Keine Vorsteuererstattung zulässig, wenn die Möglichkeit der Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung beim liefernden Unternehmer bestanden hätte
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100222.2022
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Lorenz E. Riegler, LL.M., Rechtsanwalt, Mariahilferstraße 124/14, 1070 Wien, über die Beschwerde vom 20. Dezember 2021 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 15. Dezember 2021 betreffend Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1-12/2021 Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit elektronischem Antrag vom 27.9.2021 beantragte der Beschwerdeführer (Bf.), der einen Autohandel in Deutschland betreibt, die Erstattung von Vorsteuerbeträgen aus dem Ankauf von Personenkraftwagen.
Die Vorsteuern wurden (vorerst) mit Bescheid vom 6.12.2021 in Höhe von 19.880 € erstattet.
Im wiederaufgenommenen Erstattungsverfahren wurde der Erstattungsbetrag mit Bescheid vom 15. Dezember 2021 mit Null festgesetzt. In seiner Begründung führt der angefochtene Bescheid aus, das Vorsteuererstattungsverfahren gemäß Artikel 5 der 8. MwSt.-Richtlinie der EU (Umsetzung durch die Verordnung BGBl. 279/1995) könne nicht auf steuerfreie Lieferungen von Gegenständen angewendet werden.
Da die Waren in Österreich erworben und nach Deutschland verbracht worden seien, handle es sich um steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen im Abholfall (gem. Art 7 UStG 1994). Daher könne eine Vorsteuererstattung nicht erfolgen.
Mit Schreiben vom 20. Dezember 2021, eingereicht mit Telefax, erhob der Bf. durch seine steuerliche Vertreterin - ohne weitere Ausführungen - gegen den vorhin erwähnten Bescheid Beschwerde.
Im Schriftsatz vom 28. Jänner 2022 führte der durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführer Folgendes aus:
" …
Der Beschwerdeführer handelt mit gebrauchten Autos. Er hat seinen Sitz in Deutschland und ist steuerlich registriert, wobei für seine unternehmerische Tätigkeit die UID Nummer DE29311xxxx verwendet wird.
Diese UID Nummer ist durchgehend gültig, alle steuerlichen Erfordernisse in Deutschland werden erfüllt.
Im Dezember des Jahres 2020 wurden jeweils von Firmen in Wien gebrauchte Kfz erworben. Die Bezug habenden drei Rechnungen der österreichischen Unternehmen werden hier nochmals als Beilagen 1-3 vorgelegt. Daraus ergibt sich eine Umsatzsteuer in der Höhe von insgesamt Euro 19.880.
Im Zuge der Rechnungslegung haben die österreichischen Firmen eine Abfrage der UID Nummer online bei der Europäischen Kommission (MIAS) vorgenommen, wobei unter der oben genannten UID Nummer leider keine Namens- und Adressdaten hinterlegt sind.
… (Screenshot)
Die Daten sind leider nach wie vor nicht hinterlegt. Aus diesem Grund haben die drei Unternehmen aus Österreich darauf bestanden, dass die Umsatzsteuer fakturiert und bezahlt wird.
Man hat sich darauf verständigt, dass der Beschwerdeführer dann im Nachhinein einen Antrag auf Rückerstattung dieser Vorsteuern stellen möge.
Beschwerdegründe:
Der Bescheid der belangten Behörde wird zur Gänze angefochten, weil der Beschwerdeführer in seinem Recht auf richtige Anwendung der Vorschriften über die Durchführung des Verwaltungsverfahrens und damit in seinem Recht verletzt werden, dass Vorsteuern rückerstattet werden, wenn die diesbezüglichen Voraussetzungen vorliegen. Dies ist hier der Fall.
Begründung
A) Inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides:
Ein Bescheid ist wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, wenn die dem Bescheidinhalt zugrundliegende Rechtsnorm falsch ausgelegt wurde (VwGH 11.06.1981, Zahl 3097/80). Der inhaltliche rechtswidrige Bescheid beruht sohin auf einer falschen Auslegung der Verwaltungsvorschriften, die die belangte Behörde auf den von ihr angenommenen Sachverhalt in Anwendung brachte (VwGH 16.11,1978, Zahl 2317/77).
Richtige Erledigung
Der Beschwerdeführer hat daraufhin beim Finanzamt Österreich den Antrag auf Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01-12/2020 gestellt. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Dezember 2021 zur Steuernummer 68 xxx/yyyy wurde diesem Antrag stattgegeben und wurden abziehbare Vorsteuern im Ausmaß von Euro 19.880 festgestellt.
Mit Verständigung vom 15. Dezember 2021 wurde aber mitgeteilt, dass das diesbezügliche Verfahren wieder aufgenommen worden sei. Es seien neue Tatsachen hervorgekommen.
Gleichzeitig hat die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid am 15. Dezember 2021 ausgefertigt, wobei dieser damit begründet wurde, dass das Vorsteuererstattungsverfahren nicht auf steuerfreie Lieferungen von Gegenständen angewendet werden könne.
Da die Waren in Österreich erworben und von Beschwerdeführer nach Deutschland gebracht worden seien, handle es sich um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Abholfall gemäß Art. 7 UStG 1994, sodass eine Vorsteuererstattung nicht erfolgen könne.
Dies trifft hier nicht zu. Eine derartige Lieferung im Abholfall liegt hier nicht vor.
Die belangte Behörde ist von falschen Annahmen ausgegangen.
Es ist davon auszugehen, dass die drei österreichischen Firmen die in den Rechnungen Beilagen 1-3 ausgewiesene Umsatzsteuer ordnungsgemäß verrechnet und an das Finanzamt abgeführt haben. Selbst dann, wenn eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Abholfall vorliegen würde, wäre die Umsatzsteuer wohl zu Unrecht an das Finanzamt abgeliefert worden, sodass der Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch darauf hat, diese im Rahmen eines Rückerstattungsverfahrens zurückzufordern.
Bereits aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
B) Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften:
Die belangte Behörde hat bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Anwendung sie zu einem anders lautenden - für den Beschwerdeführer günstigeren - Bescheid hätte kommen können.
Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens:
Das Ermittlungsverfahren ist jedenfalls mangelhaft durchgeführt worden. Die belangte Behörde hat es unterlassen, konkrete Ermittlungen durchzuführen und im Rahmen der Bescheiderlassung auch konkrete Feststellungen zu den einzelnen Lieferungen bzw. zu den für die Vorsteuererstattung angegebenen Leistungen festzustellen. Auch wurde offenbar nicht festgestellt, ob die offenbar zu Unrecht fakturierte Umsatzsteuer im Ausmaß von Euro 19.880 gemäß Beilagen 1-3 den dort genannten Firmen wieder gutgeschrieben wurde.
Die belangte Behörde hat das gegenständliche Verfahren daher mit Rechtswidrigkeit belastet.
Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens wäre die belangte Behörde daher zu einem anderen, für den Beschwerdeführer besseren Ergebnis gekommen, sodass die Vorsteuer zu erstatten gewesen wäre.
C) Anträge
Der Beschwerdeführer stellt daher die Anträge das Verwaltungsgericht möge
1. den angefochtenen Bescheid wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und inhaltlicher Rechtswidrigkeit zur Gänze aufheben und
2. über die Beschwerde nach Abschluss des Vorverfahrens gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durchführen und den Anträgen des Beschwerdeführers stattgegeben;
in eventu
3. den angefochtenen Bescheid aufheben und an die belangte Behörde zur Verfahrensergänzung zurückverweisen.
…"
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 10. Februar 2022 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In ihrer Begründung führte sie aus, da zum Zeitpunkt des Warenkaufes die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit (beide Unternehmer verfügten über eine aufrechte gültige UID-Nummer) gegeben wären, sei der Liefervorgang als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zu behandeln. Die Rechnungen seien vom Rechnungsaussteller zu berichtigen.
Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2022 überreichte der Bf. einen Vorlageantrag und beantragte die Beschwerde unter Verweis auf sein bisheriges Vorbringen dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Mit Vorlagebericht vom 17. März 2022 wurde die gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zu Entscheidung von der belangten Behörde (Finanzamt Österreich) vorgelegt und darauf hingewiesen, dass ihrer Ansicht nach die Warenlieferung als innergemeinschaftliche Lieferung zu behandeln sei, da zum Zeitpunkt der Lieferung beide Unternehmer über eine gültige UID-Nummer verfügten.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2024 wurde auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Zusammengefasst stellt sich der Sachverhalt so dar:
Der Bf. erwarb in Österreich von drei Unternehmern gebrauchte Kraftfahrzeuge des Unternehmensvermögens, die zum seinerzeitigen Vorsteuerabzug berechtigten und erhielt Rechnungen mit offenem Vorsteuerausweis. Auf den vom Bf. beigeschlossenen Rechnungen waren sowohl die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern (UIDNr.) der liefernden Unternehmer als auch des Bf. ausgewiesen.
Im Vorsteuererstattungverfahren beantragte der Bf. die Erstattung der bezahlten Vorsteuern, was von der belangten Behörde letztendlich abgelehnt wurde.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt kann in tatsächlicher Hinsicht als unstrittig angesehen werden und gründet sich auf die vorgelegten Rechnungen und den Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
3.1.1. Rechtsquellen
Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014
…
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014, ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne der § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) ausgeführt hat.
...
§ 3 (Erstattungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer)
Abs. 1: Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. Nr. L 44 S. 23) festgelegten Angaben enthält. Die Abgabenbehörde kann zusätzliche Informationen anfordern, welche auch die Einreichung des Originals oder einer Durchschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokumentes umfassen können. Diese Aufforderung kann auch mit E-Mail erfolgen. Die Zustellung des E-Mails gilt mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist.
Nach Art. 6 Abs. 1 UStG 1988 sind steuerfrei die innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7).
Art. 7 UStG 1988 Innergemeinschaftliche Lieferungen
Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
....
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar (Art. 7 Abs. 1 UStG 1994).
Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach dem UStG für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt (§ 11 Abs. 12 UStG 1994).
Gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1994 kann der Unternehmer Vorsteuerbeträge abziehen, die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Artikel 28 BMR Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
(1) Das Finanzamt hat Unternehmern im Sinne des § 2, die im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringen, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht oder zur Inanspruchnahme der Sonderregelung gemäß Art. 25a, eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu erteilen. Das Finanzamt hat Unternehmern, die ihre Umsätze ausschließlich gemäß § 22 versteuern oder die nur Umsätze ausführen, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen, auf Antrag eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu erteilen, wenn sie diese benötigen für
- innergemeinschaftliche Lieferungen,
- innergemeinschaftliche Erwerbe,
- im Inland ausgeführte steuerpflichtige sonstige Leistungen, für die sie als Leistungsempfänger die Steuer entsprechend Art. 196 der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung der Richtlinie 2008/8/EG schulden, oder für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführte steuerpflichtige sonstige Leistungen, für die gemäß Artikel 196 der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung der Richtlinie 2008/8/EG der Leistungsempfänger die Steuer schuldet.
Der zweite Satz gilt - soweit er sich auf innergemeinschaftliche Erwerbe bezieht - für juristische Personen, die nicht Unternehmer sind, entsprechend.
...
Bestätigungsverfahren
(2) Das Bundesministerium für Finanzen bestätigt dem Unternehmer im Sinne des § 2 auf Anfrage die Gültigkeit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie den Namen und die Anschrift der Person, der die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer von einem anderen Mitgliedstaat erteilt wurde. Die Übermittlung der Anfrage hat, soweit dies nicht mangels technischer Voraussetzungen unzumutbar ist, elektronisch zu erfolgen. Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung das Bestätigungsverfahren regeln.
(3) Anfragen und Bestätigungen über die Gültigkeit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sind von den Stempelgebühren befreit.
3.1.2. rechtliche Erwägungen
Die (EU-Vorsteuererstattungs-RL) gilt nicht für:
a) nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates der Erstattung fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge;
b) in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge für Lieferungen von Gegenständen, die gemäß Artikel 138 oder Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2006/112/EG von der Steuer befreit sind oder befreit werden können (Artikel 4 der RL des Rates vom 12.02.2008, RL 2008/9/EG ; vgl. dazu auch VwGH vom 19.12.2018, Ra 2017/15/0064, Rn 20).
Es ist den Ausführungen der belangten Behörde zuzustimmen, dass die Vorsteuererstattungsverordnung VO Nr. 279/1995 idgF auf Lieferungen von Gegenständen, die von der Steuer befreit sind oder nach Art. 6 iVm Art. 7 UStG 1994 befreit werden können, nicht anwendbar ist, wenn die gelieferten Gegenstände vom Erwerber oder für dessen Rechnung versandt oder befördert werden (Art. 171 Abs. 3 MwSt-RL 2006/112/EG iVm der 8. und der 13.RL bzw. Art. 4 RL 2008/9/EG mit Wirksamkeit ab 1.1.2010).
Für fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge sowie für in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für innergemeinschaftliche Lieferungen (igL), die steuerfrei sind oder von der Steuer befreit werden können, kommt das Erstattungsverfahren grundsätzlich nicht zur Anwendung.
Das bedeutet, dass sowohl bei Ausfuhren als auch bei igL, bei denen der Verkäufer die Waren an den Abnehmer liefert bzw. versendet, eine Erstattung von diesbezüglich in Rechnung gestellter Umsatzsteuer nicht vorgenommen werden kann, wenn die Lieferungen tatsächlich steuerfrei sind oder steuerfrei sein können.
Es ist demnach zu prüfen, ob trotz der Inrechnungstellung der Umsatzsteuer die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach Art. 7 UStG 1994 vorliegen oder nachträglich erbracht werden können.
Insofern ist auch ein strenger Maßstab im Vorsteuererstattungsverfahren anzulegen, da eine allfällige Berichtigung der vorgelegten Rechnungen bedeuten würde, dass die Umsatzsteuer doppelt erstattet wird.
Zudem hat es der Unternehmer zum Zeitpunkt des Einkaufs in der Hand, durch Auftreten unter seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer offenzulegen, dass er den Gegenstand für Zwecke seines Unternehmens erwirbt. Durch Aufnahme der igL in die Zusammenfassende Meldung seitens des Lieferers wird der Vorgang auch entsprechend im MIAS (Mehrwertsteuerinformationsaustauschsystem) erfasst und der entsprechende innergemeinschaftliche Erwerb im Unternehmensstaat sichergestellt. Bei solcherart gelagerten Fällen muss sich daher der Leistungsempfänger zunächst um eine Rechnungsberichtigung beim Rechnungsaussteller bemühen (vgl. Melhardt, ÖStZ 2009, 331), da ansonsten die Gefahr besteht, dass sowohl die Rechnung nachträglich berichtigt und die Vorsteuer (ein weiteres Mal) im Vorsteuererstattungsverfahren vergütet wird.
§ 12 UStG 1994 ist auch innerstaatlich einschränkend zu interpretieren.
In richtlinienkonformer Interpretation ist nämlich davon auszugehen, dass sich der Anspruch auf Vorsteuerabzug nicht auf eine Steuer erstreckt, die deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist (VwGH 25.2.1998, 97/14/0107 und VwGH 18.12.2013, 2009/13/0195 unter Hinweis auf EuGH 13.12.1989, Rs C-342/87 , "Genius Holding"; VwGH 19.12.2018, Ra 2017/15/0064, Rn 25: dies gilt auch für die Fälle der Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer).
Für alle fälschlich in Rechnung gestellten Mehrwertsteuerbeträge sowie für in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für innergemeinschaftliche Lieferungen (igL), die steuerfrei sind oder von der Steuer befreit werden können, kommt daher das Erstattungsverfahren grundsätzlich nicht zur Anwendung (so schon UFS 29.07.2013, RV/0441-G/12 und BFG 15.4.2014, RV/2100101/2013; BFG 20.3.2014, RV/2100539/2012; BFG 4.8.2016, RV 2100342 /2016; BFG 12.7.2016, RV/2100822/2016; BFG 28.11.2016, RV/2100464/2015; BFG 13.4.2018, RV/2101511/2016; BFG 13.8.2019, RV/2100614/2018; BFG 27.4.2020, RV/2100043/2020).
Hinsichtlich des Erwerbes der beschwerdegegenständlichen Fahrzeuge ist davon auszugehen, dass diese im Zuge der Lieferung nach Deutschland gebracht wurden, dort für das Unternehmen der Bf. angeschafft wurden und der Vorgang in Deutschland grundsätzlich erwerbsteuerpflichtig ist.
Ab 1.7.2011 hat jeder Unternehmer die UID-Abfrage verpflichtend über FinanzOnline durchzuführen. Nur soweit ihm dies mangels technischer Voraussetzungen (z.B. mangels Internetzugangs) unzumutbar ist, können Bestätigungsanfragen an das für den Unternehmer zuständige Finanzamt gerichtet werden (UStR 2000, Rz. 4352).
Daneben besteht aber auch die Möglichkeit einer elektronischen MIAS-Selbstabfrage bei der EU (http://ec.europa.eu/taxation_customs/vies ). Über die MIAS-Selbstabfrage bei der EU kann sowohl die einfache Bestätigungsanfrage "Stufe 1" als auch die qualifizierte Bestätigungsanfrage "Stufe 2" (siehe jedoch Rz 4356 und Rz 4358) online durchgeführt werden (UStR 2000, Rz. 4352a).
Sollte die qualifizierte Bestätigungsabfrage ("Stufe 2") über die MIAS-Selbstabfrage - aus welchen Gründen auch immer - nicht durchgeführt werden können, hätte der inländische Geschäftspartner eine solche Abfrage durch sein für die Veranlagung zur Umsatzsteuer zuständiges Finanzamt vornehmen können. Wie aus dem Beschwerdevorbringen zu erschließen, hat der Bf. im Nachhinein eine Selbstabfrage (für seine UID) über die MIAS-Abfragedatenbank der EU vorgenommen und dann lediglich darauf verwiesen, dass keine Adress- und Namensdaten hinterlegt seien. Somit hat sich der Bf. mit der mangelnden Bereitschaft seiner inländischen Geschäftspartner zufriedengegeben, sich nicht mit den Regeln des Binnenmarktes auseinander zu setzen und die steuerlichen Nachteile aufbürden lassen.
Im Rahmen von Finanz-Online kann von den teilnehmenden Parteien (von Unternehmern selbst bzw. von Parteienvertretern für durch sie vertretene österreichische Lieferanten) sowohl die einfache Bestätigungsanfrage "Stufe 1" als auch die qualifizierte Bestätigungsanfrage der "Stufe 2" (siehe jedoch UStR 2000, Rz 4356 und Rz 4358) Online durchgeführt werden (UStR 2000, Rz. 4353); in diesem Sinne darf auch auf die fast nahezu wortgleichen Ausführungen von Ruppe/Achatz, UStG5, Art. 28 BMR, Rz.16-19 verwiesen werden.
Damit wurde in der Rechnung die österreichische Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen. Im beschwerdegegenständlichen Fall hätte es der Bf. in der Hand gehabt, zum Zeitpunkt des Einkaufs unter ihrer UID-Nummer unter Hinweis auf die in Deutschland vorzunehmende Erwerbsbesteuerung aufzutreten (nach der Aktenlage verfügt sie über eine DE-UID-Nummer), und damit zu erkennen zu geben, dass er die Waren für ihr Unternehmen erwirbt und dem Lieferer wäre die Ausstellung einer Rechnung unter Hinweis auf die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen und die entsprechende Inanspruchnahme der Steuerfreiheit möglich gewesen. Dass der inländische Geschäftspartner auf der Vornahme der inländischen Umsatzbesteuerung bestanden hat, ist eher ein zivilrechtliches Problem, zumal dieser bei Vorliegen der oa. Voraussetzungen berechtigt ist, die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung in Anspruch zu nehmen. Er wäre auch berechtigt gewesen, nach Prüfung der UID-Nummer auf beiden Stufen, falls ihm dies auf Grund fehlender technischer Möglichkeiten bei Abschluss des Umsatzgeschäftes noch nicht möglich war, eine berichtigte Rechnung ausstellen und dem Bf. die im Kaufpreis enthaltene Umsatzsteuer zurück zu erstatten. Grundsätzlich kann - wie bereits die belangte Behörde ausgeführt hat - nur eine Korrektur der Rechnung und Rückzahlung des Steuerbetrages durch den Geschäftspartner zur Entlastung des Bf. führen. Die bloße Weigerung der Rechnungsausstellerin den Umsatz nachträglich als steuerbefreiten Umsatz zu qualifizieren, ist hier nicht weiter von Belang. Da die Lieferung im Beschwerdefall als innergemeinschaftliche Lieferung von der Steuer befreit werden kann, ist eine Erstattung dieser insoweit zu Unrecht in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 19.12.2018, Ra 2017/15/0064) nicht zulässig. Somit erscheint es nicht gerechtfertigt, die Vorsteuererstattung entgegen der Vorgaben des Unionsrechtes zuzulassen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Übrigen wird auf die oa. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.
Graz, am 5. März 2024
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 |
Verweise: | VwGH 19.12.2018, Ra 2017/15/0064 |