Bilanz- und Fehlerberichtigung mit dem Ansatz von Zuschlägen im Wege der Berichtigung eines Feststellungsbescheides
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100016.2019
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom 29. März 2018 gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom 2. März 2018 betreffend Berichtigung des Bescheides über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2012 gemäß § 293b BAO zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin betreibt eine Squashanlage, bei der den einzelnen Spielern gegen Entgelt die Nutzung der Squashcourts eingeräumt und Duschanlagen und Umkleideräume zur Verfügung gestellt werden. Die erbrachten Leistungen beinhalten ferner die Aufsicht, die Verwaltung und die ständige Unterhaltung der Anlage, die Ausgabe von Münzen für das Licht in den Spielcourts sowie den Verleih, den Verkauf und die Reparatur von Squashzubehör.
Im Rahmen einer für die Jahre 2006 bis 2010 durchgeführten Betriebsprüfung wurde die umsatzsteuerliche Behandlung der je Stunde erzielten Umsätze strittig (Spielstundenumsätze).
Die Bf. hatte 4% der Umsätze dem Normalsteuersatz unterzogen und die restlichen 96% gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 steuerfrei belassen. Demgegenüber vertrat die Betriebsprüfung unter Berufung auf die Vorschriften der Mehrwertsteuersystemrichtlinie und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die Auffassung, dass die gesamten Umsätze dem Normalsteuersatz zu unterziehen seien.
Das Finanzamt folgte dieser Auffassung der Betriebsprüfung und setzte die diesbezüglichen Prüferfeststellungen in wiederaufgenommenen Einkommen- und Umsatzsteuerverfahren für die Jahre 2006 bis 2010 vom 12. Februar 2013 um. Umsatzsteuerlich führte diese Umsetzung zu einer Erhöhung der dem Normalsteuersatz unterliegenden Erlösen um 37.884,96 Euro im Jahr 2006, um 36.757,52 Euro im Jahr 2007, um 38.984,72 Euro im Jahr 2008, um 35.326,00 Euro im Jahr 2009 und um 44.878,80 Euro im Jahr 2010 sowie, aufgrund der Behandlung dieser Umsätze als steuerpflichtig, zu einer Berücksichtigung damit zusammenhängender Vorsteuern in Höhe von -652,19 Euro im Jahr 2006, -578,52 Euro im Jahr 2007, -398,57 Euro im Jahr 2008, -126,18 im Jahr 2009 und -296,26 im Jahr 2010.
Die damit bewirkten Umsatzsteuernachforderungen wurden in berichtigten Steuerbilanzen passiviert und verminderten so die zuvor erklärten Gewinne um -6.924,81 Euro im Jahr 2006, -6.770,58 Euro im Jahr 2007, -7.398,38 Euro im Jahr 2008, -6.939,02 Euro im Jahr 2009 und um -8.679,50 im Jahr 2010.
Die Beschwerdeführerin erhob nur gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerfahren und Umsatzsteuer 2006 bis 2010 Beschwerde.
Mit Beschwerdeentscheidung vom 27. April 2016, RV/1100391/2013, hob das Bundesfinanzgericht die Bescheide über die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2006 bis 2010 mangels Vorliegens neuer Tatsachen oder Beweismittel auf und erklärte die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2010 gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandlos.
Mit der Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide lebten die ursprünglichen Umsatzsteuererstbescheide 2006 bis 2010, in denen die Spielstundenerlöse steuerfrei behandelt worden waren, wieder auf. Die nach der Betriebsprüfung abgeänderten Einkünftefeststellungsbescheide hingegen, in denen die Gewinne um die Umsatzsteuernachforderungen vermindert worden waren, erwuchsen in Rechtskraft.
Damit bestand eine Diskrepanz zwischen den Umsatzsteuerbescheiden, in denen die Spielstundenumsätze unecht steuerfrei behandelt wurden, und den Einkünftefeststellungsbescheiden, in denen die inzwischen unwirksam gewordenen Umsatzsteuernachforderungen einkünftemindernd berücksichtigt wurden.
Für das Jahr 2010 behob das Finanzamt diese Diskrepanz durch eine Bescheidänderung gemäß § 295 Abs. 3 BAO, mit der die festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb um die vorgenommene Passivierung der unzulässig gewordenen Umsatzsteuernachforderung in Höhe von -8.679,50 Euro erhöht wurde.
Für die Jahre 2006 bis 2009 war eine solche Bescheidänderung nach Ansicht des Finanzamtes aufgrund des § 302 BAO bzw. der bereits eingetretenen Verjährung dieser Jahre nicht mehr möglich.
Das Finanzamt behalf sich zunächst damit, dass es eine Korrektur der gewinnmindernden Passivierungen 2006 bis 2009 in Höhe von insgesamt 28.032,79 Euro durch eine entsprechende Gewinnerhöhung im Rahmen der Feststellung der Einkünfte für das 2016 vornahm. Diese Korrektur wurde aber nach einer Beschwerde mit stattgebender Beschwerdevorentscheidung wieder zurückgenommen.
In der Folge berichtigte das Finanzamt den Bescheid über die Feststellung der Einkünfte 2012 gemäß § 188 BAO mit dem angefochtenen Bescheid und erhöhte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb von ursprünglich 59.124,89 Euro um 28.032,79 Euro auf 87.157,68 Euro. Zur Begründung führte es zusammengefasst aus:
§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF Abgabenänderungsgesetz 2012 gelte für Fehlerberichtigungen. Fehler aus verjährten Veranlagungszeiträumen seien im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum durch den Ansatz eines Zu- oder Abschlages mit steuerlicher Wirkung periodenübergreifend zu berichtigen. Die Bestimmung bezwecke, bei periodenübergreifenden Fehlern den richtigen Totalgewinn auch dann der Besteuerung zu Grunde zu legen, wenn dies sonst wegen des Eintritts der Verjährung nicht mehr möglich wäre. Die jeweilige Korrektur mit Zu- oder Abschlägen gelte als offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 293b BAO.
Die der Umsatzsteuer durch die Betriebsprüfung unterworfenen Entgelte seien auf der Ebene der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der Jahre 2006 bis 2009 in Höhe der daraus erwachsenden Zahllast passiviert worden. Der nachfolgenden Stattgabe der eingereichten Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht im Erkenntnis vom 27. April 2016, RV1100391 /2013, führe zwingend zur Korrektur der genannten Passivposten 2006 bis 2009 durch entsprechende Zuschläge, um den korrekten Totalgewinn herzustellen und einen unrichtigen Bilanzansatz durch einen richtigen zu ersetzen. Das erste noch nicht verjährte Jahr sei das Jahr 2012.
Nach dem Normzweck des § 293b BAO sei in der Regel dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit einzuräumen. Amtswegige Berichtigungen nach § 293b BAO seien grundsätzlich dann nicht zu verfügen, wenn die steuerlichen Auswirkungen bloß geringfügig seien. Gewinnänderungen in Höhe von 28.023,78 Euro seien keineswegs geringfügig.
Mit Schriftsatz vom 29. März 2018 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Steuervertretung gegen diesen Bescheid Beschwerde und stellten den Antrag, im Falle einer Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht möge dieses eine mündliche Verhandlung durchführen. Inhaltlich wandte die Steuervertretung ein, § 4 Abs. 2 Z 2 EStG regle die Fehlerberichtigung von nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprechenden Bilanzen. Mit dem Erkenntnis vom 27. April 2016, RV/1100391/2013, habe das Bundesfinanzgericht die Richtigkeit des Steuererklärungen der Jahre 2006 bis 2009 bestätigt. Daher seien auch die den Steuererklärungen zu Grunde liegenden Bilanzen korrekt. Es liege daher kein Anwendungsfall des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG vor.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 11. April 2018 ab. In der Begründung des Bescheides führte es aus, das Argument, das Bundesfinanzgericht habe bestätigt, dass die Steuererklärungen 2006 bis 2009 korrekt seien, sei unrichtig, denn das Bundesfinanzgericht habe allein über die Umsatzsteuer der Jahre 2006 bis 2010 abgesprochen. Buchhalterische oder bilanziellen Belange seien in dieser Entscheidung ohne Bedeutung gewesen. Die umsatzsteuerlichen Feststellungen der Betriebsprüfung hätten zu entsprechenden "Rückstellungen" in der jeweiligen einheitlichen Gewinnermittlung geführt, denen durch die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes allerdings die Grundlage entzogen worden sei.
Im Vorlageantrag vom 30.04.2018 erwiderte die Steuervertretung auf diese Ausführungen, im erwähnten Erkenntnis habe das Bundesfinanzgericht bestätigt, dass die in den Umsatzsteuerklärungen der Jahre 2006 bis 2010 erklärten steuerfreien Umsätze tatsächlich gemäß § 6 Abs. 1 Z 6 UStG unecht steuerfrei seien. Damit seien auch die entsprechenden Umsatzsteuerklärungen korrekt gewesen. Da eine Umsatzsteuererklärung aus der Buchhaltung und in weiterer Folge aus der Bilanz abgeleitet werde, müsse auch die Bilanz richtig gewesen sein. Die Behauptung des Finanzamtes, buchhalterische oder bilanzielle Belange entfalteten in jener Entscheidung keine Relevanz, sei falsch, da Buchhaltung und Bilanz die Grundlage jeder Umsatzsteuererklärung bildeten. Mit E-Mail habe die Steuervertretung um Mitteilung gebeten, welche konkreten Bilanzansätze nun falsch gewesen sein sollen. Eine Antwort habe sie bis dato nicht bekommen.
Am 24. Jänner 2019 legte das Finanzamt die Beschwerde samt den bezughabenden Akten dem Bundesfinanzgericht vor.
Am 05. Mai 2021 erklärte die Steuervertretung, den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückzunehmen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)
Strittig ist, ob die nach einer Betriebsprüfung in den Steuerbilanzen 2006 bis 2009 passivierten Umsatzsteuernachforderungen nach deren Wegfall durch die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide betreffend die Umsatzsteuer 2006 bis 2009 im Wege einer Berichtigung des Einkünftefeststellungsbescheides 2012 mit entsprechenden Zuschlägen in Höhe von insgesamt 28.032,79 Euro gewinnerhöhend aufgelöst werden konnten oder nicht.
Gesetzliche Grundlage für die Bilanzberichtigung und Fehlerberichtigung durch den Ansatz von Zu- oder Abschlägen bildet § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988. Dieser lautet:
§ 4 (2) 2. Entspricht die Vermögensübersicht nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung oder den zwingenden Vorschriften dieses Bundesgesetzes, ist sie zu beseitigen (Bilanzänderung). Kann ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden, gilt Folgendes:
- Zur Erreichung des richtigen Totalgewinns kann von Amts wegen oder auf Antrag eine Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- und Abschlägen vorgenommen werden.
- Die Fehlerberichtigung ist im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche Auswirkungen haben kann.
- Die Nichtberücksichtigung von Zu- und Abschlägen gilt als Bescheidberichtigung im Sinne des § 293b BAO.
Das System mit Zu- und Abschlägen nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG wurde mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl. I 2012/112, eingeführt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wird dazu ausgeführt: "In § 4 Abs. 2 EStG sollen die Grundsätze für die Bilanzberichtigung und Bilanzänderung klarer dargestellt werden. Darüber hinaus soll er um eine Bestimmung erweitert werden, die dem Grundsatz der Besteuerung des Totalgewinns in besonderem Maße Rechnung trägt: Es soll eine steuerwirksame Korrektur von Fehlern möglich werden, die ihre Wurzel in verjährten Zeiträumen haben und deren Folgewirkungen in noch nicht verjährte Veranlagungszeiträume hineinreichen. Damit soll eine steuerwirksame Berichtigung von Fehlern, die sich in mehreren Besteuerungsperioden auswirken, auch dann möglich sein, wenn ihrer Steuerwirksamkeit ausschließlich die eingetretene Verjährung entgegensteht."
Im Beschwerdefall steht fest, dass in den nach der Betriebsprüfung ergangenen rechtskräftigen Einkünftefeststellungsbescheiden 2006 bis 2010 aufgrund der Prüferfeststellungen Umsatzsteuernachforderungen gewinnmindernd berücksichtigt wurden, die diese Nachforderungen aussprechenden Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2010 vom 12. Februar 2013 durch eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes aber weggefallen sind. Die Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2010 waren aber grundlagenähnliche Bescheide für die Einkünftefeststellungsbescheide, d.h., die Passivierungen in den Steuerbilanzen erfolgten nur aufgrund dieser Umsatzsteuernachforderungen, waren von diesen somit abhängig. Mit dem Wegfall der Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2010 vom 12. Februar 2013 entfiel auch die Grundlage für die Passivierungen der Umsatzsteuernachforderungen.
1. Bilanzberichtigung
Eine Bilanzberichtigung ist vorzunehmen, wenn sie unrichtig ist. Unrichtig ist eine Bilanz, wenn sie nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchhaltung entspricht oder zwingenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes widerspricht.
Für die Frage der Unrichtigkeit vertritt der Verwaltungsgerichtshof den Grundsatz der subjektiven Unrichtigkeit, d.h. maßgebend ist der Erkenntnisstand des sorgfältigen Unternehmers im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung bezogen auf die am Bilanzstichtag objektiv bestehenden Verhältnisse (vgl. z.B. VwGH 18.11.2003, 2001/14/0050).
Allerdings betrifft dieser Grundsatz nur die tatsächlichen Umstände, nicht aber die Beurteilung der Rechtsfrage. Eine unzutreffende Rechtsansicht steht einer Berichtigung hingegen niemals entgegen (vgl. z.B. VwGH 27.1.2009, 2006/13/0062; so auch BFH 31.1.2013, GrS 1/10).
Die Bilanzberichtigungspflicht betrifft grundsätzlich alle Bilanzen, die unrichtig sind. Aufgrund der amtswegigen Ermittlungspflicht des § 115 BAO sind allfällige Gründe für eine Bilanzberichtigung nicht nur vom Steuerpflichtigen, sondern auch von der Abgabenbehörde wahrzunehmen. Stellt sich nachträglich, etwa im Zuge eines Rechtsmittelverfahrens, heraus, dass eine amtswegige Bilanzberichtigung zu Unrecht vorgenommen worden ist, ist diese rückgängig zu machen (vgl. VwGH 17.02.1993, 88/14/0097; Zorn/Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 4 Rz 139).
Das heißt, zu berichtigen ist nicht nur die unrichtige Bilanz, die der Abgabepflichtige zum Bilanzstichtag erstellt und beim Finanzamt eingereicht hat, sondern auch die von der Steuervertretung berichtigte Bilanz, wenn diese sich, u.U. auch erst nachträglich, als unrichtig erwiesen hat. Eine Bilanzberichtigung ist daher auch dann vorzunehmen, wenn durch die Rückgängigmachung einer Berichtigung die Ansätze in der ursprünglichen Bilanz wiederhergestellt werden.
Da im Beschwerdefall die Passivierung der Umsatzsteuernachforderungen aufgrund des Wegfalls der grundlegenden Umsatzsteuerbescheide unrichtig wurden, wurden auch die berichtigten Steuerbilanzen unrichtig und waren zwingend zu berichtigen.
Der Einwand der Steuervertretung, das Bundesfinanzgericht habe mit dem Erkenntnis RV/110039/2013 bestätigt, dass die in Rede stehenden Umsätze unecht steuerbefreit seien, weshalb auch die Umsatzsteuererklärungen und damit auch die Steuerbilanzen korrekt seien, ist nicht zielführend. Denn abgesehen davon, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27.11.2017, Ra 2016/15/0042, das erwähnte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes aufgehoben und die Spielstundenumsätze als steuerpflichtig beurteilt hat, geht es im Beschwerdefall nicht um die ursprünglich eingereichten Umsatzsteuerklärungen, sondern um die berichtigten Steuerbilanzen, die aufgrund des Wegfalls der grundlegenden Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2010 unrichtig wurden. Wie weiter oben ausgeführt, sind auch berichtigte Bilanzen zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind.
Somit waren im Beschwerdefall die Voraussetzungen für eine Bilanzberichtigung gegeben.
2. Fehlerberichtigung durch Zuschläge
Gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 ist die Fehlerberichtigung durch den Ansatz von Zu- oder Abschlägen vorzunehmen, wenn ein Fehler nur aufgrund der eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden kann.
Gemäß § 207 Abs. 1 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei den Verbrauchssteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetztes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre.
Die Bemessungsverjährung betrifft somit nur das Recht auf Festsetzung von Abgaben. Die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO ist hingegen keine Festsetzung von Abgaben und unterliegt daher nicht der Verjährung. Feststellungsbescheide können daher ohne Rücksicht auf die Verjährungsfristen erlassen werden (vgl. Ritz, BAO6, § 207 Rz 8, mit der dort zitierten hg. Rechtsprechung).
Beim Feststellungsverfahren ist ferner zu berücksichtigen, dass sich die steuerlichen Feststellungen erst in den abgeleiteten Bescheiden auswirken und auch nur dann, wenn die jeweiligen Abgabenverfahren nicht bereits verjährt sind. Dabei ist aber zu beachten, dass für jeden Gesellschafter die Verjährung der Abgabe in einem anderen Jahr eintreten kann.
Zorn/Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 4 Rz 156, vertreten daher die Auffassung, dass die Zu- und Abschläge nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG nicht im Feststellungsbescheid nach § 188 BAO zu erfassen, sondern nach den Verjährungsverhältnissen der einzelnen Gesellschafter in deren Einkommensteuerbescheid anzusetzen sind. Dem folgen auch Marschner in Jakom/Marschner, EStG 2002, § 4 Rz 222, und die Einkommensteuerrichtlinien in Rz 652l.
Das Bundesfinanzgericht schließt sich diesen Meinungen an. Daher wären in den (nichtverjährbaren) Feststellungsbescheiden 2006 bis 2009 die Gewinne nach der Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG festzustellen gewesen. Die Zuschläge für diese Jahre sind aber erst auf der Ebene der Gesellschafter in den ersten noch nicht verjährten Einkommensteuerscheiden anzusetzen. Für den Ansatz von Zuschlägen im Rahmen des Feststellungsverfahrens 2012 bestand daher kein Raum. Dementsprechend bestand auch keine gesetzliche Grundlage für eine Berichtigung des Einkünftefeststellungsbescheides 2012 gemäß § 293b BAO und war dieser aufzuheben.
Der angefochtene Bescheid wäre aber auch dann aufzuheben gewesen, wenn die Zuschläge bereits im Rahmen des Feststellungsverfahrens hätten angesetzt werden können, und zwar aus folgendem Grund:
Gemäß § 124b Z 225 EStG 1988 tritt § 4 Abs. 2 Z 2 EStG idF BGBl. I Nr. 112/2012 mit 1.1.2013 in Kraft und ist erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004 auf Fehler anzuwenden, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen.
Diese Inkrafttretensregel ist so zu verstehen, dass die Zu- oder Abschläge frühestens im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 2013 vorgenommen werden können, sofern dieses Jahr das älteste, nicht mehr verjährte Veranlagungsjahr ist, wobei die Zu- oder Abschläge Fehler ab dem Jahr 2003 betreffen können. Somit kann erstmals das Einkommen 2013 durch Zu-oder Abschläge nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG erhöht werden (vgl. Zorn/Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 4 Rz 167).
Für eine Berichtigung des Einkünftefeststellungsbescheides 2012 hat daher auch aus diesem Grund keine rechtliche Grundlage bestanden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Frage, ob Zu- oder Abschläge nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 schon im Rahmen der Feststellung von Einkünften angesetzt werden kann und wann § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1998 in Kraft getreten ist, besteht noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die (ordentliche) Revision ist daher zulässig.
Feldkirch, am 10. Mai 2021
Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 293b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | VwGH 18.11.2003, 2001/14/0050 |