BFG RV/4100517/2014

BFGRV/4100517/20148.5.2020

Abweisung Beschwerde gegen abgeleiteten Bescheid nur wenn Grundlagenbescheid dem Beschwerdeführer ordnungsgemäß zugestellt wurde oder als zugestellt gilt

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100517.2014

 

Beachte:
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/15/0064. Zurückweisung mit Beschluss vom 19.5.2021.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Ploner über die Beschwerde des Bf., vertreten durch die Steuerberatungskanzlei, vom 25. Juni 2014 gegen den Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom 20. Mai 2014 betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2010 zu Recht

erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid waren auch einheitlich und gesondert festgestellte positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb, resultierend aus der Tätigkeit einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (GesbR), an der der Beschwerdeführer (in der Folge auch bloß: Bf.) beteiligt war, enthalten.

Die gegenständliche, fristgerecht erhobene, Beschwerde begründete der Bf. ausschließlich mit dem Argument, die - gemäß § 295 Bundesabgabenordnung (BAO) in den bekämpften Bescheid übernommenen - Feststellungen seien insofern unzutreffend, als eine Veranlagung der GesbR (Anm.: und damit eine Zuweisung von Einkünften) wegen deren Nichtigkeit gar nicht stattfinden hätte dürfen.

Nach Ergehen einer auf § 252 Abs. 1 bis 3 BAO gestützten, abweisenden Beschwerdevorentscheidung stellte der Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (im Folgenden auch nur: Gericht oder Finanzgericht).

Über die antragsgemäß vorgelegte Beschwerde wurde vom Finanzgericht

erwogen:

Ausgehend vom Inhalt der vorgelegten und zusätzlich angeforderten Akten des Finanzamtes in Verbindung mit ergänzenden Datenbankabfragen wird seitens des Gerichtes nachstehender Sachverhalt als erwiesen und entscheidungsrelevant

festgestellt:

Im Juni 1999 hatten B.M., die Mutter des Beschwerdeführers, und Frau G.GF. eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht unter der Geschäftsbezeichnung Einkünfte-Erzielungs-GesbR (im Folgenden auch nur: EE-Ges) errichtet. Die beiden Gesellschafterinnen verpflichteten sich, zu gleichen Teilen Bareinlagen auf fixe Kapitalkonten zu leisten, die zur Verwirklichung des Gesellschaftszweckes erforderlich wären. Verluste und Gewinne sollten je zur Hälfte auf die fixen Kapitalkonten verteilt werden, von welchen auch Entnahmen bzw. Behebungen getätigt werden konnten.

Zur Geschäftsführung und Vertretung war nach der entsprechenden Vertragsbestimmung alleine G.GF. berechtigt und verpflichtet. B.M. stand lediglich das Recht zu, jederzeit Auskünfte über die gesellschaftlichen Belange zu verlangen und in alle Geschäftsunterlagen uneingeschränkt Einsicht zu nehmen. Eines beiderseitigen Einvernehmens bedurften jedoch Angelegenheiten, die über den Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes hinausgehen würden.

Jede Gesellschafterin war berechtigt, ihren Geschäftsanteil an nach dem Gesetz erbberechtigte Nachkommen ohne Zustimmung der anderen Gesellschafterin zu übertragen.

Eine Ausfertigung der Vertragsurkunde wurde Anfang September 1999 dem Finanzamt übersendet. Angeschlossen waren ein ausgefüllter Vordruck Verf 16, mit dem die Eröffnung der betrieblichen Tätigkeit der EE-Ges mit Ende Juni 1999 bekanntgegeben wurde. Als Zeichnungsberechtigte ist darin, der betreffenden Vertragsbestimmung entsprechend, G.GF. angeführt. Als gemeinsame Zustellbevollmächtigte wurde ebenfalls G.GF. namhaft gemacht. Auch im gleichzeitig übermittelten Unterschriftsprobenblatt scheint als Zeichnungsberechtigte nur G.GF. mit ihrer Unterschriftsprobe auf. Diese Umstände berücksichtigend wird auch im finanzbehördlichen Erhebungsblatt anlässlich einer Neuaufnahme (Verf 28) von Oktober 1999 G.GF. als alleinige Zeichnungsberechtigte für die EE-Ges angeführt.

Ende September 2000 bevollmächtigte die EE-Ges die Steuerberatungskanzlei Stb-Kzl mit der Vertretung in allen steuerlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Diese Vollmacht umfasste auch die ausschließliche Ermächtigung zum Empfang aller Schriftstücke (Zustellvollmacht), insbesondere jener der Abgabenbehörden.

Mit Notariatsakt vom Juli 2001 schenkte und übertrug B.M. ihren Gesellschaftsanteil an der EE-Ges mit allen Rechten und Pflichten in das Eigentum ihres Sohnes, des nunmehrigen Beschwerdeführers. Der Bf. nahm die Schenkung an und trat mit dem Datum der Unterfertigung der Urkunde in die Rechtsstellung seiner Mutter vollumfänglich ein, wobei der Verrechnungsstichtag für das Betriebsergebnis mit 31. Dezember 2001 festgelegt wurde. Der Bf. übernahm sohin mit 1. Jänner 2002 auch alle seine Mutter aus dem Gesellschaftsverhältnis treffenden Verpflichtungen und Verbindlichkeiten.

Mit Schreiben von Ende August 2005 hatte der Bf. dem Geschäftsführer der Stb-Kzl bekanntgegeben, dass er die Vertretungsverhältnisse mit der Stb-Kzl betreffend die EE-Ges, ihn als Einzelperson, sowie bezüglich einer anderen Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit sofortiger Wirkung kündige. Zudem ersuchte der Bf., diese Vollmachtskündigung dem zuständigen Finanzamt zur Kenntnis zu bringen.

Dessen ungeachtet wurden in der Folge sämtliche steuerlichen Agenden der EE-Ges von der Stb-Kzl abgewickelt, welcher vom Finanzamt auch die entsprechenden Bescheide zugestellt worden sind.

Der Bescheid über die Feststellung von Einkünften der EE-Ges für das Jahr 2010 vom 16. Mai 2014 ist der Stb-Kzl als Zustellbevollmächtigten am 18. Mai 2014 zugegangen und in der Folge in Rechtskraft erwachsen.

Der Feststellungsbescheid ist dann in der Folge auch an den Bf. weitergeleitet worden. Infolge einer der Stb-Kzl nicht bekannt gegebenen Änderung der Abgabestelle des Beschwerdeführers hatte dieser den Bescheid tatsächlich aber erst am 7. Juli 2014 übernommen.

Dieser festgestellte Sachverhalt ist im Hinblick auf die zu entscheidende Frage, ob der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid im Lichte der Bestimmung des § 252 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) ein Erfolg beschieden sein kann,

rechtlich wie folgt zu würdigen:

Gemäß § 252 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) kann ein Bescheid, dem Entscheidungen zugrunde liegen, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend wären.

Aus den §§ 185 ff BAO ergibt sich ein System von Grundlagenbescheiden und hievon abgeleiteten Bescheiden. Nach § 188 Abs. 1 lit. b BAO werden Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt, wenn an den Einkünften aus dieser Einkunftsart mehrere Personen beteiligt sind. Derartige Feststellungsbescheide sind im genannten System Grundlagenbescheide etwa für Einkommensteuerbescheide, die dann die abgeleiteten Bescheide im Sinne des § 252 Abs. 1 BAO darstellen (idS Ritz, BAO, Kommentar6, Tzln 1, 8 und 9)

§ 252 BAO schränkt nun das Beschwerderecht gegen abgeleitete Bescheide ein. Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen sollen nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht werden können. Werden sie im Rechtsmittel gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht, so ist die Bescheidbeschwerde diesbezüglich als unbegründet abzuweisen (Ritz, a.a.O., Tz 3, mit mehreren Judikaturhinweisen). Eine solche Abweisung setzt indes voraus, dass der Grundlagenbescheid dem Bescheidadressaten des abgeleiteten Bescheides gegenüber wirksam geworden ist (Erkenntnisse des VwGH vom 22. März 1983, 82/14/0210, und vom 21. April 2005, 2003/15/0022).

Die gegenständliche Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für 2010 als abgeleiteten Bescheid wäre demnach abzuweisen, wenn der Grundlagenbescheid, hier der Feststellungbescheid betreffend die Einkünfte der EE-Ges für 2010, dem Beschwerdeführer gegenüber wirksam geworden ist, was im Folgenden zu beurteilen ist.

Gemäß § 191 Abs. 3 lit. b BAO wirken Feststellungsbescheide nach § 188 BAO gegen alle, denen gemeinschaftliche Einkünfte zugerechnet werden. Dieser Feststellungsbescheid muss für seine Wirksamkeit denjenigen, gegenüber denen er ergeht bzw. wirken soll, zugestellt werden oder iSd § 101 abs. 3 BAO als zugestellt gelten (idS Ritz, a.a.O., Tz 20 zu § 188; VwGH vom 21. April 2005, 2003/15/0022).

Abgabenrechtliche Pflichten einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit sind von den zur Führung der Geschäfte bestellten Personen und, wenn solche nicht vorhanden sind, von den Gesellschaftern (Mitgliedern) zu erfüllen (§ 81 Abs. 1 BAO). Kommen zur Erfüllung der in Abs. 1 umschriebenen Pflichten mehrere Personen in Betracht, so haben diese hiefür eine Person aus ihrer Mitte oder einen gemeinsamen Bevollmächtigten der Abgabenbehörde gegenüber als vertretungsbefugte Person namhaft zu machen; diese Person gilt solange als zur Empfangnahme von Schriftstücken der Abgabenbehörde ermächtigt, als nicht eine andere Person als Zustellbevollmächtigter namhaft gemacht wird (Abs. 2 leg. cit.). Eine solche Person kann auch ein berufsmäßiger Parteienvertreter sein (Ritz, a.a.O., Tz 2 zu § 81).

Zur Geschäftsführung und Vertretung war nach den obigen Feststellungen zunächst einzig und allein G.GF. berechtigt und verpflichtet, was dem Finanzamt so auch bekannt gegeben worden war.

G.GF. war demnach im Lichte der Norm des § 81 Abs. 2 BAO auch allein zur Empfangnahme von Schriftstücken der Abgabenbehörde ermächtigt.

Diese Ermächtigung endete dann mit der Bevollmächtigung der Steuerberatungskanzlei Stb-Kzl durch die EE-Ges Ende September 2000, welche auch eine ausschließliche Zustellvollmacht umfasste.

Der dem gegenständlichen Einkommensteuerverfahren zugrundeliegende Feststellungsbescheid für das Jahr 2010 wurde ordnungsgemäß an die EE-Ges gerichtet und ist darin auch der Beschwerdeführer als Mitgesellschafter samt den ihm anteilig zugerechneten Einkünften angeführt. Der Bescheid enthält vor der Rechtsmittelbelehrung zudem noch einen Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 und 4 BAO.

§ 101 Abs. 3 BAO normiert nun, dass schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind, einer nach § 81 vertretungsbefugten Person zuzustellen sind. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.

Der Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010 ist der dafür bevollmächtigten Stb-Kzl am 18. Mai 2014 zugestellt worden. Da sämtliche Voraussetzungen erfüllt waren, erfolgte damit im Hinblick auf die Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO auch die Zustellung an den Beschwerdeführer in nicht zu beanstandender Weise. Als Rechtsfolge ist der Feststellungsbescheid dem Bf. gegenüber gemäß § 191 Abs. 3 BAO ordnungsgemäß wirksam geworden.

Eine Kündigung der Vollmacht der Stb-Kzl im Namen der EE-Ges hätte gültig nur durch die alleinige Geschäftsführerin und Vertretungsbefugte G.GF. erfolgen können. Die im August 2005 vom Bf. vorgenommene Kündigung der Bevollmächtigung der Stb-Kzl auch für die EE-Ges konnte demnach nicht wirksam erfolgen. Die Vollmacht der Stb-Kzl ist aktuell noch immer aufrecht und war dies somit auch im Mai 2014 der Fall.

Damit ist das Schicksal der gegenständlichen Beschwerde aber schon entschieden. Da der Feststellungsbescheid dem Beschwerdeführer gegenüber wirksam geworden ist, konnte der Einkommensteuerbescheid nicht erfolgreich mit der Begründung angefochten werden, die im Feststellungsbescheid getroffene Entscheidung, nämlich dem Bf. anteilige Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der dort genannten Höhe zuzurechnen, unzutreffend sei. Die, neben weiteren Eingaben, offenkundig vom Bf. selbst verfasste und von seiner steuerlichen Vertretung nur mit dem Stempelabdruck versehene Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Die in den Schriftsätzen ebenfalls beantragte Wiederaufnahme von Verfahren bzw. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte mangels Zuständigkeit vom Finanzgericht nicht vorgenommen werden.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof hatte zu erfolgen, da die Entscheidung über die Revision nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängen wird. Dies deshalb, weil die hier streitentscheidende Frage, ob die Zustellung des Grundlagenbescheides an den Beschwerdeführer wirksam erfolgt ist, auf Sachverhaltsebene zu überprüfen war. Die daran anknüpfende Rechtsfolge ist durch die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend geklärt.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Klagenfurt am Wörthersee, am 8. Mai 2020

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 81 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 3 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 101 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 252 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

abgeleiteter Bescheid, Grundlagenbescheid, Zustellfiktion, Zustellung

Stichworte