§ 119 Abs. 1 AO 1977
§ 118 AO 1977
§ 157 BGB
§ 133 BGB
§ 9 AnfG
§ 7 AnfG
§ 115 Abs. 3 S. 3 FGO (a.F.)
§ 118 Abs. 2 FGO
Gründe
Der Ehemann der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hielt als Kommanditist der S. GmbH und Co. KG eine Kommanditeinlage in Höhe von 95 000 DM. Mit privatschriftlichem Vertrag vom 17. Dezember 1992 übertrug er seinen Kommanditanteil mit Wirkung zum 4. Januar 1993 zu verschiedenen Teilen an drei Erwerber, u. a. einen Anteil an Herrn A in Höhe von 71 250 DM. Am gleichen Tag schloss er mit dem Erwerber A einen Treuhandvertrag, wonach dieser einen Teil des übertragenen Anteils, nämlich einen Anteil in Höhe von 59 375 DM, treuhänderisch für ihn halten sollte. Am 4. August 1994 trat der Ehemann der Klägerin die Rechte aus dem Treuhandvertrag mit Zustimmung des Treuhänders durch notariellen Vertrag an seine Ehefrau, die Klägerin, ab.
Mit Duldungsbescheid vom 2. August 1995 focht der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) wegen fälliger und vollstreckbarer Steuerschulden des Ehemannes der Klägerin in Höhe von . . . DM "die Übertragung des Kommanditanteils an der Firma S. GmbH & Co. . . , der von Herrn . . . A . . . für ihren Ehemann gem. Vertrag vom 17. 12. 1992 treuhänderisch gehalten wurde, aufgrund des Vertrags vom 04. 08. 1994" nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Anfechtungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung (AnfG) i. V. m. § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) an. Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 23. April 1996) und anschließende Klage der Klägerin gegen den Duldungsbescheid blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hielt den Duldungsbescheid für materiell rechtmäßig. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei er auch formell rechtmäßig ergangen. Der Anfechtungsgegenstand, die von der Klägerin durch Übertragung seitens ihres Ehemannes erworbene Rechtsstellung als Treuhänderin, sei vom FA in dem angefochtenen Duldungsbescheid hinreichend bestimmt i. S. von § 119 Abs. 1 AO 1977 bezeichnet worden. Ein Verwaltungsakt sei auch dann hinreichend bestimmt, wenn sich sein Regelungsinhalt durch Auslegung ermitteln lasse. Dabei komme es nach §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) darauf an, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des Verwaltungsakts unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte, wobei nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks gehaftet werden dürfe. Hiernach sei für die Klägerin als Adressatin des Bescheids eindeutig erkennbar gewesen, dass mit dem Duldungsbescheid nicht die Übertragung des Kommanditanteils als solche, was rechtlich auch gar nicht möglich gewesen wäre, sondern die Übertragung der von ihrem Ehemann innegehaltenen Treugeberstellung an die Klägerin angefochten worden sei. Dies folge daraus, dass das FA in einem Satz sowohl die Übertragung des Kommanditanteils als auch das Treuhandverhältnis zwischen dem Ehemann der Klägerin und Herrn A erwähne und ferner Bezug auf den notariellen Vertrag vom 4. August 1994 genommen habe, in dem der Klägerin von ihrem Ehemann die Rechte aus dem Treuhandvertrag mit Zustimmung des Treuhänders abgetreten worden seien.
Gegen dieses Urteil des FG richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die diese auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- in der bis zum 31. Dezember 2000 gültigen Fassung = a. F. ) und auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a. F. ) stützt. Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Senat lässt offen, ob die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der von ihr zwar nicht ausdrücklich formulierten, aber dem Sinne nach noch hinreichend deutlich aufgeworfenen Rechtsfrage, ob nämlich ein Duldungsbescheid als belastender Verwaltungsakt angesichts des Bestimmtheitsgebots des § 119 Abs. 1 AO 1977 und angesichts seiner besonderen Rechtswirkungen für die Vollstreckung hinsichtlich der Bezeichnung des Anfechtungsgegenstands einer Auslegung nach den üblichen Regeln überhaupt zugänglich ist oder ob der Gegenstand der Anfechtung im Duldungsbescheid nicht klar und eindeutig bezeichnet werden muss, in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a. F. entsprechenden Weise dargelegt hat, denn diese Frage ist nicht mehr klärungsbedürftig. Sie ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits geklärt; eine grundsätzliche Bedeutung kommt ihr daher nicht zu.
a) Mit der Klägerin ist davon auszugehen, dass im Falle der Anfechtung der Klageantrag nach § 9 AnfG bestimmt zu bezeichnen hat, in welchem Umfang und in welcher Weise die Rückgewähr des anfechtbar erworbenen Gegenstandes bewirkt werden soll. Erfolgt die Anfechtung statt durch Klage vor den ordentlichen Gerichten wie im Streitfall im Verwaltungswege durch Duldungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 AO 1977 (zur Gleichwertigkeit s. grundlegend bereits das Senatsurteil vom 2. März 1983 VII R 120/82, BFHE 138, 10, BStBl II 1983, 398), muss auch der Duldungsbescheid den Anforderungen des § 9 AnfG genügen. Denn § 191 Abs. 1 AO 1977 enthält nur insoweit eine Spezialregelung, als darin für das Verwaltungsverfahren die Inanspruchnahme des Anfechtungsgegners durch Verwaltungsakt anstelle durch Klage zulässig ist (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl. , § 191 AO 1977 Rz. 188). Da es sich bei dem Duldungsbescheid um einen Verwaltungsakt i. S. des § 118 AO 1977 handelt, gilt ergänzend die Regelung des § 119 Abs. 1 AO 1977, wonach ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein muss. Auch der Senat ist in seiner bisherigen Rechtsprechung stets von dem Grundsatz ausgegangen, dass ein Duldungsbescheid den Gegenstand genau bezeichnen muss, dessen Rückgewähr nach § 7 AnfG begehrt wird. So hat er z. B. entschieden, dass ein ausdrücklich auf Eigentumserwerb an einem Grundstück gestützter Rückgewährsanspruch gegen den Käufer des Grundstücks nicht besteht, wenn für diesen nur eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen war, und dass in einem solchen Fall der Duldungsbescheid nicht etwa dahin gehend verstanden werden könne, als sei der Rückgewährsanspruch lediglich auf Verzicht der Sicherungsrechte des Käufers aus der für ihn im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung gerichtet (vgl. das Senatsurteil vom 15. Oktober 1996 VII R 35/96, BFHE 181, 268, BStBl II 1997, 17). Diese Entscheidung war von der Überlegung getragen, dass eine Auslegung des Duldungsbescheids in diesem Sinne nicht mehr als zulässig angesehen werden kann, da sie infolge des dadurch eintretenden Austauschs des ausdrücklich bezeichneten Anfechtungsgegenstandes einer mit dem Bestimmtheitsgebot nicht zu vereinbarenden Umdeutung gleich käme.
b) Das Gebot der genauen Bezeichnung des Anfechtungsgegenstandes bzw. der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit des Duldungsbescheids steht indessen einer Auslegung des Duldungsbescheids und auch des darin bezeichneten Anfechtungsgegenstandes nach den üblichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB nicht entgegen. Unklarheiten und Ungenauigkeiten des Regelungsinhalts eines Verwaltungsakts können durch Auslegung geklärt und behoben werden, wobei es grundsätzlich keinen Unterschied macht, ob es sich dabei um einen begünstigenden oder um einen belastenden Verwaltungsakt handelt. In allen Fällen eines Verwaltungsakts kommt es entscheidend darauf an, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des Verwaltungsakts unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen durfte, wobei nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks gehaftet werden darf und im Zweifel allerdings das den Betroffenen weniger belastende, bei einem begünstigenden Verwaltungsakt mithin das ihn mehr begünstigende, Auslegungsergebnis vorzuziehen ist (vgl. den Senatsbeschluss vom 25. August 1981 VII B 3/81, BFHE 134, 97, BStBl II 1982, 34, und das Senatsurteil vom 3. Dezember 1985 VII R 17/84, BFHE 145, 492, BStBl II 1986, 439, m. w. N. ).
Entgegen der Auffassung der Klägerin gelten diese Grundsätze auch für einen Duldungsbescheid, denn die vollstreckungsrechtlichen Besonderheiten erfordern es nicht, von den allgemein für Verwaltungsakte geltenden Grundsätzen abzuweichen. So hat denn der Senat sogar die Anwendung der Auslegungsregel "falsa demonstratio non nocet" auf einen Duldungsbescheid für möglich erachtet und entschieden, dass mit dieser Auslegungsregel die irrtümliche Bezeichnung des zurückzugewährenden Gegenstandes im Duldungsbescheid geheilt werden kann (Senatsbeschluss vom 24. August 1998 VII B 151/98, BFH/NV 1999, 155). Erst recht muss es dann möglich sein, lediglich Ungenauigkeiten oder Unklarheiten bei der Bezeichnung des Anfechtungsgegenstandes im Wege der Auslegung zu beheben.
c) Auch soweit die Klägerin es im Zusammenhang mit der aufgeworfenen Frage der Auslegungsfähigkeit eines Duldungsbescheids für rechtsgrundsätzlich bedeutsam halten sollte, in welchen Fällen oder unter welchen Umständen ein Duldungsbescheid dem Bestimmtheitsgebot des § 119 Abs. 1 AO 1977 genügt, ist die Beschwerde zumindest unbegründet. Denn welche Anforderungen in dieser Hinsicht an einen Steuerbescheid allgemein oder einen Duldungsbescheid im Besonderen zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. das BFH-Urteil vom 12. Oktober 1983 II R 56/81, BFHE 139, 432, BStBl II 1984, 140). Dies hat zum einen zur Folge, dass die an die Bestimmtheit von Steuerbescheiden (oder bestimmter Arten von Steuerbescheiden) im Einzelnen und konkret zu stellenden Anforderungen regelmäßig nicht allgemein festgestellt werden können. Zum anderen führt diese Einzelfallbezogenheit dazu, dass Rechtsfragen in diesem Zusammenhang nur selten über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben werden (BFH-Beschluss vom 9. November 1994 II B 142/93, BFH/NV 1995, 489). So verhält es sich im Streitfall. Der zugrunde liegende Sachverhalt ist so speziell, dass aus ihm für etwa ähnlich gelagerte Fälle unter Berücksichtigung zulässiger Auslegung (oben b) keine allgemeinen Grundsätze hinsichtlich der Einhaltung des Bestimmtheitsgebotes bei der Bezeichnung des Anfechtungsgegenstandes aufgestellt werden können.
Erst recht kann die Frage, ob im Streitfall dem Bestimmtheitsgebot (unter Berücksichtigung zulässiger Auslegung) Genüge getan worden ist, nicht von grundsätzlicher Bedeutung sein. Denn diese Frage wäre, wie das FA zutreffend vorgetragen hat, in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil der BFH als Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die Tatsachenwürdigung des FG, dass die Bezeichnung des Anfechtungsgegenstandes in dem angefochtenen Duldungsbescheid hinreichend bestimmt i. S. von § 119 Abs. 1 AO 1977 ist, gebunden wäre und dass es infolge dessen für die Klägerin klar erkennbar war, dass Gegenstand der Anfechtung ausschließlich die Übertragung der Treugeberstellung des Ehemannes der Klägerin auf die Klägerin war. Dabei wäre der BFH an diese Tatsachenwürdigung auch dann gebunden, wenn diese nicht zwingend, sondern nur möglich ist (BFH in BFH/NV 1995, 489). Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Tatsachenfeststellung durch das FG etwa verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sein sollte.
d) Mit der Behauptung schließlich, das FG sei zu einem falschen Auslegungsergebnis gekommen und sein Urteil sei daher materiell rechtsfehlerhaft, kann die Klägerin im Verfahren über die Zulassung der Revision nicht gehört werden, denn fehlerhafte Rechtsanwendung gibt für sich allein keinen Revisionszulassungsgrund ab. Dasselbe gilt für die Behauptung, der Bescheid sei materiell rechtswidrig, weil das FA sein Ermessen nicht zutreffend ausgeübt habe. Auch mit der aufgeworfenen Frage nach der Zulässigkeit einer Umdeutung geht die Beschwerde ins Leere, da das FG hierzu ersichtlich nicht entschieden hat.
2. Soweit die Klägerin ihre Beschwerde auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a. F. ) stützt, ist sie unzulässig. Bei diesem Zulassungsgrund muss unter genauer Bezeichnung der Divergenzentscheidung(en) des BFH bzw. des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) kenntlich gemacht werden, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegt. Der Beschwerdeführer muss dartun, dass das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des BFH bzw. des BVerfG nicht übereinstimmt. Hierzu müssen in der Beschwerdebegründung abstrakte Rechtssätze des angefochtenen Urteils und der mutmaßlichen Divergenzentscheidung(en) herausgearbeitet und gegenübergestellt werden, so dass eine Abweichung erkennbar wird. Es muss sich jeweils um die Entscheidung tragende Rechtssätze handeln (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. die BFH-Beschlüsse vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, 672, und vom 7. Dezember 1994 II B 179/93, BFH/NV 1995, 695, jeweils m. w. N. ).
Der Beschwerdebegründung kann der Senat eine Gegenüberstellung von abstrakten Rechtssätzen in dem bezeichneten Sinne nicht entnehmen. Eine Divergenz des angefochtenen FG-Urteils zur Rechtsprechung des BFH ist auch nicht ersichtlich. Die Ausführungen der Klägerin hierzu beruhen auf der Unterstellung, dass der angefochtene Duldungsbescheid eindeutig die Übertragung des Kommanditanteils als Anfechtungsgegenstand bezeichne. Davon ist das FG aber gerade nicht ausgegangen. Es hat keineswegs einen Rechtssatz etwa dahin gehend aufgestellt, man könne auch im Falle eindeutiger Bezeichnung des Anfechtungsgegenstandes im Duldungsbescheid im Wege der Auslegung zu einem anderen, davon abweichenden Anfechtungsgegenstand gelangen.