Normen
§ 9 UStG
§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG
§ 15 Abs. 4 UStG
§ 15a UStG
§ 42 AO 1977
Art. 20 RL 77/388/EWG
Art. 27 Abs. 1 S. 1 RL 77/388/EWG
§ 6b EStG
§ 12 Abs. 3 KWG
Gründe
I.
Streitig ist die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Errichtung eines Betriebsgebäudes für eine Bank durch eine Personengesellschaft, an der die Bank als Gesellschafterin beteiligt ist.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die ... OHG, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 12. August 1992 von der ... (Bank), deren Tochtergesellschaft ... (IB-GmbH) sowie der ... Grundbesitz-Verwaltungsgesellschaft mbH gegründet. Das Gesellschaftskapital betrug 100 000 DM und wurde von der Bank in Höhe von 75 000 DM sowie von der IB-GmbH in Höhe von 25 000 DM eingebracht. Zweck der Klägerin ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrags der Erwerb, die Nutzung, Verwertung und Verwaltung von Grundstücken, Erbbaurechten und anderen Rechten an Grundstücken, insbesondere die Errichtung und Vermietung von Gebäuden.
Am 17. November 1992 übertrug die Bank ein in ihrem Eigentum stehendes Grundstück in X (Buchwert: 1 920 000 DM) im Wege der Sacheinlage auf die Klägerin. Diese erwarb mit Vertrag vom 18. Dezember 1992 eine Teilfläche des angrenzenden Grundstücks für 2 247 000 DM. Auf diesen Grundstücken errichtete die Klägerin zwischen dem 25. Oktober 1993 (Grundsteinlegung) und dem 31. August 1995 (Fertigstellung) ein mehrgeschossiges Bürogebäude (Bauvolumen ca. 130 Mio. DM) und vermietete es ab dem 1. September 1995 bis zum 31. Dezember 2005 steuerpflichtig an die Bank als alleinige Mieterin.
Das Bauvorhaben war von der Bank geplant worden und speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Die Klägerin verwirklichte nur dieses eine Bauvorhaben.
Die Mittel für den Bau des Gebäudes hatte die Klägerin von der Bank und der IB-GmbH zunächst im Wege von Gesellschafterdarlehen erhalten. Vor dem Beginn der Vermietung übertrugen --entsprechend ihrer Beteiligung-- die Bank ca. 75 Mio. DM und die IB-GmbH ca. 33,5 Mio. DM auf die Klägerin. Die Beträge stammten jeweils aus Rücklagen nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Klägerin reichte ab November 1992 Umsatzsteuer-Voranmeldungen und ab dem Jahr 1992 (Streitjahr) Umsatzsteuer-Jahreserklärungen ein, in denen sie den Vorsteuerabzug aus den ihr im Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes in Rechnung gestellten Leistungen begehrte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) führte bei der Klägerin vom 29. Juni bis 2. Juli 1993 eine den Vorsteuerabzug Januar bis März 1993 betreffende Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch, die zu keinen Beanstandungen führte. Das FA teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom 19. Juli 1993 gemäß § 202 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977) mit.
Aufgrund der am 29. September 1993 eingereichten Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 1992 kam es zu einer antragsgemäßen Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung über ... DM.
Vom 3. April 1997 bis 30. Juni 1998 führte das FA eine zweite, den Vorsteuerabzug für August 1995 bis Januar 1997 betreffende Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Unter Berufung auf Tz. 4 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 29. Mai 1992 zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Einschaltung von Personengesellschaften beim Erwerb oder der Errichtung von Betriebsgebäuden der Kreditinstitute (BStBl I 1992, 378) ging der Prüfer von einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung i.S. von § 42 AO 1977 aus. Zweck der Einschaltung der Klägerin sei die Absicht der Steuerersparnis gewesen, weil die gemäß § 15 des Umsatzsteuergesetzes 1991 (UStG) innerhalb des zehnjährigen Berichtigungszeitraums (§ 15a UStG) abziehbaren Vorsteuerbeträge der Klägerin die von ihr zu entrichtenden Umsatzsteuern für ihre Vermietungsleistungen an die Bank um 2 141 925,95 DM überstiegen und diese Aufkommensminderung durch Mehraufkommen bei anderen Steuerarten nicht ausgeglichen werde. Wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Gestaltung lägen nicht vor. Das von der Klägerin angegebene Ziel, eine Steuerersparnis in Höhe von 20 Mio. DM aus der Rücklage der IB-GmbH nach § 6b EStG zu sichern, überzeuge nicht. Die ertragsteuerrechtlichen Gründe verstärkten lediglich den umsatzsteuerrechtlich angestrebten "Spareffekt". Das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der Bank könne daher umsatzsteuerrechtlich nicht anerkannt werden (Bericht vom 8. Juli 1998).
Das FA änderte daraufhin u.a. die Umsatzsteuerfestsetzung für 1992 und setzte die Steuer durch Bescheid vom 4. September 1998 auf 0 DM fest.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, das FA sei entgegen der Ansicht der Klägerin verfahrensrechtlich nicht gehindert gewesen, die bisherige Umsatzsteuerfestsetzung für 1992 durch den Umsatzsteuerbescheid vom 4. September 1998 zu ändern; es habe auch zu Recht den Vorsteuerabzug aus dem Bezug von Leistungen für die Errichtung des Bürogebäudes versagt.
Die ursprüngliche Umsatzsteuerfestsetzung für 1992 sei aufgrund der von der Klägerin eingereichten Steuererklärung erfolgt und habe unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden (§ 164 Abs. 1 AO 1977). Deshalb habe kein Vertrauenstatbestand entstehen können. Ein solcher sei auch nicht dadurch entstanden, dass die gewählte Gestaltung im Rahmen der ersten Umsatzsteuer-Sonderprüfung nicht beanstandet worden sei.
Der geltend gemachte Vorsteuerabzug stehe der Klägerin nicht zu. Zwar seien die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG gegeben. Auch sei der Vorsteuerabzug aufgrund des Verzichts der Klägerin auf die Steuerfreiheit der Mietumsätze nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen. Die steuerpflichtige Vermietung des Bürogebäudes an die Bank stelle aber eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 AO 1977 dar.
Die Klägerin mache insoweit zu Unrecht geltend, das Vorliegen eines Rechtsmissbrauches sei schon deshalb ausgeschlossen, weil es ansonsten der zum 1. Januar 1994 erfolgten Änderung des § 9 Abs. 2 UStG durch das Missbrauchs- und Steuerbereinigungsgesetz nicht bedurft hätte. Danach sei eine Option zur Steuerpflicht nur noch zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwende oder zu verwenden beabsichtige, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Diese Änderung des § 9 Abs. 2 UStG sei nach der Übergangsregelung des § 27 Abs. 2 UStG zwar nicht auf das Bauvorhaben der Klägerin anwendbar, weil der Baubeginn am 25. Oktober 1993 --und damit vor dem 11. November 1993-- und die Fertigstellung am 31. August 1995 --und damit vor dem 1. Januar 1998-- erfolgt seien. Die Unanwendbarkeit der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG habe aber nicht zur Folge, dass für die davon nicht betroffenen Bauvorhaben der Vorsteuerabzug stets und ohne Einschränkungen zu gewähren sei. In diesen Fällen sei vielmehr zu prüfen, ob ein Rechtsmissbrauch vorliege (Hinweis auf Klenk in Sölch/Ringleb, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 9 Rz. 155 a.E.).
Die Vorschaltung der Klägerin allein zur Erlangung des Vorsteuerabzugs aus dem von ihr zu verwirklichenden Bauvorhaben sei als rechtsmissbräuchlich anzusehen, weil das Bauvorhaben von der unmittelbar und über die Tochtergesellschaft mittelbar allein vermögensmäßig an der Klägerin beteiligten GmbH geplant und auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten worden sei. Es habe nur mit den zunächst darlehensweise und später als Eigenmittel zur Verfügung gestellten Mitteln der Mitunternehmer finanziert werden können; wirtschaftlich beachtliche Gründe für die Gestaltung seien nicht ersichtlich. Ertragsteuerliche Gründe könnten nicht als beachtliche wirtschaftliche Gründe i.S. des § 42 AO 1977 zur Rechtfertigung einer umsatzsteuerlich unangemessenen Gestaltung angeführt werden.
Das Urteil ist u.a. in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2005, 68 veröffentlicht.
Das FG hat die Revision gegen sein Urteil unter Hinweis auf den zwischen den Beteiligten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss des erkennenden Senats vom 6. März 2000 V B 170/99 (BFH/NV 2000, 1147) zugelassen.
Die Klägerin macht mit der Revision zunächst geltend, der angegriffene Bescheid verstoße gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes bzw. gegen Treu und Glauben. Durch die erste Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Juni/Juli 1993 sei namentlich der Vorsteuerabzug geprüft worden. Ergebnis dieser Prüfung sei gewesen, dass keine Beanstandungen in Bezug auf den Vorsteuerabzug erhoben worden seien. Dies sei geschehen, obwohl zum damaligen Zeitpunkt u.a. das BMF-Schreiben in BStBl I 1992, 378 vorgelegen hätte, das --aus Sicht der Finanzverwaltung-- Anlass hätte geben müssen, die Vorgehensweise der Klägerin in Zweifel zu ziehen. In ihrem Bericht über die zweite Umsatzsteuer-Sonderprüfung berufe sich das FA denn auch ausdrücklich auf Tz. 4 dieses Schreibens.
Entgegen der Behauptung des FA habe sie, die Klägerin, im Rahmen der ersten Umsatzsteuer-Sonderprüfung nicht zugesichert, der vorgesehene Mieter --die Bank-- sei zu einem anteiligen Vorsteuerabzug in Höhe von 80 bis 85% berechtigt.
Im vorliegenden Fall seien im Anschluss an die erste Umsatzsteuer-Sonderprüfung jahrelang Umsatzsteuerbescheide auf der Grundlage der Steuererklärungen der Klägerin erlassen worden. Erst im Anschluss an die zweite Umsatzsteuer-Sonderprüfung seien die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1992 bis 1996 rückwirkend geändert worden. Für diese Änderungen sei lediglich eine offenbar geänderte Sichtweise der Finanzverwaltung ausschlaggebend gewesen.
§ 42 AO 1977 stehe dem Vorsteuerabzug nicht entgegen. Diese Vorschrift sei nicht anwendbar. Denn das UStG enthalte mit § 15a UStG eine (abschließende) --vorliegend unstreitig nicht eingreifende-- Spezialnorm zur Korrektur des Vorsteuerabzugs. Zudem stelle § 42 AO 1977 eine Umsetzung von EG-Recht dar und hätte als von der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) abweichende Sondermaßnahme gemäß Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG nur aufrechterhalten werden können, wenn dies der Kommission vor dem 1. Januar 1978 mitgeteilt worden wäre. Dies sei nicht geschehen.
Jedenfalls liege kein Rechtsmissbrauch vor. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach eine "Vorschaltung" von Ehegatten rechtsmissbräuchlich sein könne, sei --entgegen der Auffassung des FG-- nicht auf den Streitfall anwendbar. Überdies lägen --anders als vom FG angenommen-- im vorliegenden Fall nicht nur steuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung vor. Sie, die Klägerin, habe wiederholt vorgetragen, dass es insbesondere darum gegangen sei, ihr nach § 6b EStG gebundene Rücklagen zuzuführen. Ferner spreche die Regelung in § 12 des Kreditwesengesetzes --KWG-- (BGBl. I 1961, 881) dafür, größere Investitionen nicht selbst, sondern im Rahmen einer Tochter-(Personen-)Gesellschaft zu tätigen. Diese Vorgehensweise sei auch aus organisatorischen Gründen sinnvoll. Gerade in heutiger Zeit seien die Kreditinstitute bestrebt, Aufgaben, die nicht zu ihrer Kernkompetenz zählten (wie Grundstücksvermittlung oder -verwaltung, Versicherungsvermittlung, EDV-Abwicklung), auch organisatorisch vom Kerngeschäft zu trennen, um diese Aufgaben durch ein spezifisches Management effizienter gestalten zu können. Hinzu träten andere Gesichtspunkte. So sei es bei großen Bauvorhaben nicht selten, dass Rechtsstreitigkeiten aus der Bauausführung entstünden, die besser nicht von dem Kreditinstitut selbst geführt würden.
Abgesehen davon habe der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mit Urteil vom 21. Februar 2006 Rs. C-255/02, Halifax (BFH/NV Beilage 2006, 260, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2006, 420, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2006, 232) entschieden, dass (allein) ein im Wege der Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gewinnender Missbrauchsbegriff gelte. Die danach für die Annahme eines Missbrauchs erforderlichen Voraussetzungen (Rdnr. 74 ff. des EuGH-Urteils) seien im Streitfall nicht erfüllt. Das folge auch aus dem EuGH-Urteil vom 12. September 2006 Rs. C-196/04, Cadbury Schweppes (Internationales Steuerrecht --IStR-- 2006, 670). Da das mehrwertsteuerrechtliche Neutralitätsprinzip bewusst durch --den hier nicht anwendbaren-- Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. § 15a UStG) eingeschränkt werde, sei vorliegend keine Zuwiderhandlung gegen die Zielsetzung des Gesetzes erkennbar.
Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 2000 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für 1992 vom 4. September 1998 dahin gehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf ./. ... EUR festgesetzt wird. Sie regt an, dem EuGH verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es meint, der Grundsatz des Vertrauensschutzes sei nicht verletzt worden. Während der ersten Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 29. Juni bis 2. Juli 1993 habe ein Vertreter der Klägerin in einem Telefonat mit dem Prüfer ausgeführt, dass die voraussichtliche Mieterin, die Bank, zu 80 bis 85% steuerpflichtige Umsätze ausführe. Zudem habe sich die Prüfung allein auf den Überschuss der angemeldeten Vorsteuerbeträge im Zeitraum Januar bis März 1993 beschränkt. Eine Aussage darüber, ob die geltend gemachten Vorsteuerbeträge letztlich auch zum Abzug berechtigten, sei mit der Nichtbeanstandung durch den Prüfer nicht verbunden gewesen und habe zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht getroffen werden können, da die hierfür maßgebliche erstmalige Verwendung des erst noch herzustellenden Wirtschaftsguts seinerzeit noch nicht erfolgt und unklar gewesen sei.
Die Vorschrift des § 42 AO 1977 greife im Streitfall ein, wie das FG zutreffend dargelegt habe. Der Vortrag der Klägerin in der Revisionsbegründung, die Gestaltung sei im Hinblick auf § 12 KWG nicht rechtsmissbräuchlich, greife nicht, da im Streitjahr 1992 das Verhältnis des Eigenkapitals der Bank zur Bausumme so marginal sei, dass dies keine Rolle spiele. Auch das weitere Argument, alle Banken konzentrierten sich auf ihre Kernkompetenzen, treffe für das Streitjahr nicht zu, da diese Entwicklung erst später eingesetzt habe.
II.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass das FA die ursprüngliche Umsatzsteuerfestsetzung für 1992 durch den angefochtenen Bescheid vom 4. September 1998 ändern durfte; der Änderung standen weder der Grundsatz von Treu und Glauben noch ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin entgegen.
Nach ständiger Rechtsprechung wird das gesetzliche Recht nur dann durch den Grundsatz von Treu und Glauben verdrängt, wenn das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. September 2000 IX R 33/97, BFHE 192, 559 , BStBl II 2000, 676, m.w.N.). Dies kommt nur dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771).
Weder eine Außenprüfung oder eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung noch eine unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Umsatzsteuerfestsetzung schaffen insoweit einen Vertrauenstatbestand, da es sich bei diesen Maßnahmen lediglich um vorläufige Beurteilungen der Finanzverwaltung handelt, die einer späteren abweichenden Beurteilung nicht entgegenstehen (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 1997 XI R 27/95, BFH/NV 1997, 816, unter 3.; BFH-Beschlüsse vom 26. November 2001 V B 88/00, BFH/NV 2002, 551, unter II. 1. b; vom 28. August 2002 V B 71/02, BFH/NV 2003, 4, unter II. 1.). Hebt das FA den Vorbehalt der Nachprüfung nach einer Außenprüfung nicht auf, ist die mit dieser Nebenbestimmung versehene Steuerfestsetzung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist selbst dann nach § 164 Abs. 2 AO 1977 in vollem Umfang änderbar, wenn das FA --wie im Streitfall-- dem Steuerpflichtigen gemäß § 202 Abs. 1 AO 1977 mitgeteilt hat, die Außenprüfung habe zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1994 V R 135/93, BFH/NV 1995, 938).
2.
Die Klägerin erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 UStG für den von ihr geltend gemachten Vorsteuerabzug. Das hat das FG im Einzelnen dargelegt und ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
3.
Gleichwohl kann der Vorsteuerabzug wegen Rechtsmissbrauchs nicht anerkannt werden. Dies hat das FG zutreffend entschieden.
a)
Nach § 42 Satz 1 AO 1977 (in der im Streitjahr 1992 geltenden Fassung) kann das Steuergesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entsteht (§ 42 Satz 2 AO 1977).
aa)
§ 42 AO 1977 ist im Mehrwertsteuerrecht auch dann anwendbar, wenn insoweit kein Verfahren nach Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG durchgeführt worden sein sollte.
Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG kann der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um u.a. Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern. Die Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1977 derartige Sondermaßnahmen angewandt haben, können sie aufrechterhalten, sofern sie diese der Kommission vor dem 1. Januar 1978 mitgeteilt haben (Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG).
§ 42 AO 1977 stellt keine Sondermaßnahme i.S. des Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG dar (vgl. dazu Wäger, UR 2006, 240, 242 ; Widmann, DStR 2006, 736, 738; Lange, Der Betrieb --DB-- 2006, 519, 521). Die Vorschrift normiert vielmehr einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der nach der Rechtsprechung des EuGH auch im Mehrwertsteuerrecht gilt. Danach ist die Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass sie dem Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug entgegensteht, wenn die Umsätze, die dieses Recht begründen, eine "missbräuchliche Praxis" darstellen (vgl. EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, Rdnrn. 61 ff., 85).
bb)
Die Anwendung des § 42 AO 1977 wird ferner nicht durch § 15a UStG ausgeschlossen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin enthält § 15a UStG keine abschließende --und damit eine Anwendung des § 42 AO 1977 ausschließende-- Regelung zur Korrektur des Vorsteuerabzugs. § 15a UStG ist keine "Missbrauchsbekämpfungsvorschrift".
Auch der EuGH geht davon aus, dass Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG (Berichtigung der Vorsteuerabzüge) nicht Versagung des Vorsteuerabzugs wegen Rechtsmissbrauchs ausschließt. Vielmehr stehen Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG und die Begrenzung des Rechts auf Vorsteuerabzug wegen Rechtsmissbrauchs nebeneinander (vgl. Rdnr. 84 des EuGH-Urteils Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232).
cc)
Die Voraussetzungen des § 42 AO 1977 liegen im Streitfall vor.
(1)
Der BFH hat bereits mehrfach die Frage entschieden, ob Unternehmen, die wegen ihrer steuerfreien Umsätze nicht zum Vorsteuerabzug aus Investitionen berechtigt sind (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG), diesen Vorsteuerabzug dadurch erreichen können, dass sie --z.B. zur Errichtung von Betriebsgebäuden-- von ihnen beherrschte Gesellschaften "vorschalten".
Nach dieser Rechtsprechung kann ein Rechtsmissbrauch i.S. des § 42 AO 1977 dann vorliegen, wenn ein Kreditinstitut bei der Erstellung eines Betriebsgebäudes eine Gesellschaft "vorschaltet", die das Gebäude errichtet und anschließend unter Verzicht auf die Steuerfreiheit an das Kreditinstitut vermietet. Über die Vorschaltung einer Gesellschaft wird ein Umweg gewählt, wenn der Mieter-Gesellschafter, der einen Gegenstand für sein Unternehmen benötigt, die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel seiner Gesellschaft unentgeltlich zur Verfügung stellt, damit diese den Gegenstand erwirbt oder errichtet, um ihn an den Gesellschafter zu vermieten. Dieser Umweg kann unangemessen sein, weil verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären. Er kann aber auch durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe gerechtfertigt sein (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1996 XI R 12/96, BFHE 182, 395, BStBl II 1997, 374, m.w.N.; in BFH/NV 1997, 816; vom 30. März 2000 V R 105/98, BFH/NV 2000, 1368).
(2)
Das FG ist zutreffend von dieser Rechtsprechung ausgegangen. Es hat ausgeführt, die Unangemessenheit der gewählten Gestaltung ergebe sich im Streitfall daraus, dass die Klägerin "vorgeschaltet" worden sei, um unter Vermeidung eigener Anschaffung das wirtschaftliche Ergebnis aus den Leistungsbezügen zu erzielen, indem die Bank als Gesellschafter die Aufwendungen wirtschaftlich so getragen habe, als hätte sie selbst das Bürogebäude errichten lassen. Die "Vorschaltung" der Klägerin zeige sich insbesondere darin, dass die Bank unmittelbar und --über ihre Tochtergesellschaft IB-GmbH-- mittelbar allein vermögensmäßig an der Klägerin beteiligt gewesen sei und die Klägerin das Bauvorhaben nur durch die ausreichende Ausstattung mit finanziellen Mitteln durch die an ihr beteiligten Gesellschafter (zunächst als Darlehen, später als Eigenmittel) habe errichten können. Außerdem habe die Klägerin trotz ihres weit gefassten Gesellschaftszwecks nur dieses eine Bauvorhaben, das nicht nur von der Bank geplant, sondern auch speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten gewesen sei, verwirklicht.
Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
(3)
Der erkennende Senat folgt dem FG ferner insoweit, als es festgestellt hat, die gewählte Gestaltung sei durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht gerechtfertigt.
Die von der Klägerin geltend gemachten ertragsteuerlichen Gründe können die Gestaltung nicht rechtfertigen. Es kommt vielmehr darauf an, ob die fraglichen Umsätze "eine andere Erklärung haben können als nur die Erlangung von Steuervorteilen" (vgl. EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, Rdnr. 75). Soweit der EuGH sich dabei auf die Nummer 89 der Schlussanträge des Generalanwalts bezogen hat, ergibt sich daraus --entgegen der Ansicht der Klägerin-- nicht, auch ertragsteuerrechtliche Gründe könnten einen umsatzsteuerrechtlichen Rechtsmissbrauch ausschließen. Vielmehr heißt es dort, das Missbrauchsverbot als Auslegungsgrundsatz sei nicht mehr relevant, wenn es für die ausgeführte wirtschaftliche Tätigkeit eine andere Erklärung geben könne als die, dass ausschließlich "Steuervorteile" gegenüber den Steuerbehörden erreicht werden sollten (vgl. Rdnr. 89 der Schlussanträge des Generalanwalts, EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, 238). Auch der Generalanwalt stellt mithin allgemein auf das Erreichen von "Steuervorteilen" ab und nicht lediglich auf mehrwertsteuerrechtliche Steuervorteile.
Auch der BFH geht in ständiger Rechtsprechung zu § 42 AO 1977 davon aus, dass insoweit nur "außersteuerliche" Gründe beachtlich sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 182, 395, BStBl II 1997, 374; in BFH/NV 1997, 816; in BFH/NV 2000, 1368). Es ist deshalb unerheblich, ob eine aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht unangemessene Gestaltung den ertragsteuerrechtlichen Interessen der Beteiligten gerecht wird (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1992 V R 90/92, BFHE 170, 299 , unter II. 2. b dd). Abgesehen davon besteht zwischen der Übertragung einer Rücklage nach § 6b EStG und der --umsatzsteuerpflichtigen-- Vermietung des Bürogebäudes durch die Klägerin keine zwingende Verknüpfung.
Anhaltspunkte für wirtschaftliche oder sonst beachtliche nicht steuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung hat das FG nicht festgestellt. Das ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).
Soweit sich die Klägerin im Revisionsverfahren auf § 12 KWG berufen hat, ist zwar anerkannt, dass im Einzelfall ein beachtlicher außersteuerlicher Grund vorliegen kann, wenn die gewählte Gestaltung die Gefahr vermeiden soll, dass die nach Buchwerten berechneten dauernden Anlagen (z.B. bebaute Grundstücke) eines Kreditinstituts das haftende Eigenkapital übersteigen und eine Ausnahmegenehmigung nach § 12 Abs. 3 KWG nicht erreichbar ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 182, 395, BStBl II 1997, 374, unter II. 3. b; in BFH/NV 1997, 816, unter 2. b; in BFH/NV 2000, 1368, unter II. 1. b). Es gibt im vorliegenden Fall aber keinen objektiven Anhaltspunkt für die Annahme, dies sei ein wesentlicher Grund für die gewählte Gestaltung gewesen. Denn die Klägerin hat sich ausweislich der Feststellungen im angefochtenen Urteil auf § 12 KWG erstmals im Revisionsverfahren berufen. Dasselbe gilt für die ferner von der Klägerin mit der Revision angeführten Gesichtspunkte (organisatorische Gründe und Auftreten in Rechtsstreitigkeiten). Überdies hinderten diese Gründe die Klägerin nicht, die von ihr ausgeübte Option zur Steuerpflicht der Vermietungsumsätze zu unterlassen und das Bürogebäude steuerfrei an die Bank zu vermieten.
b)
Die Beurteilung als Rechtsmissbrauch i.S. von § 42 AO 1977 steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH.
Danach erfordert die Feststellung einer "missbräuchlichen Praxis" zum einen, dass die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 77/388/EWG und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderlaufen würde. Zum anderen muss auch aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (vgl. EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, Rdnrn. 74 ff., 86).
aa)
Die von der Klägerin ausgeführten Umsätze haben trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 77/388/EWG (hier: Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG) und des zur ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts (hier: § 15 UStG) einen Steuervorteil zum Ergebnis, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderlaufen würde.
Im Streitfall führt die gewählte Gestaltung dazu, dass sämtliche Umsatzsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit der Errichtung des Bürogebäudes für die Bank angefallen sind, als Vorsteuerbeträge abziehbar sind. Das wäre nicht der Fall gewesen, wenn die Bank das --von ihr geplante und auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene-- Bürogebäude selbst errichtet hätte. Denn dann wäre der Vorsteuerabzug der Bank gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 UStG überwiegend ausgeschlossen gewesen, weil die Bank im Wesentlichen steuerfreie Ausgangsumsätze ausführt.
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 15 UStG für den Vorsteuerabzug im Streitfall deshalb, weil sie das Gebäude der Bank vermietet hat, und zwar durch die von ihr ausgeübte Option gemäß § 9 UStG steuerpflichtig, so dass der Vorsteuerabzug nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist. Zwar hat ein Steuerpflichtiger grundsätzlich die Wahl zwischen steuerfreien und besteuerten Umsätzen und das Recht, seine Tätigkeit so zu gestalten, dass er seine Steuerschuld in Grenzen hält (vgl. EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, Rdnr. 73). Im Streitfall führte die gewählte Gestaltung aber zu einem Steuervorteil, der dem vom EuGH im Einzelnen dargelegten Sinn der Regelungen über den Vorsteuerabzug (vgl. EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, Rdnr. 77 ff.) zuwiderläuft.
Für die Klägerin hat die gewählte Gestaltung während des 10-jährigen Vorsteuer-Berichtigungszeitraums nach § 15a UStG einen Steuervorteil in Höhe von 2 141 925,95 DM zum Ergebnis. Dieser Steuervorteil ergibt sich nach den vom FG übernommenen Feststellungen der Betriebsprüfung (vgl. Tz. 13 des Betriebsprüfungsberichtes vom 8. Juli 1998) aus der Gegenüberstellung der für die Errichtung des Bürogebäudes geltend gemachten Vorsteuerbeträge (16 270 607 DM) zu den für die Vermietungsumsätze anfallenden Umsatzsteuern (14 128 681,05 DM). Soweit die Klägerin geltend macht, dass dieser Zeitraum für den vollen Ausgleich zwischen den aus den Baukosten abgezogenen Vorsteuerbeträgen und der aus den Vermietungsumsätzen abzuführenden Umsatzsteuer zu kurz sei, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass der maßgebliche Steuervorteil jedenfalls in dem begehrten Abzug von Vorsteuerbeträgen bereits in der Bauphase liegt. Der darin liegende Liquiditätsvorteil wird nicht dadurch beseitigt, dass --(nur) bei Fortführung der steuerpflichtigen Vermietung auch nach Ablauf des Berichtigungszeitraums gemäß § 15a UStG-- die Umsatzsteuer aus den Vermietungsumsätzen die Höhe der geltend gemachten Vorsteuerbeträge erreicht oder übersteigt, sondern bleibt in jedem Falle erhalten, wie das FG zutreffend ausgeführt hat.
Der Auffassung der Klägerin, vorliegend fehle es bereits an einer Handlung, die dem Zweck des Gesetzes (Neutralitätsprinzip in seiner Einschränkung durch Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. § 15a UStG) zuwiderlaufe, vermag der Senat nicht zu folgen. Denn der EuGH hat bei seinen Ausführungen zum Sinn des Vorsteuerabzugsrechts auch das Neutralitätsprinzip (vgl. EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, Rdnr. 78) und Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG berücksichtigt (vgl. EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, Rdnr. 84).
bb)
Auch die zweite Voraussetzung, die der EuGH für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs aufgestellt hat, liegt im Streitfall vor. Es ist aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich, dass mit den fraglichen --steuerpflichtigen-- Umsätzen der Klägerin im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (vgl. dazu EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, Rdnrn. 75, 86). Im Streitfall kann die gewählte Gestaltung keine andere Erklärung haben, als nur die Erlangung von Steuervorteilen.
Bei Prüfung dieser Voraussetzung kann das nationale Gericht den "rein willkürlichen Charakter dieser Umsätze sowie die rechtlichen, wirtschaftlichen und/oder personellen Verbindungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern berücksichtigen, die in den Steuersparplan einbezogen sind" (vgl. dazu EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, Rdnrn. 75, 81). Diese Umstände hat das FG in der Vorentscheidung --wie dargelegt-- revisionsrechtlich unangreifbar berücksichtigt.
4.
Der mithin im Streitfall vorliegende Rechtsmissbrauch ist nicht deshalb unbeachtlich, weil das Recht auf Vorsteuerabzug sofort ausgeübt werden darf (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 8. Juni 2000 Rs. C-396/98, Schlossstraße, Slg. 2000, I-4279, BStBl II 2003, 446, UR 2000, 336; BFH-Urteil vom 22. Februar 2001 V R 77/96, BFHE 194, 498 , BStBl II 2003, 426; BFH-Beschluss vom 14. März 2002 V B 45/01, BFH/NV 2002, 959) und von der Klägerin auch ausgeübt worden ist.
Denn das einmal entstandene Recht auf Vorsteuerabzug bleibt --vorbehaltlich etwaiger Berichtigungen gemäß Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG (§ 15a UStG)-- nur dann erhalten, wenn kein Fall von Betrug oder Missbrauch vorliegt (vgl. EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, Rdnr. 84, m.w.N.).
5.
Die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs führt dazu, dass die betreffenden Umsätze in der Weise neu zu definieren sind, dass auf die Lage abgestellt wird, die ohne die diesen Rechtsmissbrauch darstellenden Umsätze bestanden hätte (vgl. EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, Rdnrn. 94, 98). Das entspricht § 42 Satz 2 AO 1977, wonach der Steueranspruch im Falle eines Missbrauchs so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entsteht (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541, unter II. 3. c cc).
Insoweit kann die Steuerverwaltung rückwirkend die Erstattung der abgezogenen Beträge verlangen, hinsichtlich deren sie feststellt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in missbräuchlicher Weise ausgeübt wurde; sie muss jedoch auch alle Steuern auf Ausgangsumsätze abziehen, die der betreffende Steuerpflichtige im Rahmen des Steuersparplans willkürlich geschuldet hat (vgl. EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, Rdnrn. 95, 96).
Deshalb hat das FA mit Recht in dem angefochtenen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1992 vom 4. September 1998 sowohl den von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerabzug versagt als auch keine Steuer für deren --steuerfreie-- Vermietungsumsätze angesetzt und die Umsatzsteuer auf 0 DM festgesetzt.
Zwar hätte die Bank, wenn sie das Bürogebäude selbst errichtet hätte --wie dargelegt-- den Vorsteuerabzug aus den in diesem Zusammenhang angefallenen Eingangsleistungen in dem Umfang beanspruchen können, in dem sie steuerpflichtige Umsätze ausgeführt hat (§ 15 Abs. 2 Nr. 1, § 15 Abs. 4 UStG). Dieser Umstand führt aber nicht dazu, dass die Klägerin nunmehr diesen Vorsteuerabzug beanspruchen kann (vgl. EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232, Rdnr. 97; BFH-Urteil in BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541, unter II. 3. c cc).
6.
Der Senat sieht keinen Anlass für eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV).
Die Klägerin meint, der EuGH müsse folgende Fragen klären:
"- Kann eine nationale Missbrauchsvorschrift nach Art von § 42 AO neben dem europäischen Missbrauchsbegriff, wie er sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt existieren; wenn ja, hätte diese nicht nach Art. 27 der 6. Richtlinie angemeldet werden müssen?
- Ist für die Erfüllung des europäischen Missbrauchsbegriffs entscheidend, welche gesellschaftsrechtliche Sachverhaltsgestaltung die Beteiligten vereinbart haben oder nur die Frage, ob dem Ziel eines Gesetzes zuwider gehandelt wurde?
- Kann ein rechtfertigender Grund auch darin bestehen, dass mit der gewählten Konstellation zugleich eine andere steuerliche Situation günstig gestaltet wurde, hinsichtlich derer ein Missbrauchsvorwurf nicht zu erheben wäre?
- Sieht man den Kern des Missbrauchsbegriffs darin, dass dem Ziel des Gesetzes zuwider gehandelt wird, ist es dann missbräuchlich einen Liquiditätsvorteil zu erzielen, wollen nicht gerade Art. 20 und Art. 13 C der 6. Richtlinie diesen Liquiditätsvorteil gerade gewährleisten?
- Liegt hier aufgrund des Urteils vom 12.09.2006 in der Rechtssache Cadbury Schweppes (C-196/04) kein Missbrauch bei Vorschaltung von Gesellschaften vor, wenn diese eine reale wirtschaftliche Existenz haben und nicht wie eine Briefkastenfirma nur auf dem Papier stehen?"
Die erste Vorlagefrage stellt sich nicht, weil --jedenfalls hinsichtlich der Fragen des Streitfalls-- Kongruenz zwischen § 42 AO 1977 und dem gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchsbegriff im Mehrwertsteuerrecht besteht.
Die Fragen 2 bis 4 sind durch das EuGH-Urteil Halifax in DStR 2006, 420, UR 2006, 232 geklärt.
Die letzte Frage stellt sich nicht, weil das EuGH-Urteil Cadbury Schweppes in IStR 2006, 670 nicht einschlägig ist. Es äußert sich zum Missbrauch einer Grundfreiheit, nämlich der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV. Das hat mit der hier vorzunehmenden Prüfung einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs nichts zu tun (vgl. auch Hahn in IStR 2006, 667).
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