BFH VI R 53/04

BFHVI R 53/0412.4.2007

Amtlicher Leitsatz:

  1. 1. § 3 Nr. 13 Satz 1 EStG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass nur Werbungskostenersatz steuerfrei ist (Bestätigung der Rechtsprechung im Urteil vom 27. Mai 1994 VI R 67/92, BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17).
  2. 2. Vergütungen nach § 11 und § 12 AUV sind nicht steuerfrei.

Klimabedingte Kleidung gibt es nicht steuerfrei

Zahlt ein Bundesministerium an seine im Auslandseinsatz tätigen Beamten eine Umzugskostenvergütung (zur Beschaffung klimabedingter Bekleidung und sonstiger Ausstattung), so ist diese Vergütung wie Arbeitslohn zu versteuern. Nur wenn der öffentlich Bedienstete die Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen könnte, wären die Zahlungen des Dienstherrn steuerfrei. Andernfalls würden die Beamten und öffentlichen Bediensteten "gegenüber normalen Steuerzahlern gleichheitswidrig privilegiert".

Quelle: Wolfgang Büser

Normen

§ 3 Nr. 13 S. 1 EStG
§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
§ 11 AUV
§ 12 AUV

FG Köln - 25.07.2004 - AZ: 2 K 2172/04

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob vom Arbeitgeber nach §§ 11 und 12 der Auslandsumzugskostenverordnung (AUV) geleistete Vergütungen gemäß § 3 Nr. 13 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind.

Das Bundesministerium X beließ die an seine Bediensteten im Rahmen von Auslandseinsätzen gewährten Umzugskostenvergütungen gemäß §§ 11 und 12 AUV im Streitjahr steuerfrei. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, dass diese Leistungen steuerpflichtig seien, und nahm X durch Haftungsbescheid in Anspruch.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1582 veröffentlichten Gründen statt und ließ die Revision zu.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt,

das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die durch X vertretene Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die Bundesrepublik Deutschland, beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Umzugskostenerstattungen sind steuerpflichtiger Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Sie sind nicht gemäß § 3 Nr. 13 Satz 1 EStG von der Steuer befreit.

1.

Zum Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn ist jeder mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumte geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Danach sind auch die von X gewährten Ausstattungsbeiträge und Beiträge zum Beschaffen klimabedingter Kleidung Arbeitslohn. Die Beiträge sind Teil der Besoldung, was ihren Entlohnungscharakter belegt. Sie werden daher entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers gewährt (vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. April 2006 VI R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691; vom 22. Juni 2006 VI R 21/05, BStBl II 2006, 915 betreffend die Überlassung bürgerlicher Kleidung durch den Arbeitgeber; s. auch BFH-Urteil vom 29. November 2006 VI R 3/04, BFH/NV 2007, 340).

2.

Die Umzugskostenvergütungen sind nicht nach § 3 Nr. 13 Satz 1 EStG steuerfrei.

Nach § 3 Nr. 13 Satz 1 EStG sind die aus öffentlichen Kassen gezahlten Reisekostenvergütungen, Umzugskostenvergütungen und Trennungsgelder grundsätzlich steuerfrei. Die Vorschrift ist allerdings nach der Rechtsprechung des BFH einschränkend dahin auszulegen, dass die Steuerfreiheit nur im Fall der Abgeltung eines Aufwands eintritt, der, wenn ihn der Arbeitnehmer selbst getragen hätte, als Werbungskosten abziehbar wäre (BFH-Urteil vom 27. Mai 1994 VI R 67/92, BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17). Für den Senat ist dabei die Erwägung maßgebend, dass Reise- und Umzugskostenvergütungen im privaten wie im öffentlichen Dienst nach den gleichen Regeln steuerfrei gestellt werden müssen. Die Nrn. 12, 13 und 16 des § 3 EStG dürfen hinsichtlich ihres Regelungsgehaltes nicht unterschiedlich ausgelegt werden. Dies erfordert das verfassungsrechtliche Gebot, wesentlich gleiche Tatbestände auch gleich zu behandeln, soweit nicht ein einleuchtender Grund für eine Differenzierung gegeben ist. Nach Auffassung des Senats liegt kein sachlicher Grund vor, der es rechtfertigen könnte, Reise- bzw. Umzugskostenvergütungen aus öffentlichen Kassen auch insoweit von der Besteuerung freizustellen, als sie den Aufwand im Sinne des Werbungskostenbegriffs übersteigen (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1996 VI R 71/93, BFH/NV 1997, 286; vgl. auch BFH-Urteile vom 30. Juni 1995 VI R 26/95, BFHE 178, 171, BStBl II 1995, 744; vom 27. April 2001 VI R 2/98, BFHE 195, 298, BStBl II 2001, 601).

Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Er sieht sich in dieser Auffassung durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. November 1998 2 BvL 10/95 (BStBl II 1999, 502) zu § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG bestätigt (vgl. dazu auch BFH-Entscheidungen vom 21. Oktober 1994 VI R 15/94, BFHE 175, 368, BStBl II 1995, 142; vom 21. September 2006 VI R 81/04, BStBl II 2007, 114; in BFH/NV 2007, 340; gl.A. von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 13 Rz B 13/26). Danach schafft die Bevorzugung der Empfänger von Zuwendungen aus einer Bundes- oder Landeskasse gemäß § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG im Vergleich zur Allgemeinheit der Einkommensteuerpflichtigen und zu den Empfängern von Zuwendungen aus anderen --insbesondere privaten-- Kassen ein gleichheitswidriges Steuerprivileg. Für das Verhältnis zwischen § 3 Nr. 13 und Nr. 16 EStG kann aus den im BFH-Urteil in BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17 genannten Erwägungen nichts anderes gelten.

3.

Die vom BFH vorgenommene verfassungskonforme Reduktion des § 3 Nr. 13 EStG ist möglich und deshalb geboten (vgl. dazu Beschluss des BVerfG vom 3. Juni 1992 2 BvR 1041/88, 78/89, BVerfGE 86, 288, 320). Sie verstößt entgegen der Auffassung der Vorinstanz weder gegen den Wortlaut der Vorschrift noch gegen den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers.

a)

Der Normtext der Vorschrift ist nicht in dem Sinne klar und unmissverständlich, dass nur eine einzige Deutung möglich wäre. Zwar enthält § 3 Nr. 13 EStG keine § 3 Nr. 16 EStG vergleichbare Einschränkung ("soweit sie die beruflich veranlassten Mehraufwendungen ... nicht übersteigen"). Dennoch bedarf es entgegen der Auffassung des FG nicht des "Hineinlesens des Werbungskostenbegriffs in den Tatbestand" der Vorschrift. Denn der Begriff Reise- bzw. Umzugskostenvergütung erlaubt es durchaus, die Vorschrift dahin auszulegen, dass nur solche Vergütungen steuerfrei sind, die Werbungskosten abgelten. Mit dem Wortlaut ist es zunächst vereinbar, den Begriff im leistungsrechtlichen Sinn zu verstehen. Danach sind Reise- bzw. Umzugskostenvergütungen die als solche bezeichneten Vergütungen, die dem Grunde und der Höhe nach unmittelbar nach Maßgabe der reisekostenrechtlichen Vorschriften des Bundes und der Länder gezahlt werden (R 14 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR--). Andererseits ist es möglich, das Merkmal "Vergütung" steuerrechtlich in der Weise zu interpretieren, dass Reise- bzw. Umzugskostenvergütung nur die Erstattung beruflich veranlassten Aufwands bedeutet (von Beckerath, a.a.O., EStG, § 3 Nr. 13 Rz B 13/56, 57).

b)

Nach der zitierten Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei den nach § 3 Nr. 13 und Nr. 16 EStG steuerfrei gestellten Arbeitgeberleistungen um Werbungskostenersatz. Ein solcher liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Aufwendungen als Lohnbestandteil ersetzt, die ihrer Natur nach Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 EStG sind. Aus Vereinfachungsgründen wird beim Werbungskostenersatz im Ergebnis eine Saldierung von steuerbaren Ersatzleistungen des Arbeitgebers mit Werbungskosten des Arbeitnehmers vorgenommen. Diese Behandlung der Befreiungsvorschriften als Werbungskostenersatz entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. dazu bereits BFH-Urteil vom 15. Oktober 1982 VI R 229/77, BFHE 136, 542, BStBl II 1983, 75; Drenseck, Finanz-Rundschau --FR-- 1989, 261). Das verdeutlicht vor allem der vom Gesetzgeber mit dem Steuerreformgesetz --StReformG-- 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl. I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) verfolgte Regelungszweck. Der Gesetzgeber wollte nämlich in diesem Zusammenhang mit der Erweiterung der Steuerfreiheit in § 3 Nr. 13 und Nr. 16 EStG gleichzeitig eine abschließende gesetzliche Regelung des steuerfreien Werbungskostenersatzes treffen (BTDrucks 11/2157, 137; Drenseck, FR 1989, 261; von Bornhaupt, Steuer und Wirtschaft 1990, 46; Offerhaus, Betriebsberater 1988, 1796). In der Folgezeit blieb der Gesetzgeber bei dieser Absicht. Mit der Ergänzung des § 3 EStG durch die Nrn. 30 bis 32 (Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten --StRG1990uaÄndG-- vom 30. Juni 1989, BGBl. I 1989, 1267, BStBl I 1989, 251) und Nr. 34 (Standortsicherungsgesetz --StandOG-- vom 13. September 1993, BGBl. I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774) erweiterte er lediglich den Katalog der in § 3 Nr. 13 und Nr. 16 EStG geregelten steuerfreien Werbungskosten-Ersatzleistungen. Denn in der Gesetzesbegründung zum StRG1990uaÄndG heißt es u.a.: "Mit der Ergänzung des § 3 EStG soll der Katalog der nach § 3 Nr. 13 und Nr. 16 steuerfreien Werbungskosten-Ersatzleistungen erweitert werden".

c)

Der Charakter von § 3 Nr. 13 EStG als Werbungskosten-Ersatzvorschrift hat, wie aufgezeigt, zur Folge, dass nur solche Aufwendungen steuerfrei ersetzt werden dürfen, die ihrer Natur nach Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 EStG sind. Der mit der Vorschrift verfolgte Vereinfachungszweck rechtfertigt ein gleichheitswidriges Steuerprivileg nicht. Ein solches wäre aber anzunehmen, wenn Reise- bzw. Umzugskostenvergütungen aus öffentlichen Kassen im Gegensatz zu solchen aus privaten Kassen auch insoweit von der Besteuerung freigestellt würden, als sie den Aufwand im Sinne des Werbungskostenbegriffs überstiegen. Der Vereinfachungszweck beschränkt sich allein darauf, dass bei der Nachprüfung, ob die Erstattung Erwerbsaufwendungen abdecken, nicht kleinlich verfahren und dem Empfänger ein ins Einzelne gehender Nachweis nicht zugemutet werden soll (BFH-Urteil in BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17).

4.

Nach diesen Grundsätzen kommt für die umstrittenen Umzugskostenvergütungen die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 13 Satz 1 EStG nicht in Betracht. Mit dem Beitrag zum Beschaffen klimabedingter Kleidung (§ 14 des Bundesumzugkostengesetzes --BUKG-- i.V.m. § 11 AUV) und zur Ausstattung (§ 14 BUKG i.V.m. § 12 AUV) wird kein Aufwand abgegolten, der den Werbungskostenbegriff erfüllt.

a)

Aufwendungen für umzugsbedingte Neuanschaffung von bürgerlicher Kleidung sind keine Werbungskosten. Auch bei der Bekleidung, die bei der ersten Verwendung an einem Auslandsdienstort mit einem vom mitteleuropäischen erheblich abweichenden Klima (vgl. § 11 Abs. 1 AUV) erforderlich ist, handelt es sich um bürgerliche Kleidung. Sie stellt keine typische Berufskleidung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG dar (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. November 1989 VI R 159/86, BFH/NV 1990, 288) und kann ihr, anders als die Klägerin meint, auch nicht gleichgestellt werden (BFH-Urteil in BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17).

b)

Gleiches trifft auf die Kosten für die Ausstattung zu. Denn der Ausstattungsbeitrag soll dem Berechtigten die Umstellung auf die sich aus seiner dienstlichen Stellung im Ausland ergebenden besonderen Anforderungen hinsichtlich der Wohnung und Kleidung erleichtern. Entsprechende Aufwendungen des Arbeitnehmers wären nicht als Werbungskosten abziehbar.

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