BFG RV/1100378/2017

BFGRV/1100378/201712.8.2020

Prüfung der Steuerpflicht einer von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt bezogenen Invalidenrente

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100378.2017

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 10. Juli 2017 gegen den Bescheid des ***FA*** vom 4. Juli 2017 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (im Folgenden abgekürzt Bf.) bezog im streitgegenständlichen Jahr neben in- und ausländischen Pensionen eine Invalidenrente von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt.

Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 vom 4. Juli 2017 behandelte das Finanzamt die Schweizer Invalidenrente als steuerpflichtigen Bezug. Begründend wurde auf das Erkenntnis des BFG vom 9. Februar 2016, RV/1100448/2012, verwiesen, wonach eine solche Rente deshalb nicht steuerfrei sei, weil sie sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nicht mit einer Versehrtenrente gemäß § 203 ASVG vergleichbar sei.

Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2017 wurde gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben und beantragt, die von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt erhaltene Invalidenrente als steuerfrei zu behandeln. Begründend führte der Bf. aus, er habe am 29. November 1988 nach der Mittagspause um 13:20 Uhr, unmittelbar vor der Fa. ***1***, ***2***, infolge eines Unfalls eine schwere Gehirnquetschung und eine Gehirnblutung erlitten. Sein seinerzeitiger Arbeitgeber habe den Unfall bemerkt und sei einer der Ersthelfer vor Ort gewesen. Der Unfall habe einen Verlust des Kurz- und Langzeitgedächtnisses bis zum heutigen Tag zur Folge gehabt.

Die Österreichische Versehrtenrente habe nach dem Willen des österreichischen Gesetzgebers einen derartig erlittenen Schaden auszugleichen. Die von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt erhaltene Invalidenrente solle nach dem Willen des Schweizer Gesetzgebers ebenfalls einen solchen erlittenen Schaden ausgleichen. Die angewandten Methoden zur Ermittlung des erforderlichen Schadensausgleiches seien in beiden Fällen geringfügig unterschiedlich, jedoch absolut "vergleichbar". Wesentlich sei der idente "vergleichbare" Wille des jeweiligen Gesetzgebers zum Schadensausgleich, also die gleiche Zielrichtung, die gleiche angestrebte Problemlösung und somit der gleiche beabsichtigte Zweck der Schadensermittlung und des Schadensausgleichs. Die dazu angewandte schweizerische Lösung des Schadensausgleichs sei mit der österreichischen Problemlösung trotz unterschiedlicher Vorgehensweise vergleichbar. Zudem lege der österreichische Gesetzgeber fest, dass der vom Ausland bezogene Schadensausgleich bis zur Höhe des in Österreich zustehenden Schadensausgleichs steuerfrei bleibe. Der Wille des österreichischen Gesetzgebers sei klar formuliert und ebenso klar erkennbar. Die österreichische Unfallversorgung wolle ebenso wie die schweizerische Unfallversorgung den Schaden ausgleichen. Der klare Wille des Gesetzgebers sei zu respektieren. Dies werde nötigenfalls auch das Höchstgericht bestätigen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 10. August 2017 wurde die Beschwerde mit der Begründung abgewiesen, gemäß § 3 Abs. 1 Z. 4 lit. c EStG 1988 seien Geldleistungen aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Beträge aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspreche, steuerfrei. Laut dem Erkenntnis des BFG vom 9. Februar 2016, RV/1100448/2012, seien jedoch die von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) ausgerichteten Unfallrenten nicht dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Beträge, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entsprechen würden. Allein aus dem Grund der unterschiedlichen Zweckbestimmung der einzelnen Geldleistungen seien die Leistungen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) und der SUVA nicht vergleichbar. Die österreichische Versehrtenrente knüpfe nach dem Prinzip der abstrakten Schadensberechnung an die Ermittlung der Minderung der Erwerbsunfähigkeit an, während in der Schweiz eine Invalidität erst dann anerkannt werde, wenn sich die gesundheitlichen Probleme auf die Erwerbsmöglichkeiten oder die Arbeitsfähigkeit im angestammten Aufgabenbereich auswirken würden. Während es sich bei der österreichischen Versehrtenrente um eine Ausgleichszahlung (Schadenersatzleistung) für die Kosten handle, die versehrte Arbeitnehmer durch einen Arbeitsunfall erleiden würden, wolle die schweizerische Unfallversorgung den Erwerbsausfall von verunfallten Arbeitnehmern abdecken. Durch die schweizerische Invalidenrente werde nicht primär ein individueller Schaden ersetzt, sondern der ausgefallene Verdienst. Solche Renten würden Ersatzeinkommen darstellen. Damit seien aber Invalidenrenten seitens der SUVA mit einer inländischen Versehrtenrente nicht vergleichbar und somit in Österreich als steuerpflichtiger Bezug zu behandeln. Abgesehen von obigen Unterschieden sei auch die Höhe einer SUVA-Rente dem Grunde nach mit der österreichischen AUVA Rente nicht vergleichbar.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag brachte der Bf. unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung ergänzend vor, die gegenwärtige Rechtspraxis des BFG scheine - im Widerspruch zum klaren Willen des Gesetzgebers - eine erkennbare Rechtsbeugung darzustellen. Die Argumentation, die österreichische Unfallrente knüpfe nach dem Prinzip der abstrakten Schadensberechnung an die Ermittlung der Minderung der Erwerbsunfähigkeit an, während in der Schweiz eine Invalidität erst dann anerkannt werde, wenn dadurch die Erwerbsmöglichkeiten eingeschränkt würden, sei gesetzwidrig und von budgetärer Begehrlichkeit geleitet. Das BFG lasse sogar eine (ordentliche) Revision an den VwGH nicht zu, der allerdings derzeit gleichlautend (rechtsbeugend) entscheide. Es handle sich um eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, da die Unfallrente in Österreich aufgrund einer Minderung der Erwerbstätigkeit gebühre, und ebenso auch in der Schweiz Personen Anspruch auf eine Versehrtenrente hätten, die nach Beurteilung durch medizinische Institute voraussichtlich bleibend oder für längere Zeit ganz oder teilweise erwerbsunfähig seien (medizinisch beurteilt Erschwernis, medizinisch beurteiltes Handikap). Das seien idente Voraussetzungen im Sinne des Gesetzgebers. Man könne nicht erwarten, dass eine ausländische Rentenberechnung der österreichischen gleiche. Jedenfalls widerspreche die in Frage stehende steuerliche Ungleichbehandlung den fundamentalen Rechtsgrundsätzen der EU, da damit die grenzüberschreitende Arbeitnehmerfreizügigkeit in Verbindung mit den bilateralen Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz ungerechtfertigt (und aus vordergründig budgetären Erwägungen) eingeschränkt werde, wobei gleichzeitig eine verwerfliche Diskriminierung ökonomisch wichtiger Devisenbringer in Kauf genommen werde.

Die gesetzliche Schweizer Versehrtenrente stelle letztendlich - wie auch die österreichische gesetzliche Unfallrente im Sinne des österreichischen Gesetzgebers - einen Schadenersatz für die durch den Arbeitsunfall erlittene bleibende persönliche Erschwernis bzw. für das dem Arbeitsunfall folgende, verbleibende leidvolle persönliche medizinisch geprüfte Handikap dar. Es sei zu hoffen und zu erwarten, dass in absehbarer Zeit (auch ohne Einschreiten der EU) die derzeitige unhaltbare, vordergründig gezielt rabulistisch gewollte Diskriminierung von im Ausland tätigen Personen beendet und wieder korrekt rechtsstaatlich und weisungsunabhängig dem klaren Willen des österreichischen Gesetzgebers entsprochen würde. Dies bedeute, dass die Schweizer Versehrtenrente zumindest in Höhe der fiktiven österreichischen Invalidenrente nicht besteuert werde. In Erwartung der Rückkehr zu rechtsstaatlich EU-konformen Prinzipien in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft, werde deshalb vorsorglich Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 eingelegt für den Fall einer künftigen Rückkehr zu rechtsstaatlicher und EU-konformen Rechtsprechung.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Bf. bezog im streitgegenständlichen Jahr neben einer inländischen Pension eine AHV-Altersrente aus der Schweiz in Höhe von 13.314,03 €, eine Pensionskassenrente (***3***) in Höhe von 13.814,87 € und eine Invalidenrente von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (kurz: SUVA; Hauptträger der Schweizer obligatorischen Unfallversicherung; öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit) in Höhe von 13.264,70 €.

Der Bf. war obligatorisch in der Schweizer Unfallversicherung versichert. Am 29. November 1988 erlitt er einen Arbeitsunfall, der eine schwere Gehirnquetschung und eine Gehirnblutung zur Folge hatte. Aufgrund dieses Unfalles wurde dem Bf. gemäß Verfügung der SUVA vom 13.5.1991 eine monatliche Rente von 852,00 CHF (versicherter Arbeitslohn 63.850,00 CHF x Ersatzrate 80% x 20% (Erwerbsunfähigkeitsgrad) dividiert durch 12 Monate) zugesprochen.

In den Jahren vor dem Streitjahr wurde die SUVA-Rente dem Grunde nach als steuerfrei gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 behandelt, der Höhe nach aber nur mit jenem Betrag steuerfrei gestellt, der nach österreichischem Recht gemäß §§ 203ff ASVG (Versehrtenrente) gewährt worden wäre (maximal Höchstbemessungsgrundlage des Jahres 1987/Ersatzrate 66,66%/Erwerbsunfähigkeitsgrad 20%/Valorisierung 2015: 6.279,43 €).

Im Streitjahr wurde die SUVA-Rente zur Gänze als steuerpflichtig behandelt.

Für diese Sachverhaltsfeststellungen stützt sich das BFG auf die seitens des Finanzamtes übermittelten Aktenteile.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist, ob die vom Bf. bezogene Invalidenrente der SUVA gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 von der Einkommensteuer befreit ist. Zusammengefasst vertritt der Bf. die Auffassung, dass die Invalidenrente von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt mit der Versehrtenrente aus der österreichischen Unfallversicherung vergleichbar und deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 dem Grunde nach als steuerfrei zu behandeln sei.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. d EStG 1988 stellen Bezüge aus einer ausländischen gesetzlichen Kranken- oder Unfallversorgung, die einer inländischen Kranken- oder Unfallversorgung entspricht, Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit dar.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 sind von der Einkommensteuer unter anderem Geldleistungen aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Beträge aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspricht, befreit.

Das BFG hat im Erkenntnis vom 9. Februar 2016, RV/1100448/2012, zur gegenständlichen Streitfrage Folgendes ausgeführt:

"§ 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 stellt darauf ab, dass die Geldleistungen aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung dem Grunde und der Höhe nach den Geldleistungen aus einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung gleichartig sind. Zur Prüfung der Gleichartigkeit ist die aus dem Ausland bezogene Geldleistung jener gegenüber zu stellen, die beim konkret gegebenen Sachverhalt aus einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung zu gewähren gewesen wäre (vgl. VwGH 28.6.2012, 2009/15/0069).

Inländische Versehrtenrente:

Die österreichische Unfallversicherung sorgt bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen neben der Unfallversorgung und Heilbehandlung auch für die Gewährung finanzieller Leistungen, wie die vom Bf. angesprochene Versehrtenrente. Gemäß § 203 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) besteht Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20 v.H. vermindert ist; die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H.

Gemäß § 205 Abs. 1 ASVG wird die Versehrtenrente nach dem Grad der durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit herbeigeführten Minderung der Erwerbsfähigkeit bemessen (die Höhe des Prozentsatzes wird in einem ärztlichen Gutachten festgestellt; die Unfallbegutachtung ist eine Funktionsbegutachtung, somit eine Begutachtung des Ausfalles von Körper- und Gliedmaßenfunktionen; die Aufgabe des Gutachters ist es, Funktionsstörungen und Funktionsausfälle in MdE-Grade umzusetzen; vgl. http://www.auva.at/portal27/portal/auvaportal/content/contentWindow?contentid=10007.671771&action=2; abgefragt am 8.2.2016).

Gemäß § 205 Abs. 2 Z 1 ASVG beträgt die Versehrtenrente, solange der Versehrte infolge des Arbeitsunfalles oder der Berufskrankheit völlig erwerbsunfähig ist, 66 2/3 % der Bemessungsgrundlage (Vollrente). Als Bemessungsgrundlage gilt in der Regel die Summe der Arbeitsverdienste im letzten Kalenderjahr vor Eintritt des Versicherungsfalles bis zur Höchstbeitragsgrundlage (vgl. http://www.auva.at/portal27/portal/auvaportal/content/contentWindow?&contentid=10008.544710&action=b&cacheability=PAGE; abgefragt am 3.2.2016).

Beispiel Rentenberechnung:

Minderung der Erwerbsfähigkeit: 25 %

Bemessungsgrundlage: 21.000,00 €; Vollrente: 2/3 der Bemessungsgrundlage: 14.000,00 € Teilrente: 25 % der Vollrente: 3.500,00 €: 14 = 250,00 € (vgl. http://www.auva.at/portal27/portal/auvaportal/content/contentWindow?contentid=10007.671206&action=2; abgefragt am 3.2.2016).

Gemäß § 209 Abs. 1 ASVG hat der Träger der Unfallversicherung die Versehrtenrente als vorläufige Rente zu gewähren, wenn die Versehrtenrente während der ersten zwei Jahre nach dem Eintritt des Versicherungsfalles wegen der noch nicht absehbaren Entwicklung der Folgen des Arbeitsunfalles oder der Berufskrankheit ihrer Höhe nach noch nicht als Dauerrente festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf des zweijährigen Zeitraumes ist die Versehrtenrente als Dauerrente festzustellen.

Die Versehrtenrente nach dem ASVG soll dem Ausgleich des durch die unfallbedingte Erwerbsminderung eintretenden Schadens dienen. Vor allem in der Bildung der Bemessungsgrundlage kommt zum Ausdruck, dass das Gesetz den eintretenden Verdienstentfall zwar anvisiert; die hier vorgenommene abstrakte Schadensberechnung bedeutet in Fällen leichterer Körperschäden allerdings meist nur den Ausgleich von Erschwernissen, künftigen Berufsunsicherheiten und des Verschleißes an körperlicher Substanz, weil Leichtversehrte in aller Regel voll weiterarbeiten und keinen Vermögensschaden erleiden (bei leichteren Körperschäden hat die Versehrtenrente auf Grund der abstrakten Schadensberechnung nicht selten den Charakter eines Zusatzeinkommens neben dem vollen Entgelt). Schwerversehrte erhalten demgegenüber wegen der Berechnungsformel und der Bemessungshöchstgrenze nicht einmal immer den tatsächlichen Verdienstentgang ersetzt (OGH vom 16. März 2004, 10 ObS 357/02a, m.w.N.). Die Versehrtenrente gebührt - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - somit auch dann, wenn ein Arbeitsunfall zu keinem konkreten Einkommensausfall führt. Bei Vorliegen der Voraussetzungen gebührt die Rente sohin auch neben einem ungeschmälerten Erwerbseinkommen oder dem Bezug einer Pension (vgl. Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes, 2.3.3.2.3.1., Müller, ASoK 2001, 382). Die gesetzliche Unfallversicherung behandelt die durch den Unfall hervorgerufene Erwerbsminderung sohin rein abstrakt. Sie wird daher nicht an Stelle einer durch den Arbeitsunfall konkret eingetretenen Schmälerung oder eines konkreten Ausfalles des Entgeltes gewährt. Auch im Extremfall, also wenn durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit die Erwerbsminderung 100 % beträgt, wird die Versehrtenrente aus der Unfallversicherung neben einer Pension wegen Berufs(Erwerbs-)unfähigkeit gewährt (vgl. VwGH 19.12.2006, 2004/15/0168).

Invalidenrente aus der Schweizer Unfallversorgung:

Nach Art. 1a des (Schweizer) Bundesgesetzes über die Unfallversicherung vom 20. März 1981 (UVG) sind alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in der Schweiz beschäftigt sind, obligatorisch in der Schweizer Unfallversicherung versichert. Die obligatorische Unfallversicherung ist eine Personenversicherung, welche sich mit den wirtschaftlichen Folgen von Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten befasst (Art. 6 UVG). Der Arbeitgeber schließt für seine Arbeitnehmer die Versicherung je nach Tätigkeitsbereich entweder bei der SUVA oder einer anderen Unfallversicherungsgesellschaft ab (vgl. http://www.bag.admin.ch/themen/versicherung/00321/00335/index.html?lang=de#sprungmarke0_3 ).

Wird der Versicherte infolge eines Unfalls zu mindestens 10% invalid, hat er Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG). Eine Invalidität unter zehn Prozent führt zu keinem Rentenanspruch. Der Versicherte hat somit im Invaliditätsfall nicht Anspruch auf eine Rente, die dem vollen Lohnausfall entspricht; er muss einen Teil der Einbuße selber tragen (vgl. http://www.batisec.ch/images/pdf/De/StoppGefahr/Hochbau/Wegleitung_der_Suva_durch_die_Unfallversicherung_D.pdf .; abgefragt am 29.1.2016).

Der Rentenanspruch entsteht, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmaßnahmen der Invalidenversicherung (IV) abgeschlossen sind. Der Anspruch erlischt mit der gänzlichen Abfindung, mit dem Auskauf der Rente oder dem Tod des Versicherten (Art. 19 Abs. 1 und 2 UVG).

Die Invalidenrente beträgt bei Vollinvalidität 80% des versicherten Verdienstes; bei Teilinvalidität wird sie entsprechend gekürzt (Art. 20 Abs. 1 UVG).

Renten werden nach dem versicherten Verdienst bemessen. Als versicherter Verdienst gilt für die Bemessung der Renten der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene Lohn (Art. 15 UVG).

Beispiel Rentenberechnung:

Jahresverdienst 54.000,00 CHF davon 80% = 43.200,00 CHF

Monatsrente bei einer Invalidität von 50 %: 50 % von 43.200,00 CHF = 21.600,00 CHF : 12 = 1.800,00 CHF

(vgl. https://extra.suva.ch/webshop/50/5032BBD74DA837E0E10080000A630358.pdf ; abgefragt am 29.1.2016).

Hat der Verunfallte zusätzlich zur Invalidenrente der Unfallversicherung Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung (IV) oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), so hat der Versicherte gegenüber dem UVG-Versicherer nur Anspruch auf eine sogenannte Komplementärrente. Diese entspricht der Differenz zwischen 90% des versicherten Verdienstes und der Rente der IV oder AHV, höchstens aber dem für die Voll- oder Teilinvalidität vorgesehenen Betrag (Art. 20 Abs. 2 UVG).

Gemäß Art. 16 des (Schweizer) Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) ist der Invaliditätsgrad aufgrund eines Einkommensvergleichs zu bestimmen. Dazu wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmaßnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (Invalideneinkommen) in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen). Der Einkommensvergleich hat in der Regel in der Weise zu erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmäßig möglichst genau ermittelt und einander gegenübergestellt werden. Aus der Einkommensdifferenz lässt sich dann der Invaliditätsgrad bestimmen. Berechnet wird das Valideneinkommen grundsätzlich anhand desjenigen Erwerbseinkommens, welches vor Eintritt der zur Invalidität führenden Gesundheitsschädigung erzielt wurde.

Beispiel:

Validen-Einkommen = erzielbarer Lohn ohne Einschränkungen

Invaliden-Einkommen = erzielbarer Lohn mit Einschränkungen

Herr A könnte ohne Einschränkungen verdienen: 80.000,00 CHF = 100,00%

Herr A könnte mit Einschränkungen verdienen: 50.000,00 CHF = 62,50%

Erwerbseinbuße: 30.000,00 CHF = 37.50% = Invaliditätsgrad

(vgl. http://www.coc-uvg.ch/userportal/KMU/uvg.html#UVG-Invalidenrente ; abgefragt am 29.1.2016).

Maßgebend ist, wie stark als Folge der gesundheitlichen Beeinträchtigung die Erwerbsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Die Gesundheitsschädigung an sich ist nicht maßgebend. Entscheidend sind allein deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten (Art. 7 und 8 ATSG). Nicht der eigentliche Gesundheitsschaden bestimmt den Invaliditätsgrad, sondern die dadurch entstandene finanzielle Einbuße durch Erwerbsunfähigkeit. Oder mit anderen Worten: Invalidität ist wirtschaftlich zu verstehen und nicht medizinisch (vgl. http://www.batisec.ch/images/pdf/De/StoppGefahr/Hochbau/Wegleitung_der_Suva_durch_die_Unfallversicherung_D.pdf ; abgefragt am 28.1.2016).

Ergebnis des Vergleiches:

Ungeachtet dessen, ob der im Jahre 1990 im Rahmen seiner Tätigkeit als Betriebsführer im (inländischen) landwirtschaftlichen Betrieb seiner Ehegattin erlittene Unfall in Österreich tatsächlich zu einer Leistung aus der gesetzlichen Unfallversorgung geführt hätte, gelangte das Bundesfinanzgericht zur Ansicht, dass die strittige Invalidenrente von der SUVA nicht mit der inländischen Versehrtenrente vergleichbar ist und deshalb nicht gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 steuerfrei belassen werden kann. Der vom Beschwerdeführer geforderte abstrakte Vergleich zwischen der Invalidenrente aus der Schweizer Unfallversicherung und der österreichischen Versehrtenrente erweist sich schon allein auf Grund der unterschiedlichen Zweckbestimmung der einzelnen Geldleistungen als nicht zielführend.

Die Versehrtenrente nach dem österreichischen Sozialversicherungsrecht knüpft nicht an einen konkret entstandenen Verdienstentgang an, sondern nach dem Prinzip der abstrakten Schadensberechnung an der Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit; es ist dort bedeutungslos, ob der Versicherungsfall tatsächlich zu einem Einkommensverlust geführt hat; die Versehrtenrente ist auch dann zu gewähren, wenn kein Lohnausfall entstanden ist oder sogar ein höheres Einkommen erzielt wird.

Wer in der Schweiz in erheblichem Maß gesundheitlich beeinträchtig ist, erfüllt die Voraussetzungen für eine Rente nicht immer, denn eine Invalidität wird erst anerkannt, wenn sich die gesundheitlichen Probleme auf die Erwerbsmöglichkeiten oder die Arbeitsfähigkeit im angestammten Aufgabenbereich auswirken (vgl. http://www.proinfirmis.ch/de/subseiten/behindert-was-tun/inhaltsverzeichnis/renten-und-ergaenzungsleistungen/invaliditaetsbegriff-und-invaliditaetsbemessung.html ; abgefragt am 8.2.2016). Die SUVA gewährt eine Invalidenrente nur bei bleibenden wirtschaftlichen Unfallfolgen.

Während es sich bei der österreichischen Versehrtenrente um eine Ausgleichszahlung (Schadensersatzleistung) für die Kosten handelt, die versehrte Arbeitnehmer durch einen Arbeitsunfall haben, will die Schweizer Unfallversorgung den Erwerbsausfall von verunfallten Arbeitnehmenden abdecken [vgl. http://www.weka.ch/themen/personal/sozialversicherungen/krankheit-unfall/article/obligatorische-unfallversicherung-vorsicht-vor-luecken-und-tuecken/ ; abgefragt am 28.1.2016). Schweizer Invalidenrenten aus der obligatorischen Unfallversorgung stellen ein Ersatzeinkommen dar. Durch die Invalidenrente wird nicht (primär) ein individueller Schaden ersetzt, sondern der ausgefallene Verdienst (vgl. https://www.ktipp.ch/artikel/d/das-aus-im-beruf/ ; abgefragt am 8.2.2106). Wie sich aus Art. 19 f UVG ergibt, stellen solche Renten Ersatzeinkommen dar (vgl. http://www.swissblawg.ch/2008/03/5a6312007-iv-renten-der-uv-beschrnkt.html ; abgefragt am 29.1.2016). Die obligatorische Unfallversicherung erbringt Invalidenrenten als Ersatz für den ausfallenden Verdienst (vgl. Wegleitung zur obligatorischen Unfallversicherung UVG)].

Damit ist die strittige Invalidenrente mit der inländischen Versehrtenrente aber nicht vergleichbar und war daher der Vorgehensweise des Finanzamtes, die strittige Schweizer Invalidenrente als steuerpflichtigen Bezug zu behandeln, zuzustimmen."

Die im zu beurteilenden Beschwerdefall zuständige Richterin des BFG teilt die zur gegenständlichen Streitfrage im obig wiedergegebenen Erkenntnis vom 9. Februar 2016, RV/1100448/2012, vertretene Rechtsmeinung, wonach mangels Vergleichbarkeit einer von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt bezogenen Invalidenrente mit einer aus der österreichischen Unfallversicherung bezogenen Versehrtenrente die Schweizer Invalidenrente gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988 nicht als steuerfrei zu behandeln, sondern zur Gänze als steuerpflichtig zu werten ist.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfrage, ob eine Invalidenrente von der Schweizer Unfallversicherung dem Grunde nach mit der inländischen Versehrtenrente vergleichbar ist, ist durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht geklärt. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher zulässig.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Feldkirch, am 12. August 2020

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. d EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Stichworte