§ 122 Abs. 1 S. 1 AO 1977FG Berlin - 23.11.2004 - AZ: 7 K 7104/03
Gründe
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) als Organträger der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GmbH, behandelt. Ausgehend von der Auffassung, dass die Umsatzsteuer für Leistungen der "... Ltd." im Abzugsverfahren einzubehalten und abzuführen gewesen sei, nahm das FA im Umsatzsteuerbescheid für 1996 den Kläger insoweit für die Umsatzsteuer in Haftung. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein.
Am 19. Februar 2003 erließ das FA eine Einspruchsentscheidung "betreffend B. S., Garten und Landschaftsbau, Landschaftspflege GmbH in A-Stadt, N-Straße 111", deren Gründe wie folgt beginnen:
"Der Einspruchsführer (Ef.) ist Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG.
Gegenstand des steuerlich beim FA X unter o.g. Steuernummer (bis 2001) geführten Einzelunternehmens war die Verpachtung notwendiger Einrichtungen und Gegenstände an die B. S. Garten- und Landschaftsbau, Landschaftspflege GmbH, die umfangreiche landschaftsbauliche Arbeiten ausführte".
Im weiteren Verlauf der Gründe legte das FA dar, weshalb es die Klägerin umsatzsteuerrechtlich als in das Unternehmen des Klägers eingegliederte Organgesellschaft ansah.
Dagegen erhob die Klägerin am 17. März 2003 Klage. Der Berichterstatter gab mit Verfügung vom 31. März 2003 der Klägerin auf, bis zum 7. Juli 2003 den Kläger/die Klägerin zu bezeichnen. Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2003 machte die Klägerin geltend, die Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2003 sei nichtig, weil sie den Inhaltsadressaten nicht hinreichend bestimmt bezeichne. Für den Fall, dass das Gericht dieser Auffassung nicht folgen sollte, bat sie, das Rubrum dahin gehend zu berichtigen, dass B. S. als weiterer Kläger aufgeführt wurde.
Das Finanzgericht (FG) wies beide Klagen ab. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, die Klage des Klägers sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Klagefrist erhoben worden sei. Die Klage der Klägerin sei mangels Beschwer nicht zulässig. Durch Auslegung der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2003 lasse sich mit hinreichender Sicherheit der Kläger als deren Inhaltsadressat ermitteln.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Kläger grundsätzliche Bedeutung und Verletzung rechtlichen Gehörs geltend.
Grundsätzliche Bedeutung habe die Frage, ob ein Verwaltungsakt wirksam bekannt gegeben sei, wenn der Adressat nur durch Auslegung ermittelt werden könne.
Außerdem habe das FG das Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Ihnen, den Klägern, sei durch eine Verfügung des FG die Möglichkeit genommen worden, eine zulässige Klage zu erheben. Wenn bereits in der Eingangsbestätigung der Klage auf den Umstand hingewiesen worden wäre, dass der Einspruchsbescheid zwar ausdrücklich an die B. S. Garten- und Landschaftsbau, Landschaftspflege GmbH gerichtet gewesen sei, sich aber tatsächlich nicht an diese gerichtet habe, so wäre bereits zu diesem Zeitpunkt noch fristgemäß die Klage durch den Kläger erhoben worden.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
1.
Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BFH-Beschluss vom 7. August 2002 I B 151/01, BFH/NV 2003, 60, mit Nachweisen). Die grundsätzliche Bedeutung muss im Hinblick auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, deren Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, gegeben sein (BFH-Beschlüsse vom 16. Juli 1999 IX B 81/99, BFHE 189, 401 , BStBl II 1999, 760, und vom 21. April 1999 I B 99/98, BFHE 188, 372 , BStBl II 2000, 254).
An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es. Die Frage, ob der Adressat eines Verwaltungsaktes durch Auslegung ermittelt werden darf, ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt. Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 122 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Dabei muss ein Verwaltungsakt gemäß § 119 Abs. 1 AO 1977 inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Für wen der Verwaltungsakt bestimmt ist, muss ggf. durch Auslegung ermittelt werden. Dabei kommt es darauf an, wie der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Urteile vom 18. Juli 1994 X R 33/91, BFHE 175, 294 , BStBl II 1995, 4; vom 27. November 1996 X R 20/95, BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791; vom 6. Juli 1994 II R 126/91, BFH/NV 1995, 178; BFH-Beschluss vom 8. Februar 2001 VII B 82/00, BFH/NV 2001, 1003). Nur wenn sich auch durch Auslegung nicht klar und eindeutig ermitteln lässt, für wen der Verwaltungsakt bestimmt ist, oder wer von ihm betroffen sein soll, ist der Verwaltungsakt nichtig (BFH-Urteil vom 26. Juni 1985 IV R 62/83, BFH/NV 1987, 19). Es genügt, wenn sich der Adressat bei nicht richtiger Eintragung im Anschriftenfeld aus dem Bescheidinhalt oder einer Anlage zum Bescheid insgesamt mit Sicherheit entnehmen lässt (BFH vom 12. August 1976 IV R 105/75, BFHE 120, 129, BStBl II 1977, 221).
2.
Die Kläger rügen auch ohne Erfolg Verletzung rechtlichen Gehörs. Das FG hat den Klägern hinreichend Gelegenheit gegeben, sich rechtzeitig zu der als klärungsbedürftig erachteten Frage der Klägerbenennung zu äußern. Insbesondere hat das FG --entgegen der Auffassung der Kläger-- in seiner Verfügung vom 31. März 2003 nicht die Ansicht vertreten, dass sich die Einspruchsentscheidung sowohl gegen die Klägerin als auch gegen den Kläger richtete. Vielmehr hat das FG dort mit dem Wort "ebenfalls" zum Ausdruck gebracht, dass sowohl der angefochtene Umsatzsteuerbescheid als auch die Einspruchsentscheidung an den Kläger gerichtet waren.
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