BFH V R 25/04

BFHV R 25/0425.11.2004

Amtlicher Leitsatz:

  1. 1. Die entgeltliche Überlassung von urheberrechtlich geschützten Computerprogrammen unterliegt nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999 dem ermäßigten Steuersatz, wenn der Urheber oder Nutzungsberechtigte dem Leistungsempfänger die in § 69c UrhG bezeichneten Rechte auf Vervielfältigung und Verbreitung nicht nur als Nebenfolge einräumt.
  2. 2. Bei der Prüfung, ob die in § 69c UrhG bezeichneten Rechte nicht nur als Nebenfolge eingeräumt worden sind, ist von den vertraglichen Vereinbarungen und den tatsächlichen Leistungen auszugehen. Ergänzend ist auf objektive Beweisanzeichen (z.B. die Tätigkeit des Leistungsempfängers, die vorhandenen Vertriebsvorbereitungen und Vertriebswege, die wirkliche Durchführung der Vervielfältigung und Verbreitung sowie die Vereinbarungen über die Bemessung und Aufteilung des Entgelts) abzustellen.
  3. 3. Der Weitervertrieb von Computerprogrammen an rechtlich selbständige Konzernunternehmen und an Kooperationspartner kann eine Verbreitung i.S. der § 17, § 69c Nr. 3 UrhG sein.

Normen

§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999
§ 69c UrhG

FG Niedersachsen - 23.01.2003 - AZ: 5 K 452/00
FG Niedersachsen - 23.01.2003 - AZ: 5 K 213/01

 

Spruch:

Hinweis: Verbundenes Verfahren
Verbundverfahren:
BFH - 25.11.2004 - AZ: V R 26/04

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde im Jahr 1995 von zwei Banken gegründet, nämlich der A-Bank (A) und der Bank B (B-AG), die an der Klägerin in den Streitjahren 1997 bis 1999 je zur Hälfte beteiligt waren. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Koordinierung, Planung und Durchführung von Softwareentwicklungsaufgaben für Bankensoftware, insbesondere für ihre Gesellschafterinnen sowie deren Konzernunternehmen und Kooperationspartner.

Die Klägerin als Auftragnehmerin schloss im Jahr 1997 mit ihren Gesellschafterinnen als Auftraggeberinnen einen Rahmenvertrag zur Herstellung von Individualsoftware und zur Übertragung von dadurch geschaffenen Urheberrechten. Die Klägerin hatte als sog. "Hauptleistung" das ausschließliche und zeitlich wie räumlich unbeschränkte Recht zur Nutzung, Weiterentwicklung, Vervielfältigung, Verbreitung, Vorführung, Bearbeitung und sonstigen Verwertung von Urheberschutzrechten an den auftragsgemäß entwickelten Computerprogrammen nach §§ 31 ff., 69a ff. des Urheberrechtsgesetzes --UrhG-- (BGBl I 1965, 1294) den Auftraggeberinnen zu übertragen. Dabei wurde die Herstellung einer für diese funktionsfähigen, aufgrund von Einzelverträgen definierten Software-Lösung gemäß ihren Anforderungen als "Nebenleistung" bezeichnet. Die Auftraggeberinnen waren berechtigt, auf Verlangen eine Kopie des Quellcodes nebst einer vollständigen Dokumentation und Kommentierung zu erhalten. Nachträglich trat die C-GmbH, eine Organgesellschaft der B-AG, anstelle der B-AG in den Rahmenvertrag ein.

Die aufgrund der Rahmenvereinbarung entwickelte Software der Klägerin wurde von der A auch an ihre Kooperationspartnerinnen, drei konzernfremde Banken, und von der C-GmbH an die B-AG und ihre drei Tochtergesellschaften sowie an drei konzernfremde, mit der C-GmbH kooperierende Banken weitervertrieben.

Die Klägerin meldete die genannten Umsätze in den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (1997 bis 1999) mit dem ermäßigten Steuersatz an (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 --UStG 1993/1999--). Abweichend hiervon besteuerte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) in den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre die Umsätze mit dem allgemeinen Steuersatz.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhobenen Klagen als unbegründet ab (Urteile vom 23. Januar 2003 5 K 452/00 und 5 K 213/01, nicht veröffentlicht --n.v.--). Zur Begründung der Klageabweisung führte das FG u.a. aus, es sei bei Gesamtwürdigung der Vertragsbestimmungen und der Zeugenaussagen davon überzeugt, dass der wirtschaftliche Gehalt und Schwerpunkt der Umsätze im Streitfall nicht in der Einräumung oder Übertragung von Urheberrechten liege, sondern in der Überlassung der Software zur bestimmungsgemäßen Nutzung durch die Auftraggeberinnen, deren Konzernunternehmen und Kooperationspartner.

Mit ihren Revisionen rügt die Klägerin Verletzung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999 sowie der § 60 Abs. 3, § 76, § 83 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die angefochtenen Urteile und die Einspruchsentscheidungen aufzuheben, die Umsatzsteuerbescheide des FA für 1997 vom 31. August 1998, für 1998 vom 10. April 2000 und für 1999 vom 29. Januar 2001 dahin gehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer für 1997 auf ./. 351 339,29 EUR, für 1998 auf 470 791,93 EUR und für 1999 auf 244 275,29 EUR herabgesetzt wird, sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für die Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt,

die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revisionen der Klägerin, die der Senat gemäߧ 73 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO zu gemeinsamer Entscheidung verbindet, sind begründet; sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Stattgabe der Klagen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat der Klägerin zu Unrecht die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999 versagt.

1.

Die Verbindung der Revisionsverfahren V R 25/04 und V R 26/04 beruht auf § 73 Abs. 1, § 121 Satz 1 FGO; die Verfahren betreffen dieselben Beteiligten und denselben, sowohl für Umsatzsteuer 1997 als auch für Umsatzsteuer 1998 und 1999 erheblichen Sachverhalt.

2.

Die Steuer ermäßigt sich auf 7 v.H. der Bemessungsgrundlage für Umsätze durch "die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999).

a)

Begünstigt ist danach die Einräumung (durch vertragliche Bestellung) und Übertragung von Verwertungsrechten, die aus dem Urheberrecht abgeleitet werden, durch den Urheber oder den Nutzungsberechtigten an Dritte (z.B. an Verleger oder Verwertungsgesellschaften). Das Urheberrecht als solches ist grundsätzlich nicht übertragbar (§ 29 Satz 2 UrhG). Die ebenfalls steuerermäßigte Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben (regelmäßig durch Verwertungsgesellschaften), ist u.a. auf Einräumung von Nutzungs- oder Einwilligungsrechten und die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen gerichtet. Durch die Einräumung von Nutzungsrechten (§ 31 Abs. 1 UrhG) wird der Empfänger berechtigt, das Werk neben dem Urheber oder anderen Nutzungsberechtigten (einfaches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 UrhG) oder unter Ausschluss aller anderen Personen (ausschließliches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 3 UrhG) auf die ihm vertraglich eingeräumte Art zu nutzen.

b)

Rechte, die sich aus dem UrhG ergeben, können auch an Computerprogrammen (Software) eingeräumt oder übertragen werden. Computerprogramme gehören zu den durch das UrhG geschützten Sprachwerken (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG). Das UrhG schützt denjenigen, der ein Computerprogramm durch eigenschöpferische Leistung geschaffen hat (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 69a Abs. 3 Satz 1 UrhG), u.a. gegen dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung (§ 69c Satz 1 Nr. 1 UrhG), gegen Bearbeitungen (§ 69c Satz 1 Nr. 2 UrhG) und gegen jede Form der Verbreitung (§ 69c Satz 1 Nr. 3 UrhG).

3.

Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999 für die Zurverfügungstellung eines urheberrechtsfähigen Computerprogramms, das für die Bedürfnisse des Leistungsempfängers entwickelt wurde, setzt voraus, dass der Rechtsinhaber dem Leistungsempfänger nach den vertraglichen Vereinbarungen und dem wirtschaftlichen Gehalt des Umsatzes das Recht zur Verwertung des Werks gemäß den Bestimmungen des UrhG (insbesondere durch Vervielfältigung und Verbreitung) einräumt und nicht nur die bestimmungsgemäße Benutzung gestattet. Die Einräumung oder Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte muss Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung (Entwicklung und Überlassung des Programms zur Benutzung und Verbreitung) sein (vgl. dazu auch Abschn. 168 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- 2000; Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 22. Dezember 1993, BStBl I 1994, 45).

a)

Dementsprechend ist die Überlassung von geschützten Computerprogrammen nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999 begünstigt, wenn der Urheber oder Nutzungsberechtigte dem Leistungsempfänger die in § 69c Satz 1 Nr. 1 bis 3 UrhG bezeichneten Rechte auf Vervielfältigung und Verbreitung nicht nur als Nebenfolge einräumt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. August 2001 V R 42/99, BFHE 196, 335, und vom 27. September 2001 V R 14/01, BFHE 196, 357, BStBl II 2002, 114; vom 17. Januar 2002 V R 13/01, BFH/NV 2002, 821).

Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen (§ 17 Abs. 1, § 69c Nr. 3 UrhG). Inverkehrbringen ist das Heraustreten des Anbietenden aus der internen Sphäre in die Öffentlichkeit (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 13. Dezember 1990 I ZR 21/89, BGHZ 113, 159, unter 1.; Schricker/Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, § 69c Rz. 21 f., m.w.N.). Ein Heraustreten in die Öffentlichkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Vertrieb an rechtlich selbstständige Schwestergesellschaften oder Kooperationspartner erfolgt. Für die Frage des Inverkehrbringens ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bedeutungslos, ob der Rechtsinhaber und Lizenznehmer demselben Konzern angehören (EuGH-Urteil vom 31. Oktober 1974 Rs. 15/74 --Centrafarm I--, Slg. 1974, 1147, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1975, 516; vgl. auch EuGH-Urteil vom 29. April 2004 Rs. C-77/01 --EDM--, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2004, 292, RandNr. 65 ff., 89).

b)

Dagegen ist die bloße zustimmungspflichtige oder zustimmungsfreie Befugnis zur Benutzung des urheberrechtlich gegen unbefugte Verbreitung geschützten Computerprogramms nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999 begünstigt.

aa)

Wenn der wirtschaftliche Gehalt des Vorgangs nicht auf die Verwertung des Computerprogramms, sondern auf seine Anwendung durch den Leistungsempfänger gerichtet ist, unterliegt der Umsatz dem regelmäßigen Steuersatz (vgl. BFH-Beschluss vom 24. August 2000 V B 87/00, BFH/NV 2001, 213, zur Anwendung einer Bibliothekssoftware; vgl. auch BFH-Urteil vom 13. März 1997 V R 13/96, BFHE 182, 423, BStBl II 1997, 372, zur Veräußerung von Standardsoftware; FG Hamburg, Urteil vom 22. Mai 1997 II 209/94, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 1557; FG Köln, Urteil vom 19. Mai 1999 4 K 1135/96, EFG 1999, 1159; BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 45). Der Urheber eines Computerprogramms kann einem anderen nämlich auch das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder auf alle Arten zu nutzen (§§ 31 bis 41 UrhG). Die Person, die zur Benutzung des Programms berechtigt ist (§ 69d Abs. 1 Satz 1 UrhG), darf ohne besondere Zustimmung des Rechtsinhabers Handlungen zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Computerprogramms vornehmen (§ 69d Abs. 1 UrhG). In diesem Rahmen dürfen Vervielfältigungsstücke und Sicherungskopien angefertigt und das Funktionieren des Programms getestet werden (§ 69d Abs. 2 bis 3 UrhG). Einer Einräumung von Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechten bedarf es hierfür grundsätzlich nicht.

bb)

Von einem solchen Fall (Einräumung eines bloßen Nutzungsrechts) ist auszugehen, wenn sich aus der Art der Leistung und aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, dass sich der Leistungsempfänger die Benutzung des für seine Bedürfnisse geschaffenen Computerprogramms gesichert hat und der Leistende dem Leistungsempfänger die Vervielfältigung und Verbreitung zwar gestattet hat, diese aber objektiv nicht erstrebt ist. In diesem Sinne sind auch die Urteile des Senats in BFHE 196, 357, BStBl II 2002, 114, in BFHE 196, 335, und in BFH/NV 2002, 821 unter II. 2. und 3. zu verstehen: Der Senat ist bei der Prüfung, ob die in § 69c UrhG bezeichneten Rechte nicht nur als Nebenfolge eingeräumt worden sind, von den vertraglichen Vereinbarungen und den tatsächlichen Leistungen ausgegangen. Ergänzend hat er auf objektive Beweisanzeichen (z.B. die Tätigkeit des Leistungsempfängers, die vorhandenen Vertriebsvorbereitungen und Vertriebswege, die wirkliche Durchführung der Vervielfältigung und Verbreitung sowie die Vereinbarungen über die Bemessung und Aufteilung des Entgelts) abgestellt.

4.

Im Streitfall hat die Würdigung des FG, dass der wirtschaftliche Gehalt und Schwerpunkt der Umsätze der Klägerin lediglich in der Überlassung der Software zur bestimmungsgemäßen Nutzung liege, revisionsrechtlich keinen Bestand, weil das FG zu Unrecht die Verbreitung an rechtlich selbständige Schwestergesellschaften und Kooperationspartner nicht als Verbreitung angesehen hat.

a)

Das FG hat ausgeführt, es sei bei Gesamtwürdigung der Vertragsbestimmungen und der Zeugenaussagen davon überzeugt, dass der wirtschaftliche Gehalt und der Schwerpunkt der Umsätze im Streitfall nicht in der Einräumung oder Übertragung von Rechten i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999 liege, sondern in der Überlassung der Software zur bestimmungsgemäßen Nutzung durch die Auftraggeberinnen, deren Konzernunternehmen und Kooperationspartner. Das FG hat es dabei als entscheidend angesehen, dass die A und die C-GmbH keine Nutzungsrechte an "Dritte" übertragen hätten. Die Programme seien lediglich an Gesellschaften im "Konzernverbund" und an "Kooperationspartner" überlassen worden; dies sei keine Zuführung der Rechte an die Öffentlichkeit.

b)

Das FG ist dabei von rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen, die von den oben (3.) wiedergegebenen Voraussetzungen abweichen. Anders als bei der bloßen Nutzung eines Werkes innerhalb des Wirkungskreises des Leistungsempfängers, z.B. bei nachgeordneten Behörden, die regelmäßig keine Verwertung von geschützten Rechten darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 19. November 1998 V R 19/98, BFH/NV 1999, 836), kann nach den Ausführungen unter II. 3. a der Weitervertrieb von Software an rechtlich selbstständige Konzernunternehmen und an Kooperationspartner eine Verbreitung von eingeräumten Nutzungsrechten darstellen.

Vorliegend hat die Klägerin den Leistungsempfängern (A und C-GmbH) vertraglich Rechte zur Verwertung der von ihr entwickelten Computerprogramme eingeräumt. Beweisanzeichen dafür, dass die Vereinbarung die Leistungsempfänger nicht nur zur Nutzung der Computerprogramme innerhalb des eigenen Wirkungskreises berechtigen sollten, ist deren Überlassung an andere Unternehmer im Konzern und im Kooperationsverbund. Dies ist nach § 69c Satz 1 Nr. 3 UrhG als eine zustimmungsbedürftige Verbreitung des von der Klägerin eingeräumten Urheberrechts an den Computerprogrammen zu beurteilen; denn im Bereich des Urheberrechtsschutzes von Software muss das Computerprogramm für jeden einzelnen Anwender lizenziert werden (sog. "Netzwerklizenz" mit Anzahl der Nutzer, § 69c Nr. 1 und 4 UrhG; vgl. Löffler, UR 2000, 98, 101). Bereits die bloße Weitergabe eines Computerprogramms innerhalb eines sog. "Intranets" oder eines sog. "file-sharing-Systems" kann eine Verbreitung i.S. der § 17, § 69c Nr. 3 UrhG sein (vgl. Loewenheim/Hoeren, Handbuch des Urheberrechts, § 21 Rz. 26; BRDrucks 684/02, S. 37). A und die C-GmbH hätten deshalb die Computerprogramme der Klägerin nicht im Rahmen einer bestimmungsgemäßen Benutzung i.S. des § 69d UrhG ohne Zustimmung der Klägerin als Rechteinhaberin an ihre Schwestergesellschaften und Kooperationspartner weitergeben dürfen, sondern mussten sich für den Weitervertrieb das Verbreitungsrecht i.S. des § 69c Nr. 3 UrhG von der Klägerin einräumen lassen. Dies wurde im Streitfall vereinbart.

5.

Der Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999 auf die Einräumung von Verbreitungsrechten an Software steht Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Nr. 8 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) nicht entgegen.

a)

Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG dürfen die Mitgliedstaaten unter weiteren, im Streitfall vorliegenden Voraussetzungen auf die in Anhang H genannten Kategorien einen ermäßigten Steuersatz anwenden.

Anhang H Nr. 8 der Richtlinie 77/388/EWG lautet:

"Werke ... von Schriftstellern ... sowie deren Urheberrechte."

b)

Es liegt nahe, die in § 69c UrhG genannten Rechte an einem Computerprogramm wie "Urheberrechte" an einem Werk eines "Schriftstellers" i.S. des Anhangs H Nr. 8 der Richtlinie 77/388/EWG zu beurteilen (gl.A. de Weerth, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 2002, 778, 779; Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, 8. Aufl., § 12 Allg. Anm. 72, 76 f.; Lohse in Rau/ Dürrwächter, a.a.O., Art. 12 der Richtlinie 77/388/EWG Vorbemerkung), weil ein Computerprogramm nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen 91/250/EWG (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 142, S. 42) als literarisches Werk geschützt wird und nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG ein Sprachwerk ist. Die Frage kann hier offen bleiben.

c)

Selbst wenn § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999 nicht gemeinschaftsrechtskonform sein sollte, ginge das für die Klägerin günstigere nationale Recht vor (vgl. BFH-Urteile vom 8. Oktober 1991 V R 95/89, BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209, unter II. 2. d; vom 19. Mai 1993 V R 110/88, BFHE 172, 163, BStBl II 1993, 779, unter II. B. 2. c).

6.

Da die Vorentscheidung bereits aus anderen Gründen aufzuheben ist, muss über die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr entschieden werden.

7.

Die Sache ist spruchreif. Ausgehend davon, dass im Streitfall auch der Vertrieb der Software im "Konzern- oder Kooperationsverbund" eine Verwertung des Werks gemäß den Bestimmungen des UrhG ist und die Klägerin der A und der C-GmbH nicht nur die bestimmungsgemäße Benutzung, sondern den genannten Vertrieb gestattet hat, liegt im Streitfall eine Einräumung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben, i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999 vor. Das FG hat die für die abschließende Entscheidung des Streitfalls erforderlichen Tatsachen festgestellt. Auf die Umsätze der Klägerin aus dem Rahmenvertrag vom 28. Mai 1997 ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Da dem Senat die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1998 und 1999 nicht vorliegen, wird die Berechnung der festzusetzenden Umsatzsteuer dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO).

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