Ohne Antrag auf Wiederaufnahme kein Bescheid betreffend Wiederaufnahme
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100636.2020
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi.in in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Ungarn, über die Beschwerde vom 25.11.2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom 11.11.2019 betreffend Wiederaufnahme des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2015 zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensablauf
Am 14.3.2016 wurde vom Beschwerdeführer der Antrag auf Arbeitnehmer*innenveranlagung eingereicht.
Mit Ergänzungsvorhalt vom 14.9.2016 wurde der Beschwerdeführer ersucht, betreffend doppelter Haushaltsführung, Familienheimfahrten und Pendlereuro Fragen zu beantworten bzw. Unterlagen einzureichen.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 vom 25.11.2016 wurden beantragte Aufwendungen nicht anerkannt.
Mit Schreiben vom 5.2.2017 wurde Beschwerde gegen den Bescheid vom 25.11.2016 eingereicht.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 7.6.2017 wurde die obige Beschwerde gemäß § 260 BAO zurückgewiesen.
Die Zurückweisung sei erfolgt, weil die Beschwerde nicht fristgerecht eingebracht worden wäre.
Mit Ergänzungsvorhalt vom 8.2.2018 wurden betreffend Arbeitnehmerveranlagung 2015 diverse Fragen übermittelt bzw. Unterlagen angefordert.
Mit Antwortschreiben vom 20.3.2018 wurden vom Beschwerdeführer Fragen beantwortet bzw. Unterlagen eingereicht.
Mit Schreiben vom 7.11.2019 wurde vom Beschwerdeführer wie folgt ausgeführt:
Er würde wissen wollen, wie es mit der Bearbeitung der Wiederaufnahme für die Arbeitnehmerveranlagung 2015 gehe. Er hätte am 20.3.2018 das Ersuchen um Ergänzung vom 8.2.2018 für das Jahr 2015 auf FinanzOnline eingereicht. Er würde bitten, die Kosten der Familienheimfahrten in Höhe von 3.672,00 € und die doppelte Haushaltsführung in Höhe von 4.200,00 € für 2015 zu berücksichtigen. Bis zum Tag des Schreibens hätte er leider keinerlei Antwort erhalten. Hiermit würde er sich danach erkundigen wollen, ob in seiner Angelegenheit schon eine Entscheidung gefällt worden sei oder wann er mit einer Entscheidung rechnen könne.
Mit "Bescheid 2015" vom 11.11.2019 wurde der Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO vom 7.11.2019 auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2015 vom 25.11.2016 abgeschlossenen Verfahrens abgewiesen und wie folgt begründet:
Die Abweisung der Wiederaufnahme des Verfahrens erfolge gemäß § 303 Abs. 1 BAO, weil die in der Begründung des Sachbescheides näher ausgeführten Tatsachen nicht neu hervorgekommen seien, und diese im abgeschlossenen Verfahren bereits geltend gemacht worden wären. Die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens hätte einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt.
Mit Schreiben vom 25.11.2019 wurde Beschwerde "gegen den Einkommensteuerbescheid" eingereicht wie folgt:
Es werde gebeten, die beantragten Kosten zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2015 jede Woche allein mit dem eigenen PKW zwischen seinem Familienwohnsitz in Ungarn und seinem Arbeitsort in Österreich gefahren. Sein Beschäftigungsort wäre vom Familienwohnsitz zu weit entfernt gewesen, um täglich nach Hause zu fahren. Außerdem sei er jeden Arbeitstag allein mit seinem eigenen PKW zwischen seinem Quartier und seinem konkreten Arbeitsort gependelt, tägliche Entfernung durchschnittlich 30 km. Am Familienwohnsitz würden seine Frau und ihr gemeinsames Kind wohnen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.12.2019 wurde die oben angeführte Beschwerde "gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 7.6.2017" gemäß § 260 BAO zurückgewiesen wie folgt:
Die Zurückweisung sei erfolgt, weil die Beschwerde nicht fristgerecht eingebracht worden wäre.
Mit Schreiben vom 31.12.2019 wurde der Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht gestellt wie folgt:
Das Finanzamt hätte die Beschwerde vom 25.11.2019 gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 11.11.209 mit der Begründung abgewiesen, dass die Beschwerde nicht fristgerecht eingebracht worden wäre. Die Einreichung der Beschwerde sei fristgerecht erfolgt, da sie innerhalb eines Monats eingereicht worden sei. Es werde ersucht, die Bescheide des Finanzamtes zu ändern und im neuen Bescheid die beantragten Kosten zu berücksichtigen.
Mit Vorlagebericht vom 10.4.2020 wurde die Beschwerde vom 25.11.2019 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Mängelbehebungsauftrag vom 25.4.2020 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesfinanzgericht aufgefordert, den Bescheid (samt Bescheiddatum), gegen den sich die Bescheidbeschwerde vom 25.11.2019 richtet, zu bezeichnen.
Mit Schreiben vom 20.5.2020 wurde durch den Beschwerdeführer erklärt, dass sich die gegenständliche Beschwerde gegen den "Bescheid 2015" vom 11.11.2019 gerichtet hätte.
Da das Finanzamt am 8.2.2018 ein Ersuchen um Ergänzung betreffend die Arbeitnehmerveranlagung 2015 ausgestellt hätte, sei das Verfahren durch das Finanzamt als wiederaufgenommen zu betrachten. Am 20.3.2018 hätte er dieses Ergänzungsersuchen fristgerecht beantwortet. Da das Finanzamt mehr als anderthalb Jahre lang keinerlei weitere Reaktion auf das letzte Einbringen gezeigt hätte, hätte er sich am 7.11.2019 durch ein Anbringen auf FinanzOnline erkundigt, wann er mit einer Entscheidung in diesem Verfahren rechnen könne. Nach diesem Einbringen sei der "Bescheid 2015" vom 11.11.2019 durch das Finanzamt ausgestellt worden.
Mit Mängelbehebungsauftrag vom 27.5.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, betreffend den Wiederaufnahmeantrag vom 7.11.2019 diejenigen Umstände iSd § 303 Abs. 1 BAO zu bezeichnen, auf die der Antrag gestützt werde.
Mit Schreiben vom 25.6.2020 wurde durch den Beschwerdeführer wie folgt geantwortet:
Das Verfahren betreffend die Arbeitnehmerveranlagung 2015 sei ursprünglich nicht vom Beschwerdeführer, sondern vom Finanzamt wiederaufgenommen worden, dadurch, dass es etwa eineinhalb Jahre nach dem Einkommensteuerbescheid ein Ersuchen um Ergänzung ausgestellt hätte. Da das Verfahren vom Finanzamt als wiederaufgenommen zu betrachten sei, sei es nicht seine Aufgabe, die Umstände zu bezeichnen. Die Wiederaufnahme sei nicht am 7.11.2019 vom Beschwerdeführer beantragt worden, sondern praktisch am 8.2.2018 vom Finanzamt. Am 20.03.2018 hätte er das Ergänzungsersuchen lückenlos beantwortet, und im Antwortbrief hätte er die beantragten Steuerabsetzbeträge angeführt. Aber er hätte keine Antwort auf sein Ersuchen bis November 2019 erhalten. Er hätte sich am 7.11.2019 nur erkundigen wollen, wie es mit der Bearbeitung der schon im Prozess seienden Wiederaufnahme gehe.
Dem Erkenntnis zugrunde liegender Sachverhalt
Den entscheidungsrelevanten Sachverhalt bilden die angeführten Bescheide, Eingaben und Schriftstücke laut vorgelegtem Akt.
Rechtliche Begründung
§ 303 BAO lautet wie folgt:
Abs. 1
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wieder aufgenommen werden, wenn
a
der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b
Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c
der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. vom Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Abs. 2
Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:
a
die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b
die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.
Da vom Beschwerdeführer kein Antrag iSd § 303 Abs. 2 BAO gestellt worden ist, war der gegenständliche Bescheid nicht zu erlassen (siehe auch BFG 28.10.2014, RV/2100633/2011).
Der Bescheid vom 11.11.2019 wird folglich ersatzlos aufgehoben.
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dass ohne Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht über eine Wiederaufnahme abzusprechen ist, ergibt sich aus § 303 BAO. Die Aufhebung des gegenständlichen Bescheides war die gesetzliche Folge.
Linz, am 3. Juli 2020
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | |
