BFH V R 23/05

BFHV R 23/0518.1.2007

Amtlicher Leitsatz:

Ein im Ausland ansässiger Unternehmer, der die Vergütung von Vorsteuerbeträgen beantragt, muss grundsätzlich bereits mit dem Vergütungsantrag die zugrunde liegenden Rechnungen im Original vorlegen.

Normen

§ 16 UStG
§ 18 Abs. 9 S. 1 UStG
Art. 17 Abs. 4 der RL 77/388/EWG
Art. 7 Abs. 3 der RL 79/1072/EWG
Art. 3 Abs. 1 S. 1 RL 86/560/EWG

FG Köln - 24.02.2005 - AZ: 2 K 6264/02

 

Gründe

I.

Streitig ist die Vergütung von Vorsteuerbeträgen an einen im Ausland (Schweiz) ansässigen Unternehmer.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Basel. Sie erbrachte in den Streitjahren 1999 und 2000 unter der Bezeichnung ... insbesondere Service- und Beistandsleistungen für Notfallrücktransporte und bot ihren Kunden in diesem Zusammenhang einen Versicherungsschutz an.

Am 30. Juni 2000 beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (in den Streitjahren: Bundesamt für Finanzen --BfF--, jetzt: Bundeszentralamt für Steuern --BZSt--) die Vergütung von Vorsteuerbeträgen für den Zeitraum von Januar bis Dezember 1999 (Vergütungszeitraum I) in Höhe von ... DM. Am 29. Juni 2001 beantragte sie die Vergütung von Vorsteuerbeträgen für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2000 (Vergütungszeitraum II) in Höhe von ... DM. Beiden Anträgen lagen die Rechnungen, aus denen die Klägerin die Vergütung beanspruchte, nicht im Original, sondern nur in Kopie bei.

Durch Bescheide vom 24. August 2001 lehnte das BfF die Anträge u.a. mit der Begründung ab, eine Vergütung komme nur bei Vorlage der Original-Rechnungen in Betracht.

Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 27. September 2001, beim BfF am 1. Oktober 2001 eingegangen, Einspruch ein. Das BfF verwarf diese Einsprüche durch Einspruchsentscheidungen vom 16. Oktober 2002 wegen Verspätung als unzulässig.

Das Finanzgericht (FG) wies die daraufhin erhobene Klage der Klägerin ab. Es führte zur Begründung aus, die Klägerin habe zwar ihre Einsprüche fristgerecht eingelegt, wovon inzwischen auch das BfF ausgehe. Auch sei die Voraussetzung für eine Vorsteuererstattung nach § 18 Abs. 9 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 59 Abs. 1 Nr. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993 (UStDV) erfüllt, dass der im Ausland ansässige Unternehmer im Vergütungszeitraum im Inland keine Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG oder nur steuerfreie Umsätze i.S. des § 4 Nr. 3 UStG ausgeführt habe. Denn es sei insoweit auszuschließen, dass die Klägerin im Inland Umsätze aus Leistungen aus einem Versicherungsverhältnis oder der Vermittlung von Sicherungsleistungen ausgeführt habe.

Die Inanspruchnahme des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens scheitere aber daran, dass die Klägerin innerhalb der in § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG genannten Antragsfrist, bei der es sich um eine Ausschlussfrist handele, nicht die Original-Rechnungen vorgelegt habe, die ggf. zu einer Vorsteuervergütung führen könnten. Die Pflicht hierzu ergebe sich aus der Zusammenschau von § 18 Abs. 9 Sätze 3 und 4 UStG, der "Gesetzeshistorie" sowie einer europarechtskonformen Auslegung.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend:

1.

Sie verstehe den in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) geregelten Vorbehalt des Gesetzes dahin gehend, dass sich der im Gesetz niedergelegte Wille des Gesetzgebers aus dem Gesetz selbst unter Zugrundelegung anerkannter Auslegungsgrundsätze ergeben müsse. Insbesondere sei zu Lasten des Steuerpflichtigen kein Rückgriff auf EG-Richtlinien zulässig.

2.

Der Vertrauensgrundsatz sei verletzt. Das BfF sei gehalten gewesen, bei Stellung eines unvollständigen Antrags auf dessen Vervollständigung hinzuwirken. Der Vertreter des BfF habe in der mündlichen Verhandlung vor dem FG erklärt, dass die Finanzverwaltung die gesetzlichen Vorschriften damals anders interpretiert habe und deswegen nicht auf die Notwendigkeit hingewiesen habe, die Original-Rechnungen einzureichen. Wenn dies damals so gewesen sei, könne ihr nicht angelastet werden, dass sie, die Klägerin, das Gesetz ebenso wie das BfF interpretiert habe. Sie habe nicht damit rechnen können, dass das BfF einen einmal gewählten Rechtsstandpunkt zu ihren Lasten aufgeben würde.

3.

Die Interpretation des deutschen Umsatzsteuerrechts gestalte sich zu einer Rundreise durch EG-Richtlinien. Für ein ausländisches Unternehmen sei dies ein nicht überwindbares Hindernis.

4.

Der Bundesfinanzhof (BFH) habe im Urteil vom 10. April 2003 V R 35/01 (BFHE 202, 187, BStBl II 2003, 782) im damaligen Rechtsstreit dem FG aufgegeben zu prüfen, ob der Tatsache Bedeutung zukomme, dass die damalige Klägerin eine aktuelle Unternehmerbescheinigung und die Rechnungen erst nach Ablauf der Antragsfrist des § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG vorgelegt habe. Die im vorliegenden Streitfall entscheidungserhebliche Frage sei somit vom BFH noch nicht abschließend beurteilt worden.

5.

Nach § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG sei der Vergütungsantrag innerhalb der Ausschlussfrist von sechs Monaten zu stellen. Für die Vorlagen von Rechnungen und Einfuhrbelegen sei in Satz 4 der Vorschrift keine Frist bestimmt. Soweit das FG den Begriff des Vergütungsantrags dahin gehend erweitere, dass zum Vergütungsantrag auch die Original-Rechnungen gehörten, sei dies eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes. Den Begriff "Rechnung" könne man nicht in den Begriff "Vergütungsantrag" hineininterpretieren.

Es bestehe auch kein Grund, so vorzugehen. Die Rechnungen seien Bestand ihrer Buchführung. Nach den in der Schweiz geltenden Steuervorschriften dürfe sie ihre Buchführungsunterlagen nicht in das Ausland verbringen, sondern müsse diese zur Einsichtnahme der Steuerbehörden im Inland aufbewahren. Das BfF bearbeite Erstattungsanträge äußerst zögerlich. Das bedeute für sie, die Klägerin, dass die Originalbelege für viele Jahre nicht zur Verfügung stünden, was Strafen und Sanktionen in der Schweiz nach sich ziehen könnte. Es mache daher einen Sinn, dass sie die Original-Rechnungen nach Aufforderung erst dann vorlege, wenn das BfF sie zur Bearbeitung benötige.

6.

Die frühere Regelung in § 61 Abs. 1 Satz 5 UStDV a.F. sei eindeutig gewesen. Die Vorschrift habe gelautet: "Dem Vergütungsantrag sind die Rechnungen und Einfuhrbelege im Original beizufügen." Diese Vorschrift sei durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1996 mit Wirkung ab 1997 aufgehoben worden.

Soweit das FG meine, der Gesetzgeber habe die Regelung des aufgehobenen § 61 Abs. 1 Satz 5 UStDV im Rahmen einer (lediglich) redaktionellen Änderung in § 18 Abs. 9 UStG übernehmen wollen, sei dem nicht zu folgen. Entscheidend sei, dass der Gesetzgeber dies nicht getan habe. Das FG könne einen Fehler des Gesetzgebers nicht im Wege der Gesetzesauslegung reparieren. Dazu sei ein Gericht nicht befugt.

Es liege nahe, dass der Gesetzgeber des UStG auf die Belange der erstattungsberechtigten ausländischen Unternehmer habe Rücksicht nehmen wollen, die die Original-Rechnungen nicht längere Zeit aus der Hand geben könnten.

Die Klägerin hat --"unter Zurückstellung aller rechtlichen Bedenken"-- die Rechnungen für die Streitjahre dem BZSt mit Schreiben vom 11. Januar 2007 zugesandt.

Sie beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung, der Ablehnungsbescheide des BfF vom 24. August 2001 und der Einspruchsentscheidungen vom 16. Oktober 2002 das BfF zu verpflichten, ihr, der Klägerin, für das Jahr 1999 Vorsteuerbeträge in Höhe von ... und für das Jahr 2000 Vorsteuerbeträge in Höhe von ... zuzüglich Zinsen in Höhe von 1/2 v.H. für jeden vollen Monat seit dem Tage der Rechtshängigkeit zu erstatten.

Hinsichtlich der Kosten beantragt die Klägerin,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das (seit 1. Januar 2006 so bezeichnete) BZSt beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es schließt sich der Vorentscheidung an und meint, die Revision sei auch deswegen als unbegründet zurückzuweisen, weil die Klägerin im Streitjahr --entgegen der Auffassung des FG-- in der Bundesrepublik Deutschland Versicherungsleistungen erbracht oder zumindest Versicherungsschutz vermittelt habe, so dass auch die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 Nr. 1 UStDV nicht vorlägen.

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

1.

Nach § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG kann zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 UStG und von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG, in einem besonderen Verfahren regeln. Der Vergütungsantrag ist gemäß § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Der Unternehmer hat die Vergütung selbst zu berechnen und die Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original nachzuweisen (§ 18 Abs. 9 Satz 4 UStG). Der Vergütungsantrag ist vom Unternehmer eigenhändig zu unterschreiben (§ 18 Abs. 9 Satz 5 UStG).

2.

Aus dem gebotenen Zusammenlesen von § 18 Abs. 9 Sätze 3 bis 5 UStG, die sämtlich den Vergütungsantrag betreffen, ergibt sich die Pflicht für die Antragsteller, die Vorsteuerbeträge bereits mit dem Vergütungsantrag durch Vorlage der Rechnungen im Original nachzuweisen.

Zwar bestimmt § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG, der die Vorlage der Rechnungen im Original vorschreibt, nicht, dass diese Vorlage mit dem Vergütungsantrag erfolgen muss. Die Vorschrift steht aber gesetzessystematisch zwischen § 18 Abs. 9 Sätze 3 und 5 UStG, in denen ausdrücklich der Vergütungsantrag genannt ist. Zudem kann die in § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG --neben der Verpflichtung, "die Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original nachzuweisen"--, enthaltene Verpflichtung, "die Vergütung selbst zu berechnen", nur im Vergütungsantrag selbst erfüllt werden.

Die Annahme, aus den im Vergleich zu § 61 Abs. 1 Satz 5 UStDV a.F. ("Dem Vergütungsantrag sind die Rechnungen und Einfuhrbelege im Original beizufügen.") veränderten Formulierungen in § 18 Abs. 9 UStG müsse der Schluss gezogen werden, "dass sich der Gesetzgeber dabei etwas gedacht hat und folglich die Rechtzeitigkeit des Antrags nicht mehr von der Vorlage der Belege innerhalb der Antragsfrist abhängig machen will" (so Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 18 Rz 507), trifft nicht zu. Vielmehr wollte der Gesetzgeber die bisherige Regelung des § 61 Abs. 1 Satz 5 UStDV ohne inhaltliche Änderung in § 18 Abs. 9 UStG übernehmen (vgl. Gesetzentwurf zum Jahressteuergesetz 1996, BTDrucks 13/901, 86, 89, 153; BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 48/01, BFHE 203, 531, BStBl II 2004, 196, unter II. 2. e).

Deshalb sind (bereits) dem Vergütungsantrag die Rechnungen und Einfuhrbelege im Original beizufügen (vgl. Abschn. 243 Abs. 3 Satz 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR--; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 220 Rz 416.2; Schmid in Offerhaus/ Söhn/Lange, UStG, § 18 Rz 343, 353; Bülow in Vogel/Schwarz, § 18 Rz 258, 265; Rothenberger in Hartmann/Metzenmacher, § 18 Rz 121; a.A. Fröschl, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2003, 1085).

3.

Diese Auslegung ist auch gemeinschaftsrechtlich geboten (vgl. zur richtlinienkonformen Auslegung der nationalen Vorschriften über das Vorsteuer-Vergütungsverfahren: BFH-Urteile vom 22. Mai 2003 V R 97/01, BFHE 203, 193, BStBl II 2003, 819 ; vom 22. Oktober 2003 V R 95/01, BFH/NV 2004, 828; in BFHE 203, 531, BStBl II 2004, 196; vom 10. Februar 2005 V R 56/03, HFR 2005, 1208; FG Köln, Vorlagebeschluss vom 19. Januar 2006 2 K 5044/03, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 612).

a)

Nach Art. 17 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) erfolgen Mehrwertsteuererstattungen an nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Steuerpflichtige --wie die Klägerin-- entsprechend den in der Dreizehnten Richtlinie des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 86/560/EWG --Richtlinie 86/560/EWG-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. 1, 326/40) festgelegten Bestimmungen.

b)

Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 86/560/EWG erfolgt die Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige auf Antrag des Steuerpflichtigen. Die Mitgliedstaaten bestimmen die Modalitäten für die Antragstellung einschließlich der Antragsfristen, des Zeitraums, auf den der Antrag sich beziehen muss, der für die Einreichung zuständigen Behörden und der Mindestbeträge, für die die Erstattung beantragt werden kann (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 86/560/EWG). Sie legen auch die Einzelheiten für die Erstattung, einschließlich der Fristen, fest (Art. 3 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 86/560/EWG). Sie legen dem Antragsteller die Pflichten auf, die erforderlich sind, um die Begründetheit des Antrags beurteilen zu können und um Steuerhinterziehungen zu vermeiden, und verlangen insbesondere den Nachweis, dass er eine wirtschaftliche Tätigkeit entsprechend Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ausübt (Art. 3 Abs. 1 Satz 4 der Richtlinie 86/560/EWG).

Die Erstattung darf nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 86/560/EWG nicht zu günstigeren Bedingungen erfolgen als für in der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige (Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 86/560/EWG). Das bedeutet, dass der Gesetzgeber die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Antragsteller nicht günstiger stellen darf als Antragsteller, die im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig sind (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 49/01, BFH/NV 2004, 673, unter 2. b).

Für im Gemeinschaftsgebiet ansässige Antragsteller bestimmt Art. 3 Buchst. a Satz 1 der Achten Richtlinie des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 79/1072/EWG --Richtlinie 79/1072/EWG-- (ABlEG Nr. 1, 331/11), dass der in einem anderen Mitgliedsstaat ansässige Steuerpflichtige, um die Vorsteuererstattung zu erhalten, bei der zuständigen Behörde nach dem im Anhang A zu dieser Richtlinie aufgeführten Muster einen Antrag zu stellen hat, dem die Originale der Rechnungen oder Einfuhrdokumente beizufügen sind.

Aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 86/560/EWG i.V.m. Art. 3 Buchst. a Satz 1 der Richtlinie 79/1072/EWG folgt mithin, dass auch ein außerhalb des Gebiets der Gemeinschaft ansässiger Steuerpflichtiger die Erstattung von Mehrwertsteuerbeträgen nur dann erlangen kann, wenn er dem Erstattungsantrag die Originale der Rechnungen oder Einfuhrdokumente beigefügt hat.

c)

Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu Art. 3 Buchst. a Satz 1 der Richtlinie 79/1072/EWG entschieden, dass es einem Mitgliedsstaat nicht verwehrt ist, die Möglichkeit vorzusehen, dass der Steuerpflichtige bei von ihm nicht zu vertretendem Abhandenkommen einer Rechnung oder eines Einfuhrdokuments den Nachweis seines Erstattungsanspruchs durch Vorlage einer Zweitschrift der Rechnung oder des fraglichen Einfuhrdokuments führt, wenn der dem Erstattungsantrag zugrunde liegende Vorgang stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere Erstattungsanträge gestellt werden. Habe ein in einem Mitgliedsstaat ansässiger Steuerpflichtiger in der gleichen Situation die Möglichkeit, den Nachweis durch Vorlage einer Zweitschrift oder einer Ablichtung der Rechnung zu führen, so folge aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 12 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), dass diese Möglichkeit auch einem nicht in diesem Mitgliedsstaat ansässigen Steuerpflichtigen einzuräumen sei (vgl. EuGH-Urteil vom 11. Juni 1998 Rs. C-361/96, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1998, 309, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1998, 275). Dieser Rechtsprechung hat sich der BFH angeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 1998 V R 55/96, BFHE 186, 460, BStBl II 1999, 324).

Es kann offen bleiben, ob diese Rechtsprechung auch für Vergütungsanträge außerhalb des Gebiets der Gemeinschaft ansässiger Steuerpflichtiger, wie der Klägerin, anwendbar ist, für die das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV nicht gilt (verneinend Stadie in Rau/Dürrwächter, § 18 Rz 616, 704; vgl. auch BFH-Beschluss vom 8. April 2005 V B 123/03, BFHE 209, 167, BStBl II 2005, 585). Denn im Streitfall liegt ein derartiger Belegverlust nicht vor. Der Klägerin sind die Original-Rechnungen nicht abhandengekommen. Sie hat lediglich davon abgesehen, ihrem Antrag die Original-Rechnungen beizufügen.

d)

In diesem Zusammenhang macht die Klägerin ohne Erfolg geltend, sie dürfe ihre Buchführungsunterlagen nach den in der Schweiz geltenden Steuervorschriften --ohne diese näher zu bezeichnen-- nicht in das Ausland verbringen und könne deshalb die Original-Rechnungen nicht längere Zeit aus der Hand geben. Denn die Klägerin hätte dies dem BfF/BZSt darlegen und um kurzfristige Rückgabe der Original-Rechnungen bitten können.

Es kann deshalb offen bleiben, ob sich eine Pflicht des BfF/ BZSt zur kurzfristigen Rückgabe von Rechnungen bereits aus Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 79/1072/EWG ergeben hätte. Nach dieser Bestimmung versieht die zuständige Behörde "jede Rechnung und jedes Einfuhrdokument mit ihrem Sichtvermerk, damit diese nicht für einen weiteren Antrag dienen können, und gibt sie dem Steuerpflichtigen binnen einem Monat zurück". Diese Bestimmung könnte über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich (in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Antragsteller) hinaus auch auf Anträge von Steuerpflichtigen anwendbar sein, die nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässig sind. Sie dürfte nach Wortlaut und systematischer Stellung dahin gehend zu verstehen sein, dass einem Antragsteller die von ihm eingereichten Rechnungen bereits binnen einem Monat nach Antragstellung und nicht --wie offenbar vom BfF bzw. vom BZSt praktiziert-- erst binnen einem Monat nach Entscheidung über den Antrag zurückgegeben werden müssen.

4.

Die Frist für den Vergütungsantrag nach § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG ist eine Ausschlussfrist und kann nicht rückwirkend verlängert werden (vgl. BFH-Urteile vom 21. Oktober 1999 V R 76/98, BFHE 190, 239, BStBl II 2000, 214; in BFHE 203, 531, BStBl II 2004, 196).

Wird jedoch die Frist ohne Verschulden versäumt, so kommt unter den Voraussetzungen des § 110 der Abgabenordung (AO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 190, 239, BStBl II 2000, 214, unter II. 2.). Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen aber im Streitfall nicht vor.

Das Hindernis, den Vergütungsantrag formgerecht --unter Beifügung der Original-Rechnungen-- zu stellen, war spätestens durch die Ablehnung der Vergütungsanträge durch die Bescheide des BfF vom 24. August 2001 entfallen. Innerhalb der vom Zugang der Ablehnungsbescheide laufenden Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO) hat die Klägerin jedoch weder einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt noch die Original-Rechnungen vorgelegt (vgl. § 110 Abs. 2 Satz 4 AO).

5.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Vertrauensschutzgrundsatz nicht verletzt.

Das BfF/BZSt war nicht gehalten, bei Stellung eines unvollständigen Antrags auf dessen Vervollständigung --hier durch die Vorlage von Original-Rechnungen-- hinzuweisen. Denn die Klägerin hatte den Vergütungsantrag für den Vergütungszeitraum 1999 erst am 30. Juni 2000, dem Tag des Fristablaufs nach § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG, und den Vergütungsantrag für den Vergütungszeitraum 2000 erst am 29. Juni 2001 und damit kurz vor Fristablauf gestellt. Erfahrungsgemäß häufen sich gerade kurz vor Ablauf der Antragsfrist die Anträge, so dass vom BfF nicht erwartet werden konnte, noch innerhalb der Antragsfrist alle eingegangenen Anträge auf ihre formelle Ordnungsmäßigkeit hin zu überprüfen, um eventuell entdeckte Fehler durch die Antragsteller noch fristgerecht beheben zu lassen. Werden Vergütungsanträge erst kurz vor Ablauf der Antragsfrist eingereicht, kann offensichtlich auch keine Hinweispflicht verletzt worden sein, die für die eingetretene Versäumnis hätte ursächlich sein können (vgl. für Zulagenanträge: BFH-Urteil vom 16. Mai 2002 III R 27/01, BFHE 198, 283, BStBl II 2002, 668, unter II. 2. c; BFH-Beschluss vom 28. Juli 2003 III B 129/02, BFH/NV 2003, 1610, unter 1. c).

Überdies hatte das BfF die Klägerin in dem den Vergütungszeitraum 1997 betreffenden Verfahren mit Schreiben vom 30. September 1998 --also vor Antragstellung in den beiden hier streitigen Verfahren-- u.a. zur Einreichung der Original-Rechnungen aufgefordert, wie dem Senat aus dem den Vergütungszeitraum 1997 betreffenden Verfahren V R 22/05 bekannt ist. Die Klägerin wusste also bereits vor Antragstellung, dass das BfF die Original-Rechnungen verlangte.

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