BFG RV/5101527/2017

BFGRV/5101527/201710.1.2020

Kleinunternehmergrenze bei Differenzbesteuerung

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101527.2017

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin MMag.Dr. Ingrid Fehrer in der Beschwerdesache Bf., inXYZ, vertreten durch Sadleder Friedrich Buchprüfungs- und Steuerberatungs-KG, Linzer Straße 62a, 4502 Sankt Marien, über die Beschwerde vom 28.03.2017 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Linz vom 08.03.2017, betreffend Umsatzsteuer 2016, zu Recht erkannt: 

 

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) führte im Rahmen eines Gebrauchtwagenhandels steuerbare, der Differenzbesteuerung gemäß § 24 UStG 1994 unterliegende Umsätze aus.

Die im Jahr 2016 erzielten Umsätze betrugen:

 

Der Bf. hat auf die Anwendung der Kleinunternehmerbefreiung nicht verzichtet.

 

II. Streitpunkt

Der Bf. steht auf dem Standpunkt, dass bei der Ermittlung der in § 6 Abs 1 Z 27 UStG 1994 normierten 30.000 € Grenze hinsichtlich der differenzbesteuerten Umsätze von der nach § 24 Abs 4 und 5 UStG 1994 errechneten Bemessungsgrundlage (Handelsspanne) auszugehen und daher im Beschwerdefall die Kleinunternehmerregelung, mit ihrer Umsatzsteuerbefreiung anzuwenden sei. Zur Untermauerung seines Vorbringens verwies der Bf. auf das zu einer ähnlichen Sachlage ergangene Urteil des Finanzgerichtes Köln vom 13.04.2016 (GZ. 9 K 677/14). Hiezu ist anzumerken, dass sich der Bundesfinanzhof (BFH) i m Rahmen des Revisionsverfahrens entschlossen hat, dem EuGH eine Frage zur Anwendung der Kleinunternehmerregelung bei der Differenzbesteuerung unterliegenden Wiederverkäufern zur Vorabentscheidung vorzulegen. Das am 29.07.2019 ergangene Urteil des EuGH (Rs. C-388/18) hat Auswirkung auf den Beschwerdefall und wird nachstehend erläutert.

Dem gegenüber vertritt die belangte Behörde – unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates - die Ansicht, dass die Kleinunternehmerbefreiung auf differenzbesteuerte Umsätze grundsätzlich nicht zur Anwendung gelangen kann.

 

III. Rechtliche Grundlagen

Nationale Rechtslage:

Gemäß § 1 Abs 1 Z 1 UStG 1994 unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.

Nach § 6 Abs 1 UStG 1994 sind von den unter § 1 Abs 1 Z 1 fallenden Umsätzen steuerfrei:

27. die Umsätze der Kleinunternehmer. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen außer Ansatz. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15% innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich;

§ 24 Abs 1 UStG 1994 lautet:

Für die Lieferungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken oder Antiquitäten (Z 10 bis 13 der Anlage 2) oder anderen beweglichen körperlichen Gegenständen, ausgenommen Edelsteine (aus Positionen 7102 und 7103 der Kombinierten Nomenklatur) oder Edelmetalle (aus Positionen 7106, 7108, 7110 und 7112 der Kombinierten Nomenklatur), gilt eine Besteuerung nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften (Differenzbesteuerung), wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Der Unternehmer ist ein Händler, der gewerbsmäßig mit diesen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert (Wiederverkäufer).

2. Die Lieferung der Gegenstände an den Unternehmer wurde im Gemeinschaftsgebiet ausgeführt. Für diese Lieferung wurde

a) Umsatzsteuer nicht geschuldet oder

b) die Differenzbesteuerung vorgenommen.

Nach § 24 Abs 4 UStG 1994 wird der Umsatz bemessen:

1. bei Lieferungen nach dem Betrag, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis für den Gegenstand übersteigt;

(……)

Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

§ 24 Abs 5 UStG 1994 lautet:

Der Unternehmer kann die gesamten innerhalb eines Veranlagungszeitraumes (Voranmeldungszeitraumes) ausgeführten Umsätze nach dem Gesamtbetrag bemessen, um den die Summe der Verkaufspreise und der Werte nach § 4 Abs. 8 lit. a die Summe der Einkaufspreise dieses Zeitraums übersteigt (Gesamtdifferenz). Die Besteuerung nach der Gesamtdifferenz ist nur bei solchen Gegenständen zulässig, deren Einkaufspreis 220 Euro nicht übersteigt. Im übrigen gilt Abs. 4 entsprechend.

 

Unionsrecht:

Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 29.07.2019 (C-388/18) lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach ein Gebrauchtwagenhändler, dessen Umsätze der Differenzbesteuerung unterlagen, im Jahr 2009 seine Eigenschaft als Kleinunternehmer geltend machte und seine Umsätze bei der Bemessung der maßgeblichen Grenze nicht anhand der vereinnahmten Entgelte, sondern anhand der Handelsspanne ermittelte. Auf diese Weise überschritt er die Kleinunternehmergrenze nicht und konnte seine Umsätze steuerfrei belassen.

Der EuGH kam in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass für die Umsatzgrenze der Sonderregelung für Kleinunternehmen die differenzbesteuerten Umsätze nicht mit der erzielten Handelsspanne (Marge), sondern mit den gesamten vereinnahmten oder zu vereinnahmenden Beträgen ohne Mehrwertsteuer zu berechnen sind. Demnach ist die bei der Anwendung der Differenzbesteuerung erzielte Handelsspanne  für die Ermittlung der Gesamtumsätze irrelevant. Die Sonderregelung für Kleinunternehmen und die Sonderregelung für steuerpflichtige Wiederverkäufer sind zwei voneinander unabhängige autonome Sonderregelungen. Wird in einer von ihnen nicht auf die Tatbestandsmerkmale und Begriffe der anderen Regelung Bezug genommen, ist der Inhalt der einen grundsätzlich zu beurteilen, ohne dass der Inhalt der anderen berücksichtigt zu werden braucht (Rn. 38). Die Differenzbesteuerung schließt somit die gleichzeitige Inanspruchnahme der Kleinunternehmerbefreiung nicht aus.

Nach Ansicht des EuGH (Rn. 31ff) ergibt sich schon aus der wörtlichen Auslegung von Art 288 Abs 1 Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass sich der Umsatz des Steuerpflichtigen aus dem Gesamtbetrag der besteuerten Leistungen ohne Umsatzsteuer zusammensetzt, wobei sich das Wort „besteuert“ aber nicht auf das Wort „Betrag“, sondern auf „Lieferungen“ oder „Leistungen“ bezieht. Folglich reicht es für die Ermittlung der Kleinunternehmergrenze aus, dass die Leistungen als solche besteuert werden und zwar ohne Angaben der Modalitäten, nach denen sie besteuert werden. Dem Wortlaut der Bestimmung ist auch nicht zu entnehmen, dass die Leistungen in jedem Fall vollständig besteuert werden müssen. Auf die Handelsspanne ist daher nicht abzustellen.

Diese Auslegung steht für den EuGH auch im Einklang mit der Systematik, der Entstehungsgeschichte und der Zielsetzung der Mehrwertsteuerrichtlinie. In Bezug auf die Zielsetzung der Kleinunternehmerregelung stellte er fest  (Rn. 43), dass mit der Differenzbesteuerung nicht die Wettbewerbsfähigkeit großer Unternehmen gestärkt werden soll. Würden die über die Handelsspanne hinausgehenden vereinnahmten Entgelte bei der Ermittlung des Umsatzes für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nicht berücksichtigt, könnten solche Unternehmer, die einen hohen Umsatz erzielen und eine geringe Handelsspanne haben, unter die Sonderregelung fallen und dadurch einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil erlangen.

 

IV. Erwägungen

Zur Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung:

Der Bf. war im beschwerdegegenständlichen Zeitraum Wiederverkäufer von Gebrauchtfahrzeugen, der gewerbsmäßig mit diesen Gegenständen - unter Anwendung der Differenzbesteuerung gemäß § 24 UStG 1994 - gehandelt hat.

Aus der Rechtsprechung des EuGH (C-388/18) ergibt sich zweifelsfrei,

Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Differenzbesteuerung grundsätzlich - auch bei Nichterreichen der maßgeblichen Grenze - die Kleinunternehmerregelung ausschließt, teilte der EuGH nicht. Dementsprechend erfolgte durch den Wartungserlass 2019 auch eine Änderung der Umsatzsteuerrichtlinien (Rz. 995).

Für die Ermittlung der Umsatzgrenze der Kleinunternehmerregelung des § 6 Abs 1 Z 27 UStG 1994 sind folglich in richtlinienkonformer Interpretation nicht die vom Bf. realisierten Margen heranzuziehen, sondern alle von ihm vereinnahmten Beträge ohne Umsatzsteuer.

Der Bf. erzielte im Jahr 2016 Bruttoumsätze in Höhe von 112.600 €, das sind 93.833,33 € ohne Umsatzsteuer (20%). Damit hat der Bf. die Grenze für Kleinunternehmer in Höhe von 30.000 € klar überschritten und die Steuerbefreiung des § 6 Abs 1 Z 27 UStG 1994 ist nicht tatbestandsmäßig. Die Differenzbesteuerung ist weiterhin anzuwenden und ergibt eine Umsatzsteuer in Höhe von 5.191,67 € (Bemessungsgrundlage: 25.958,33 €).

Der Beschwerde war somit in diesem Punkt kein Erfolg beschieden.

 

Zur Korrektur der Bemessungsgrundlage:

Im angefochtenen Bescheid vom 08.03.2017 ging die belangte Behörde bei der Berechnung der Umsatzsteuer irrtümlich von einer Marge inklusive 20% Umsatzsteuer aus (Bemessungsgrundlage: 31.500 €) aus und setzte nach Abzug der Vorsteuern Umsatzsteuer in Höhe von 4.632,44 € fest. Diesen Irrtum wendete der Bf. in seiner Beschwerde vom 28.03.2017 ein. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 19.09.2017 erfolgte eine Richtigstellung (Bemessungsgrundlage ohne Umsatzsteuer: 25.958,33 €) und die Festsetzung der Umsatzsteuer in Höhe von 3.594,11 €. 

Der Beschwerde war daher in diesem Punkt stattzugeben und der Umsatzsteuerbescheid 2016 im Umfang der Beschwerdevorentscheidung vom 19.09.2017 zu ändern.

 

V. Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 29.07.2019 (C-388/18) zur Frage der Kleinunternehmergrenze bei Differenzbesteuerung eine klare Antwort gegeben. Das Bundesfinanzgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen. Auch wenn dazu keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, kann aus Art 133 Abs 4 B-VG abgeleitet werden, dass bei Rechtsfragen des Unionsrechts, zu denen bereits eine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vorliegt, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Eine Revision war folglich nicht zuzulassen.

 

 

 

Linz, am 10. Jänner 2020

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 24 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 6 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 24 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 24 Abs. 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994

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