BFH

BFHIV R 88/9929.3.2001

Amtlicher Leitsatz:

1. Der Dualismus der Einkunftsarten und einkunftsspezifische Besonderheiten (wie etwa --bis 1986 allgemein-- die Erfassung des Nutzungswerts der Wohnung bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft) machen es erforderlich, zunächst die Einkunftsart zu klären, bevor die Frage der Liebhaberei zu prüfen ist.

2. Ein Steuerpflichtiger, der als nicht aktiver Landwirt einen verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erwirbt, erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Anschluss an BFH-Urteil vom 20. April 1989 IV R 95/87, BFHE 157, 365, BStBl II 1989, 863).

Normen

§ 2 Abs. 1 EStG
§ 13 EStG
§ 21 EStG

FG Münster

 

Gründe

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist zugleich Rechtsnachfolgerin ihres im Dezember 1999 verstorbenen Ehemannes E. Dieser war Betriebswirt und Geschäftsführer der E-GmbH und bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1983 als Prokurist in leitender kaufmännischer Stellung tätig. Die Ehegatten hatten eine 1986 verstorbene Tochter, die ausgebildete Industriekauffrau war; der Schwiegersohn ist von Beruf Gärtner.

Nach seiner Pensionierung suchten E und seine Ehefrau, die Klägerin, einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zur Eröffnung einer Gärtnerei mit Baumschule zu erwerben. Im Dezember 1985 kauften sie die bei O gelegene ehemalige Hofstelle "Ost", zu 35, 93 ha für 1, 5 Mio. DM. Zu dem durch die Autobahn geteilten Hofgelände gehörte u. a. auch eine 4, 61 ha große Forstfläche. Zum Zeitpunkt der Besitzübergabe waren die land- und forstwirtschaftlichen Flächen bis zum 30. September 1988 verpachtet.

1986 bezog der bei der E-GmbH beschäftigte Maurer G mit seiner Familie das Bauernhaus auf der Hofstelle "Ost" und wurde damit beauftragt, den Hof zu sanieren. Zum 1. Januar 1986 übernahm der Schwiegersohn mit einem Partner eine in U gelegene Gärtnerei, die als Gartenbau GbR fortgeführt wurde. Ab 1. Oktober 1988 wurden 20, 537 ha der gesamten landwirtschaftlichen Nutzflächen, nicht jedoch die forstwirtschaftlichen Flächen, für 16 Jahre an einen Landwirt verpachtet. Am 11. März 1992 verkauften die Klägerin und E den Betrieb für 1, 7 Mio. DM an die Stadt O.

In den Streitjahren 1985 bis 1991 erklärten die Klägerin und E aufgrund ihrer Bilanzen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung folgende Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft:

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Für das Wirtschaftsjahr 1991/92 erklärten die Klägerin und E unter Ansatz eines Veräußerungsgewinns einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 230 663, 22 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah die Betätigung nach einer Betriebsprüfung als Liebhaberei an, versagte den Ausgleich der Verluste und hob die vorläufig ergangenen Feststellungsbescheide auf.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen aus: Die Kläger hätten keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erziele, wer mit der Absicht der Gewinnerzielung nachhaltig unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr eine selbständige Tätigkeit ausübe und die natürlichen Kräfte des Bodens zur Gewinnung von Erzeugnissen nutze. Wer sich, wie die Kläger, im Wesentlichen auf die Verpachtung des land- und forstwirtschaftlichen Grundvermögens beschränke, erfülle diese Voraussetzungen nicht. Dies bedürfe indessen keiner abschließenden Entscheidung, weil es den Klägern an der Gewinnerzielungsabsicht gefehlt habe.

Mit ihrer dagegen gerichteten, vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Zur Begründung trägt die Klägerin vor: Im Streitfall habe keine Liebhaberei vorgelegen, da der Betrieb einer Gärtnerei mit Baumschule bereits wesensmäßig auf Gewinnerzielung gerichtet sei und nach der Lebenserfahrung nicht aus Gründen der persönlichen Freizeitgestaltung unterhalten werde. Nach seiner Pensionierung habe E sukzessiv einen Geschäftsbetrieb aufbauen wollen, der später einmal auf seine Tochter und den einschlägig ausgebildeten Schwiegersohn hätte übertragen werden sollen. Der Schwiegersohn sei nicht durch eine Konkurrenzklausel an einer Mitarbeit gehindert gewesen. Die von E erstellten und vorgelegten betriebswirtschaftlichen Planungen, Marktstudien und -analysen seien Beleg dafür, dass ein Totalgewinn angestrebt worden und zu erzielen gewesen sei. Bis zum Tod der Tochter seien diese Planungen auch umgesetzt worden.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den negativen Feststellungsbescheid vom 8. Februar 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. April 1996 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das FA hält die Revision für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Entgegen der Auffassung des FA genügt die Revisionsbegründung dem Formerfordernis des § 120 Abs. 2 FGO a. F. in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung, soweit die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Diese Vorschrift ist gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 --2. FGOÄndG-- (BGBl I 2000, 1757) im Streitfall noch anzuwenden, da das angefochtene Urteil des FG am 28. April 1998 verkündet worden ist.

Die Revisionsbegründung enthält einen bestimmten Antrag und bezeichnet die verletzte Rechtsnorm. Dazu ist es nicht erforderlich einen bestimmten Paragrafen zu benennen. Doch muss aus dem Vorbringen des Rechtsuchenden für das Revisionsgericht ohne weiteres erkennbar sein, welche materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Vorschrift im angegriffenen Urteil nicht oder nicht richtig angewendet worden sein soll (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 1990 VIII R 290/82, BFHE 163, 423, BStBl II 1991, 391, m. w. N. ).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Klägerin hat zwar in der Revisionsschrift und der Revisionsbegründungsschrift nicht ausdrücklich eine Rechtsnorm bezeichnet. Ihrem Gesamtvorbringen ist aber eindeutig zu entnehmen, dass eine fehlerhafte Anwendung der Liebhabereigrundsätze und damit eine Verletzung des § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerügt wird.

2. Die Revision ist auch begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil die vom FG getroffenen Feststellungen die Entscheidung nicht tragen.

a) Zu Unrecht hat das FG die Frage offen gelassen, ob die Klägerin und E die objektiven Voraussetzungen einer land- und forstwirtschaftlichen Betätigung erfüllt haben. Schon der Dualismus der Einkunftsarten aber auch die Besonderheit, dass bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft das Wohnhaus bis 1986 zum notwendigen Betriebsvermögen gehörte, machen es erforderlich, zunächst die Einkunftsart zu klären, bevor die Frage der Liebhaberei zu prüfen ist. Haben die Klägerin und E nämlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, so würden bei der Ermittlung der laufenden Einkünfte und des Totalüberschusses die auf das selbstgenutzte Wohnhaus entfallenden Aufwendungen, aber auch ein etwaiger auf das Wohnhaus entfallender Veräußerungsgewinn grundsätzlich ausscheiden. Diese Positionen haben FA und FG aber bei Ermittlung des Totalverlustes im Streitfall berücksichtigt.

b) Nach den Feststellungen des FG haben die Klägerin und E im Dezember 1985 einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erworben, dessen gesamte Nutzflächen von nahezu 36 ha bis zum 30. September 1988 verpachtet waren. Zu Unrecht ist daher das FA den Angaben der Klägerin und E's gefolgt, die ihre daraus bezogenen Einkünfte von Anfang an als solche aus Land- und Forstwirtschaft zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung erklärt hatten. Nach der Rechtsprechung des Senats, der die Finanzverwaltung gefolgt ist, setzt die Inanspruchnahme des sog. Verpächterwahlrechts voraus, dass der Betrieb zuvor von dem Verpächter selbst bewirtschaftet worden ist (Urteil vom 20. April 1989 IV R 95/87, BFHE 157, 365, BStBl II 1989, 863; Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 23. November 1990 IV B 2 -S 2242- 57/90, BStBl I 1990, 770; entgegen Abschn. 139 Abs. 5 Satz 18 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1987). Die Klägerin und E, die bei Erwerb des Betriebs in den Pachtvertrag über die land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen eingetreten sind (§§ 571 Abs. 1, 593b des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) hatten danach im Dezember 1985 Privatvermögen erworben, so dass auch hinsichtlich des Gebäudes nicht § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG, sondern allenfalls § 21 Abs. 2 EStG anzuwenden war.

Auch der Umstand, dass die Klägerin und E bereits im Zeitpunkt des Erwerbs beabsichtigten, die Flächen nach Ablauf des Pachtvertrags in Eigenbewirtschaftung zu übernehmen, kann nicht zur Begründung von Betriebsvermögen im Zeitpunkt des Erwerbs führen. Im Unterschied zu dem durch Senatsurteil vom 12. September 1991 IV R 14/89 (BFHE 165, 518 , BStBl II 1992, 134) entschiedenen Fall waren die Klägerin und E weder Landwirte noch hatten sie bereits einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, dessen Betriebsvermögen die hinzuerworbenen Flächen als notwendiges Betriebsvermögen hätten zugeordnet werden können (s. auch BFH-Urteil vom 6. März 1991 X R 57/88, BFHE 164, 246 , BStBl II 1991, 829).

3. a) Soweit die Klägerin und E nach Ablauf des von ihnen übernommenen Pachtvertrags nur einen Teil der landwirtschaftlichen Flächen auf 16 Jahre weiterverpachteten, ändert sich an dieser Beurteilung nichts. Auch insoweit erzielten sie Einkünfte aus privater Vermögensverwaltung durch Nutzung der Flächen, die sie zu keiner Zeit in Eigenbewirtschaftung genommen haben. Allerdings könnten die Klägerin und E hinsichtlich der nicht weiterverpachteten landwirtschaftlichen Flächen einen (eigenen) land- und forstwirtschaftlichen Betrieb eröffnet haben, wenn sie diese bewirtschaftet hätten. Dazu, und ob dies gegebenenfalls mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wurde, hat das FG keine Feststellungen getroffen. In diesem Fall hätte auch die Möglichkeit bestanden, die verpachteten Flächen zum gewillkürten Betriebsvermögen zu ziehen. Jedenfalls wären die Wirtschaftsgebäude notwendiges Betriebsvermögen geworden; zu diesem Zeitpunkt konnte das Wohnhaus allerdings nach Einführung der sog. Privatgutlösung nicht mehr land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen werden (§ 52 Abs. 15 Satz 1 EStG 1987).

b) Wie das FG weiter festgestellt hat, wurde auch die 1985 miterworbene 4, 61 ha große Forstfläche nicht wieder verpachtet. Nach Beendigung des Pachtverhältnisses haben die Klägerin und E daher auch über diese Fläche wieder frei verfügen können. Die Klägerin und E könnten daher zu diesem Zeitpunkt einen eigenständigen Forstbetrieb oder einen, einer selbstbewirtschafteten Landwirtschaft zugehörigen forstwirtschaftlichen Teilbetrieb aufgenommen haben. Dies hätte zur Folge, dass die entsprechenden Flächen nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a und Nr. 6 EStG mit dem Teilwert anzusetzen waren (s. auch Senatsurteil vom 29. April 1999 IV R 63/97, BFHE 188, 386) und später ein, unter Umständen auch tarifbegünstigter, Veräußerungsgewinn angefallen wäre.

4. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und unzureichenden tatsächlichen Feststellungen; sie ist daher aufzuheben. Der Senat kann nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob und für welchen Zeitraum die Klägerin und E Verpachtungseinnahmen mit der auch für die Einkünfte nach § 21 EStG erforderlichen Überschusserzielungsabsicht erzielten. Ferner fehlen Feststellungen dazu, ob die Klägerin und E nach Übernahme der Eigenbewirtschaftung der zuvor verpachteten Flächen einen landwirtschaftlichen Betrieb eröffnet haben, dem unter Umständen auch die wiederverpachteten Flächen als gewillkürtes und die nach Beendigung des Pachtverhältnisses übernommenen Forstflächen als notwendiges Betriebsvermögen zuzuordnen waren, und ob auch für diese Betätigung Gewinnerzielungsabsicht vorlag. Dabei sind zur Berechnung des Totalgewinns die Aufwendungen für das Wohngebäude auszuscheiden.

Für den Fall, dass das FG zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin und E hätten keinen landwirtschaftlichen Betrieb eröffnet, wird es schließlich prüfen müssen, ob die Ehegatten nach Beendigung des Pachtverhältnisses im Jahre 1988 einen eigenständigen Forstbetrieb eröffnet, mit Gewinnerzielungsabsicht unterhalten und später (1992) veräußert haben. Die verhältnismäßig geringe Größe der Forstfläche von 4, 61 ha würde einer solchen Beurteilung nicht entgegenstehen. Zwar hat der Senat Zweifel daran geäußert, ob eine Fläche von lediglich fast 2 ha auch als selbständiger forstwirtschaftlicher Teilbetrieb angesehen werden kann (Urteil vom 18. Mai 2000 IV R 28/98, BFH/NV 2000, 1455). Andererseits sind die Anforderungen für die Annahme eines Teilbetriebs bei den sog. aussetzenden Forstbetrieben durch die Rechtsprechung des Senats stark herabgesetzt worden, so dass für die Bejahung einer Teilbetriebsveräußerung allein die Übertragung eines Areals mit Waldbestand von einer bestimmten Mindestgröße genügt (vgl. Senatsurteil vom 5. November 1981 IV R 180/77, BFHE 134, 426, BStBl II 1982, 158, m. w. N. ). Entsprechend hat der Senat in einem Fall die übertragene Teilfläche von 5, 55 ha als Teilbetrieb eines aussetzenden forstwirtschaftlichen Betriebs angesehen (Urteil vom 9. Dezember 1960 IV 67/58 U, BFHE 72, 331, BStBl III 1961, 124), während er in einem anderen Fall eine aufgeforstete Fläche von 0, 7 ha nicht als forstwirtschaftlichen Betrieb beurteilt hat (Urteil vom 26. Juni 1985 IV R 149/83, BFHE 144, 67, BStBl II 1985, 549). Die Annahme eines eigenständigen Forstbetriebs würden eine planmäßige Aufforstung und die Erzielung von Einnahmen durch Holzeinschlag stützen. Für den Fall der Bejahung eines Forstbetriebs wird das FG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats weiter prüfen müssen, ob auch diesen Bewirtschaftungsmaßnahmen eine Gewinnerzielungsabsicht zu Grunde gelegen hat (s. etwa Urteil in BFHE 144, 67, BStBl II 1985, 549, und vom 18. Mai 2000 IV R 27/98, BFHE 192, 287, BStBl II 2000, 524).

5. Da die Vorentscheidung bereits aus anderen Gründen aufzuheben war, musste über die erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr entschieden werden.

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