Ein unrichtig eingereichter Erstattungsantrag ist nicht als fristenwahrend anzusehen.
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100200.2019
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***1*** in der Beschwerdesache [...], [...], vertreten durch Markus Kühbandner, Innstraße 24, D-83022 Rosenheim, über die Beschwerde vom 12. Dezember 2018 gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 20. November 2018 betreffend Umsatzsteuer 01.2017-12.2017 Steuernummer 709/7790 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Antragsnummer DE 0000 0000 1307 1242 stellt die Beschwerdeführerin (Bf.) - eine in Deutschland ansässige Unternehmerin - für den im Spruch genannten Zeitraum den Antrag auf Erstattung von Vorsteuerbeträgen in einem anderen Mitgliedstaat. Der Antrag trägt das Datum 4.10.2018.
Mit angefochtenem Bescheid wurde der streitgegenständliche Antrag auf Erstattung der abziehbaren Vorsteuern gemäß der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 222/2009 zurückgewiesen, weil er verspätet eingebracht worden sei.
In ihrer rechtzeitig überreichten Beschwerde führte die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung aus, der Antrag sei am 28.9.2018 gestellt worden. Am 2.10.2018 erhielt sie eine Benachrichtigung des Bundeszentralamts für Steuern, dass der Antrag nicht zur Bearbeitung genommen worden sei. Nach Rücksprache mit dem Bundeszentralamt für Steuern sei der Antrag unter der Referenznummer DE 0000 0000 1294 4791 eines vorigen Antrages eines anderen Mandanten abgelehnt worden. Aus welchem Grund dies erfolgt sei, sei für sie nur mit einem Softwarefehler erklärbar.
Da sie erst am 2.10.2018 über diese Ablehnung informiert worden sei, sei es ihr nicht möglich gewesen, innerhalb der vorgegebenen Frist einen korrigierten Antrag einzureichen. Sie bitte daher diese außergewöhnlichen Umstände zu berücksichtigen und dem Antrag vom 4.10.2018 stattzugeben. Der Beschwerde war eine Abschrift des unter der Nummer DE 0000 0000 1294 4791 gestellten Antrages vom 28.9.2018 sowie ein Ausdruck der Verständigung des Bundeszentralamts vom 2.10.2018 angeschlossen.
Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abgewiesen, weil ein fehlerhaftes Befüllen des Erstattungsantrages das eine Übermittlung an den anderen Mitgliedstaat verhindert, nicht als fristgerechte Einreichung gelte. Des Weiteren sei die österreichische Finanzverwaltung von keinem technischen Problem vom Ansässigkeitsstaat informiert worden. Der in der Beschwerde erwähnte Softwarefehler werde ausgeschlossen.
In ihrem Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht verwies die Bf. auf ihre in der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdegründe.
In einer Antwortnote vom 12.6.2020 des Bundeszentralamts für Steuern auf eine hg. Anfrage des Bundesfinanzgerichts wurde mitgeteilt, dass der Antrag DE 0000 0000 1294 4791 in der Version 2018-09-28T11:08:15 als Berichtigung zum Antrag DE 0000 0000 1294 4791 in der Version 2018-09-28T15:55:54 gestellt worden sei. Vom Bevollmächtigten sei die gleiche Referenznummer (Berichtigung eines Antrages) unter Änderung des Antragstellers, der Antragssumme etc. verwendet worden. Technische Probleme oder ein Softwarefehler bei der Einreichung des Antrages seien dem Bundeszentralamt für Steuern nicht bekannt.
In der weiteren Folge wurden von Seiten des Bundesfinanzgerichts bzw. der belangten Behörde weitere Erhebungen gepflogen und dieses Ermittlungsergebnis der Bf. mit hg. Schreiben vom 22.6.2020 unter Auftragung einer Äußerung innerhalb von vier Wochen wie folgt mitgeteilt:
"Unter der Antragsnummer DE0000000012944791 wurde am 26.9.2018 ein Umsatzsteuererstattungsantrag für die ebenfalls von Ihnen vertretene Gr. GmbH The E. C. mit UID-Nr DE182221xyz in der Version 2018-09-26T15:55:54 (lt. BZSt) eingebracht. Dieser Antrag wurde auch in Österreich zur weiteren Bearbeitung übernommen.
Unter der vorhin erwähnten Antragsnummer wurde des Weiteren am 28.9.2018 in der Version 2018-09-28T11:08:15 ein berichtigter Antrag für den Vergütungszeitraum gestellt.
Allerdings wurde in diesem Antrag die Antragstellerin Gr.GmbH The E.C. mit UID-Nr. DE182221xyz durch die Antragstellerin A.L. mit UID DE210321xyz ersetzt. Daher wurde unter dieser Antragsnummer nicht der Erstattungsantrag selbst "berichtigt", sondern die Antragsteller in unzulässiger Weise ausgewechselt. Dieser "Korrekturantrag" wurde am 1.10.2018 von Deutschland nach Österreich übermittelt.
Mit Rückmeldung "according to the correction-application the applicant is not the applicant of the original application. Due to this inconsistence the Art. 18 Directive 2008/9/EC criteria are not fulfilled by MSEST" wurde dieser Antrag allerdings zurückgewiesen. Entsprechend der vom BZSt ausgesandten standardisierten E-Mail wurden Sie am 2.10.2018, 11:30 hievon verständigt, dass der Änderungs-/Korrekturantrag nicht zur Bearbeitung angenommen wurde.
Der gegenständliche Antrag mit Antragsnummer DE0000000013071242, A.L. mit UID-Nr. DE210321xyz wurde am 04.10.2018 eingebracht, was sich auch mit dem hier vorliegenden Aktenstand deckt.
Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes kann nach richterlicher Vorprüfung der von Ihnen rekurrierte Softwarefehler oder dergleichen nicht weiter verifiziert werden, sodass dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde voraussichtlich nicht nähergetreten werden kann."
Das hg. Schreiben wurde von der steuerlichen Vertretung am 25.6.2020 entgegengenommen. Weiters erfolgte per Mail eine Vorabverständigung über dieses Schreiben. Die Bf. nahm von einer weiteren Äußerung Abstand.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Im Beschwerdefall endete die Frist zur elektronischen Einbringung der Vorsteuererstattungsanträge für den Erstattungszeitraum 2017 am 30.9.2018. Nach der dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Aktenlage ist der elektronische Antrag auf Vorsteuererstattung am 4.10.2018 unter der Referenznummer DE0000000013071242 einbracht worden. Entsprechend durchgeführter Erhebungen wurde der unter der Referenznummer DE0000000012944791 für die G. GmbH The E.C. gestellte Antrag auf die Bf. umgeschrieben und als Korrekturantrag (der G.GmbH The E.C.) übermittelt. Der Bf. Vertreter hat somit den Antragsteller eines bestehenden Antrags ausgetauscht und somit einen Parteiwechsel vorgenommen, anstatt einen - wie nach der Erstattungsverordnung vorgesehen, einen entsprechenden Antrag für die Bf. zu stellen. Nachdem dieser Umstand durch die Verständigung des Bundeszentralamts für Steuern vom 2.10.2018 dem Bf. Vertreter offenbar doch aufgefallen war, wurde der strittige Antrag vom 4.10.2018 für die Bf. gestellt, der als verfristet zu werten war.
Die objektive Tatsache der verspäteten elektronischen Antragstellung liegt im vorliegenden Fall daher vor und bedingt eine Zurückweisung der Vorsteuererstattung wie dies im angefochtenen Bescheid geschehen ist.
Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus der oben dargestellten Aktenlage und den ergänzenden Erhebungen des Bundesfinanzgerichts.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen bei nicht im Inland ansässigen Unternehmern, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend vom § 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 sowie den §§ 12 und 20 UStG 1994 regeln.
Die dazu ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung abziehbarer Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 in der Fassung BGBl. II Nr. 158/2014 (in der Folge kurz: Erstattungsverordnung) legt in § 3 Abs. 1 fest, dass der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln hat.
Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen.
Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige festgelegten Angaben enthält.
Art. 8 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl.Nr. L 44 S. 23) lautet:
(1) Der Erstattungsantrag muss die folgenden Angaben enthalten:
a) Name und vollständige Anschrift des Antragstellers;
b) eine Adresse für die elektronische Kommunikation;
c) eine Beschreibung der Geschäftstätigkeit des Antragstellers, für die die Gegenstände und Dienstleistungen erworben werden;
d) der Erstattungszeitraum, auf den sich der Antrag bezieht;
e) eine Erklärung des Antragstellers, dass er während des Erstattungszeitraums keine Lieferungen von Gegenständen bewirkt und Dienstleistungen erbracht hat, die als im Mitgliedstaat der Erstattung bewirkt gelten, mit Ausnahme der Umsätze gemäß Artikel3 Buchstabe b Ziffern i und ii;
f) die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer oder Steuerregisternummer des Antragstellers;
g) seine Bankverbindung (inklusive IBAN und BlC).
(2) Neben den in Absatz 1 genannten Angaben sind in dem Erstattungsantrag für jeden Mitgliedstaat der Erstattung und für jede Rechnung oder jedes Einfuhrdokument folgende Angaben zu machen:
a) Name und vollständige Anschrift des Lieferers oder Dienstleistungserbringers;
b) außer im Falle der Einfuhr die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Lieferers oder Dienstleistungserbringers oder die ihm vom Mitgliedstaat der Erstattung zugeteilte Steuerregisternummer im Sinne der Artikel 239 und 240 der Richtlinie 2006/112/EG ;
c) außer im Falle der Einfuhr das Präfix des Mitgliedstaats der Erstattung im Sinne des Artikels 215 der Richtlinie 2006/112/EG ;
d) Datum und Nummer der Rechnung oder des Einfuhrdokuments;
e) Steuerbemessungsgrundlage und Mehrwertsteuerbetrag in der Währung des Mitgliedstaats der Erstattung;
f) gemäß Artikel 5 und Artikel 6 Absatz 2 berechneter Betrag der abziehbaren Mehrwertsteuerin der Währung des Mitgliedstaats der Erstattung;
g) gegebenenfalls der nach Artikel 6 berechnete und als Prozentsatz ausgedrückte Prorata-Satz des Vorsteuerabzugs;
h) Art der erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen aufgeschlüsselt nach den Kennzifferngemäß Artikel 9.
Art. 15 der Richtlinie 2008/9/EG lautet:
(1) Der Erstattungsantrag muss dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, spätestens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn der Antragsteller alle in den Artikeln 8, 9 und11 geforderten Angaben gemacht hat.
Nach dem Text der Erstattungsverordnung wird keinerlei Fristüberschreitung toleriert und die Verordnung enthält hinsichtlich der Frist keinen Ermessensspielraum. Es liegt hier eine gesetzliche bzw. eine durch eine Verordnung normiere Fallfrist vor (vgl. EuGH 21.6.2012, C-294/11 Elsacom NV).
Gemäß § 110 Abs. 1 BAO können gesetzlich festgelegte Fristen - wenn nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist - nicht geändert werden. Die Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 222/2009 sieht keine Möglichkeit zur Verlängerung der in § 3 Abs. 1 genannten Frist vor (VwGH 25.4.2002. 2000/15/0032).
Der von der Bf. ins Treffen geführte Grund eines Softwarefehlers konnte nach den hg. Erhebungen sowohl beim Bundeszentralamt für Steuern als auch beim Bundesminister für Finanzen nicht bestätigt werden. Dies kann im Vorsteuererstattungsverfahren keine Berücksichtigung finden, da § 3 der Verordnung ausschließlich auf die objektive Tatsache der Fristversäumnis abstellt, welche den Verlust des Anspruchs auf Erstattung der Vorsteuern bedingt (vgl. Haunold/Widhalm, Vorsteuererstattungsverfahren für ausländische Unternehmer, ÖStZ 1995, 235).
Auch die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen rechtfertigen keine andere Betrachtungsweise. Der österreichische Verordnungsgeber hat durch die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Änderung der Verordnung, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. II 222/2009, ausgegeben am 13. Juli 2009, die Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008, ABl. L 44/23, zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige, umgesetzt.
Um eine Erstattung von Mehrwertsteuer im Mitgliedstaat der Erstattung zu erhalten, muss der nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige einen elektronischen Erstattungsantrag an diesen Mitgliedstaat richten und diesen in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, über das von letzterem Mitgliedstaat eingerichtete elektronische Portal einreichen. Nach Artikel 15 der Richtlinie 2008/9/EG muss der Erstattungsantrag dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, spätestens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen.
Diese Bestimmungen sind für die Mitgliedstaaten verbindlich. Mit ihnen wäre es nicht vereinbar, wenn die Frist des § 3 Abs. 1 der Verordnung individuell verlängert werden (VwGH 25.04.2002, 2000/15/0032 zur insoweit vergleichbaren alten Rechtslage) bzw. ein verspätet eingereichter Antrag als rechtzeitig gewertet werden könnte (vgl. BFH 21.10.1999, V R 76/98 noch zur alten, hinsichtlich des Vorliegens von Fallfristen vergleichbaren Rechtslage).
Im Beschwerdefall ist der ordnungsgemäße Antrag erst am 4.10.2018, also nach Ablauf der Einreichfrist am 30.9.2018 bei der österreichischen Finanzverwaltung eingegangen. Er war daher als verspätet zurückzuweisen. Die Gründe, die zur Verspätung geführt haben, auch wenn sie auf einem Versehen beruhen, sind unbeachtlich.
Daher konnte der Beschwerde kein Erfolg beschieden werden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am 4. November 2020
[...]
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 21 Abs. 9 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise: | VwGH 25.04.2002, 2000/15/0032 |
