SV-Rückerstattung: ausländische, steuerbefreite Einkünfte sind zu berücksichtigen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100720.2019
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1******Bf1-Adr******StB*** über die Beschwerde vom 5. August 2019 gegen den Bescheid des ***FA*** vom 10. Juli 2019 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang und Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war vom 14.12.2017 bis 20.4.2018 an der Adresse A mit Nebenwohnsitz gemeldet. Er reichte am 6.6.2019 seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 elektronisch beim Finanzamt ein und erklärte darin, dass er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von einer bezugsauszahlenden Stelle erhalten habe. Bei den vorgelegten Verwaltungsakten befinden sich übermittelte Lohnzettel eines inländischen Arbeitgebers, denen zufolge der Beschwerdeführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von EUR 4.411,93 bezogen hat.
Über Aufforderung des Finanzamtes vom 9.7.2019 legte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 10.7.2019 Eine Bescheinigung EU/EWR (Formular E9) der belgischen Abgabenverwaltung (FOD Financien Fiscaliteit in BE-3600 Genk) vor, aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2018 seinen Wohnsitz in Belgien hatte und Einkünfte, die in Belgien der Besteuerung unterliegen, in Höhe von EUR 10.489,55 erzielt hat.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 10.7.2019 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für ein Einkommen von EUR 4.219,93 unter Berücksichtigung von steuerfreien Einkünften in Höhe von EUR 10.489,55 mit Null fest und wies eine dem Beschwerdeführer zustehende Abgabengutschrift in Höhe der anrechenbaren Lohnsteuer von EUR 152,- aus.
In seiner Beschwerde vom 5.8.2019 beantragte der Beschwerdeführer die Abänderung des Einkommensteuerbescheides dahin, dass EUR 400,- an Negativsteuer erstattet werden sollten. Er beantragte weiter, dass eine Beschwerdevorentscheidung unterbleiben solle. Begründend führte er aus, dass er von 1.1.-14.4.2018 in Österreich beschränkt steuerpflichtig gewesen sei. In diesem Zeitraum seien inländische Einkünfte von EUR 4.411,93 angefallen. Er habe in die unbeschränkte Steuerpflicht optiert. Der Veranlagungszeitraum sei mit dem Zeitraum der beschränkten Steuerpflicht in Österreich begrenzt, Einkünfte, die er nach dem 14.4.2018 im Ausland erzielt habe, dürften nicht für die Berechnung der Negativsteuer herangezogen werden.
Das Finanzamt legte die Beschwerde am 17.9.2019 dem Bundesfinanzgericht vor, beantragte die Abweisung der Beschwerde und brachte vor, dass die vom Beschwerdeführer im Ausland erzielten Einkünfte in Österreich steuerbar, jedoch steuerbefreit seien. Der Gesetzeszweck des § 33 Abs. 8 Z 4 EStG 1988 liege darin, dass Bezieher niedriger Einkommen profitieren sollten.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Der Beschwerdeführer war im Jahr 2018 in Belgien ansässig. Er hat in Österreich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. In Belgien hat der Beschwerdeführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von EUR 10.489,55 erzielt. Zwischen den Verfahrensparteien ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Option gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 in Österreich als unbeschränkt steuerpflichtig hinsichtlich seiner in Österreich erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit behandelt wird.
Gemäß § 2 Abs. 1 EStG 1988 ist der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen, dass der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Indem der Beschwerdeführer vorbringt, es handle sich beim Tatbestand "Einkünfte im Kalenderjahr zumindest zu 90 % der österreichischen Einkommensteuer unterliegend" lediglich um eine Antragsvoraussetzung, übersieht er, dass § 1 Abs. 4 EStG 1988 alternativ als (weitere) Bedingung vorsieht, dass die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11.000,- betragen. Der Gesetzgeber wollte unzweifelhaft auch Fälle wie den hier vorliegenden dahin regeln, dass der der Besteuerungszeitraum ein Kalenderjahr umfasst. Eine einschränkende Auslegung des § 2 Abs. 1 EStG 1988 im Sinn des Beschwerdevorbringens ist daher nicht geboten.
§ 33 Abs. 8 EStG 1988 lautet auszugsweise:
"1. Ergibt sich nach Abs. 1 und 2 eine Einkommensteuer unter null, ist insoweit der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zu erstatten.
2. Ergibt sich bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Verkehrsabsetzbetrag haben, nach Abs. 1 und 2 eine Einkommensteuer unter null, sind 50% der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 3 lit. a (ausgenommen Betriebsratsumlagen) und des § 16 Abs. 1 Z 4 und 5, höchstens aber 400 Euro jährlich rückzuerstatten (SV-Rückerstattung). …
3. Ergibt sich bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Pensionistenabsetzbetrag haben, nach Abs. 1 und 2 eine Einkommensteuer unter null, sind 75% der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 4, höchstens aber 300 Euro jährlich, rückzuerstatten (SV-Rückerstattung). Die Rückerstattung vermindert sich um steuerfreie Zulagen gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. f.
4. Auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreie Einkünfte sind für Zwecke der Berechnung der Einkommensteuer gemäß Z 1 bis 3 wie steuerpflichtige Einkünfte zu behandeln. Der Kinderabsetzbetrag gemäß Abs. 3 bleibt bei der Berechnung außer Ansatz.
5. Die Erstattung erfolgt im Wege der Veranlagung gemäß § 41 und ist mit der nach Abs. 1 und 2 berechneten Einkommensteuer unter null begrenzt."
Wie auch das Finanzamt ins Treffen führt, soll durch diese Bestimmungen die Bezieher niedriger Einkommen einen Vorteil zugewendet werden: "Nach Sinn und Zweck der Negativsteuer sollen davon die Bezieher niedriger Einkommen profitieren. Ist der Steuerpflichtige von einer Steuerbefreiung auf Grund zwischenstaatlicher Verträge oder anderer völkerrechtlicher Privilegien begünstigt, soll es nur insoweit zu einer Gutschrift kommen, als das Einkommen auch unter Berücksichtigung dieser steuerbefreiten Beträge unter der Besteuerungsgrenze bleibt." (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 848 der Beilagen XXII. Gesetzgebungsperiode). So steht auch die Intention des Gesetzgebers der vom Beschwerdeführer gewählten Auslegung des § 2 Abs. 1 EStG 1988 entgegen. Für Zwecke der Ermittlung der SV-Rückerstattung nach § 33 Abs. 8 EStG 1988 sind daher die in Österreich steuerbefreiten belgischen Einkünfte des Beschwerdeführers wie steuerpflichtige Einkünfte zu behandeln und bei der Berechnung zu berücksichtigen (vlg BFG 10.6.2020, RV/3100774/2019).
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die rechtliche Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht zu lösen.
Innsbruck, am 4. August 2020
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 2 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: |