BFH V R 4/04

BFHV R 4/0425.11.2004

Amtlicher Leitsatz:

  1. 1. Die entgeltliche Überlassung von urheberrechtlich geschützten Computerprogrammen unterliegt nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 dem ermäßigten Steuersatz, wenn der Urheber oder Nutzungsberechtigte dem Leistungsempfänger die in § 69c UrhG bezeichneten Rechte auf Vervielfältigung und Verbreitung nicht nur als Nebenfolge einräumt.
  2. 2. Bei der Prüfung, ob die in § 69c UrhG bezeichneten Rechte nicht nur als Nebenfolge eingeräumt worden sind, ist von den vertraglichen Vereinbarungen und den tatsächlichen Leistungen auszugehen. Ergänzend ist auf objektive Beweisanzeichen (z.B. die Tätigkeit des Leistungsempfängers, die vorhandenen Vertriebsvorbereitungen und Vertriebswege, die wirkliche Durchführung der Vervielfältigung und Verbreitung sowie die Vereinbarungen über die Bemessung und Aufteilung des Entgelts) abzustellen.

Normen

§ 69c UrhG
§ 69d Abs. 1 UrhG
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG

FG Hamburg - 28.11.2003 - AZ: III 107/01

 

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, wurde im Jahr 1995 gegründet. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Entwicklung, der Vertrieb, der Service und die Wartung von Versicherungs-Softwaresystemen, vornehmlich für die V-AG. Die V-AG ist eine Versicherungsgesellschaft und gehörte in den Streitjahren (1997 und 1998) zunächst dem Konzern der V Holding AG und seit Januar 1998 der durch Verschmelzung der V Holding AG mit der Y-AG entstandenen Z-AG an.

Im Jahr 1993 wurde die buchhalterische Datenhaltung im Rechnungswesen des V-Konzerns umgestellt. Sämtliche Gesellschaften des V-Konzerns und deren Funktionsbereiche wurden seither in einem integrierten Softwaresystem verwaltet. Die V-AG räumte der Klägerin im Jahr 1995 die Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Softwaresystem ein, um sich der Mitwirkung der Klägerin bei Weiterentwicklung und Weitervertrieb des Softwaresystems zu bedienen.

In den Streitjahren beauftragte die V-AG die Klägerin durch Verträge vom 29. September 1997 und 27. Februar 1998 mit dem Ausbau und der Erweiterung des bestehenden Softwaresystems für alle Gesellschaften und Funktionsbereiche sowie für alle Versicherungszweige des V-Konzerns in den Bereichen Inkasso, Nebenbuchhaltung und Provisionsbearbeitung. Die Vergütung der Klägerin erfolgte nach vereinbarten Stundensätzen, sollte jedoch höchstens insgesamt 20 Mio. DM zzgl. Umsatzsteuer betragen. Auch die Einbindung der ausgebauten und erweiterten Programme in die Gesamtheit der V-Anwendungssysteme war Gegenstand des Auftrags. Die zu erstellenden Erweiterungen sollten weitestgehend von der Struktur der anwendenden Gesellschaften und der Organisation ihrer Arbeitsabläufe unabhängig sein. Programmänderungen (z.B. zur Anwendung des Systems bei ausländischen Konzern-Gesellschaften) sollten mit wirtschaftlich und technisch geringstem Aufwand möglich sein. Das System sollte mit dem Ziel eines hohen Grads an Automatisierung, leicht modifizierbarem Standardablauf, Erweiterungsfähigkeit sowie einer einheitlichen und anwendungsfreundlichen Benutzeroberfläche hergestellt werden. In Bezug auf die Erweiterungen vereinbarten die V-AG als Auftraggeberin (AG) und die Klägerin als Auftragnehmerin (AN):

"§ 15 Eigentums- und Nutzungsrechte

Soweit an den Arbeitsergebnissen des AN Eigentumsrechte entstehen, gehen diese im Rahmen dieses Vertrages auf den AG über. Der AN bedarf der schriftlichen Zustimmung des AG, wenn er für den AG erstellte Programme oder andere Unterlagen anderweitig verwendet.

Der AG erhält mit der Abnahme der Leistung das unwiderrufliche, unbeschränkte und ausschließliche sowie übertragbare Recht, die im Rahmen dieses Vertrages erbrachten Erstellungsleistungen auf sämtliche Arten zu nutzen. Der AN garantiert die Freiheit von Rechten Dritter an diesen Leistungen.

Zum Zwecke der Ausübung der vorgenannten uneingeschränkten Eigentums- und Nutzungsrechte übergibt der AN spätestens bei Abnahme alle einschlägigen Unterlagen, insbesondere den dem System zugrundeliegenden Quellcode. ..."

Die V-AG nutzte das Softwaresystem einschließlich der Weiterentwicklungen der Klägerin nicht nur in ihrem Versicherungsunternehmen, sondern überließ es auch vier weiteren, rechtlich selbständigen Versicherungsgesellschaften des ehemaligen V-Konzerns zur Nutzung. Als Gegenleistung hierfür erhielt sie Beträge, die einem erheblichen Teil der Entwicklungskosten des Softwaresystems entsprachen. Das zentrale Inkasso wurde zwischenzeitlich im Rahmen der Z-AG zur Nutzung lizenziert und nach und nach auch bei den Gesellschaften des früheren Y-Konzerns eingeführt. Die V-AG hatte die Software darüber hinaus --erfolglos-- 14 weiteren, konzernfremden Versicherungen und Vereinen angeboten, nachdem das System einigen dieser Unternehmen unter Mitwirkung der Klägerin in einem mehrtägigen Workshop vorgestellt worden war.

Die Klägerin unterwarf die Umsätze aus der Programmentwicklung und Überlassung der Software an die V-AG in den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre unter Berufung auf § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG 1993) dem ermäßigten Steuersatz.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem nach Durchführung einer Außenprüfung nicht, sondern unterwarf die Umsätze im Umsatzsteuerbescheid für 1997 und im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 1998 sowie den nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheiden für Januar bis Juni 1998 dem allgemeinen Steuersatz, weil Schwerpunkt der Leistung der Klägerin die Überlassung der Software zur Nutzung im eigenen Unternehmen der V-AG sei. Einsprüche blieben erfolglos.

Im Laufe des Klageverfahrens erließ das FA am 25. Februar 2002 den Umsatzsteuerbescheid für 1998. Dieser wurde gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens.

Das Finanzgericht (FG) hob den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 1997 ersatzlos auf und änderte den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 1998 dahin gehend ab, dass es die streitigen Umsätze der Klägerin dem ermäßigten Steuersatz unterwarf (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 855). Zur Begründung führte das FG aus, die Einräumung der urheberrechtlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an der Software sei leistungsbestimmend und der wirtschaftliche Gehalt des Umsatzes sei hauptsächlich auf die Verbreitung der Software-Weiterentwicklungen gerichtet gewesen.

Die Besteuerung mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz verstoße auch nicht gegen Art. 12 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Computerprogramme seien als "Werke von Schriftstellern" im Sinne der Anlage H Nr. 8 der Richtlinie 77/388/EWG anzusehen.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993). Die Überlassung der urheberrechtlich geschützten Nutzungs- und Verwertungsrechte trete im Streitfall hinter der Softwareentwicklung zurück.

Das FA beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

A

Die Revision des FA ist hinsichtlich des Streitjahres 1998 unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat revisionsrechtlich unangreifbar entschieden, dass die umstrittenen Umsätze dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 unterliegen. Die tatsächliche Würdigung des FG, dass im Streitfall der Erwerb der Urheberrechte der Klägerin durch die V-AG die Leistung bestimmt habe, hält den Einwendungen des FA im Revisionsverfahren stand (§ 118 Abs. 2 FGO).

1.

Die Steuer ermäßigt sich auf 7 v.H. der Bemessungsgrundlage für Umsätze durch "die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben" (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993).

a)

Begünstigt ist danach die Einräumung (durch vertragliche Bestellung) und Übertragung von Verwertungsrechten, die aus dem Urheberrecht abgeleitet werden, durch den Urheber oder den Nutzungsberechtigten an Dritte (z.B. an Verleger oder Verwertungsgesellschaften). Das Urheberrecht als solches ist grundsätzlich nicht übertragbar (§ 29 Satz 2 des Urheberrechtsgesetzes --UrhG--). Die ebenfalls steuerermäßigte Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben (regelmäßig durch Verwertungsgesellschaften), ist u.a. auf Einräumung von Nutzungs- oder Einwilligungsrechten und die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen gerichtet. Durch die Einräumung von Nutzungsrechten (§ 31 Abs. 1 UrhG) wird der Empfänger berechtigt, das Werk neben dem Urheber oder anderen Nutzungsberechtigten (einfaches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 UrhG) oder unter Ausschluss aller anderen Personen (ausschließliches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 3 UrhG) auf die ihm vertraglich eingeräumte Art zu nutzen.

b)

Rechte, die sich aus dem UrhG ergeben, können auch an Computerprogrammen (Software) eingeräumt oder übertragen werden. Computerprogramme gehören zu den durch das UrhG geschützten Sprachwerken (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG). Das UrhG schützt denjenigen, der ein Computerprogramm durch eigenschöpferische Leistung geschaffen hat (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 69a Abs. 3 Satz 1 UrhG), u.a. gegen dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung (§ 69c Satz 1 Nr. 1 UrhG), gegen Bearbeitungen (§ 69c Satz 1 Nr. 2 UrhG) und gegen jede Form der Verbreitung (§ 69c Satz 1 Nr. 3 UrhG).

2.

Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 für die Zurverfügungstellung eines urheberrechtsfähigen Computerprogramms, das für die Bedürfnisse des Leistungsempfängers entwickelt wurde, setzt voraus, dass der Rechtsinhaber dem Leistungsempfänger nach den vertraglichen Vereinbarungen und dem wirtschaftlichen Gehalt des Umsatzes das Recht zur Verwertung des Werks gemäß den Bestimmungen des UrhG (insbesondere durch Vervielfältigung und Verbreitung) einräumt und nicht nur die bestimmungsgemäße Benutzung gestattet. Die Einräumung oder Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte muss Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung (Entwicklung und Überlassung des Programms zur Benutzung und Verbreitung) sein (vgl. dazu auch Abschn. 168 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- 2000; Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 22. Dezember 1993, BStBl I 1994, 45).

a)

Dementsprechend ist die Überlassung von geschützten Computerprogrammen nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 begünstigt, wenn der Urheber oder Nutzungsberechtigte dem Leistungsempfänger die in § 69c Satz 1 Nr. 1 bis 3 UrhG bezeichneten Rechte auf Vervielfältigung und Verbreitung nicht nur als Nebenfolge einräumt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. August 2001 V R 42/99, BFHE 196, 335; vom 27. September 2001 V R 14/01, BFHE 196, 357, BStBl II 2002, 114, und vom 17. Januar 2002 V R 13/01, BFH/NV 2002, 821).

Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen (§ 17 Abs. 1, § 69c Nr. 3 UrhG). Inverkehrbringen ist das Heraustreten des Anbietenden aus der internen Sphäre in die Öffentlichkeit (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 13. Dezember 1990 I ZR 21/89, BGHZ 113, 159, unter 1.; Schricker/Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, § 69c Rz. 21 f., m.w.N.). Ein Heraustreten in die Öffentlichkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Vertrieb an rechtlich selbstständige Schwestergesellschaften oder Kooperationspartner erfolgt. Für die Frage des Inverkehrbringens ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bedeutungslos, ob der Rechtsinhaber und Lizenznehmer demselben Konzern angehören (EuGH-Urteil vom 31. Oktober 1974 Rs. 15/74 --Centrafarm I--, Slg. 1974, 1147, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1975, 516; vgl. auch EuGH-Urteil vom 29. April 2004 Rs. C-77/01 --EDM--, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2004, 292, Randnr. 65 ff., 89).

b)

Dagegen ist die bloße zustimmungspflichtige oder zustimmungsfreie Befugnis zur Benutzung des urheberrechtlich gegen unbefugte Verbreitung geschützten Computerprogramms nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 begünstigt.

aa)

Wenn der wirtschaftliche Gehalt des Vorgangs nicht auf die Verwertung des Computerprogramms, sondern auf seine Anwendung durch den Leistungsempfänger gerichtet ist, unterliegt der Umsatz dem regelmäßigen Steuersatz (vgl. BFH-Beschluss vom 24. August 2000 V B 87/00, BFH/NV 2001, 213, zur Anwendung einer Bibliothekssoftware; vgl. auch BFH-Urteil vom 13. März 1997 V R 13/96, BFHE 182, 423, BStBl II 1997, 372, zur Veräußerung von Standardsoftware; FG Hamburg, Urteil vom 22. Mai 1997 II 209/94, EFG 1997, 1557; FG Köln, Urteil vom 19. Mai 1999 4 K 1135/96, EFG 1999, 1159; BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 45). Der Urheber eines Computerprogramms kann einem anderen nämlich auch das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder auf alle Arten zu nutzen (§§ 31 bis 41 UrhG). Die Person, die zur Benutzung des Programms berechtigt ist (§ 69d Abs. 1 Satz 1 UrhG), darf ohne besondere Zustimmung des Rechtsinhabers Handlungen zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Computerprogramms vornehmen (§ 69d Abs. 1 UrhG). In diesem Rahmen dürfen Vervielfältigungsstücke und Sicherungskopien angefertigt und das Funktionieren des Programms getestet werden (§ 69d Abs. 2 bis 3 UrhG). Einer Einräumung von Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechten bedarf es hierfür grundsätzlich nicht.

bb)

Von einem solchen Fall (Einräumung eines bloßen Nutzungsrechts) ist auszugehen, wenn sich aus der Art der Leistung und aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, dass sich der Leistungsempfänger die Benutzung des für seine Bedürfnisse geschaffenen Computerprogramms gesichert hat und der Leistende dem Leistungsempfänger die Vervielfältigung und Verbreitung zwar gestattet hat, diese aber objektiv nicht erstrebt ist. In diesem Sinne sind auch die Urteile des Senats in BFHE 196, 357, BStBl II 2002, 114, in BFHE 196, 335, und in BFH/NV 2002, 821, unter II. 2. und 3. zu verstehen: Der Senat ist bei der Prüfung, ob die in § 69c UrhG bezeichneten Rechte nicht nur als Nebenfolge eingeräumt worden sind, von den vertraglichen Vereinbarungen und den tatsächlichen Leistungen ausgegangen. Ergänzend hat er auf objektive Beweisanzeichen (z.B. die Tätigkeit des Leistungsempfängers, die vorhandenen Vertriebsvorbereitungen und Vertriebswege, die wirkliche Durchführung der Vervielfältigung und Verbreitung sowie die Vereinbarungen über die Bemessung und Aufteilung des Entgelts) abgestellt.

3.

Im Streitfall ist die Würdigung dieser Umstände durch das FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a)

Die von der Klägerin geschaffenen Ausbauten und Erweiterungen des Software-Systems sind nach den Feststellungen des FG das Ergebnis ihrer eigenen geistigen Schöpfungen (§ 2 Abs. 2, § 69a Abs. 3 UrhG). Sie sind daher, soweit sie eigenständige Computerprogramme sind, als Sprachwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, und soweit sie Bearbeitungen bestehender Computerprogramme sind, als Bearbeitungen solcher Werke (§ 3 UrhG) urheberrechtlich geschützt. Im Rahmen einer einheitlichen Leistung hat die Klägerin u.a. nach § 15 der zuvor erwähnten Vereinbarungen alle in § 69c UrhG genannten Rechte an den Computerprogrammen der V-AG eingeräumt. Da die Vereinbarungen auf die Herstellung einer urheberrechtlich geschützten Software gerichtet waren, ergeben die Erstellung des Programms und die Einräumung der Rechte aus dem UrhG eine einheitliche Leistung (vgl. BFH-Beschluss vom 13. März 1997 V B 120/96, BFH/NV 1997, 814; Husmann in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, 8. Aufl., § 12 Abs. 2 Nr. 7 c Anm. 172 f.).

b)

Das FG ist im Rahmen seiner tatsächlichen Würdigung der vertraglichen Vereinbarungen und der Gesamtumstände des Streitfalls zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der Erwerb der Rechte aus dem UrhG im Wesentlichen die Leistung bestimmt habe. Dafür sprächen die von der V-AG getroffenen Vorbereitungen für die Verbreitung und die im Hinblick darauf erfolgte, aufwandserhöhende Standardisierung der Programme, die weitestgehend unabhängig von der Struktur der anwendenden Gesellschaften und der Organisation ihrer Arbeitsabläufe seien, so dass sogar eine Verwendung in ausländischen Gesellschaften mit geringem technischen und wirtschaftlichen Aufwand möglich sei. Weiter spreche die in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Erstellung der Programme tatsächlich durchgeführte Verbreitung dafür, dass die Verbreitung bereits bei Abschluss der Verträge über die Weiterentwicklung beabsichtigt gewesen sei. Außerdem habe die V-AG die Software am freien Markt zahlreichen namhaften und marktbedeutenden Versicherungen und Vereinen gegen Entgelt angeboten und sich nicht nur mit Schriftverkehr und persönlichen Kontakten, sondern --unter Mitwirkung der Klägerin-- auch mit Präsentationen und Workshops um einen Weitervertrieb bemüht. Dass diese Bemühungen bisher erfolglos geblieben seien, führe zu keiner anderen Auslegung.

c)

Diese Schlussfolgerung ist aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG, die mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden sind, möglich. Sie verstößt weder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze noch gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Vertragsauslegung (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs); sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).

d)

Soweit das FA dagegen einwendet, die Verwendung der Software in der Datenverarbeitung der Gesellschaften des V-Konzerns sei dem Geschäftsbetrieb der V-AG zuzurechnen und die Weitergabe der Software innerhalb des V-Konzerns sei nicht auf eine Verbreitung der Urheberrechte außerhalb der eigenen Betriebssphäre gerichtet, greift dieser Einwand im Streitfall schon deshalb nicht durch, weil die V-AG die Versicherungssoftware auch 14 konzernfremden Unternehmen gegen Entgelt angeboten hat. Dies allein trägt schon die tatsächliche Würdigung des FG. Für das Verbreiten in Form des Anbietens reicht bereits ein Angebot aus; es kommt nicht darauf an, ob das Anbieten erfolgreich war oder erfolglos geblieben ist (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 113, 159, unter 1.).

4.

Der Beurteilung des FG steht Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Nr. 8 der Richtlinie 77/388/EWG nicht entgegen.

a)

Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG dürfen die Mitgliedstaaten unter weiteren, im Streitfall vorliegenden Voraussetzungen auf die in Anhang H genannten Kategorien einen ermäßigten Steuersatz anwenden.

Anhang H Nr. 8 der Richtlinie 77/388/EWG lautet:

"Werke ... von Schriftstellern ... sowie deren Urheberrechte."

b)

Es liegt nahe, die in § 69c UrhG genannten Rechte an einem Computerprogramm wie "Urheberrechte" an einem Werk eines "Schriftstellers" im Sinne des Anhangs H Nr. 8 der Richtlinie 77/388/EWG zu beurteilen (gl.A. de Weerth, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2002, 778, 779; Nieskens in Rau/ Dürrwächter, a.a.O., § 12 Allg. Anm. 72, 76 f.; Lohse in Rau/ Dürrwächter, a.a.O., Art. 12 der Richtlinie 77/388/EWG Vorbemerkung), weil ein Computerprogramm nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen 91/250/EWG (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 142, S. 42) als literarisches Werk geschützt wird und nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG ein Sprachwerk ist. Die Frage kann hier offen bleiben.

c)

Selbst wenn § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 nicht gemeinschaftsrechtskonform sein sollte, ginge das für die Klägerin günstigere nationale Recht vor (vgl. BFH-Urteile vom 8. Oktober 1991 V R 95/89, BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209, unter II. 2. d; vom 19. Mai 1993 V R 110/88, BFHE 172, 163, BStBl II 1993, 779, unter II. B. 2. c).

B.

Hinsichtlich des Streitjahres 1997 ist die Vorentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil das FG den Umsatzsteuerbescheid für 1997 zu Unrecht ersatzlos aufgehoben hat. Diesen Verfahrensmangel hat der Senat auch ohne entsprechende Rüge des FA von sich aus zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 1988 X R 1/86, BFHE 155, 521, BStBl II 1989, 376, unter II.). Jedoch hat die Revision des FA in der Sache keinen Erfolg (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1.

Das Gericht hebt einen mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakt auf, soweit er rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dabei darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

2.

Danach durfte das FG den Umsatzsteuerbescheid für 1997 nicht ersatzlos aufheben.

a)

Die Klägerin hat, indem sie eine Erhöhung der Umsatzsteuervergütung begehrt hat, keine Verpflichtungsklage, sondern eine Anfechtungsklage erhoben (vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1976 V R 109/73, BFHE 120, 562, BStBl II 1977, 227). Es handelte sich dabei um eine Änderungs- und keine Aufhebungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO i.V.m. § 100 Abs. 1 oder Abs. 2 FGO; vgl. BFH-Urteil in BFHE 155, 521, BStBl II 1989, 376, m.w.N.); denn die Klägerin hat keine umfassende Beeinträchtigung ihrer Rechte durch den gesamten Umsatzsteuerbescheid für 1997 geltend gemacht. Zwar lautete ihr Klageantrag hinsichtlich des Streitjahres 1997 auf Aufhebung. Diese Antragsfassung steht aber in offensichtlichem Widerspruch zum Inhalt ihres Klagebegehrens, das sich --wie sich u.a. aus dem zuletzt gestellten Antrag hinsichtlich des Streitjahres 1998 ergibt-- stets nur auf Einwände gegen die Besteuerung ihrer hier maßgeblichen Umsätze mit dem allgemeinen Steuersatz beschränkte. Die sonstigen Regelungen des Umsatzsteuerbescheids für das Jahr 1997 hat sie nicht angegriffen. Das FG hat dazu festgestellt, dass die Klägerin in den Streitjahren auch Wartungsumsätze erbrachte. Die Anwendung des allgemeinen Steuersatzes auf diese Umsätze war zwischen den Beteiligten unstreitig und nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

b)

Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Umsatzsteuererklärung der Klägerin für das Jahr 1997 nach § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG 1993 um eine Steueranmeldung i.S. des § 167 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 handelt. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid ist dennoch kein Änderungsbescheid, der ersatzlos aufgehoben werden könnte. Die Steueranmeldung der Klägerin hat zu einer Steuervergütung geführt (§ 168 Satz 2 Alternative 2 AO 1977) und steht deshalb einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 Satz 1 AO 1977) nicht gleich. Das FA hat der Steueranmeldung nicht zugestimmt, sondern die Umsatzsteuer im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 1997 (erstmalig) abweichend festgesetzt.

Ausgehend davon hätte das FG im Wege der Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 1997 die von ihm für zutreffend erachtete Umsatzsteuer entweder selbst festsetzen (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO; BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1968 GrS 3/68, BFHE 94, 436, BStBl II 1969, 192, und BFH-Urteil vom 1. Dezember 1976 I R 73/74, BFHE 121, 135, BStBl II 1977, 315) oder --wie hinsichtlich des Streitjahres 1998-- die Berechnung der Umsatzsteuer nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen müssen.

3.

Die Sache ist spruchreif, weil die vom FG getroffenen Feststellungen ausreichen, um den Umfang des Änderungsbegehrens der Klägerin anhand der Umsatzsteuererklärung für 1997 zu beziffern. Der erkennbar widersprüchliche Klageantrag der Klägerin ist auslegbar. Die Klägerin hat erkennbar beantragt, den Umsatzsteuerbescheid des FA für 1997 vom 15. Januar 1999 so zu ändern, dass ihre Leistungen aus den Verträgen vom 29. September 1997 und 27. Februar 1998 mit der V-AG über den Ausbau und die Weiterentwicklung des V-Software-Systems mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert werden.

Diesem Antrag gibt der Senat aus den unter II. A. genannten Gründen in vollem Umfang statt; die in der Höhe unstreitigen Umsätze der Klägerin aus der Einräumung der Rechte nach dem UrhG an die V-AG unterliegen dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993). Die Berechnung der Umsatzsteuer für das Streitjahr 1997 wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO).

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