BFG RV/2200030/2019

BFGRV/2200030/20192.7.2019

Keine Altlastenbeitragspflicht bei Bindung an rechtskräftige Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.2200030.2019

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerde-
sache A, Adresse1, vertreten durch V, Adresse2, über die Beschwerde vom 8. Dezember 2015 gegen den Kombinierten Bescheid der belangten Behörde Zollamt Graz vom 5. November 2015, Zahl: aaaa, betreffend den Spruchpunkt IV dieses Bescheides zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid (Spruchpunkt IV des Kombinierten Bescheides) wird ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Mit dem Kombiniertem Bescheid (Sammelbescheid) vom 5. November 2015, Zahl: aaaa, hat das Zollamt Graz (nachfolgend: Zollamt) für die A, Adresse1, als nunmehrige Beschwerdeführerin (kurz: Bf), vertreten durch V, Rechtsanwalt, Adresse2, nach Jahren getrennt (Spruchpunkte I bis IV) für die Jahre 2010 bis 2013 Altlastenbeiträge festgesetzt und Säumniszuschläge sowie Verspätungszuschläge ausgemessen.

Für das Jahr 2013 (Spruchpunkt IV des Sammelbescheides) hat das Zollamt für die Bf gemäß § 3 Abs. 1 Z 1, § 4 Z 2, § 6 Abs. 1 Z 2 und § 7 Abs. a Altlastensanierungsgesetz (AlSAG) , BGBl.. Nr. 299/1998 idgF, in Verbindung mit § 201 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3 Bundesabgabenordnung (BAO) den Altlastenbeitrag betreffend den Zeitraum erstes Quartal bis viertes Quartal 2013 für das Ablagern von 6.611 Tonnen Abfälle mit den dort genannten Abfallschlüsselnummern (kurz: AS) in der Höhe von € 575.157 festgesetzt, den Säumnis- und Verspätungszuschlag mit je € 11.5013,14 ausgemessen und der Bf den Gesamtbetrag zur Entrichtung aufgetragen.

Gegen den Sammelbescheid wendet sich die in offener Frist eingebrachte Beschwerde vom 8. Dezember 2015.

Das Zollamt hat über die Beschwerde mit seiner Beschwerdevorentscheidung (kurz: BVE) vom 29. März 2017, Zahl: bbbb, entschieden und die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.  

Gegen die BVE wendet sich der in offener Frist eingebrachte Vorlageantrag der Bf vom 18. April 2017.

Mit Beschluss vom 7. Juni 2018, GZ. cccc, hat das Bundesfinanzgericht (kurz: BFG) in der gegenständlichen Beschwerdesache gemäß § 271 Abs. 1 BAO die Entscheidung über die vorliegende(n) Beschwerde(n) gegen den Sammelbescheid des Zollamtes Graz vom 5. November 2015, Zahl: aaaa, bis zur Beendigung der nach § 10 AlSAG bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft (kurz: BH) Hartberg-Fürstenfeld beantragten Feststellungsverfahren (darin eingeschlossen ein jeweils ordentlicher Rechtszug) ausgesetzt.

Mit Antrag vom 20. Mai 2019 hat die Bf die Fortsetzung der Beschwerdeverfahren gemäß § 271 Abs. 3 BAO beantragt. Die Bf hat diesem Antrag 
- den Feststellungsbescheides der BH Hartberg-Fürstenfeld vom 29. April 2019 mit der GZ: dddd in Kopie;
- den Feststellungsbescheides der BH Hartberg-Fürstenfeld vom 29. April 2019 mit der GZ: eeee in Kopie und 
- das anonymisierte Erkenntnis des VwGH vom 27. März 2019, Ro 2019/13/0006-11 in Kopie
angeschlossen.

Mit dem Vertreter der Bf konnte das Einvernehmen dahingehen hergestellt werden, dass der Antrag vom 20. Mai 2019 lediglich den Bescheid (Spruchpunkt IV) betrifft, wie nur dieser entscheidungsreif ist, sodass die Bescheide (Spruchpunkte I bis III) des Sammelbescheides des Zollamtes vom 5. November 2011 unberührt bleiben und erst nach dem Einlangen der diesbezüglich beantragten Feststellungsbescheide gesondert erledigt werden.

Beweiswürdigung:

Der vorstehend angeführte Sachverhalt wird vom BFG in freier Würdigung als erwiesen angenommen. Der Sachverhalt ergibt sich für das BFG vor allem aus dem Inhalt der vom Zollamt vorgelegten Verwaltungsakten zum behördlichen und zum gerichtlichen Abgabenverfahren bzw. aus den Eingaben der Bf und des Zollamtes, die dem BFG im Rahmen des gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren vorgelegt wurden.

Rechtslage:

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen

Erwägungen:

Kombinierte Bescheide (Sammelbescheide) liegen dann vor, wenn eine Ausfertigung mehrere Bescheid umfasst. Dies ist zulässig. Es liegen hier mehrere, isoliert der Rechtskraft fähige Bescheide vor. Die essentiellen Spruchbestandteile sind gesondert angeführt. Werden in einem Schriftsatz mehrere Bescheide angefochten, so liegen rechtlich mehrere Bescheidbeschwerden vor (vgl. Ritz, BAO6, § 93, Rz 31; § 135 Rz 18; § 198 Rz 8, § 256 Rz 8 und die dort zitierte Judikatur des VwGH).

Im Gegenstand ist der Sammelbescheid eine Art formularmäßige Zusammenfassung der Bescheide (Spruchpunkte I bis IV) und der zugehörigen Verspätungs- und Säumniszuschlagsbescheide.

Die BH Hartberg-Fürstenfeld hat mit den von ihr erlassenen Feststellungsbescheiden vom 29. April 2019 ausgesprochen, dass
- die von der Bf in ihrer Betriebsanlage bis zu einjährige Lagerung zur Beseitigung und eine bis zu dreijährige Lagerung zur Verwertung
a) der dort erzeugten Abfälle mit den im Spruch genannten ASN
und
b) der im Zuge der Sammlung angefallen Abfälle mit den im Spruch genannten ASN (Feststellungsbescheid mit der GZ: dddd)
und
- die von der Bf im Zusammenhang mit der Sammlung stehende einjährige Lagerung zur Beseitigung und eine bis zu dreijährige Lagerung zur Verwertung der Abfälle mit den im Spruch genannten ASN (Feststellungsbescheid mit der GZ: eeee) 
jeweils auf den Grundstücken der Bf mit den Nummern xx und yy, je KG B, keine dem Altlastenbeitrag unterliegenden Tätigkeiten darstellen und nicht der Beitragspflicht nach dem Altlastensanierungsgesetz unterliegen.

Damit hat die BH Hartberg-Fürstenfeld festgestellt, dass die in Spruchpunkt IV des Sammelbescheides des Zollamtes angeführten Abfälle nicht der Beitragspflicht nach dem Altlastensanierungsgesetz unterliegen.   

Die BH Hartberg-Fürstenfeld hat sich in den Feststellungsbescheiden auf das Erkenntnis des VwGH vom 27. März 2019, Ro 2019/13/0006-11, bezogen, der in einem verstärkten Senat zur Rechtsfrage,
"ob - unter gewissen Umständen - auch das nicht mehr als einjährige Lagern von Abfällen zur Beseitigung und das nicht mehr als dreijährige Lagern von Abfällen zur Verwertung dem Altlastenbeitrag unterliegt",
im Wesentlichen zum Schluss gekommen ist, dass die Aussage des VwGH, dass bei Fehlen einer erforderlichen Bewilligung auch das kürzere, als das im Gesetz der Beitragspflicht unterworfene Lagern von Abfällen zur Verwertung, dem Altlastenbeitrag unterliegt, gewissermaßen auf die Rechtslage vor dem 1. Jänner 2006 zu reduzieren ist. 

Die Feststellungsbescheide der BH Hartberg-Fürstenfeld sind in Rechtskraft erwachsen und für das BFG bindend.

Die Bindung an eine Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes ist Ausdruck der Rechtskraft der Entscheidung. Sie erstreckt sich nur auf den Inhalt des Spruches. Bindungswirkung einer rechtskräftigen Entscheidung bedeutet Verbindlichkeit gegenüber Parteien und gegenüber Gerichten und Behörden. Gerichtliche Urteile und verwaltungsbehördliche Entscheidungen strahlen die Wirkung der Bindung in den Grenzen der materiellen Rechtskraft aus. Die objektiven Grenze ist dabei die durch die Verwaltungssache, durch den Streitgegenstand bestimmten Rechtskraft. Die subjektive Grenze der Rechtskraft ist dabei die Wirkung zwischen den Parteien des Verfahrens (vgl. Stoll, BAO Kommentar, § 116, S 1319; Ritz, BAO6, § 116 (vor allem Rz 6) und die dort zur Bindung zitierte Judikatur des VwGH).   

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung:
Die Bescheide (Spruchpunkte I bis III) des Sammelbescheides des Zollamtes vom 5. November 2011 und die diesbezügliche Aussetzung gemäß § 271 BAO bleiben unberührt. Sie werden vom BFG nach dem Einlangen der diesbezüglich beantragten Feststellungsbescheide gesondert erledigt werden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des BFG ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Weil das Erkenntnis im Hinblick auf einerseits die Frage des Vorliegens eines Kombinierten Bescheides und andererseits die Frage der Bindung an eine Entscheidung einer Verwaltungsbehörde im Einklang mit der vom BFG im Erkenntnis zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung steht, war die Revision als nicht zulässig zu erklären.

 

 

Graz, am 2. Juli 2019

 

Zusatzinformationen

Materie:

Zoll

betroffene Normen:

§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Altlastenbeitrag, Bindungswirkung, Sammelbescheid, Kombinierter Bescheid

Verweise:

VwGH 27.03.2019, Ro 2019/13/0006

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