BFH V R 7/04

BFHV R 7/046.10.2005

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG
§ 15 Abs. 1 UStG
FG Saarland - 15.07.2003 - AZ.: 1 K 230/01

 

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde am 23. September 1998 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gegründet. Gesellschaftszweck ist die Beteiligung an anderen Unternehmen. Mit Kaufverträgen vom 22. und 29. Oktober 1998 erwarb sie von der A-GmbH, die in verschiedenen Städten Filialen unterhielt, das der A-GmbH gehörende Sachanlagevermögen zum Preis von 536 600 DM zzgl. 85 856 DM Mehrwertsteuer.

Die Klägerin brachte das auf diese Weise erworbene Anlagevermögen im Wege der Sacheinlage gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten in insgesamt sechs neu gegründete GmbHs ein, an denen sie zu 75 v.H. bzw. 100 v.H. beteiligt war. Hierüber erteilte die Klägerin den jeweiligen GmbHs Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1998 erfasste die Klägerin diese Einbringungen als steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen. Die erklärten Vorsteuerbeträge von 86 064,03 DM beruhten bis auf einen Betrag von 208,10 DM, der die Gründung der Klägerin betraf, auf dem Ankauf des beweglichen Anlagevermögens.

Am 9. Dezember 1998 traf die Klägerin mit drei Gesellschaften der A-Gruppe eine Vereinbarung, wonach sie künftig für diese Gesellschaften verschiedene Leistungen (Finanz- und Lohnbuchhaltung, betriebswirtschaftliche Beratung, Ausübung der Geschäftsführung) erbringen sollte.

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) der Klägerin den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Sachanlagevermögens, weil sie frühestens seit Ende 1999, dem Zeitpunkt der erstmaligen Erbringung von Leistungen auf Grund der Vereinbarung vom 9. Dezember 1998, als Unternehmerin anzusehen sei. Die von ihr ausgestellten Rechnungen über die Einbringung des Sachanlagevermögens behandelte das FA als gemäß § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) unberechtigten Ausweis der Umsatzsteuer.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2003, 1502 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, sie habe bereits im Zeitpunkt des Erwerbs des Anlagevermögens beabsichtigt, dieses in ihre Tochtergesellschaften einzubringen und selbst als geschäftsleitende Holding tätig zu werden. Dabei habe sie von vornherein die ernsthafte Absicht gehabt, entgeltliche Leistungen an ihre Tochtergesellschaften zu erbringen. Dass sie anfangs tatsächlich unentgeltlich tätig geworden sei, sei insoweit unschädlich und damit zu erklären, dass ihre Unternehmensstruktur erst im Aufbau befindlich gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG des Saarlandes vom 15. Juli 2003 aufzuheben und die Umsatzsteuer 1998 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 1998 vom 29. August 2000 und der Einspruchsentscheidung vom 10. August 2001 auf ./. 208,10 DM festzusetzen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Festsetzung der Steuer (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Der Klägerin steht der von ihr geltend gemachte Vorsteuerabzug zu. Nach § 15 Abs. 1 UStG kann der Unternehmer u.a. die in Rechnungen gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

a)

Unternehmer ist grundsätzlich, wer nachhaltig Leistungen gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausführt. Bei der Überprüfung der Nachhaltigkeit ist eine Reihe verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für und gegen die Nachhaltigkeit der (beabsichtigten) Einnahmeerzielung sprechen können. Für den Einzelfall ist auf Grund des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Dezember 1996 V R 23/93, BFHE 182, 388, BStBl II 1997, 368; vom 18. Juli 1991 V R 86/87, BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776; BFH-Beschluss vom 13. November 2003 V B 121/02, BFH/NV 2004, 540, m.w.N.). Nach Art. 4 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG muss eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werden. Das Unternehmen umfasst dabei die gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 UStG).

b)

Das FG hat für die Beurteilung der Unternehmereigenschaft der Klägerin zu Unrecht allein auf die im Vertrag vom 9. Dezember 1998 vereinbarten Leistungen und darauf abgestellt, dass die Klägerin diese zunächst unentgeltlich erbringen wollte. Auf die spätere Geschäftsleitungstätigkeit kommt es vorliegend jedoch nicht an, denn die Klägerin ist bereits auf Grund der Einbringung des Sachanlagevermögens in sechs neugegründete GmbHs gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten Unternehmerin i.S. des § 2 Abs. 1 UStG. Offen bleiben kann deshalb, ob hinreichende objektive Anhaltspunkte für die Absicht der Klägerin, eine wirtschaftliche Tätigkeit als geschäftsführende Holding aufzunehmen, vorliegen, und ob der Annahme ihrer Unternehmereigenschaft entgegensteht, dass die Klägerin für ihre Tochtergesellschaften zunächst unentgeltlich tätig geworden ist.

Die Klägerin hat durch Einbringung von Teilen ihres von der A-GmbH erworbenen Sachanlagevermögens in sechs neu gegründete GmbHs nachhaltig entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbracht.

Auch die Sacheinlage eines Gesellschafters in die Gesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen vollzieht sich im Rahmen eines steuerbaren Leistungsaustausches (BFH-Urteil vom 13. November 2003 V R 79/01, BFH/NV 2004, 685, zu II.2.c aa, m.w.N.). Nach den oben zu a) wieder gegebenen Grundsätzen handelte die Klägerin nachhaltig, weil das Sachanlagevermögen in insgesamt sechs Gesellschaften eingebracht worden ist und zudem eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hatte. Diese Beurteilung steht nicht im Widerspruch zum Urteil des Senats vom 15. Januar 1987 V R 3/77 (BStBl II 1987, 512). In der damaligen Entscheidung ging es zwar um mehrere Verfügungsgeschäfte, die sich aber in einem einzigen Einbringungsvorgang vollzogen haben. Insoweit hat es sich um einen anderen Sachverhalt gehandelt.

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