfreiheit entsteht auch dann nicht für Zeiträume vor Überreichung der Abgabenerklärung, wenn die sonstigen Voraussetzungen bereits zu einem früheren Zeitpunkt gegeben waren (z.B. UFS 10.01.2011, RV/2928-W/10).
Die motorbezogene Versicherungssteuer wurde daher im Zeitraum 1.1.2016 bis 1.10.2017 nicht unrichtig berechnet und war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.
4. Unzulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da die getroffene Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Die getroffene Entscheidung folgte in rechtlicher Hinsicht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 15.11.2012, 2012/17/0449), wonach die Vorlage der Abgabenerklärung eine materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung ist.
Wien, am 26. März 2019
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 6 Abs. 3 Z 7 VersStG, Versicherungssteuergesetz 1953, BGBl. Nr. 133/1953 |
Verweise: | VwGH 15.11.2012, 2012/17/0449 |
