BFH

BFHV R 51/0128.11.2002

§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1991/1993
§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO

 

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Beteiligungs KG, hatte von der Stadt B (Stadt) durch Kaufvertrag vom 14. Dezember 1990 ein Baugrundstück erworben. Sie hatte sich in § 6 des Kaufvertrages verpflichtet, darauf ein Handelszentrum zu errichten. Nach der Betriebsbeschreibung des Handelszentrums sollte dieses von einer noch zu gründenden Aktiengesellschaft betrieben werden. Das Handelszentrum sollte sich in einem Gebäude mit Büroflächen befinden. Diese sollten an Unternehmen mit Sitz im In- und Ausland vermietet werden. Bis zu 30 v. H. des Gebäudes sollten einem Hotel- und Appartementbereich vorbehalten sein, in dem überwiegend Mitarbeiter und Gäste der in dem Gebäude tätigen Unternehmer untergebracht werden sollten. Außerdem sollten Räume für die kaufmännische und technische Verwaltung des Gebäudes und für Dienstleistungen anderer Unternehmer durch "Büro- und Beratungsservice" genutzt werden. Die Stadt hatte für die Grundstückslieferung keine Umsatzsteuer berechnet.

Die Klägerin erlangte den Besitz an dem Baugrundstück zum 1. Oktober 1992. Weil sie nicht alle Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag erfüllen konnte, übte die Stadt im April 1993 das ihr vertraglich vorbehaltene Wiederkaufsrecht unter Rückzahlung des Kaufpreises aus.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre 1992 und 1993 gegen die Klägerin in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden vom 18. November 1998 jeweils auf 0 DM fest, weil die Klägerin selbst in den Umsatzsteuererklärungen für 1992 (abgegeben am 8. Juli 1994) und für 1993 (abgegeben am 21. Februar 1995) Umsätze und Vorsteuerbeträge mit jeweils 0 DM angemeldet hatte. Mit den dagegen gerichteten Einsprüchen machte sie Vorsteuerbeträge für Planungsleistungen und andere mit der Bebauung zusammenhängende Leistungen von insgesamt . . . DM für 1992 und von . . . DM für 1993 aus Rechnungen (Datum unbekannt) der mit der Klägerin namensähnlichen X-AG geltend.

Das FA wies den Einspruch zurück, weil die berechneten Leistungen im Zusammenhang mit der steuerfreien Rücklieferung des Gründstücks stünden.

Die dagegen gerichtete Klage hatte überwiegend Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage --mit Ausnahme eines Vorsteuerbetrages von . . . DM für 1992-- mit der Begründung statt, der Anspruch auf Abzug der geltend gemachten Vorsteuerbeträge sei in den Streitjahren 1992 und 1993 entstanden, weil die Klägerin beabsichtigt habe, die bezogenen Eingangsleistungen für besteuerte Umsätze zu verwenden. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug aufgrund der beabsichtigten Verwendung nach Art. 17 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- (vgl. EuGH-Urteil vom 8. Juni 2000 Rs. C-396/98 --Grundstücksgemeinschaft Schlossstraße--, Slg. 2000, I-4272, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2000, 336). Die Klägerin habe beabsichtigt, die streitbefangenen Investitionsleistungen unter Verzicht auf die Steuerfreiheit (§ 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 Abs. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1991/1993 (UStG 1991/1993) für steuerpflichtige Grundstücksvermietungen zu verwenden. Die Ernsthaftigkeit der Absicht, steuerpflichtige Grundstücksvermietung auszuführen, ergebe sich aus einer Liste "vom Januar 1993 mit 13 Unternehmen, mit denen die Klägerin zu diesem Zeitpunkt in Mietvertragsverhandlungen gestanden ist", aus zwei vorgelegten Mietverträgen über eine steuerpflichtige Vermietung sowie aus dokumentierten Vorverhandlungen mit einem weiteren potentiellen Großmieter. Der entstandene Vorsteuerabzugsanspruch entfalle auch nicht, weil die beabsichtigten Umsätze nicht ausgeführt worden seien. Die Gründe dafür seien vom Willen der Klägerin unabhängig gewesen. Es habe auch keine Betrugs- und Missbrauchsgefahr bestanden.

Eine Vorsteuerberichtigung im Streitjahr 1993 sei nicht geboten, weil eine Änderung der Verhältnisse nicht vorliege. Nach der Ausübung des Wiederkaufsrechts habe die Klägerin die vorsteuerbelasteten Investitionsleistungen nicht mehr für steuerfreie Ausgangsumsätze verwenden können; denn die Rückübertragung des Baugrundstücks durch die Klägerin sei nicht als steuerfreie Rücklieferung zu beurteilen. Die Klägerin habe das Grundstück nach Ausübung des Wiederkaufsrechts "gezwungenermaßen, ohne damit ein wirtschaftliches Ziel zu erreichen", zurückübertragen. Deshalb komme es nicht darauf an, ob der Vorsteuerabzug für abgerechnete, aber nicht verwirklichte Planungsleistungen nach § 15a UStG 1991/1993 überhaupt berichtigt werden müsse.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von § 9 Abs. 2 UStG 1991/1993. Das FG habe verkannt --so führt das FA zur Begründung u. a. aus--, dass die Absicht, das geplante Gebäude steuerpflichtig zu vermieten, sich noch nicht durch bloße Vertragsverhandlungen und Vorverhandlungen, sondern erst durch bindende Vermietungsangebote konkretisiere. Das FG habe nicht festgestellt, in welchem Stadium sich die Entwürfe von Mietverträgen befunden hätten. Es sei zu prüfen, ob die bezogenen Leistungen für die steuerfreie Rücklieferung nach Ausübung des Wiederkaufsrechts durch die Stadt verwendet worden seien. Eine Vorsteuerberichtigung sei geboten, weil die Planungsleistungen als Wirtschaftsgüter i. S. von § 15a UStG 1991/1993 anzusehen seien.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vorhandenen Feststellungen reichen nicht aus, um die Richtigkeit der Vorentscheidung abschließend beurteilen zu können.

1.

Für Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug aus Rechungen über Eingangsleistungen ist bei richtlinienkonformer Anwendung von § 15 Abs. 1 und 2 UStG 1991/1993 maßgebend, ob der Steuerpflichtige die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hatte, mit den Investitionsausgaben Umsätze auszuführen, für die der Vorsteuerabzug zugelassen ist (vgl. EuGH-Urteile vom 8. Juni 2000 Rs. C-400/98 --Breitsohl--, Slg. 2000, I-4321, UR 2000, 329, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2000, 302; in Slg. 2000, I-4272, UR 2000, 336; Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. März 2001 V R 24/98, UR 2001, 214; vom 17. Mai 2001 V R 38/00, UR 2001, 550). Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht (endgültig), wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer mit der Lieferung eines Gegenstands oder der Ausführung einer Dienstleistung an den vorsteuerabzugsberechtigten Steuerpflichtigen entsteht (Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 77/388/EWG, sofern die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs nicht auf falscher Erklärung in Fällen von Betrug oder Missbrauch beruht (vgl. dazu außer den vorbezeichneten Entscheidungen auch EuGH-Urteile vom 29. Februar 1996 Rs. C-110/94 --Inzo--, Slg. 1996, I-857, UR 1996, 116; vom 14. Februar 1985 Rs. 268/83 --Rompelman--, Slg. 1985, 655, UR 1985, 199). Der Steuerpflichtige braucht daher die Aufnahme des tatsächlichen Betriebs seines Unternehmens nicht abzuwarten.

Wegen der zeitgleichen Entstehung von Steueranspruch und des Vorsteuerabzugsanspruchs muss sich der Unternehmer sofort entscheiden, für welche Ausgangsumsätze er die empfangenen Eingangsleistungen verwenden will (vgl. BFH-Urteile in UR 2001, 550; in UR 2001, 215). Ohne die Sofortentscheidung des Unternehmers über die beabsichtigten Verwendungsumsätze kann der Vorsteuerabzugsanspruch dem Grunde und der Höhe nach nicht beurteilt werden.

2.

Der Entscheidung des FG lässt sich nachvollziehbar nicht entnehmen, wodurch die Klägerin die Sofortentscheidung getroffen hat, die in den Streitjahren 1992 und 1993 bezogenen Eingangsleistungen für steuerpflichtige Vermietungsumsätze zu verwenden.

a)

Sie hat in der am 8. Juli 1994 abgegebenen Umsatzsteuererklärung für 1992 und in der am 21. Februar 1995 abgegebenen Umsatzsteuererklärung für 1993 Umsätze und Vorsteuerbeträge mit jeweils 0 DM angemeldet. Erst in der Begründung der Einsprüche mit dem Schriftsatz vom 3. Dezember 1998 gegen die erklärungsgemäßen Steuerfestsetzungen für 1992 und 1993 machte die Klägerin Vorsteuerbeträge für Planungsleistungen und andere mit der Bebauung zusammenhängende Leistungen von insgesamt . . . DM für 1992 und von . . . DM für 1993 aus Rechnungen der X-AG geltend. Das FG hat die Ursachen für die so späte Geltendmachung dieser erheblichen Vorsteuerbeträge nicht aufgeklärt. Es lässt sich nach den Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob die derart verzögerte Geltendmachung durch unternehmensinterne (organschaftliche) Gründe oder eine Absichtsänderung verursacht worden ist.

Ebenso wenig hat das FG untersucht, ob die Klägerin einzelne Leistungen, die aus den in Bezug genommenen Unterlagen ersichtlich sind, nicht bereits 1991 empfangen hat.

b)

Für den Vorsteuerabzug des Streitjahres 1993 ist noch festzustellen, ob die Klägerin das Baugrundstück in Erfüllung des Wiederkaufsrechts der Stadt gegen Rückzahlung des Kaufpreises in dem Zustand, in dem sie es erhalten hat, zurückverkauft (§§ 497 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) hat. Wenn die Klägerin der Stadt das Baugrundstück dagegen mit von ihr errichteten Bauelementen (z. B. Fundamente, Tiefgaragenteile) zurückverkauft hat und einen nach § 6 Abs. 6 des Kaufvertrages vereinbarten Verwendungsersatz erhalten hat, ist zu prüfen, ob die Klägerin dadurch eine steuerfreie Rücklieferung des Baugrundstücks ausgeführt hat. Die damit zusammenhängenden Eingangsleistungen berechtigen nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1991/1993 nicht zum Vorsteuerabzug. Zur Abgrenzung einer Rücklieferung von einer Rückgängigmachung der Hinlieferung eines Gegenstands weist der Senat auf seine Urteile vom 27. Juni 1995 V R 27/94 (BFHE 178, 277 , BStBl II 1995, 756) und vom 17. Dezember 1981 V R 75/77 (BFHE 135, 115, BStBl II 1982, 233) hin.

3.

Zur Nachholung der erwähnten Feststellungen verweist der Senat die Sache gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurück.

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