BFG RV/5101606/2015

BFGRV/5101606/201527.3.2023

Abzugsverbot gem. § 20 EStG bzw. § 12 KStG umfasst Geldbußen der Europäischen Union wegen Preisabsprachen, aber nicht die in diesem Zusammenhang entstandenen Verteidigungskosten

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2023:RV.5101606.2015

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Patrick Brandstetter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch BNP Wirtschaftstreuhand und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Ohlsdorferstraße 44, 4810 Gmunden über die Beschwerde vom 27. August 2014 gegen die Bescheide des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck (nunmehr Finanzamt für Großbetriebe) vom 29. Juli 2014 betreffend Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2007, 2009 und 2010 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:

I. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen sind den als Beilagen angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden diese einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Bei der beschwerdeführenden Partei fand eine Außenprüfung gem. § 147 BAO betreffend unter anderem die einheitliche Gewinnfeststellung für die Jahre 2007 bis 2012 statt. Im diesbezüglichen Bericht vom 06. Juni 2014 über das Ergebnis der Außenprüfung hielt das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck fest, dass mit Beschluss der Kommission der Europäischen Union vom ***tt.mm.jjjj*** in einem Verfahren nach Artikel 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich der beschwerdeführenden Partei eine Geldbuße in Höhe von EUR 2.787.015 verhängt worden sei. Diese Geldbuße sowie die damit in Zusammenhang stehenden Rechtsberatungskosten seien gem. § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähig. Mit Bescheide vom 29. Juli 2014 stellte das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck die Einkünfte für die Jahre 2007, 2009 sowie 2010 im Sinne des Berichts vom 06. Juni 2014 fest.

Gegen diese Bescheide erhob die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom 27. August 2014 Beschwerde und brachte sie zusammengefasst vor, dass sowohl die verhängte Geldbuße als auch die in diesem Zusammenhang angefallenen Rechtsberatungskosten unter kein steuerliches Abzugsverbot fallen würden und daher Betriebsausgaben seien.

Das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidungen vom 27. August 2015 als unbegründet ab und begründete sie diese Entscheidungen damit, dass die gesamte verhängte EU-Bußgeldzahlung als Strafe mit Pönalcharakter anzusehen sei und würden die mit der Strafe zusammenhängenden Rechtsberatungskosten das Schicksal der Strafe teilen. Sowohl die Strafe als auch die Rechtsberatungskosten seien nach § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähig.

In Reaktion auf diese Beschwerdevorentscheidungen beantragte die beschwerdeführende Partei am 16. September 2015 die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28. Februar 2023 wurde die Beschwerdesache zum Stichtag 01. März 2023 der Gerichtsabteilung 6021 abgenommen und der Gerichtsabteilung 7004 neu zugeteilt.

Mit Schriftsatz der steuerlichen Vertretung der beschwerdeführenden Partei vom 21. März 2023 wurde der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen sowie die Rechtsnachfolger hinsichtlich eines bereits verstorbenen Kommanditisten bekanntgegeben.

Sachverhalt

Mit Beschluss der Kommission der Europäischen Union vom ***tt.mm.jjjj*** wurde über die beschwerdeführende Partei in einem Verfahren nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 53 EWR-Abkommen in der Sache ***GZ*** wegen wettbewerbswidriger Preisabsprachen eine Geldbuße in Höhe von EUR 2.787.015,00 verhängt.

Da in den Jahren 2005 und 2006 in Bezug auf dieses Verfahren bereits Rückstellungen durch die beschwerdeführende Partei in Höhe von insgesamt EUR 1.300.000,00 gebildet wurden, verblieb von der verhängten Geldstrafe im Jahr 2010 ein Betrag von EUR 1.487.015,00, der von der beschwerdeführenden Partei in diesem Jahr aufwandswirksam in ihren Büchern erfasst wurde.

Zusätzlich erwuchsen der beschwerdeführenden Partei in Zusammenhang mit diesem Verfahren in den Jahren 2007, 2009 und 2010 die nachfolgenden Kosten für Rechtsberatung.

Jahr

Netto

Umsatzsteuer

2007

85.885,28

17.177,06

2009

7.954,45

1.590,90

2010

7.065,60

1.413,12

Am 01. Februar 2014 verstarb der an der Gesellschaft beteiligte ***NameVerstorbene*** und sind dessen Rechtsnachfolger ***RNF1*** sowie ***RNF2*** zu je 50 %.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen haben ihre Grundlage in dem Beschluss der Europäischen Kommission vom ***tt.mm.jjjj***, dem Bericht vom 06. Juni 2014, den damit übereinstimmenden Parteienvorbringen sowie dem Schreiben der steuerlichen Vertretung vom 21. März 2023.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Nach § 4 Abs. 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2011 (AbgÄG 2011, BGBl. I Nr. 76/2011) erfuhren § 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 und § 12 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 dahingehend eine Ergänzung, als nunmehr ausdrücklich angeordnet wurde, dass "Strafen und Geldbußen, die von Gerichten, Verwaltungsbehörden oder den Organen der Europäischen Union verhängt werden" bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden dürfen. Diese Ergänzung trat mit 02. August 2011 in Kraft und findet sie daher auf den beschwerdegegenständlichen Fall noch keine Anwendung.

Der Umstand, dass die Änderung des § 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 und des § 12 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 durch das AbgÄG 2011 auf den beschwerdegegenständlichen Fall nicht anwendbar ist, verhilft der Beschwerde allerdings nicht zum Erfolg, hat doch der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits klargestellt, dass Geldstrafen im Allgemeinen auch betreffend die Rechtslage vor dem Abgabenänderungsgesetz 2011 nach § 20 EStG 1988 nicht abziehbar sind, andernfalls der Pönalcharakter der Geldbuße unterlaufen und die Geldbuße infolge der Reduktion der Steuerlast von der Allgemeinheit mitgetragen werden würde. Ebenso ist keine Differenzierung dahingehend vorzunehmen, ob die Strafe gegenüber einer physischen oder einer juristischen Person verhängt wurde, sondern sind beide Personengruppen von diesem Abzugsverbot gleichermaßen betroffen (VwGH vom 28.02.2018, Ro 2016/15/0043; vom 22.03.2018, Ro 2017/15/0001).

Hinsichtlich der Verteidigungskosten hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch ausgeführt, dass ebenjenen der Abzug nicht mit der Begründung versagt werden kann, dass bei einer Berücksichtigung dieser Kosten der Strafzweck (teil)weise vereitelt werden würde. Entscheidend für die Frage, ob den Verteidigungskosten Betriebsausgabencharakter zukommt oder nicht, ist vielmehr der jeweilige Kausalzusammenhang. Erst wenn es durch die strafbare Handlung zu einer Durchbrechung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Betrieb und den Verteidigungskosten kommt, dann stellen ebenjene keine Betriebsausgaben dar. Im Fall von Verteidigungskosten in Bezug auf durch die Europäischen Kommission verhängte Geldbußen aufgrund einer Teilnahme an Preisabsprachen ist hingegen nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs ein unmittelbarer Kausalzusammenhang mit dem Betrieb gegeben, erfolgt die Festsetzung von Preisen, wenn auch in Absprache mit anderen Unternehmen, im Rahmen der Betriebsführung (VwGH vom 22.03.2018, Ro 2017/15/0001).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung zeigt sich, dass der Beschwerde insoweit Berechtigung zukommt, als die Abgabenbehörde den Kosten für die Rechtsberatung hinsichtlich des Verfahren der Europäischen Kommission nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union den Abzug versagt hat. Die im Sachverhalt angeführten Verteidigungskosten erwuchsen der beschwerdeführenden Partei in Zusammenhang mit einem Verfahren der Europäischen Kommission wegen wettbewerbswidriger Preisabsprache und besteht, obschon der über die beschwerdeführende Partei verhängten Geldstrafe aus den oben zitierten Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofs gem. § 20 EStG 1988 der Abzug versagt bleiben muss, zwischen diesen Verteidigungskosten und dem Betrieb der beschwerdeführenden Partei ein kausaler Zusammenhang, erfolgen Preisfestsetzungen, auch in Fällen einer wettbewerbswidrigen Absprache mit anderen Unternehmen, im Rahmen der Betriebsführung. Die beschwerdegegenständlichen Bescheide waren daher in Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dahingehend abzuändern, als bei der Ermittlung der Einkünfte für die Jahre 2007, 2009 und 2010 die Verteidigungskosten wie folgt gewinnmindernd zu berücksichtigen waren.

Jahr

Netto

2007

85.885,28

2009

7.954,45

2010

7.065,60

Die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb gestalten sich sodann folgendermaßen.

 

2007

2009

2010

Einkünfte lt. bekämpften Bescheid

1.057.294,87

1.440.690,13

1.841.275,82

Einkünfte lt. Erkenntnis

971.409,59

1.432.735,68

1.834.210,22

Die Differenz zwischen der Höhe der festgestellten Einkünfte laut bekämpften Bescheid und der Höhe der festgestellten Einkünfte laut vorliegendem Erkenntnis wurde entsprechend des Gewinnbeteiligungsausmaßes der Gesellschafter bei der Ermittlung derer Gewinnanteile berücksichtigt.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im vorliegenden Fall entscheidungsrelevanten Fragen wurden durch den Verwaltungsgerichtshof in den zitierten Entscheidungen einheitlich beantwortet und wich das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Erkenntnis von dieser Rechtsprechung nicht ab. Folglich ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Hinweis: Dieses Erkenntnis wirkt gegen alle Beteiligten, denen Einkünfte zugerechnet wurden. Mit der Zustellung dieses Erkenntnisses an die nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zustellung an alle Beteiligte als vollzogen (§ 101 Abs. 3 und 4 BAO).

Salzburg, am 27. März 2023

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 4 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 12 Abs. 1 Z 4 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988

Verweise:

VwGH 28.02.2018, Ro 2016/15/0043
VwGH 22.03.2018, Ro 2017/15/0001

Stichworte