BFH IV R 86/96

BFHIV R 86/9627.11.1997

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war gemeinsam mit ihrem 1982 verstorbenen Ehemann Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebs mit einer Größe von 15,0110 ha. Im Jahr 1972 hatten die 1904 und 1910 geborenen Ehegatten die landwirtschaftlichen Nutzflächen bis auf die Hofstelle einschließlich aller Gebäude (Fläche insgesamt ca. 0,75 ha) an einen benachbarten Landwirt verpachtet und den Hofvermerk in der Höferolle löschen lassen. Das lebende Inventar war seit Ende der sechziger Jahre verkauft, das tote Inventar verschrottet worden. Seit 1973 hatte der Ehemann der Klägerin eine Altersrente bezogen. Durch Erbvertrag vom 31. Oktober 1986 übertrug die Klägerin das Eigentum an sämtlichen Flächen, die noch immer verpachtet waren, unter dem Vorbehalt eines lebenslänglichen Nießbrauchsrechts auf ihre fünf Kinder.

Der Veranlagungsstelle des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt -- FA --) wurde die Übertragung auf die Kinder erst durch die Antwort auf eine im Jahr 1990 routinemäßig gestellte Anfrage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen für eine Veranlagung zur Einkommensteuer bekannt. Daraufhin wurde die Klägerin zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung für 1986 und 1987 aufgefordert, weil das FA von einer Betriebsaufgabe im Zusammenhang mit der Übertragung ausging. Die Klägerin widersprach dieser Auffassung, gab aber unter dem Druck des FA eine Steuererklärung für das Streitjahr 1986 ab, in der sie u. a. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärte. Unter dem 24. Juni 1991 erging der Einkommensteuerbescheid 1986, mit dem die Steuer unter Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns von 320.216,00 DM abzüglich eines Freibetrags von 99.784,00 DM auf insgesamt 50.852,00 DM festgesetzt wurde.

Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1997, 279) im wesentlichen aus, zu einer Betriebsaufgabe sei es im Streitjahr nicht gekommen, weil der Betrieb bereits 1972 durch die damals erfolgte Verpachtung aufgegeben worden sei.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das FA geltend, das FG habe die Voraussetzungen für eine Betriebsaufgabe verkannt.

Das FA beantragt

die Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1.

Das FG hat zu Unrecht eine Betriebsaufgabe im Zusammenhang mit der 1972 erfolgten Verpachtung der landwirtschaftlichen Nutzflächen angenommen.

a)

Die Verpachtung eines Betriebs im ganzen führt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann zu einer Betriebsaufgabe i. S. des §16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wenn der Verpächter die Aufgabe des Betriebs erklärt (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Unterbleibt eine Aufgabeerklärung, wird der Betrieb als ruhender Betrieb fortgeführt. Darüber hinaus folgt für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, wie der Senat mehrfach entschieden hat, auch aus der parzellenweisen Verpachtung land- und forstwirtschaftlicher Nutzflächen nicht zwingend eine Betriebsaufgabe. Der Annahme eines fortgeführten ruhenden Betriebs steht es nicht entgegen, wenn das lebende und tote Inventar zurückbehalten oder veräußert wird und die Hofstelle sowie die Wirtschaftsgebäude von der Verpachtung ausgenommen werden (BFH-Urteil vom 2. März 1995 IV R 52/94, BFH/NV 1996, 110, m. w. N.).

Im Streitfall ist eine Betriebsaufgabe deshalb nicht darin zu sehen, daß die Klägerin und ihr Ehemann den landwirtschaftlichen Betrieb nicht als Ganzes, sondern lediglich die nahezu gesamten landwirtschaftlichen Nutzflächen an einen anderen Landwirt verpachtet haben. Da Hofstelle und Wirtschaftsgebäude beibehalten wurden, war eine spätere Fortführung des Betriebs durch die Eigentümer nach Ablauf der Pachtzeit möglich. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn bauliche Veränderungen an den Wirtschaftsgebäuden in der Weise vorgenommen worden wären, daß sie zur Lagerung von Brennstoffen oder zum Abstellen privater Fahrzeuge genutzt worden wären, wie von der Klägerin erstinstanzlich vorgetragen worden ist.

b)

Fehlt es an einer zwingenden Betriebsaufgabe durch Zerschlagung des Betriebs im Zusammenhang mit der Verpachtung, kann eine Aufgabe nur bei einer entsprechenden Ausübung des Wahlrechts durch den Verpächter angenommen werden. Denn die Aufgabe hängt in einem solchen Fall letztlich von den Absichten des Steuerpflichtigen ab, die aus Beweisgründen eindeutig und unmißverständlich erklärt worden sein müssen (Senatsurteil vom 23. Februar 1989 IV R 63/87, BFH/NV 1990, 219). Der Wille, wie verfahren werden soll, muß äußerlich erkennbar und von dem Bewußtsein getragen sein, daß es als Folge dieser Erklärung zur Versteuerung der stillen Reserven kommt (Senatsurteil vom 23. November 1995 IV R 36/94, BFH/NV 1996, 398, m. w. N.). Nicht erforderlich ist allerdings, daß eine derartige Willensäußerung in Form einer ausdrücklichen Aufgabeerklärung gegenüber dem FA stattfindet (BFH in BFH/NV 1996, 398; Senatsbeschluß vom 10. September 1996 IV B 135/95, BFH/NV 1997, 218).

Von diesen Grundsätzen ausgehend kann im Streitfall eine eindeutige Aufgabeerklärung nicht angenommen werden. Nach den Feststellungen des FG haben die Klägerin und ihr Ehemann ausdrückliche Erklärungen gegenüber dem FA über die Absicht der Betriebsaufgabe nicht abgegeben. Auch aus sonstigen Handlungen und Erklärungen ergibt sich ein Aufgabewille nicht eindeutig. Die Beantragung einer Altersrente läßt nicht auf den Willen zur Aufgabe des Betriebs schließen. Das gilt selbst dann, wenn Voraussetzung für den Bezug der Rente die Aufgabe des Unternehmens sein sollte. Denn ungeachtet der -- vorliegend zwischen den Beteiligten streitigen -- Frage, ob das Fortbestehen eines ruhenden Betriebs objektiv schädlich ist, kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Antragsteller subjektiv die Einstellung der aktiven unternehmerischen Tätigkeit für ausreichend zum Bezug der Rente gehalten hat.

Auf den Willen zur Betriebsaufgabe kann auch nicht aus dem Antrag auf Löschung des Hofvermerks geschlossen werden. Erfüllt eine land- und forstwirtschaftliche Besitzung die Voraussetzungen eines Hofs i. S. des §1 Abs. 1 der Höfeordnung --HöfeO -- (BGBl I 1976, 1933) und ist ein entsprechender Vermerk im Grundbuch eingetragen, so bestimmt sich die Erbfolge in den Hof an Stelle der Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nach §§4 ff. HöfeO, wonach die Erbschaft nur einem Erben zusteht. Wird der Hofvermerk gelöscht, gelten die allgemeinen Grundsätze des Erbrechts nach dem BGB (vgl. Wöhrmann/Stöcker, Das Landwirtschaftserbrecht, 6. Aufl. 1995, Einl. Höferecht Rdnr. 24 ff.). Will ein Land- und Forstwirt, für dessen Betrieb ein Hofvermerk eingetragen ist, sicherstellen, daß das zum Hof gehörende Vermögen nicht auf einen Erben, sondern auf mehrere Erben (z. B. mehrere Abkömmlinge) übergeht, so muß er den Hofvermerk löschen lassen (vgl. zur fakultativen Anwendung des Höferechts Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Höfeordnung, 9. Aufl. 1991, §1 Rdnr. 53 ff.). Ein entsprechender Antrag hat deshalb allein erbrechtliche Bedeutung. Die Fortführung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs bleibt von der Löschung des Hofvermerks vollkommen unberührt. Dementsprechend kann dem Antrag auf Löschung des Hofvermerks entgegen der Auffassung des FG auch nicht entnommen werden, daß eine Betriebsaufgabe beabsichtigt ist.

2.

Ob im Streitjahr eine Betriebsaufgabe stattgefunden hat und wie hoch ggf. der dabei realisierte Gewinn war, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Das FG hat -- von seinem Standpunkt aus zu Recht -- keine Feststellungen zu der vom FA angenommenen Betriebsaufgabe im Streitjahr getroffen. Die Sache geht deshalb an das FG zurück.

Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß nach ständiger Rechtsprechung des BFH die unentgeltliche Übertragung eines im Wege der Verpachtung fortgeführten Betriebs nicht zwingend zu einer Betriebsaufgabe führt. Vielmehr hat die Übertragung zur Folge, daß das Verpächterwahlrecht auf den Erwerber übergeht und der Betrieb vom Erwerber nach Ablauf der Verpachtung ohne Realisierung der stillen Reserven wieder als aktiver Betrieb aufgenommen werden kann (Senatsurteile vom 15. Oktober 1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260, und vom 17. Oktober 1991 IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392). Behält sich der Übertragende ein Nießbrauchsrecht vor, so entsteht mit der Übertragung in der Hand des Nießbrauchers grundsätzlich ein zweiter Betrieb, der sich auf die Ausübung des Nutzungsrechts beschränkt (Senatsurteil in BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260).

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