Unzulässiger Vorlageantrag
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100263.2020
Beachte:
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/15/0082. Zurückweisung mit Beschluss vom 9.9.2020.
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinIBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Edelsbacher & Partner Wirtschaftsprüfungs- und Steuer- beratungsgesellschaft mbH, Ernst-Grein-Straße 14A, 5026 Salzburg, betreffend Beschwerde vom 17. Juli 2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 18. Juni 2019 über die Festsetzung von Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2016 beschlossen:
Der Vorlageantrag vom 15.06.2020 wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 264 Abs. 4 lit. e BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Gleichzeitig mit der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2016 erließ das Finanzamt am 18.06.2019 einen Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 gegenüber der Beschwerdeführerin (kurz: Bf).
Mit Schriftsatz vom 17.07.2019 brachte die steuerliche Vertretung der Bf Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 und gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 ein.
Aufgrund des Fehlens der Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird, der Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, und einer Begründung erfolgte am 23.07.2019 ein Mängelbehebungsauftrag an die Bf betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 vom 18.06.2019.
Die Bf wurde aufgefordert binnen zwei Wochen nach Zustellung des Mängelbehebungsauftrages die fehlenden Inhaltserfordernisse der Beschwerde nachzuholen. Der Mängelbehebungsauftrag enthielt auch den Hinweis, dass bei Versäumung der Frist das Anbringen als zurückgenommen gilt.
Die steuerliche Vertretung der Bf kam der Aufforderung des Finanzamtes insoweit nach, als sie fristgerecht am 07.08.2019 einen Schriftsatz mit folgendem Inhalt einbrachte:
"1. Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird
Im Spruch des oben angeführten Einkommensteuerbescheides wurde die Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen (besonderer Steuersatz von 30%) in Höhe von EUR 188.123,00 festgesetzt.
2. Erklärung, welche Änderungen beantragt werden
Aufgrund der nachstehenden Begründung wird eine Festsetzung der Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen (besonderer Steuersatz von 30%) in Höhe von EUR 0,00 beantragt. Dies entspricht einer vollinhaltlichen Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung.
3. Begründung für die beantragte Änderung
…."
(es folgen Ausführungen zur Immobilienertragsteuer).
Abschließend wurde festgehalten, dass der Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 vom 18.06.2019 aufgrund der Festsetzung der Einkommensteuer 2016 erlassen worden sei und bei Änderung des Einkommensteuerbescheides 2016 eine Neuberechnung durch das Finanzamt erforderlich sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 19.08.2019 wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 vom 18.06.2019 ab, wogegen die steuerliche Vertretung der Bf mit Schriftsatz vom 27.08.2019 einen Vorlageantrag einbrachte.
Mit dem unangefochten gebliebenen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 25.09.2019, RV/6100504/2019, wurde ausgesprochen, dass die Beschwerde vom 17.07.2019 gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 vom 18.06.2019 gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen gilt und das Beschwerdeverfahren eingestellt wird.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Mängelbehebungsauftrag unzureichend entsprochen worden sei. Die geforderten Erklärungen hätten sich allesamt auf die Einkommensteuer und nicht auf den Anspruchszinsenbescheid bezogen.
Am 04.11.2019 erließ das Bundesfinanzgericht einen weiteren Beschluss, RV/6100511/2019, betreffend die Beschwerde vom 17.07.2019 gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 18.06.2019. Darin wurde der Vorlageantrag vom 27.08.2019 betreffend die Einkommensteuer 2016 gemäß 256 Abs. 3 iVm § 264 Abs. 4 BAO als gegenstandslos erklärt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerde vom 17.07.2019 gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 noch keiner Erledigung zugeführt worden sei; eine Beschwerdevorentscheidung sei lediglich betreffend die Anspruchszinsen 2016 ergangen. Dennoch habe die steuerliche Vertretung der Bf auch hinsichtlich der Einkommensteuer 2016 einen Vorlageantrag gestellt, den sie mit Schriftsatz vom 25.09.2019 zurückgezogen habe. Der Vorlageantrag sei daher mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären. Das Finanzamt habe über die Beschwerde im eigenen Wirkungsbereich zu entscheiden.
Nachdem das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.03.2020 über die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 entschieden hatte, brachte die steuerliche Vertretung der Bf mit Schriftsatz vom 15.06.2020 einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde vom 07.08.2019 gegen den Einkommensteuerbescheid vom 18.06.2019 und gegen den Bescheid über die Festsetzung der Anspruchszinsen 2016 vom 18.06.2019 ein. Angeführt wird in diesem Schriftsatz die Beschwerdevorentscheidung vom 18.03.2020.
Am 18.03.2020 erging aufgrund der abändernden Beschwerdevorentscheidung vom 18.03.2020 betreffend die Einkommensteuer 2016 ein neuer Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016.
Mit zwei Berichten vom 25.06.2020 legte das Finanzamt diese Vorlageanträge dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Zurückweisung der Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016.
DAZU WIRD ERWOGEN:
1 gesetzliche Grundlagen
Gemäß § 2a S 1 BAO gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sinngemäß im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren der belangten Abgabenbehörde gelten.
Gemäß § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.
Für Vorlageanträge ist gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung) sinngemäß anzuwenden.
Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt gemäß § 264 Abs. 5 BAO dem Verwaltungsgericht.
2 rechtliche Würdigung
Einleitend ist festzuhalten, dass mit Schriftsatz vom 17.07.2019 ua. Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 vom 18.06.2019 eingebracht wurde. Mit dem im Vorlageantrag vom 15.06.2020 als Beschwerde angesprochenen Schriftsatz vom 07.08.2019 erfolgte eine Antwort auf den Mängelbehebungsauftrag betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung der Anspruchszinsen 2016. Es handelt sich bei diesem Schriftsatz vom 07.08.2019 also nicht um die Beschwerdeschrift.
Aus diesem Grund kann es sich bei dem Vorlageantrag vom 15.06.2020 - soweit er den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen vom 18.06.2019 betrifft - nur um einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde vom 17.07.2019 betreffend den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 vom 19.08.2019 durch das Bundesfinanzgericht handeln.
Die Beschwerde vom 17.07.2019 betreffend den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016, welche mit Beschwerdevorentscheidung vom 19.08.2019 abgewiesen wurde, war allerdings - aufgrund des Vorlageantrags vom 27.08.2019 - bereits Gegenstand des rechtskräftigen Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes vom 25.09.2019, RV/6100504/2019.
Das Bundesfinanzgericht hat einen Vorlageantrag gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO zurückzuweisen, wenn es in ein und derselben Sache, also über eine Bescheidbeschwerde desselben Abgabepflichtigen gegen einen bestimmten Bescheid, bereits einmal entschieden hat. Die mit der Rechtskraftwirkung von Entscheidungen verbundene Folge bedeutet, dass in den Bestand von rechtskräftigen Entscheidungen nur insoweit eingegriffen werden kann, als entsprechende (auf Durchbrechung der Rechtskraft gerichtete) gesetzliche Tatbestände vorgesehen sind. Anträge, denen die materielle Rechtskraft (und damit das sog. Wiederholungsverbot) einer bereits vorliegenden Entscheidung entgegensteht, sind daher wegen "entschiedener Sache" zurückzuweisen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, Bd. 1, S. 944, Ritz, BAO6, § 260 Rz 19a, VwGH 05.02.1992, 91/13/0195)
Der Vorlageantrag vom 15.06.2020 ist somit vom Bundesfinanzgericht mit Beschluss zurückzuweisen.
Abschließend wird zu Anspruchszinsenbescheiden gemäß § 205 BAO Folgendes angemerkt:
Erweist sich der Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und wird er entsprechend abgeändert (oder aufgehoben), so wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen. Es ergeht ein weiterer Zinsenbescheid; es erfolgt daher keine Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides (VwGH 31.01.2019, Ro 2018/15/0005, VwGH 28.05.2009, 2006/15/0316, Ritz, BAO6, Rz 35 zu § 205). Die Notwendigkeit einer derartigen Anpassung der Anspruchszinsenfestsetzung ergibt sich bereits aus der formellen Akzessiorität eines Nebenanspruches bezüglich seiner zugrundeliegenden Stammabgabe (VwGH 27.08.2008, 2006/15/0150).
Dies bedeutet im Hinblick auf das beim Bundesfinanzgericht hinsichtlich der Einkommensteuer 2016 anhängige Beschwerdeverfahren konkret, dass im Falle einer Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2016 durch ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ein weiterer angepasster Zinsenbescheid ergehen würde.
3 Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art. 133 Abs. 4 B-VG)
Der Beschluss orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, eine Rechtsfrage mit besonderer Bedeutung liegt nicht vor.
Salzburg, am 8. Juli 2020
Zusatzinformationen | |
|---|---|
Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
