Normen
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG
§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG
§ 21 Abs. 2 EStG
Gründe
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden für das Streitjahr 1994 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Mit Vertrag vom 27. April 1993 erwarben sie je zur Hälfte eine rd. 80 qm große Eigentumswohnung für 460 000 DM. Davon wurden 300 000 DM fremdfinanziert. Die Wohnung unterlag für 10 Jahre einer Mietpreisbindung; im Streitjahr betrug der zulässige Mietzins 14, 50 DM pro Quadratmeter.
Wie bereits im Kaufvertrag festgelegt, vermieteten die Kläger mit Wirkung ab 1. April 1994 am 26. März 1994 die Wohnung an die Eltern des Klägers. Die Miete solle 750 DM zuzüglich Nebenkosten und 50 DM für einen Garagenstellplatz betragen, was einem Mietzins von 9, 49 DM pro Quadratmeter entsprach. In dem notariellen Kaufvertrag vom 27. April 1993 wurde den Eltern des Klägers (geboren 1931 bzw. 1934) als Gesamtberechtigten ein Wohnungsrecht gemäß § 1093 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als beschränkt persönliche Dienstbarkeit mit der Maßgabe eingeräumt, daß beim Tode des Erstversterbenden das Recht auf den Überlebenden übergeht. Das Mietverhältnis wurde wie vereinbart durchgeführt.
In ihrer Einkommensteuererklärung 1994 machten die Kläger für die Wohnung einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von 48 599 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte den Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht an, weil keine Einkünfteerzielungsabsicht gegeben sei. Im übrigen halte das Mietverhältnis aufgrund des eingeräumten Wohnungsrechts einem Fremdvergleich nicht stand.
Nach vergeblichem Einspruch erhoben die Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurückgewiesen hat (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 71). Das FG begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
Die Annahme der Liebhaberei sei gerechtfertigt, wenn 1. ein Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten nicht zu erwarten sei und 2. private Neigungen des Steuerpflichtigen i. S. des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die von ihm ausgeübte Tätigkeit im Vordergrund stünden. Dabei sei auf das Gesamtergebnis der voraussichtlichen Vermögensnutzung abzustellen. Das FG halte eine Prognose über einen Zeitraum von 50 oder 100 Jahren für nicht möglich, ohne in einen spekulativen Bereich zu gelangen. Anzuknüpfen sei an einen überschaubaren Zeitraum, wobei zur Bestimmung dieses Zeitraums die objektiv vorliegenden Tatsachen zugrunde zu legen seien. Im Streitfall hätten die Kläger für 10 Jahre mit einer Mietpreisbindung (höchstens 14, 50 DM pro Quadratmeter) rechnen müssen. Mit Rücksicht auf die Einräumung des Wohnungsrechts zugunsten der Eltern sei bei der Lebenserwartung der Eltern von 25 Jahren für diesen Zeitraum die Freiverfügbarkeit über die Wohnung ausgeschlossen gewesen. Für diesen Zeitraum seien sie faktisch gehindert gewesen, nach Ablauf der Mietpreisbegrenzung eine marktübliche Miete zu verlangen; denn die Wohnungsgewährung gemäß § 1093 BGB sei grundsätzlich unentgeltlich.
Mit 9, 49 DM pro Quadratmeter seien die Kläger deutlich unter dem zulässigen Mietzins geblieben und dies auch dann noch, nachdem sie die Miete auf 11, 38 DM pro Quadratmeter erhöht hätten. Dies sei allein durch die familiäre Bindung der Kläger an die Mieter zu erklären. Unter Fremden sei solch ein freiwilliger Verzicht auf mögliche Mieteinnahmen unüblich.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG vom 30. September 1996 2 K 2970/95 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1994 dahingehend zu ändern, daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ein Werbungskostenüberschuß in Höhe von 48 599 DM berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht dem Mietvertrag der Kläger mit den Eltern des Klägers die steuerrechtliche Anerkennung versagt und dem Grunde nach die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG verneint.
1. Mit dem FG ist der Senat der Auffassung, daß ein Steuerpflichtiger nur dann Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 EStG erzielt, wenn er die Absicht hat, durch die Vermietung langfristig einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. September 1994 IX R 71/93, BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116; BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 435, BStBl II 1984, 751, zu C. IV. 3. c).
a) Davon ist grundsätzlich auszugehen, wenn ein Grundstück (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) auf Dauer vermietet wird (BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, zu 2. c; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 4. November 1998 IV C 3 -S 2253- 8/98, BStBl I 1998, 1444). Dabei entspricht es dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG, auch solche Sachverhalte zu erfassen, bei denen über einen längeren Zeitraum hin Werbungskostenüberschüsse erzielt werden, solange es sich um übliche (typische) Fälle der Vermietung handelt. So hat der Senat entschieden, daß in Fällen langfristiger Vermietung von der Einkünfteerzielungsabsicht so lange auszugehen ist, als nicht besondere Umstände gegen sie sprechen (BFH in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, zu 2. d). D. h. , nicht jede Abweichung vom Üblichen macht ein Mietverhältnis einkommensteuerrechtlich unbeachtlich.
b) Indem er bei einem üblichen Mietverhältnis von der Überschußerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen ausgeht, rückt der Senat nicht von dem Grundsatz ab, daß die Absicht bestehen muß, auf Dauer einen positiven Überschuß zu erzielen (BFH-Beschluß in BFHE 141, 405, 435, BStBl II 1984, 751). Er ist aber mit dem FG der Ansicht, daß auf diese Absicht in der Regel nicht aufgrund einer Kalkulation über 50 oder gar 100 Jahre geschlossen werden kann; eine solche Kalkulation enthält zu viele spekulative Komponenten. Andererseits kann allein der Umstand, daß bei üblicher Finanzierung über mehrere Jahre hin Werbungskostenüberschüsse entstehen, nicht dazu führen, die Überschußerzielungsabsicht für diesen Zeitraum zu verneinen. Wenn in den darauf folgenden Jahren dann positive Überschüsse erwirtschaftet werden, wäre sie unter dem Gesichtspunkt des "Umschlagens" der Absicht zu bejahen, obwohl die Entwicklung von vornherein absehbar war. Das widerspräche nach Auffassung des Senats dem Nettoprinzip. Er hält es darüber hinaus mit § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG für unvereinbar, einen Sachverhalt aus dem Anwendungsbereich dieser Norm auszuschließen, der noch als ein üblicher Fall langfristiger Vermietung zu werten ist. Insoweit müßten Begrenzungen oder Einschränkungen dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.
c) Das FG geht weiter zu Unrecht davon aus, daß die Vereinbarung des Wohnungsrechts (§ 1093 BGB) faktisch einer unentgeltlichen Überlassung der Wohnung gleichzusetzen sei, weil der Mietvertrag ins Leere laufe.
Wird ein Mietvertrag neben einem Wohnungsrecht vereinbart, bedarf es der Auslegung, was die Beteiligten gewollt haben. Jedenfalls führt ein Nebeneinander von Mietvertrag und Wohnungsrecht nicht ohne weiteres dazu, daß Vereinbarungen über ein Entgelt unwirksam sind (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 1968 V ZR 221/64, Betriebs-Berater 1968, 767; vom 25. Januar 1974 V ZR 68/72, Rechtspfleger 1974, 187; ferner Senatsurteil vom 3. Februar 1998 IX R 38/96, BFHE 185, 379 , BStBl II 1998, 539). Aber selbst wenn die Vereinbarung im Kaufvertrag, einen Mietvertrag abzuschließen, und der spätere Mietvertrag für die Inhaber des Wohnungsrechts zivilrechtlich nicht bindend sein sollten, wäre dies angesichts ihres tatsächlichen Verhaltens allein kein Grund anzunehmen, daß sie sich in Zukunft darauf berufen werden und den Vermietern deshalb von vornherein die Absicht fehlte, Mieteinnahmen zu erzielen. Davon durfte das FG nur ausgehen, wenn es Anhaltspunkte dafür gab, daß die Eltern des Klägers Mietzahlungen oder auch Mieterhöhungen unter Berufung auf das Wohnungsrecht verweigern würden. Das ist nicht erkennbar.
d) Der Verzicht der Kläger auf die mögliche Miete kann allein ebenfalls nicht zur Verneinung der Absicht führen, langfristig Überschüsse zu erzielen. Dafür spricht bereits die Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG. Sie liefe ins Leere, wenn bei einer unter dem Marktüblichen liegenden Miete die Überschußerzielungsabsicht ohne weiteres verneint würde und damit die Verwirklichung des Tatbestandes des § 21 Abs. 1 EStG. Die Absicht, langfristig Überschüsse zu erzielen, ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn infolge der ermäßigten Miete über mehrere Jahre hin zunächst ein Werbungskostenüberschuß entsteht oder --wie hier-- sich erhöht.
Wird andererseits eine Wohnung zu einem erheblich unter der Marktmiete liegenden Preis vermietet, kann dies ein Indiz für das Fehlen der Überschußerzielungsabsicht sein. Zu ihrer Verneinung müssen aber weitere Umstände hinzukommen, die den Sachverhalt insgesamt als ungewöhnlich entsprechend den vom Senat angeführten Beispielen (BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, zu 2. d) kennzeichnen.
e) Das FG war allerdings an der Prüfung der Überschußerzielungsabsicht nicht deshalb gehindert, weil die vereinbarte Miete sich im Rahmen der Miete des § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG hielt (BFH-Urteil vom 25. Januar 1994 IX R 139/92, BFH/NV 1995, 11, zu 1. b; FG des Saarlandes, Urteil vom 14. Juni 1995 1 K 213/94, rechtskräftig, EFG 1995, 837; FG Münster, Urteil vom 17. Januar 1996 1 K 5456/95 E, rechtskräftig, EFG 1996, 978; FG Bremen, Urteil vom 23. Februar 1995 194247 K 1, rechtskräftig, EFG 1995, 840). Die Frage, ob in einem bestimmten Veranlagungszeitraum Werbungskosten zu kürzen sind (Regelungsinhalt des § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG) oder ob ein Totalüberschuß beabsichtigt ist, sind zwei unterschiedliche Fragen. Würde ferner die Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht in dieser Weise ausgelegt, hätte der Senat bereits aus diesem Grund im Hinblick auf Art. 3 des Grundgesetzes Bedenken wegen ihrer Verfassungsmäßigkeit (dazu Paus, Deutsche Steuer-Zeitung 1987, 88).
2. Die Sache ist entscheidungsreif. Der Klage ist stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Der vom FG festgestellte Sachverhalt bewegt sich noch im Rahmen einer üblichen Vermietung und wird daher von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfaßt. Eine der im Urteil in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, zu 2. d angeführten Ausnahmen ist hier nicht gegeben. Der Verzicht auf die marktübliche (zulässige) Miete allein vermag, jedenfalls dann wenn er sich in dem hier festgestellten Rahmen (Miete rd. zwei Drittel der Marktmiete) bewegt und eine Mieterhöhung nicht ausgeschlossen ist, eine Verneinung der Überschußerzielungsabsicht noch nicht zu rechtfertigen. Die Aufnahme von Fremdmitteln in Höhe von 65 v. H. der Anschaffungskosten ist nicht unüblich und daher kein zusätzliches Indiz für das Fehlen der Überschußerzielungsabsicht.
Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung in BFH/NV 1995, 11; denn die Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Dort ging es nicht um die Frage der marktüblichen Miete, sondern um das Verhältnis zwischen Miete und Herstellungskosten; das ist mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Auch in den Entscheidungen vom 30. August 1994 IX R 63/92 (BFH/NV 1995, 388, zu 2. ), vom 15. Dezember 1992 IX R 13/90 (BFHE 170, 162, BStBl II 1993, 490) und vom 4. Juni 1986 IX R 80/85 (BFHE 147, 315, BStBl II 1986, 839) hat der Senat die Absicht, Überschüsse zu erzielen, nicht allein aufgrund des Verzichts auf die Marktmiete in Frage gestellt.
Unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs kann die Überschußerzielungsabsicht hier ebenfalls nicht verneint werden. Der Umstand allein, daß die Miete möglicherweise mit Rücksicht auf die verwandschaftlichen Beziehungen, also aus persönlichen Gründen, herabgesetzt war, ist nicht ausschlaggebend; denn dies ist bei § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG typischerweise der Fall. Auch die Verbindung mit dem Wohnungsrecht berührt die Absicht, langfristig Überschüsse zu erzielen, nicht.
Über die Höhe des geltend gemachten Werbungskostenüberschusses besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.