Zurückweisung einer verspäteten Beschwerde
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100730.2022
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Niederlande, vertreten durch X-SteuerberatungsGmbH, betreffend die Beschwerde vom 22. Oktober 2021 gegen die zur Steuernummer ***BF1StNr1*** ergangenen Bescheide des ***FA*** vom 27. Mai 2021 betreffend Umsatzsteuer 2010 - 2019 beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
I. Der gegenständlichen Entscheidung liegt der nachfolgende Sachverhalt zugrunde, den das BFG aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Ermittlungen als erwiesen erachtet:
Die Beschwerde führende Miteigentumsgemeinschaft (MEG/Bf) ist seit 2010 zur Besteuerung einer Vermietungstätigkeit (Ferienwohnhaus) beim Finanzamt Österreich/Dienststelle XY (FA) erfasst.
Für die Jahre 2010-2019 waren zunächst vorläufige Bescheide gem. § 200 Abs. 1 BAO betreffend Umsatzsteuer (USt) und Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO (Feststellung) ergangen, weil eine Beurteilung der Vermietungstätigkeit als Einkunftsquelle noch nicht abschließend möglich war.
Am 27.Mai 2021 erließ das FA auf Basis des § 200 Abs. 2 BAO einerseits einen (händischen) Nichtfeststellungsbescheid gem. § 188 BAO als Sammelbescheid für 2010 - 2019 an die MEG und anderseits die verfahrensgegenständlichen USt-Bescheide 2010 - 2019, mit welchen die Einkunftsquelleneigenschaft der erklärten Vermietungstätigkeit aufgrund nunmehr feststehender steuerlicher Liebhaberei nach § 1 (2) Liebhabereiverordnung (LVO) nicht anerkannt bzw. die daraus erzielten Umsätze als unecht umsatzsteuerfrei beurteilt und der Vorsteuerabzug verwehrt wurde.
Sämtliche Bescheide vom 27.Mai 2021 waren an die beiden Miteigentümer zu Handen der zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertretung der MEG adressiert.
Am 26.Juni 2021 langte beim FA via FON-Zugang der Bf ein Fristverlängerungsanuchen zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Nichtfeststellungsbescheid für 2010 - 2019 vom 27.Mai 2021 ein. Begehrt wurde eine Erstreckung der Beschwerdefrist bis 31.Juli 2021. USt-Bescheide sind in dieser Eingabe nicht erwähnt.
Dem Antrag wurde vom FA ebenso stattgegeben, wie zwei nachfolgenden weiteren Fristverlängerungsansuchen mit im Wesentlichen vergleichbarem Text wie der Antrag vom 26.Juni 2021, die ebenfalls via FON-Zugang des Bf jeweils vor Ablauf der verlängerten Beschwerdefrist für den Nichtfeststellungsbescheid vom 27.Mai 2021 beim FA einlangten. Keiner der Anträge oder Erledigungen nimmt Bezug auf USt Bescheide.
Auch in den übrigen Vorlageunterlagen des FA und in den für das BFG einsehbaren abgabenbehördlichen Datenbanken sind keine Fristverlängerungsansuchen betreffend die Beschwerdefrist bezüglich der Umsatzsteuerbescheide vom 27.Mai 2021 dokumentiert.
Am 22.Okt.2021 brachte die steuerliche Vertretung der MEG via FON-Zugang "Beschwerde gegen die Nichtfeststellungsbescheide 2010-2019, datiert mit 27.05.2021, und der daraus abgeleiteten Umsatzsteuerbescheide 2010-2019" ein.
Nach einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom 3.August 2022 über die Beschwerde gegen die am 27.Mai 2021 ergangenen Nichtfeststellungs- und Umsatzsteuerbescheide 2010-2019, beantragte die Bf am 2.Sept. 2022 "Bezugnehmend auf die Beschwerdevorentscheidung vom 03.08.2022, eingelangt am 08.08.2022, betreffend der Beschwerde vom 22.10.2021 gegen die Nichtfeststellungsbescheide 2010-2019 sowie der Umsatzsteuerbescheide 2010-2019 vom 27.05.2021" die Vorlage zur Entscheidung an das BFG und Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Das FA beantragte die Abweisung des vorgelegten Rechtsmittels.
II. Die BAO sieht als Rechtsmittel gegen Bescheide der Abgabenbehörde, soweit hier von Interesse, das Einbringen einer Beschwerde vor (§ 243 BAO). Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat nach Bekanntgabe des betreffenden Bescheides an den Empfänger (§ 97 BAO). Bei Vorliegen einer Zustellungsvollmacht ist der Empfänger der Bevollmächtigte (§ 9 ZustellG). Die Beschwerdefrist ist auf Antrag von der Abgabenbehörde aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, zu verlängern. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt (§ 245 BAO). Amtswegige Verlängerungen der Beschwerdefrist sieht die BAO nicht vor.
Nach § 260 Abs. 1 lit. b BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (durch das FA) oder mit Beschluss (durch das BFG) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Gemäß § 270 Abs. 2 BAO hat jede Partei ihr Vorbringen so rechtzeitig und vollständig zu erstatten, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann.
III. Im Rechtsmittelverfahren gegen die zur StNr ***BF1StNr1*** ergangenen Bescheide des FA vom 27.Mai 2021 wurde nach dem Verfahrensergebnis Fristverlängerung lediglich in Bezug auf die Beschwerdefrist gegen den Nichtfeststellungsbescheid für 2010-2019 beantragt.
Hinsichtlich der USt-Bescheide vom 27.Mai 2021 wurde von der Bf im Verfahren weder ein Zustellmangel eingewendet, noch auf (eine) beantragte/gewährte Fristverlängerung(en) verwiesen. Auch das finanzgerichtliche Ermittlungsverfahren brachte keine Hinweise auf derartige Umstände hervor.
Das Beschwerdeverfahren gegen einen (Nicht)Feststellungsbescheid nach § 188 BAO ist verfahrensrechtlich vom Beschwerdeverfahren gegen den Umsatzsteuerbescheid zum selben Jahr völlig unabhängig.
Da jeder dieser Bescheide gesondert anfechtbar ist (§ 243 BAO), muss jede Beschwerde für sich den Formalerfordernissen der BAO für Rechtsbehelfe gegen Bescheide entsprechen. Zu den formellen Voraussetzungen einer zulässigen Beschwerde gehört die Wahrung der Beschwerdefrist (§ 245 BAO).
Ob der betreffende Bescheid ein "abgeleiteter Bescheid" ist oder nicht, macht insofern keinen Unterschied.
Auch Beschwerden gegen formell abgeleitete Bescheide müssen fristgerecht iSd § 245 BAO eingebracht werden. Eine verspätete Beschwerde gegen einen solchen Bescheid ist - unabhängig vom Vorliegen einer (gültigen) Beschwerde gegen den Grundlagenbescheid - zurückzuweisen.
Dass bei abgeleiteten Bescheiden auch eine Änderung im Wege anderer Verfahrenstitel in Frage kommt (z.B. § 295 BAO), bedarf an dieser Stelle keiner Erörterung, zumal ein solcher Bescheid nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens ist (vgl. VwGH 10.3.1983, 82/15/0055).
Ebenso ändert eine inhaltliche Auswirkung des Nichtfeststellungsbescheides vom 27.Mai 2021 auf die Umsatzbesteuerung der Vermietungstätigkeit der MEG nichts an der verfahrensrechtlichen Unabhängigkeit der hier zu beurteilenden Umsatzsteuerbescheide von der zum Ertragsteuerbereich ergangenen Bescheiderledigung.
Da die Verlängerung der Beschwerdefrist gegen den Nichtfeststellungsbescheid für 2010-2019 vom 27.Mai 2021 auf den Ablauf der Beschwerdefrist gegen die Umsatzsteuerbescheide 2010 - 2019 vom 27.Mai 2021 keine Auswirkung hatte, war die am 22. Okt. 2021 eingebrachte Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2010 - 2019 mangels wirksamer Verlängerung der Beschwerdefrist als verspätet zurückzuweisen.
Auf die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 274 Abs. 5 BAO aus verfahrensökonomischen Gründen verzichtet werden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im anhängigen Verfahren lagen die genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision nicht vor. Soweit nicht Sachverhaltsfragen maßgeblich waren, folgt die Entscheidung dem klaren Wortlaut der verwendeten gesetzlichen Bestimmungen. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren nicht strittig (vgl. VwGH 23.09.2014, Ro 2014/01/0033).
Graz, am 1. November 2022
Zusatzinformationen | |
|---|---|
Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
