Beibehalten des Familienwohnsitzes in Ungarn unter Begründung eines als Familienwohnsitz zumutbaren Wohnsitzes am Beschäftigungsort in Österreich
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100426.2019
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin A in der Beschwerdesache B , über die Beschwerde vom 21.09.2018 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Braunau Ried Schärding vom 05.09.2018, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
zu versteuerndes Einkommen: 17.595.93 €
Einkommensteuer: 1.386,36 €
festgesetzte Einkommensteuer : - 1.653,00 €
Abgabengutschrift: 1.653,00 €
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der nunmehrige Bf brachte Beschwerde ein gegen den oa Einkommensteuerbescheid und erklärte, dass er die Fahrtkosten der alle 3 Wochen unternommenen Fahrten von seinem Nebenwohnsitz in Österreich an seinen Hauptwohnsitz in Ungarn geltend mache sowie wolle er Miet- und Energiekosten von monatlich 500.-€ für eine ab 10/2017 in Österreich gemietete Wohnung geltend machen, ebenso wie die Kaution und Möbelablöse von je 500.-€; außerdem beantrage er das Pendlerpauschale und den Kinderfreibetrag.
Das Finanzamt gab mit BVE teilweise statt: Pendlerpauschale und Kinderfreibetrag waren schon anlässlich der in Beschwerde gezogenen Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt worden; hinsichtlich des Beschwerdepunktes „doppelte Haushaltsführung/Familienheimfahrten“ wurden Kosten für Familienheimfahrten nicht wie anlässlich der in Beschwerde gezogenen Einkommensteuerveranlagung für 7 Monate, sondern für 9 Monate (je 306.-€/Monat) berücksichtigt.
In einem rechtzeitig dagegen eingebrachten Vorlageantrag wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Familienwohnsitz in einem Einfamilienhaus in Ungarn sei, die beiden Kinder leben und studieren in Ungarn, die Schwiegereltern leben ebenfalls in Ungarn; die Schwiegermutter sei schwer krank, der Schwiegervater könne sie nicht pflegen. Auch der Freundeskreis sei in Ungarn.
Aus dem Akteninhalt ist ersichtlich, dass die Töchter des Bf´s 1994 und 1998 geboren sind. Der Bf und seine Frau mieteten mit 16.10.2017 in Österreich eine Wohnung (Vorraum, 3 Zimmer) zu den oa. Bedingungen, mit der Option, dass auch ihre Kinder dort einen Wohnsitz begründen können, und begründeten zeitgleich dort ihren Nebenwohnsitz. Diese Wohnung liegt im Umkreis des seit 1.10.2017 bis laufend bestehenden Beschäftigungsorts des Bf´s. Lt. ZMR hatte der Bf vom 5.7.2016 bis 16.10.2017 in einem anderen Bezirk seinen Nebenwohnsitz, seine Frau hatte vom 14.9.2017 bis 16.10.2017 an der selben Adresse wie am nunmehrigen Nebenwohnsitz (jedoch in einer anderen Wohnung) ebenfalls einen Nebenwohnsitz.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gem. § 16 Abs.1 Z6 lit.a EStG 1988 sind Werbungskosten Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des 3 33 Abs.5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.
Gem. § 16 Abs.1 Z6 lit.d EStG 1988 beträgt das Pendlerpauschale, wenn dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar ist, bei mehr als über 60 km 3.672 Euro jährlich (dh 306 Euro/Monat).
Gem. § 16 Abs.1 Z6 lit.e 2.Teilstrich EStG 1988 steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs.1 Z 2 lit.e) zur Arbeitsstätte zu, wenn die Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt werden.
Gem. § 20 Abs.1 Z 2 lit.e EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeitsort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs.1 Z6 lit.d angeführten Betrag übersteigen.
Gem. § 4 Abs. 1 und 2 der Pendlerverordnung (BGBl II 2013/276) liegt ein Familienwohnsitz gem § 16 Abs.1 Z6 lit.f und . § 20 Abs.1 Z 2 lit.e EStG 1988 dort, wo ein in Ehepartnerschaft lebender Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand hat. Der Steuerpflichtige hat einen eigenen Hausstand, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht.
Bei Subsumierung der durchaus glaubhaften Angaben des Bf´s unter die oa Normen ist festzuhalten, dass ab 10/2017 eine doppelte Haushaltsführung besteht, und zwar mit Begründung eines eigenen Haushalts am Beschäftigungsort und Beibehaltung des Haushalts am Familienwohnsitz in Ungarn. Um nun festzustellen, ob die idF entstandenen Familienheimfahrten Werbungskosten darstellen, ist lt Judikatur des VwGH festzustellen, ab wann es dem Steuerpflichtigen zumutbar ist, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (VwGH 22.4.86, 84/14/0198).Dies ist im Einzelfall zu beurteilen. Im beschwerdegegenständlichen Zeitraum waren die Töchter des Bf bereits 19 und 23 Jahre alt und studierten in Ungarn, dh es waren keine minderjährigen betreuungsbedürftigen Kinder im ungarischen Haushalt zu versorgen. Dass die kranke Schwiegermutter nicht vom Bf bzw. seiner Gattin gepflegt werden musste ergibt sich aus dem Umstand, dass beide ihren Nebenwohnsitz 10/2017 begründeten und dort lebten und nur jedes 2. oder 3.Wochenende in Folge an den Wohnsitz nach Ungarn fuhren: dass eine vom Bf und seiner Gattin durchgeführte Dauerkrankenpflege so nicht gewährt war, ist offenkundig und idF nicht als Begründung zur Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Ungarn zu qualifizieren: die anlässlich der oa Wochenendbesuche eventuell durchgeführten Unterstützungen der Schwiegermutter bei Einkauf, Haushaltsführung, Arztbesuch etc.entspringt dem familiären Beistandsgebot und begründet ebenfalls keine Grundlage einer Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Ungarn.
Der Umstand, dass der Familienwohnsitz in Ungarn eventuell in einem Eigenheim ist und deshalb die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht erfolgt, entspringt bloß einer persönlichen Vorliebe und können die idF entstandenen Kosten nicht als Werbungskosten qualifiziert werden (VwGH 26.4.89, 86/14/0030).
Da die Gattin des Bf zeitgleich mit ihm die Wohnung in Österreich bezog (ja sogar 1 Monat vor ihm im selben Haus eine andere Wohnung gemietet hatte), ist davon auszugehen, dass sie ab diesem Zeitpunkt keine steuerlich relevanten Einkünfte in Ungarn bezog, die es erforderlich machten, dass der Familienwohnsitz in Ungarn aufrechterhalten wurde.
Auch der Umstand, dass die ab 10/2017 in Österreich gemietete Wohnung über Vorraum und 3 Zimmer verfügte und lt.Mietvertrag auch die optionale Möglichkeit der Wohnsitznahme durch die Töchter des Bf ausdrücklich vorgesehen war, bestätigt eine rechtliche und faktische Wohnqualität dieser Wohnung als Familienwohnsitz (dh es war dem Bf ab 10/2017 zumutbar, den Familienwohnsitz in die Wohnung in Österreich zu verlegen), weshalb die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Ungarn ab 10/2017 aus persönlicher Vorliebe erfolgte und die so entstandenen Kosten nicht als Werbungskosten, sondern als Kosten der Lebensführung gem. § 20 Abs.1 Z 2 lit.e EStG 1988 zu qualifizieren sind.
Es sind idF die bis zur Begründung des Wohnsitzes in Österreich 10/2017 entstandenen Kosten aus Familienheimfahrten in der berücksichtigten Höhe als Werbungskosten zu qualifizieren (wie in der Beschwerdevorentscheidung erfolgt) und sind die danach entstandenen Kosten aus Fahrten nach Ungarn und zurück nach Österreich, Miete, Betriebskosten, Kaution und Möbelablöse solche der Lebensführung und somit nicht abzugsfähig .
Es war idF spruchgemäß wie in der Beschwerdevorentscheidung zu entscheiden.
Eine Revision an den VwGH ist nicht zulässig. Gem. Art.133 Abs. 4 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes Revision erhoben werden, wenn es von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn eine Rechtsprechung des VwGH fehlt.
Die gegenständliche Entscheidung gründet auf der Rechtsprechung des VwGH zu Familienheimfahrten und Beibehalten des Familienwohnsitzes bei doppelter Haushaltsführung. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.
Linz, am 15. April 2019
Zusatzinformationen | |
|---|---|
Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Beibehalten, Familienwohnsitz in Ungarn, Begründung, als Familienwohnsitz zumutbar, Wohnsitz am Beschäftigungsort |
Verweise: | VwGH 22.04.1986, 84/14/0198 |
