Nachzahlungen aus Insolvenz des Arbeitgebers
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100626.2022
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Kanzlei Kiffmann KG Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Mariatroster Straße 36, 8043 Graz, über die Beschwerde vom 24. Mai 2011 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 19. April 2011 betreffend Einkommensteuer 2009 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf) bezog im Jahr 2009 unter anderem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und in Folge der Insolvenz seines Arbeitgebers (BB GmbH Nfg KG) Insolvenz-Entgelt von der Insolvenz-Entgelt-Fonds Service GmbH (IEF Service GmbH vormals IAF Service GmbH). Am 17.02.2011 brachte der Bf elektronisch seine Einkommensteuererklärung für das Beschwerdejahr 2009 ein.
Am 19.04.2011 erging durch das Finanzamt ein Einkommensteuerbescheid in welchem dem Bf ua Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in der Höhe von gesamt EUR 50.057,02 der IEF Service bzw. der IAF Service GmbH zugerechnet wurden. Dagegen erhob der Bf am 23.05.2011 fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) und begehrte die Versteuerung der Lohnzettel IEF Service GmbH und IAF Service GmbH mit steuerpflichtigen Bezügen von EUR 13.219,66 und EUR 36.837,36 in der Einkommenssteuererklärung 2010 zu erfassen, da der Zufluss dieser Beträge erst 2010 erfolgt sei.
Das Finanzamt erließ am 16.02.2012 eine Beschwerdevorentscheidung, in welcher die Beschwerde vom 23.05.2011 als unbegründet abgewiesen wurde.
Am 20.03.2012 beantragte der Bf die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) und begehrte die Zurechnung von EUR 36.937,36 an Insolvenz-Entgelt im Jahr 2010.
Die Beschwerde wurde dem BFG am 23.08.2022 zur Entscheidung vorgelegt.
Mittels schriftlichem Ersuchen des Gerichts vom 25.08.2022 an die IEF Service GmbH wurden dem Gericht die dem Insolvenz-Entgelt des Bf zugrundliegenden Bescheide übermittelt.
Die Zuerkennung der Leistungen aus dem IEF wurde aufgrund drei Teilbescheiden gewährt.
Mit Vorhalt vom 09.09.2022 an die IEF Service GmbH ersuchte das BFG um Auskunft hinsichtlich der ausbezahlten Kündigungsentschädigung, da der Bf diese über den Zeitraum von 3 Monaten hinaus bezogen hat und somit zu klären galt, ob es sich bei den Kündigungsentschädigungen um unbedingte und teilweise auch bedingte handelt. Auch wurden 2x Urlaubsersatzleistungen ausgezahlt und wurde dazu um weitere Informationen ersucht.
Mit Vorhaltsbeantwortung vom 12.09.2022 teilte die IEF Service GmbH folgendes mit:
"Die ersten drei Monate der Kündigungsentschädigung (27.11.2009 - 26.02.2010) sind als ein Block zu sehen und in jenem Jahr zu versteuern in dem der Austritt erfolgt ist. Hier also das Jahr 2009. Die restliche Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 27.02.2010 - 31.03.2010 ist eine sogenannte bedingte Kündigungsentschädigung und im Jahr 2010 zu versteuern.
Es wurde nur eine unbedingte Urlaubsersatzleistung ausbezahlt, jedoch wurde diese Leistung in 2 Teilbeträgen ausbezahlt. Diese ist aber auch im Austrittsjahr, also im Jahr 2009 zu versteuern."
Mit weiterem Schreiben vom 19.09.2022 wurde von der IEF Service GmbH ein neuer Jahreslohnzettel für 2009 sowie für 2010 übermittelt, da es der IEF Service GmbH aus
technischen Gründen nicht mehr möglich war, diese Lohnzettel elektronisch zu übermitteln.
Weiters wurden für beide Lohnzettel die Daten für das jeweilige Veranlagungsjahr übermittelt.
Dem steuerlichen Vertreter des Bf wurden diese Unterlagen mit Schreiben vom 30.01.2023 zur
Kenntnis gebracht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf war im Beschwerdejahr 2009 bei der Fa. BB GmbH Nfg KG nichtselbständig beschäftigt. Über das Vermögen der BB GmbH Nfg KG wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 19.11.2009 der Konkurs eröffnet. In weiterer Folge leistete die IEF Service GmbH (vormals IAF Service GmbH) Insolvenz-Entgelt-Zahlungen an den Bf.
Von der IAF Service GmbH wurde ein Lohnzettel gem. § 69 Abs 6 EStG 1988 in Höhe von EUR 36.837,36 sowie von der nunmehrigen IEF Service GmbH ein weiterer Lohnzettel in Höhe von EUR 13.219,66 an das Finanzamt übermittelt.
Beide Beträge wurden vom belangten Finanzamt der Einkommensteuer 2009 zu Grunde gelegt.
Die dem Insolvenz-Entgeltszahlungen zugrundeliegenden Bescheide wurden vorgelegt.
Teilbescheid 9/2935/10004/09 vom 22.01.2020
laufendes Entgelt 01.09.2009-31.10.2009 10.294,00
Weihnachtsremuneration 01.01.2009-19.11.2009 4.247,00
Teilbescheid 9/2935/10004a/09 vom 09.04.2010
Kündigungsentschädigung 27.11.2009-30.11.2009 854,00
Kündigungsentschädigung 01.12.2009-31.12.2009 6.408,00
Kündigungsentschädigung 01.01.2010-31.01.2010 6.725,00
Kündigungsentschädigung 01.02.2010-26.02.2010 5.829,00
Kündigungsentschädigung 27.02.2010-28.02.2010 864,00
Kündigungsentschädigung 01.03.2010-31.03.2010 6.217,00
Urlaubsersatzleistung 29 Arbeitstage 8.877,00
Teilbescheid 9/2935/10004b/09 27.05.2010
Laufendes Entgelt 20.11.2009-26.11.2009 1.201,00
Aufl ZA Guth 1h 01.08.2009-31.08.2009 42,00
Aufl ZA Guth 43h 01.10.2009-31.10.2009 2.121,00
Aufl ZA Guth 28h 01.11.2009-26.11.2009 1.214,00
Weihnachtsremuneration 20.11.2009-26.11.2009 76,00
Urlaubsersatzleistung 29 Arbeitstage 19,00
Zinsen 72,00
Anmeldegebühr 20,00
Anmeldekosten (TPI) 151,00
Mit Schreiben vom 19.09.2022 wurden dem BFG neue Jahreslohnzettel der IEF GmbH übermittelt, da die aufgrund der Teilbescheide ergangenen Lohnzettel nicht korrekt waren. Aus der beigefügten Aufstellung war ersichtlich, dass die ersten drei Monate der Kündigungsentschädigung (27.11.2009-26.02.2009) als ein Block zu sehen und 2009 zu versteuern ist, die restliche Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 27.02.2010-31.03.2010 ist im Jahr 2010 zu versteuern, da es sich um eine sogenannte bedingte Kündigungsentschädigung handelt. Die Urlaubsersatzleistung wurde in zwei Teilbeträgen ausgezahlt, wobei beide Beträge im Jahr 2009 zu versteuern sind.
Für das hier strittige Jahr wurde nachfolgender Lohnzettel übermittelt:
Kennzahl 210 Brutto | 60.907,27 | |
Bezüge gemäß § 67 Abs 1 u.2. EStG 1988 Kennzahl 220 | ||
Insgesamt einbeh. SV-Beiträge: | 6.384,46 | |
Abzügl. SV-Beitr. für KZ 220 | 1.276,89 | |
= Kennzahl 2 | 5.107,57 | |
Feste Sätze 67 Abs 3-8 | 12.181,45 | |
Steuerfreie Bezüge KZ 243 | 12.181,45 | |
ergibt Kennzahl 245 steuerpflichtige Bezüge | 43.618,25 | |
Einbehaltene Lohnsteuer insgesamt | 6.542,74 | |
Kennzahl 260 einbehaltene Lohnsteuer | 6.542,74 |
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Aktenteilen des Finanzamtes und des Beschwerdeführers sowie aus den von der IEF Service GmbH zum Akt genommenen neuen Jahreslohnzetteln 2009 und 2010.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
§ 19 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 99/2007 lautet auszugsweise wie folgt:
"(1) Einnahmen sind in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen. Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, sowie Nachzahlungen im Insolvenzverfahren gelten in dem Kalenderjahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht. Bezüge gemäß § 79 Abs. 2 gelten als im Vorjahr zugeflossen. Die Lohnsteuer ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung einzubehalten. Für das abgelaufene Kalenderjahr ist ein Lohnzettel gemäß § 84 an das Finanzamt zu übermitteln. Die Vorschriften über die Gewinnermittlung bleiben unberührt.
(2) Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben gilt Abs. 1 zweiter Satz. Die Vorschriften über die Gewinnermittlung bleiben unberührt.
3) …."
Für Nachzahlungen des Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF Service GmbH) besteht somit gemäß § 19 Abs 1 EStG 1988 die Sonderregelung, dass diese nicht im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses, sondern in dem Zeitpunkt, für den der Anspruch besteht, als Einkünfte zu erfassen sind ("Anspruchsprinzip"). Die Zurechnung dieser Nachzahlungen zu dem Jahr, für das der Anspruch besteht, gilt für Konkurse, die nach dem 31. Dezember 2005 eröffnet worden sind (§ 124b Z 130 EStG 1988 idF AbgÄG 2005; Doralt, EStG-Kommentar, § 19 Tz 30/3). Insolvenz-Entgelt nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz sind also dem Jahr zuzuordnen, für das der Anspruch besteht (vgl Peyerl in Jakom EStG 202114, § 19 Rz 26 "Insolvenz-Entgelt").
Die Sonderregelung des § 19 Abs 1 EStG 1988 will somit Bezüge den Zeiträumen zuordnen, in denen sie bei normalem Lauf der Dinge zugeflossen wären, wäre dem nicht im Insolvenzfall die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (Arbeitgebers) entgegengestanden (VwGH 19.09.2013, 2011/15/0185).
Für eine Kündigungsentschädigung, die den drei Monate übersteigenden Zeitraum betrifft ("bedingte" Kündigungsentschädigung) ergibt sich aus § 29 Abs 2 iVm § 15 AngG, das sie erst im jeweils betroffenen Monat zu leisten ist. Sie ist mangels materiell rechtlicher Fälligkeit nicht sofort durchsetzbar und fließt somit erst im jeweilig zu entlohnenden Kalendermonat zu. Die Fiktion des Zuflusses des § 19 Abs EStG 1988 gilt hier nicht (vgl VwGH 19.9.2013, 2011/15/0185).
Aufgrund der Teilbescheide und der Aufstellung zu den neuen Jahreslohnzetteln ist ersichtlich, dass es sich bei dem Teil der Kündigungsentschädigung, der die drei Monate übersteigt, um eine sogenannte "bedingte" Kündigungsentschädigung handelt, welche in jenem Jahre der Besteuerung zu unterwerfen ist, in dem sie anfällt.
Für den vorliegenden Fall bedeutet das:
Die im neuen Lohnzettel 2009 ausgewiesenen Beträge betreffen ausschließlich Bezüge der Insolvenz Entgelt Fonds Service GmbH, die auf Grund gesetzlicher Fiktion als im Jahr 2009 zugeflossen gelten und daher in diesem Jahr der Besteuerung zu unterziehen sind.
Lediglich für die bedingte Kündigungsentschädigung gilt diese Fiktion nicht. Diese ist daher nach der allgemeinen Regel des § 19 Abs 1 EStG 1988 im Zeitpunkt des Zuflusses zu versteuern, also im Jahr 2010.
Für die gegenständliche Beschwerde bedeutet dies, dass unbestrittener Weise - den Beschwerdezeitraum 2009 betreffend - Insolvenz-Entgelt von der IEF Service GmbH in der Höhe von EUR 43.618,25,- zur Auszahlung gelangte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen liegen im Beschwerdefall nicht vor, weil es im vorliegenden Fall um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geht. Die gegenständliche Rechtsfrage ist vielmehr klar aus dem Gesetz heraus lösbar. Außerdem weicht das gegenständliche Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des VwGH (vgl VwGH 19.09.2013, 2011/15/0185) ab.
Graz, am 3. Februar 2023
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 69 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | |
